59 Tabelle: Antiretrovirale Arzneimittel zur Behandlung der HIV

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arznei-telegramm 6 /96
Warenzeichen in
Österreich
und Schweiz
(Beispiele)
Clarithromycin:
KLACID
(A, CH)
Ketoconazol:
NIZORAL
(A, CH)
Tabelle: Antiretrovirale Arzneimittel zur Behandlung der HIV-Erkrankung
Wirkstoff
Handelsname
Nukleosidanaloga
Zidovudin
RETROVIR
Didanosin
VIDEX
Zalcitabin
HIVID
Stavudin
ZERIT
Lamivudin
USA: EPIVIR
Protease-Inhibitoren
Saquinavir USA: INVIRASE
Indinavir
USA: CRIXIVAN
Ritonavir
USA: NORVIR
chemische
Bezeichnung
Abkürzung
Tagesdosis13
(Erwachsene)
Azidothymidin
2’3’-Dideoxyinosin
2’3’-Dideoxycytidin
2’3’-Dideoxy-2’3’Didehydrothymidin
3’-Thiacytidin
AZT
ddI
ddC
d4T
2 x 250-3 x 200 mg
2 x 125-200 mg
3 x 0,75 mg
2 x 30-40 mg
3TC
2 x 150 mg
Kosten in DM
pro Jahr
11.385
7.955
5.968
Wichtigste (dosisbegrenzende)
Störwirkungen
Anämie, Neutropenie, Myopathie
Pankreatitis, periphere Neuropathie
periphere Neuropathie, Pankreatitis
periphere Neuropathie, Pankreatitis
(weniger erprobt) Pankreatitis
#21
3 x 600 mg
3 x 800 mg
2 x 600 mg
8.50016
6.10016
8.50016
Myositis, Wechselwirkungen*
Nephrolithiasis, Wechselwirkungen*
Wechselwirkungen*
* mit für die HIV-Therapie relevanten Arzneimitteln wie Ketoconazol (NIZORAL) oder Clarithromycin (CYLLIND, KLACID)
davon, ob klinische Zeichen vorhanden sind oder nicht.10
Studien, die Wirksamkeit und Verträglichkeit verschiedener
Kombinationen zur Initialtherapie vergleichen, stehen
aus.11 Als liquorgängigstes der verfügbaren Mittel kann Zidovudin die HIV-Enzephalopathie verhüten oder hinausschieben.10,12 Zidovudin hat daher einen festen Platz im
Rahmen von Mehrfachschemata.12,13 Seit Mai ist mit Stavudin (d4T, ZERIT) ein weiteres gut liquorgängiges Nukleosidanalogon in der EU zugelassen.
RESISTENZENTWICKLUNG: Die bessere Wirksamkeit der Kombinationstherapie beruht wahrscheinlich auf
verzögerter Resistenzentwicklung. Neuere diagnostische
Verfahren, die insbesondere die Zahl der Viruskopien im
Plasma quantitativ erfassen, bestätigen diese Annahme.
Zunehmend werden Parallelen zur medikamentösen Behandlung der Tuberkulose gezogen.
HI-Viren unterliegen einer sehr hohen Replikationsrate. Etwa die Hälfte wird jeden zweiten Tag entfernt und
neu gebildet. Pro Tag entstehen durchschnittlich bis zu einer Milliarde Viren. Im gleichen Zeitraum werden bis zu einer Milliarde CD4-Zellen durch HIV zerstört und im Immunsystem neu gebildet. Diese hohen Umsatzraten lassen
sich in allen Stadien der Erkrankung nachweisen, auch in
der sogenannten Latenzphase nach der Infektion.
