UNIGIS Modul “OpenGIS® und verteilte Geoinformationsverarbeitung” Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell Autor: Dr. Martin Huber Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell 1. Ziele Ein wichtiger Bestandteil eines Interoperabilitätsstandards ist die Beschreibung der ausgetauschten Objekte. Alle am Austausch Beteiligten müssen genau verstehen, welche Information mit welcher Bedeutung geschickt und empfangen wird. In den OpenGIS®-Standards geht es um den Austausch von geografischen Objekten. Es wurden dazu verschiedene Datenmodellierungsund Strukturierungsmethoden erarbeitet, welche alle auf einer gemeinsamen abstrakten Definition von geografischen Objekten aufbauen. Am Ende dieser Lektion wissen Sie, wie geografische Phänomene im OpenGIS®-Umfeld für den Austausch über Schnittstellen modelliert werden. 2. Der Begriff „Feature“ In der Datenbankmodellierung ist das Entity-Relationship-Modell (ER) weit verbreitet. Das Entity-Relationship-Modell definiert Entitäten, Beziehungen und Attribute als Basiskonstrukte für die Modellierung. Für die physische Implementierung auf einem Datenbankmanagementsystem (DBMS) wird ein ERDiagramm auf das relationale Modell abgebildet. Die Grundelemente der relationalen Modellierung sind Tabellen und Attribute. Ein UMLKlassendiagramm (UML: Unified Modeling Language) wiederum besteht aus Klassen, Attributen und Methoden sowie Assoziationen. Aus was besteht ein „OpenGIS®-Diagramm“, wenn es so etwas überhaupt gibt? Jede Spezifikation hat ihre Artefakte, mit denen ausgedrückt wird, um welche Art von Objekten es geht, wie diese auszusehen haben, was damit gemacht werden kann und wie alles zusammenhängt. Auch OpenGIS®-Standards benötigen Modelle und Artefakte, um das auszudrücken, was ausgetauscht werden soll. Um die Modellierung nach OpenGIS® zu verstehen, sind folgende Überlegungen wichtig: • 12.11.2008 GIS stellt den räumlich orientierten Wissenschaften eine Sprache bereit, in der sie sich ausdrücken können. Wie mit der Kartografie werden mit geografischen Informationssystemen Fakten über den geografischen Raum gesammelt und dargestellt. Die umfassende Geografie der holistisch denkenden „Welt-Beschreiber“ von der Größe eines Alexander von Humboldt ist bereits im 19. Jahrhundert in spezialisierte Teildisziplinen auseinander gebrochen. Jede Teildisziplin hat danach ihre eigene Sprache entwickelt. Neben den aus der klassischen Geografie entstandenen Disziplinen entstanden zudem „Raum gestaltende“, eher ingenieurorientierte Raumdisziplinen. Fügt man alle Anforderungen der „Raum beschreibenden“ und der „Raum gestaltenden“ Raumdisziplinen zusammen, entsteht ein sehr breiter Anspruch an eine gemeinsame Modellierungsmethodik. Daher erstaunt kaum, dass in der © Copyright 2005 – 2008, alle Rechte vorbehalten 1/9 UNIGIS Modul “OpenGIS® und verteilte Geoinformationsverarbeitung” Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell Autor: Dr. Martin Huber GIS-Technologie solch eine große Vielfalt an Methoden und Modellen herrscht, die das OGC zu vereinheitlichen versucht. Als erster Schritt ist schon viel erreicht, wenn durch die OpenGIS®-Spezifikationen die strukturellen Aspekte der Modellierungssprache GIS, also die Worte und die Syntax, vereinheitlicht werden können. • Die inhaltliche oder semantische Interoperabilität, d.h. dass alle Beteiligten die ausgetauschten Fakten auch gleich verstehen, muss jede einzelne Raumdisziplin unter sich ausmachen. Das OGC hat hierfür den Begriff der Informationsgemeinschaften (Information Communities) geprägt. Informationsgemeinschaften sollen demnach unter Anwendung der Modellierungsmöglichkeiten der OpenGIS®-Spezifikationen ihre eigene Fachsprache definieren und standardisieren. • OpenGIS® ist ergänzend zu den