96 nes amerikanischen Expertengremiums soll das Regime auf jeden Fall Clarithromycin (MAVID u.a.) oder Azithromycin (ZITHROMAX) enthalten.9 Als zweites Mittel wird häufig Ethambutol gewählt, das wie die Makrolide in klinischen Studien die Zahl der MAC-Kolonien im Blut senkt. Gegen Isoniazid und Pyrazinamid besteht primäre Resistenz. Ein optimales Mehrfachschema fehlt bislang.10 Unerwünschte Wirkungen und Interaktionen wie Uveitis nach Kombination von Clarithromycin mit Rifabutin (MYCOBUTIN, a-t 3 [1995], 26) zwingen häufig zum Absetzen oder Umstellen der Medikamente.9 Ein Dreifachregime mit täglich 300 mg Rifabutin, Ethambutol und Clarithromycin schneidet in einer ersten randomisierten Studie hinsichtlich Keimelimination und Überlebenszeit gut ab. Die niedrige Rifabutindosis (300 mg statt 600 mg) senkt die Uveitishäufigkeit von 25% auf knapp 6%.11 Innerhalb der ersten vier bis sechs Wochen sollte klinische Besserung eintreten. Bis zum Erreichen negativer Blutkulturbefunde vergehen meist vier bis zwölf Wochen. Nach erfolgreicher Behandlung raten offizielle US-amerikanische Empfehlungen, die Medikation in therapeutischer Dosierung lebenslang beizubehalten.6 Nach Ansicht eines unserer Berater ist mindestens sechs Monate zu behandeln, die Notwendigkeit einer lebenslangen Therapie aber nicht gesichert.12 PROPHYLAXE: Dem Nutzen einer Primärprophylaxe, die ab CD4-Zellzahl unter 75/µl in Betracht kommt, stehen Arzneimittelunverträglichkeiten und Wechselwirkungen entgegen.9 Vor Beginn ist eine Infektion mit MAC sowie wegen der Gefahr der Resistenzentwicklung eine aktive Tuberkulose auszuschließen. Täglich 300 mg Rifabutin, 1000 mg Clarithromycin oder einmal wöchentlich 1200 mg Azithromycin beugen der MAC-Infektion wirksam vor.13,14,15 Prophylaxe mit Clarithromycin senkt die Sterblichkeit. Im Unterschied zu Rifabutin induzieren die Makrolidantibiotika jedoch Resistenzen: Bei Infektion unter der Prophylaxe mit Clarithromycin erweisen sich 58% der Erreger als unempfindlich, unter Azithromycin 11%. Rifabutin bleibt derzeit Mittel der Wahl. Zytomegalievirusinfektionen Auch die Zytomegalievirus (CMV)-Infektion tritt im allgemeinen zu einem späten Zeitpunkt der AIDS-Erkrankung auf, typischerweise liegt die CD4-Zellzahl unter 50/µl. In diesem Stadium erkranken 25% bis 40% aller Patienten an einer CMV-Retinitis, der häufigsten Manifestationsform.16 Seltener sind gastrointestinale Erkrankungen mit Ösophagitis oder Kolitis und Beteiligung von Lunge, Leber, Nebennieren und ZNS.17 Die CMV-Retinitis ist die häufigste Ursache für den Verlust der Sehkraft von AIDS-Patienten.18 Sie beginnt meistens einseitig mit eher unspezifischen Symptomen wie Mouches volantes, Skotomen und verschwommenem Sehen. THERAPIE: Mit den seit Ende der achtziger Jahre verfügbaren Virustatika Ganciclovir (CYMEVEN; a-t 10 [1989], 90) und Foscarnet (FOSCAVIR) gelang ein Durchbruch in der Behandlung. Beide haben Ansprechraten von über 80%.17 Ganciclovir, täglich zweimal 5 mg/kg Körpergewicht (KG) intravenös über zwei bis drei Wochen, kann vor allem das Knochenmark schädigen, insbesondere bei Komedikation mit Zidovudin (RETROVIR).19 Die Unbedenklichkeit des als Gegenmittel empfohlenen Granulozytenkolonie-stimulierenden Faktors (Filgrastim, G-CSF, NEUPOGEN) ist bei HIV-Patienten nicht belegt. Foscarnet (180 mg bis 200 mg/kg KG) passiert die Blut-Hirn-Schranke und ist Mittel der Wahl bei CMV-Enzephalitis.20 Am häufigsten beeinträchtigt es die Nierenfunktion, üblicherweise ab der zweiten Behandlungswoche. arznei-telegramm 10 /96 Selten entsteht Dialysepflicht. Daneben kommen schwere Serumelektrolytstörungen, Übelkeit, Erbrechen und genitale Ulzerationen vor.19 Foscarnet wird insgesamt schlechter vertragen als Ganciclovir, eignet sich jedoch besser für die Kombination mit Zidovudin, weil es das Knochenmark nicht schädigt. Es soll möglichst langsam infundiert werden. Gleichzeitige Infusion von Kochsalz- oder