Die anhaltend starke Virusvermehrung und die im
Laufe der Erkrankung sich ausbildende Heterogenität des
Erregers, die unter anderem durch die „Leseungenauigkeit”
des Rückübersetzungsenzyms (reverse Transkriptase) bedingt ist, gelten als wesentliche Ursache für die rasche Resistenzentwicklung. Eine antiretrovirale Therapie gilt zur
Zeit als effektiv, wenn sie die Viruskonzentration im Plasma mindestens auf ein Zehntel- bis Hundertstel des Ausgangswertes senkt.13
PROTEASEHEMMER: Saquinavir, Indinavir und Ritonavir wirken deutlich stärker antiviral als Nukleosidanaloga. Ritonavir und Indinavir sollen die Vermehrung um
99% reduzieren. Die Zahl der T-Helferzellen steigt im gleichen Zeitraum deutlich an. Schon nach 12 bis 24 Wochen
nimmt die Wirksamkeit jedoch zum Teil ab, wahrscheinlich
aufgrund von Resistenzentwicklungen. Die Mittel scheinen
gut vertragen zu werden. Schwerwiegende toxische Nebenwirkungen traten bisher nicht auf.14
An einer ersten, Mitte April veröffentlichten Untersuchung mit Saquinavir nehmen 302 Patienten im fortgeschrittenen Stadium der AIDS-Erkrankung teil, mit CD4Zellzahl zwischen 50 und 300/µl und mindestens viermonatiger Vorbehandlung mit Zidovudin. Die dreiarmige Studie vergleicht den Proteasehemmstoff (1.800 mg pro Tag)
zusätzlich zu Zidovudin (600 mg pro Tag) oder Zidovudin
plus Zalcitabin (2,25 mg pro Tag) mit einer Kombination
der beiden Nukleosidanaloga allein. Geprüft wird der Einfluß auf CD4-Zellzahl und HIV-Titer.15 CD4-Zellen nehmen
anfangs in allen Gruppen zu. Nach 24 Wochen liegt die
Zahl bei 70% der mit dem Dreifachschema behandelten
Patienten über dem Ausgangswert, verglichen mit 63%
unter Saquinavir plus Zidovudin und 45% unter Zalcitabin
plus Zidovudin. Die Dreierkombination bleibt im Verlauf
von 48 Wochen überlegen, die beiden anderen Gruppen
gleichen sich an. Umgekehrt sinkt die HIV-RNA-Beladung
im Plasma, am stärksten unter Dreifachbehandlung. Der
Titer liegt hier auch nach 48 Wochen unterhalb des Ausgangswertes. In allen drei Gruppen steigt die Virusbeladung im Studienverlauf allmählich wieder an.
Unerwünschte Wirkungen unterscheiden sich nicht
wesentlich zwischen den Studienarmen. Insgesamt brechen 6% die Untersuchung wegen toxischer Effekte ab.
Das Studiendesign erlaubt keinen Rückschluß auf
die klinische Relevanz der geprüften Laborparameter.* Ob
Saquinavir im Rahmen von Kombinationstherapien das
Fortsetzen der Erkrankung verzögert, muß durch weitere
Studien belegt werden.
FAZIT: Die antiretrovirale Therapie der HIV-Infektion beginnt heute mit einer Kombination von zwei
Nukleosidanaloga. Hierzulande stehen Zidovudin (AZT,
RETROVIR), Zalcitabin (ddC, HIVID) und Didanosin
(ddI, VIDEX), seit Mai auch Stavudin (d4T, ZERIT) zur
Verfügung. Das älteste AIDS-Mittel Zidovudin ist als liquorgängigstes zentraler Baustein von Mehrfachschemata, alternativ bietet sich Stavudin an. Ein optimaler
Zeitpunkt für den Therapiebeginn läßt sich derzeit
nicht angeben. Hoffnungen knüpfen sich an Proteasehemmer als potente antiretrovirale Medikamente. Es
bleibt zu wünschen, daß sich die überlegene Reduzierung der Virusbeladung in klinischen Erfolgen niederschlägt.
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Die Viruskonzentration scheint nach aktuellen Ergebnissen aus der US-Multicentre-AIDS-Cohort-Studie ein hilfreiches Surrogatkriterium zu sein: Von 180
HIV-positiven Männern entwickeln knapp zwei Drittel derjenigen mit hoher initialer Virusbeladung im Verlauf von fünf Jahren AIDS, dagegen nur 8%
derjenigen mit geringem Ausgangswert.17
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