Methoden und Standards der Informationsund Kommunikationstechnologie zu sehen. Es ergänzt diese um die geografische Komponente. Somit besteht nicht der Anspruch, Methodiken und Sprachen wie UML (Unified Modelling Language), ER (Entity-RelationshipModellierung), SQL (Structured Query Language) oder XML (Extensible Markup Language) zu ersetzen, sondern in all diesen „Modell-Welten“ die nötige Prise Geografie dazu zu geben. Diese Abgrenzung gegenüber der inhaltlich-semantischen Verantwortung der Information Communities einerseits und gegenüber der IKT-Methodik andererseits, definiert für das OGC einen sehr engen Aufgabenbereich mit potentiell sehr vielen heterogenen Schnittstellen zwischen Raumwissenschaften und Informatik. Als abstrakter Kernbegriff an diesem Dreh- und Angelpunkt wurde das „Feature“ definiert, quasi als gemeinsame Währung für die geografische Modellierung. „Feature“ ist ein schlechter Name für das, was damit gemeint ist. Ein Feature ist zu Deutsch ein „unterscheidbarer Teil eines Ganzen“ oder eine „Eigenschaft eines Ganzen“. Wie soll ein „georäumliches Objekt“ Teil oder Eigenschaft eines Ganzen sein? Zur Klärung dieser Frage muss zuerst das „Ganze“ definiert werden. Nach den OpenGIS® Abstract Specification Topic 5 – Features (http://portal.opengeospatial.org/files/?artifact_id=890) beschreiben die Features die so genannte Project World, den sich aus der Aufgabenstellung ergebenden Ausschnitt der Welt (oder des Universums), der durch die jeweilige Information Community festzulegen ist. Features sind Eigenschaften des gesamten untersuchten Raumes. Somit schälen sich die Features sozusagen aus dem „Brei“ der vorerst unbenannten Phänomene der Raumbetrachtung heraus und kriegen Namen, Attribute und Lageeigenschaften. Hierzu die englische Originaldefinition aus den abstrakten Spezifikationen, Topic 1, Feature Geometry, auch ISO 19107 (http://portal.opengeospatial.org/files/?artifact_id=1093) A feature is an abstraction of a real world phenomenon; it is a geographic feature if it is associated with a location relative to the Earth. Diese Abstraktion erfolgt in der OpenGIS Begriffswelt in 9 Abstraktionsschritten (s. Abbildung 1). 12.11.2008 © Copyright 2005 – 2008, alle Rechte vorbehalten 2/9 UNIGIS Modul “OpenGIS® und verteilte Geoinformationsverarbeitung” Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell Autor: Dr. Martin Huber Abbildung 1: Abstraktion der Features aus der “reellen Welt” (Quelle: OGC) So unglücklich die Bezeichnung Feature auch gewählt wurde, eine bessere deutsche Entsprechung des damit Gemeinten wurde bisher auch nicht gefunden. Zu stark ist die Gefahr, irgendeinem vorbelegten Begriff an irgendeiner Schnittstelle zu nahe zu kommen. Es ist ja entscheidend, in diesem Zwischenbereich zwischen Raumwissenschaften und IKT weder die Bezeichnungen der einen noch der anderen Disziplin zu verwenden, damit es nicht Verwirrungen in der Begriffswelt gibt. Z.B. ist der oben verwendete Ausdruck „georäumliches Objekt“ zu nahe an der objektorientierten Modellierung und würde damit die anderen Modellierer z.B. im Entity Relationship-Bereich verwirren und so nicht dieses neutrale „Geo-Ding“ repräsentieren, das wir auf abstrakter Ebene brauchen. Es ist wohl das Beste, mit diesem in direkter Übersetzung unbrauchbaren englischen Wort „Feature“ auch im Deutschen zu leben. Das Feature-Konzept bildet das Kernstück der OGC Standardisierung und legt fest, wie geografische Phänomene modelliert werden sollen, so dass sie zwischen verschiedenen Anwendungssystemen ausgetauscht werden können. 