Glukoselösung hilft, Nierenschäden vorzubeugen. Foscarnet reizt die Venen. Bei längerer Therapie ist es über einen zentralen Venenkatheter zu verabreichen. Nach einer 1992 veröffentlichten Studie wirken Foscarnet und Ganciclovir gleich gut gegen CMV-Retinitis. Mit Foscarnet Behandelte leben jedoch im Mittel vier Monate länger.21 Dennoch hat sich aufgrund der besseren Verträglichkeit und einfacheren Anwendung Ganciclovir durchgesetzt. Bei unzureichendem Ansprechen bewähren sich zusätzliche Ganciclovir-Implantate ins Auge. 12 #52 PROPHYLAXE: Da keines der beiden Virustatika den Erreger von der Netzhaut beseitigt, folgt nach Induktionsbehandlung eine lebenslange Erhaltungstherapie, um Rezidive zu vermeiden oder hinauszuzögern. Ganciclovir wird (z.B. in den USA) auch als Kapselzubereitung angeboten. In zwei Untersuchungen zur Erhaltungstherapie schneiden täglich 3000 mg per os kurzfristig ähnlich gut ab wie täglich 5 mg/kg KG i.v. 22,23 Bei Läsionen, die die Sehkraft unmittelbar bedrohen, ist die i.v.-Anwendung dem per os schlecht verfügbaren Ganciclovir vorzuziehen. Bisher fehlen eindeutige Empfehlungen für eine Primärprophylaxe. Nur in einer von zwei Studien beugt Ganciclovir der CMV-Retinitis besser vor als Plazebo. Die Überlebenszeit bleibt in beiden Untersuchungen unbeeinflußt.16,24 Ausgeprägte Unverträglichkeit spricht gegen die routinemäßige Primärprävention. Zu erwägen ist auch, ob 12 zusätzliche Tabletten pro Tag zumutbar sind. FAZIT: Opportunistische Infektionen charakterisieren das fortgeschrittene Stadium der HIV-Krankheit. Zu diesem Zeitpunkt ist die Therapie vieler gleichzeitig bestehender Krankheitsbilder und Symptome erforderlich. Ausgeprägte Medikamentenunverträglichkeiten und Interaktionen können die Folge sein. Deshalb soll der Behandlungsplan individuell unter Berücksichtigung des Patientenwunsches, des erzielbaren Erfolges und der erreichbaren Lebensqualität erstellt werden. Ausschöpfung oder Verzicht auf therapeutische Maßnahmen sind diesem Prinzip unterzuordnen. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 WALLEY, J., J. PORTER: Brit. Med. J. 310 (1995), 1621 MILLER, R.: Lancet 348 (1996), 307 BRODT, H. R.: Internist 36 (1995), 970 HAAS, D. W., R. M. DES PREZ, in G. B. MANDELL et al. (eds.): „Principles and Practice of Infectious Diseases”, Churchill Livingstone, 4. Auflage, New York, 1995, Seite 2213 BRODT, H. R., E. B. HELM, in J. L’AGE-STEHR, E.B. HELM (Hrsg.): „AIDS und die Vorstadien”, Springer, Berlin 1994, III 12/1 USPHS/IDSA Working Group: Ann. Intern. Med. 124 (1996), 349 Subcommittee of the Joint Tuberculosis-Committee of the British Thoracic Society: Brit. Med. J. 304 (1992), 1231 Prescrire International 4 (1995), 2 MASUR, H. et al.: N. Engl. J. Med. 329 (1993), 898 CHIN, D. P., P. C. HOPEWELL: Lancet 346 (1995), 920 SHAFRAN, S. D. et al.: N. Engl. J. Med. 335 (1996), 377 ARASTEH, K.: pers. Mitteilung NIGHTINGALE, S. D. et al.: N. Engl. J. Med. 329 (1993), 828 HAVLIR, D. V. et al.: N. Engl. J. Med. 335 (1996), 392 PIEROE, M. et al.: N. Engl. J. Med. 335 (1996), 384 SPECTOR, S. A. et al.: N. Engl. J. Med. 334 (1996), 1491 STOEHR, A. et al.: Dtsch. med. Wschr. 120 (1995), 1785 YOUNG, H. Y.: J. Am. Med. Ass. 275 (1996), 149 Med. Letter 36 (1994), 28 KAULEN, P., in J. L’ AGE-STEHR, E. B. HELM (Hrsg.): „AIDS und die Vorstadien“, Springer, Berlin 1992, III 17/1 Studies of Ocular Complications of AIDS research group, AIDS clinical trials group: N. Engl. J. Med. 326 (1992), 264 DREW, W. L. et al.: N. Engl. J. Med. 333 (1995), 615 The Oral Ganciclovir European and Australian Cooperative Study Group: AIDS 9 (1995), 471 NIH Conference: Ann. Intern. Med. 125 (1996), 126 Warenzeichen in Österreich und Schweiz (Beispiele) Azithromycin: ZITHROMAX (A, CH) Clarithromycin: KLACID (A, CH) Filgrastim (G-CSF): NEUPOGEN (A, CH) Foscarnet: FOSCAVIR (A, CH) Ganciclovir: CYMEVENE (A, CH) Rifabutin: MYCOBUTIN (A, CH) Zidovudin: RETROVIR (A, CH)