* Gancao Xiexin Tang pinellia dekokt zur reinigung des herzens Eine vergessene Schlüsselrezeptur zur Behandlung toxischer Hautzustände von heiner frühauf Gancao Xiexin Tang findet ihre erste Erwähnung durch den Han-Arzt Zhang Zhongjing vor etwas 1.800 Jahren. Sowohl das Shanghan lun als auch das Jingui yaolüe, die beiden heute getrennten Teile seines klassischen Führers über Kräuterrezepturen (Shanghan zabing lun), erwähnen diese besondere Rezeptur. In der heutigen Zeit wird diese Rezeptur gewöhnlich als eine Variation des weit verbreiteten Pinellia Dekoktes zur Reinigung des Herzens (Banxia Xiexin Tang) betrachtet und folglich meistens als eine Rezeptur für den Banxia Xiexin Tang Symptomkomplex (Unbehagen im Magenbereich, Aufstoßen, Diarrhö) verordnet. Dies entspricht genau der empfohlenen Verwendung dieser Rezeptur im Shanghan lun, wo Gancao Xiexin Tang und Shengjiang Xiexin Tang als Variationen der Basisrezeptur Banxia Xiexin Tang aufgelistet werden. Die meisten Praktiker der Chinesischen Medizin sind sich jedoch nicht bewusst, dass Gancao Xiexin Tang im Jingui yaolüe als eigenständige Rezeptur aufscheint, wo sie für einen völlig anderen Zustand empfohlen wird. Die Jingui-Rezeptur verwendet im Unterschied zu ihrer ersten Erwähnung im Shanghan lun rohes anstelle von angebratenem Licorice, was die Rezeptur in erster Linie zu einer Arznei gegen „giftige“ Zustände macht. Sie erscheint als Standardarznei im Kapitel „Huhuo-Erkrankung“, ein Gebrechen, das wie folgt beschrieben wird: Patienten mit einer Huhuo-Erkrankung (wörtlich: Fuchs- und Ungeziefererkrankung) weisen Symptome auf, die einer Fiebererkrankung nicht unähnlich sind: apathische Depression mit Schlafbedürfnis, sind jedoch nicht in der Lage, die Augen zu schließen und stehen rastlos auf und legen sich wieder nieder. Ein Wurm, der den Rachen heimsucht wird huo (Ungeziefer/Gewürm) genannt und einen Wurm, der den Anus und die Genitalien befällt nennt man hu (Fuchs). Die Patienten haben typischerweise kein Bedürfnis zu essen oder zu trinken, zeigen eine Abneigung gegen Essensgerüche oder unangenehme Düfte und ihre Gesichtsfarbe wechselt von rot über dunkel zu weiß. Wenn der Wurm den oberen Teil des Körpers plagt, können die die Patienten an Stimmverlust leiden. Verwenden Sie für diesen Zustand Gancao Xiexin Tang: Gancao (4 liang), Huangqin (3 liang), Renshen (3 liang), Ganjiang (3 liang), Huangliang (l liang), Dazao (12 Stück), Banxia (1/2 sheng). [Die Überlieferungen variieren darin, ob Renshen/Ginseng in der Rezeptur enthalten ist oder nicht] Seit der Wiederentdeckung des Jingui während der Tang-Dynastie, gab es eine lebhafte Diskussion zur Interpretation der Huhuo-Erkrankung. Die meisten Deutungen stimmen darin überein, dass dieser „Wurmbefall“ als eine Art von metaphorischem „Gift“ verstanden werden muss und nicht als ein realer Wurm, der vom Auge des Arztes entdeckt werden kann. Die Erwähnung des „Fuchses“ – eine offensichtliche Metapher, die von Zhang Zhongjing benutzt wurde, um die Tendenz des Krankheitserregers zu beschreiben, in feuchte, dunkle Höhlen zu kriechen wie ein Fuchs – scheint diese Behauptung zu bekräftigen. Der Tang-Arzt Sun Simiao weißt in seinem einflussreichen medizinischen Kompendium Qianjin yaofang darauf hin, dass eine „Huhuo-Erkrankung durch Hitzegift verursacht wird“ und Qin Bowei, einer der hoch gelobtesten © 2010 heiner frühauf 1 classicalchinesemedicine.org gancao xiexin tang (pinellia dekokt zur reinigung des herzens): eine vergessene schlüsselrezeptur zur behandlung toxischer hautzustände heiner frühauf Theoretiker Chinesischer Medizin im 20. Jahrhundert, fügt hinzu, dass „Huhuo für die Menschen des Altertum ein schwer zu fassendes, ausweichendes Tier war und sie folglich diesen Terminus als Metapher verwendeten, um eine Erkrankung zu beschreiben, die in beispielloserweise voranschreitet.