3. Feature Modellierung Das Open Geospatial Consortium hat ein umfangreiches Werk an abstrakten Spezifikationen verfasst, das die GIS-Begriffswelt ordnet und systemunabhängige Konzepte beschreibt. Die Originaltexte aller abstrakten Spezifikationen finden sich unter http://www.opengeospatial.org/standards/as. Die OpenGIS® Abstract Specification – Topic 1: Feature Geometry, die gleichzeitig auch eine ISO-Spezifikation ist (ISO 19107 Spatial Schema), definiert Geometrietypen und Topologie. Sie bietet keinen einfachen Einstieg in die Materie, denn die Beschreibungen sind – wie nicht anders zu erwarten – abstrakt und weit weg von 12.11.2008 © Copyright 2005 – 2008, alle Rechte vorbehalten 3/9 UNIGIS Modul “OpenGIS® und verteilte Geoinformationsverarbeitung” Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell Autor: Dr. Martin Huber der Erfahrungswelt eines gewöhnlichen GIS-Anwenders. Ziel ist, eine anerkannte Basis zu schaffen bezüglich dessen, was eine Geometrie ist. So sollen dank den Beschreibungen in dieser Spezifikation alle, die von einem Punkt, einem Streckenzug oder einer Bézier-Kurve sprechen, das gleiche darunter verstehen. Gleiches gilt für die topologischen Beziehungen. Was ist die „Hülle“ eines geometrischen Objekts, was der „Inhalt“? Wann ist ein Objekt „innerhalb“ eines anderen oder wann gilt ein Objekt als mit einem anderen „verbunden“? Diese Spezifikation hilft vor allem dem Software-Entwickler, der vor der Frage steht, wie er seine geometrischen Objekte repräsentieren soll. Auf die Frage, wie nun konkret ein Linienzug modelliert wird, gibt es folgende Antwort: „6.4.10 GM_LineString 6.4.10.1 Semantics A GM_LineString [...] consists of sequence of line segments, each having a parameterization like the one for GM_LineSegment (See 6.4.11). The class essentially combines a Sequence<GM_LineSegments> into a single object, with the obvious savings of storage space. 6.4.10.2 controlPoint The controlPoints of a GM_LineString are a sequence of positions between which the curve is linearly interpolated. The first position in the sequence is the startPoint of the GM_LineString, and the last point in the sequence is the endPoint of the GM_LineString.“ Die OpenGIS® Abstract Specification – Topic 5: Features (http://portal.opengeospatial.org/files/?artifact_id=890) legt Konzepte und Sprachumfang dessen fest, was im Sinne von OGC als georäumliche Information gilt und über Interoperabilitätsschnittstellen ausgetauscht werden kann. Der Standard liefert ein Modell eines Features und hält fest, wie dieses zu beschreiben ist. Wie bereits besprochen pflegen die verschiedenen Information Communities (s. Topic 14: Semantics and Information Communities, http://portal.opengeospatial.org/files/?artifact_id=902) ihre eigene Begriffswelt, was den Inhalt der geografischen Information anbetrifft (Information Community Language). Die Feature-Modellierung ermöglicht die Definition einer Information Community Language so, dass der Austausch von Sprachkonstrukten gewährleistet ist. Der Feature-Begriff liefert die Form, nicht den Inhalt, die Syntax, nicht die Semantik. Wir befinden uns auf einer Meta-Ebene, wo wir nicht die Objekte selber beschreiben, sondern die Beschreibung der Objekte. Welche Konstrukte stehen zur Verfügung? Wir bewegen uns grundsätzlich in der Projektwelt (Project World), dem, was für eine Information Community relevant ist. Außerhalb existiert nichts, und das, was innerhalb liegt, wird mit den folgenden 9 Konstrukten beschrieben. 12.11.2008 • Feature Instance: Grundeinheit zur Definition der Projektwelt, die konkrete, explizite Beschreibung des interessierenden georäumlichen Phänomens. • Feature Type: Kategorie von Feature Instanzen, strukturelles Muster für Feature Instanzen. • Geometry: Zeichnung der geometrischen Ausprägung einer Feature Instanz © Copyright 2005 – 2008, alle Rechte vorbehalten 4/9 UNIGIS Modul “OpenGIS® und verteilte Geoinformationsverarbeitung” Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell Autor: Dr. Martin Huber mittels Geometrie-Primitiven (OpenGIS® Well-Known-Types). • Corner: Stützpunkt der Geometrie einer Feature Instanz. • Geometry Schema: Die Regeln, um die Geometry einer Feature Instanz aus den Corners zu formen (z.B. Definition, dass und wie aus den Stützpunkten eine Linie zu formen ist). • Spatial Reference System: Bezugssystem, das für alle Corners in einer Projektwelt eine Beschreibung der georäumlichen Lage ermöglicht. • Attribute-Value Pair: Konstrukt zur abstrakten Beschreibung der Eigenschaften eines Features im Gegensatz zu einer natürlichsprachlichen Beschreibung. Attribute-Value Pairs geben Grammatik und Vokabular für die Beschreibung der nicht-räumlichen Eigenschaften vor. Jedes Attribut hat einen eindeutigen Namen und nimmt nur Werte eines für dieses Attribut bestimmten Wertebereichs (Domain) an. • Attribute Schema und Feature Schema: Alle für eine Projektwelt anerkannten Feature Typen mit ihren Attribut-/Werte-Paaren bilden das Attribute Schema. Das Attribute Schema zusammen mit dem Geometry Schema bilden das Feature Schema der Projektwelt. Das Schema muss sehr formal festgelegt werden, so dass alle Beteiligten die zu beschreibenden Phänomene gleich interpretieren. Alle verwendeten Begriffe müssen in einem Project Dictionary beschrieben werden, so dass keine Unklarheiten bezüglich der Bedeutung (Semantik) eines Attribut/Werte-Paares entstehen können. • Project Schema: Formalisierte Meta-Informationen über eine Sammlung von Features (Feature Collection), insbesondere eine Kurzbeschreibung der Feature Collection für eine Volltextsuche, die semantische Beschreibung der Feature Typen und ihrer Eigenschaften, der Projektmethodik inkl. Qualitätskriterien sowie des beabsichtigten Verwendungszwecks. Die nachfolgende Abbildung stellt den Zusammenhang der erlaubten Sprachkonstrukte für die Beschreibung einer Sammlung von Features (Feature Collection) dar. 12.11.2008 © Copyright 2005 – 2008, alle Rechte vorbehalten 5/9 UNIGIS Modul “OpenGIS® und verteilte Geoinformationsverarbeitung” Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell Autor: Dr. Martin Huber Abbildung 2: Konstrukte zur Modellierung von Features (Quelle OGC). Es handelt sich hier um eine abstrakte Definition aller erlaubten Sprachelemente für die Beschreibung von Sachverhalten der Projektwelt. Für die konkrete Implementierung gibt es mehrere Implementierungsspezifikationen, die zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind, worunter die Konsistenz des gesamten Gebildes, das ursprünglich für die Paketierung von Datenaustausch gedacht war, bisweilen gelitten hat. 4. Was ist ein Feature in einer Datenbank? Grundsätzlich interessiert die Abspeicherung in einer Datenbank in einem Interoperabilitätsstandard nicht, geht es doch einzig darum festzulegen, wie Features systemunabhängig beschrieben und strukturiert werden, so dass sie zwischen Systemen ausgetauscht werden können. Und auch die datenbanknahen OpenGIS® Simple Features for SQL Spezifikationen sagen nichts über die Abspeicherung, sondern nur über die Form des Austauschs von geografischen Objekten. Was im Austausch mit der Datenbank aber wichtig ist, ist die Form, wie Features in die Datenbank eingegeben und daraus wieder herausgeholt werden. Genau das spezifiziert dieser Standard im Zusammenspiel mit SQL. Den OpenGIS® Simple Features Implementierungsstandard gibt es für drei Technologien: SQL, OLE/DB und CORBA. OLE/DB, die von Microsoft entwickelte Objektschnittstellentechnologie für Datenbanken ist konzeptionell sehr ähnlich der relationalen Datenbankkonzeption mit SQL, weshalb diese Spezifikation hier nicht behandelt wird. Ebenfalls nicht behandelt wird CORBA wegen der unbedeutenden Adoption