“ Durch die gesamte Medizingeschichte Chinas hindurch wurde diese Rezeptur daher als primäre Behandlungsform für Patienten mit „giftigen“ Hauterkrankungen betrachtet, Augen, Mund, Anus und Genitalien eingeschlossen. Darüber hinaus setzt eine Analyse der Worte „hu“ und „huo“ wie sie vor und während Zhang Zhongjings Zeit gebraucht wurden diese zu sexueller Promiskuität in Beziehung; ein starker Hinweis darauf, dass Zhang Zhongjing sich auf eine sexuell übertragene Erkrankung bezogen haben könnte. Jüngere Interpretationen der Huhuo-Erkrankung schließen daher die Syphilis ein; eine Theorie, die zuerst von dem bekannten Jingui Experten und frühen Pionier der Verbindung von TCM und westlicher Therapie Cao Yingpu formuliert wurde, der im Shanghai der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts die Pinellia und Licorice Kombination erfolgreich bei dieser Erkrankung einsetzte. Im Chengdu der 50er und 60er Jahren pflegten Patienten mit syphilitischen Läsionen den legendären Teehausdoktor und Jingui Experten Di Tian Heming aufzusuchen von dem es hieß, er habe eine hochwirksame Kur gegen diese Unpässlichkeit. Ähnlich wie Cao Yingpu verwendete Tian eine verstärkte Version von Gancao Xiexin Tag und erzielte Berichten zu folge außerordentliche Ergebnisse. Die medizinischen Autoritäten des chinesischen Mutterlandes haben kürzlich mit patriotischen Stolz beschlossen, dass es sich bei der Huhuo-Erkrankung um das Behcet-Syndrom handelt, eine Autoimmunerkrankung, die eine Ulzeration der Augen, des Mundes, der Genitalien und des Gastrointestinaltraktes einschließt, was im Westen erst 1937 entdeckt wurde. Der aus Sichuan stammende Arzt Dr. Zeng Rongxiu, der letzte praktizierende Student von Tian Heming und heute selbst ein bekannter Shanghan Veteran, ist ein gutes Beispiel für die zeitgenössische Anwendung von Gancao Xiexin Tang. Bekannt für seine Behandlung „schwieriger und widerspenstiger Erkrankungen“ hält er diese Rezeptur für eine seiner Primärarzneien. Im Allgemeinen behandelt er alle Arten von Hauterkrankungen wie Ekzeme, allergische Hautreaktionen, Neurodermitis etc. mit Gancao Xiexin Tang: gan cao (Radix Glycyrrhizae Uralensis) 甘草 ban xia (Rhizoma Pinelliae Ternatae) 半夏 huang qin (Radix Scutellariae Baicalensis) 黄芩 huang lian (Rhizoma Coptidis) 黄连 gan jiang (Rhizoma Zingiberis Officinalis) 干姜 da zao (Fructus Zizyphi Jujubae) 大枣 15g 9g 9g 6g 6g 6g Seine Empfehlungen für Modifikationen lauten wie folgt: Bei Anzeichen von „Gift“ (rot, Jucken) plus jin yin hua (Flos Lonicerae Japonicae) 金银花 12g, tu fu ling (Rhizoma Smilacis Glabrae) 土茯苓 12g, xuan shen (Radix Scrophulariae Ningpoensis) 玄参 12 g. Bei hartnäckigen oder chronischen Zuständen plus tao ren (Semen Persicae) 桃仁 9g, hong hua (Flos Carthami Tinctorii) 红花 9g, und möglicherweise di bie chong (Eupolyphagea seu Opisthoplatiae) 地鳖虫 9g. Bei deutlicher Bluthitze plus mu dan pi (Cortex Moutan Radicis) 牡丹皮 9g. Bei schlechtem Appetit plus shan zha (Crataegi Fructus)山楂 9g, shen qu (Massa Fermentata) 神曲 9g (chao) mai ya (Fructus Hordei Vulgaris Germinantus) 麦芽 9g und (chao) gu ya (Fructus Oryzae Sativae Germinantus) 谷芽 9g. © 2011 Heiner Frühauf Übersetzung ins Deutsche Markus Goeke, 2011 © 2010 heiner frühauf 2 classicalchinesemedicine.org