durch die Industrie mit nur zwei Implementierungen in den letzten acht Jahren. Zur Vereinheitlichung dieser drei ältesten OpenGIS® Implementierungsspezifikationen wurde 2005 der allgemeine Teil neu als „Simple Feature Access – Common Architecture“ herausgegeben (http://portal.opengeospatial.org/files/?artifact_id=18241) und gleichzeitig als ISO 19125 zu einem ISO-Standard gemacht. Die technologische Umsetzung der Common Architecture ist bisher nur für SQL erschienen (siehe http://portal.opengeospatial.org/files/?artifact_id=18242), 12.11.2008 © Copyright 2005 – 2008, alle Rechte vorbehalten 6/9 UNIGIS Modul “OpenGIS® und verteilte Geoinformationsverarbeitung” Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell Autor: Dr. Martin Huber was unseren Entscheid, die anderen hier wegzulassen, bekräftigt. Ein Feature-Typ ist in der SQL-Umsetzung eine Tabelle mit keiner, einer oder mehreren zugeordneten Geometrie(-Spalten). Die Attribute-Value-Pairs sind die üblichen Tabellenspalten mit ihren Wertebereichen und den Werten in den Feldern der Tabelle. Für die Repräsentation der Geometrie erlauben die Spezifikationen mehrere Modelle. So können die Geometrien mit einem der üblichen SQL-Datentypen (z.B. VARCHAR) übergeben oder aber über die objekt-relationale Typerweiterung als eigener Datentyp bereitgestellt werden. Dieser zweite Weg erlaubt die Tabellendefinition in folgender Form: CREATE TABLE bruecke ( id INTEGER, name VARCHAR(50), lage LINESTRING, material VARCHAR(25), laenge DECIMAL(12, 3)) Die konkreten Bezeichner der geometrischen Datentypen variieren leider zwischen den Produkten. Leider deshalb, weil zwei unterschiedliche Namen für das Gleiche immer einen Mehraufwand bei der Implementierung von allgemeinen Schnittstellen bedeutet. Zwar handelt es sich hier meist nur um ein Präfix, das leicht automatisch ersetzt werden kann, wenn ein Schema für mehrere Produkte bereitgestellt werden muss. Es gibt aber auch weit verbreitete Implementierungen, die völlig eigene Namen verwenden. Die objekt-relationale Technologie erlaubt es, den SQL-Sprachumfang um benutzerdefinierte Funktionen zu erweitern. Für die Extraktion von Geodaten aus der Datenbank schreibt der Standard die Funktionen ASTEXT(Geometry) und ASBINARY(Geometry) vor. Zum Erstellen von datenbank-internen Geometrien dienen die Funktionen GEOMFROMTEXT(Text, SRID) und GEOMETRYFROMWKB(Binary Object, SRID) sowie alle davon abgeleiteten Funktionen für spezifische Geometrietypen. Es werden nur ganz einfache Geometrien unterstützt, also nicht der gesamte Sprachumfang der in den abstrakten Spezifikationen definierten Geometrietypen. Für alle diese Typen gibt es Regeln, wie eine Instanz in Textform und in Binärform erstellt werden kann. Weil alle Beteiligten diese Repräsentation kennen müssen, heißen sie WellKnown Text (WKT) und Well-Known Binary (WKB) und sind entsprechend präzise dokumentiert. Das Konzept des Spatial Reference System wird folgendermaßen umgesetzt: Jede Geometrie-Spalte in einer Tabelle darf nur Geometrien in einem einzigen Referenzsystem aufnehmen, alle anderen müssen entweder beim Einfügen automatisch umprojiziert oder zurückgewiesen werden. Eine Geometrie ohne Angabe des räumlichen Referenzsystems kann nicht interpretiert werden und ist wertlos. Das Datenbanksystem hat die von ihm unterstützten Referenzsysteme zu verwalten. Dafür sind in den Spezifikationen explizit Tabellen modelliert, die das System bereitstellen muss. Von den 9 Konzepten der abstrakten Feature Spezifikationen werden mit einer guten Implementierung der SQL-Spezifikationen deren 8 unterstützt. Bisher nicht definiert wurde der Bereich der Metadaten im Project Schema. Dieser Bereich ist so umfangreich, dass er in eine eigene abstrakte Spezifikation ausgelagert wurde. Die zugehörigen Implementationsspezifikationen sind noch nicht fertig gestellt. 12.11.2008 © Copyright 2005 – 2008, alle Rechte vorbehalten 7/9 UNIGIS Modul “OpenGIS® und verteilte Geoinformationsverarbeitung” Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell 5. Autor: Dr. Martin Huber Was ist ein Feature im Datenaustausch über Internet? Wir wissen bereits, wie Datenbanken über eine SQL-Schnittstelle, respektive ODBC und JDBC Daten mit ihren Clients austauschen. Diese Form des Datenaustauschs wird aufgrund von Sicherheitsbedenken sehr ungern über das öffentliche Internet abgewickelt. Generell hat sich im Internet der Austausch über Textdateien in der eXtensible Markup Language (XML) durchgesetzt. Das Thema XML und die XML-Sprache für die Geometrie GML werden in weiteren Lektionen ausführlich behandelt. Hier soll nur ein erster Einblick gegeben werden, wie Features für den Internet-Austausch modelliert werden. XML ist eine Metasprache, d.h. eine Sprache, die definiert, wie man Sprachen definieren soll. Die Kernaussage ist: "XML spricht man mit spitzer Zunge", d.h. die strukturellen Elemente werden in spitzen Klammern eingeschlossen. Grundsätzlich ist ein XML-Dokument ein Textdokument, das sogenannte Elemente enthält, um den Inhalt zu strukturieren. Hier als Beispiel die Beschreibung der Kappelbrücke in Luzern in GML (Geography Markup Language): <Bruecke gml:id=“Br1“> <Name>Kappelbrücke</Name> <Baujahr>1332</Baujahr> <Laenge uom=“#m“>204</Laenge <Material>Holz</Material> <gml:centerLineOf> <gml:LineString srsName=“#myRefSystem“> <gml:posList>...</gml:posList> </gml:LineString> </gml:centerLineOf> <Bruecke> Damit gibt es genau eine Feature-Instanz, nämlich eine formale Beschreibung dessen, was natürlichsprachlich etwa so ausgedrückt würde: Die Kappelbrücke wurde 1332 aus Holz gebaut, hat eine Länge von 204m und liegt an der durch folgende Koordinaten festgelegten Position: ... <Name>Kappelbrücke</Name> ist ein Attribute-Value Pair, das Konstrukt um <gml:centerLineOf> ist die Geometry und mit dem XML-Attribut srsName=“#myRefSystem“ wird das Spatial Reference System modelliert. Zudem gibt es auch ein GML-Schema, in dem die Struktur eines Features vom Typ Brücke allgemein spezifiziert wird. Alles Weitere folgt wie erwähnt in den nächsten Lektionen. Wichtig ist zu sehen, dass aus der abstrakten Feature-Definition zwei recht unterschiedliche Implementierungen für SQL, respektive für XML umgesetzt wurden. Trotzdem können die gleichen Informationen verpackt werden. Dies ist der erste Schritt zu einem Austausch, wo beide Seiten das Gleiche verstehen. 6. Zusammenfassung In dieser Lektion wurde der Begriff geografisches Feature als Grundeinheit der geografischen Datenmodellierung eingeführt. Es wurde aufgezeigt, wie Features modelliert werden, wie sie in einer Datenbank verwaltet werden und wie sie über 12.11.2008 © Copyright 2005 – 2008, alle Rechte vorbehalten 8/9 UNIGIS Modul “OpenGIS® und verteilte Geoinformationsverarbeitung” Lektion 8: Die Abbildung der geografischen Realität im Computermodell Autor: Dr. Martin Huber Netzwerke ausgetauscht werden können. Features sind die Objekte der georäumlichen Modellierung. Dieser Begriff steht außerhalb der Begriffe der in der Informatik gebräuchlichen Modellierungsmethoden. Damit lässt er sich problemlos in unterschiedlichem Kontext, also sowohl in der datenbankorientierten Entity-Relationship-Modellierung als auch in der objekt-orientierten Modellierung mit UML, einsetzen. Ein Feature ist die Grundeinheit der geografischen Information und spielt eine grundlegende Rolle in den OpenGIS-Standards, sei dies als Modellierungseinheit, als Abspeicherungseinheit oder als Austauscheinheit. 12.11.2008 © Copyright 2005 – 2008, alle Rechte vorbehalten 9/9