Ethnische und nationale Herkunft

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Ethnische und nationale Herkunft
Integrationsdebatte und Rassismus
Menschenrechtsbeirat 5.11.2007
Integration (von zugezogenen Personen), Migration, kulturelle Unterschiede, kulturelle
Vielfalt, Religionsvielfalt, und weitere verwandte Themen, worunter hier nicht Asyldebatte
und Bleiberecht verstanden wird, wurden von allen wahlwerbenden Gruppen im
Betrachtungszeitraum zwischen Juni und Oktober thematisiert oder kommentiert. Insgesamt
119 Textstellen wurden zum Thema dokumentiert, das sind ca 50 % aller. Die Parteien
beteiligten sich jedoch sehr unterschiedlich: 64 FPÖ, 28 BZÖ, 16 ÖVP, 7 Grüne, 3 KPÖ, 1
SPÖ.
Diskriminierung, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus
Der Grazer Gemeinderatswahlkampf weist allerdings auch ganz andere Züge in der
Integrationsdebatte auf: Rassismus.
Das in Österreich in Verfassungsrang stehende internationale Verbot der
„Rassendiskriminierung“ verbietet, jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem
nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung,
Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein
gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und
Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen
Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.
(Rassendiskriminierungskonvention der Vereinten Nationen, Artikel 1).
Eine Unterscheidung zwischen StaatsbürgerInnen und AusländerInnen ist nur dann erlaubt,
wenn diese Unterscheidung nicht zu einer Unterscheidung nach den Merkmalen Hautfarbe,
Rasse, nationale Herkunft, ethnische Zugehörigkeit oder Abstammung führt. Religion ist zwar
kein ausdrücklich verbotenes Merkmal nach dem Rassendiskriminierungsverbot, jedoch ist
sie ein Indikator, wenn sich von der Religion auf die Abstammung schließen lässt. Dies ist in
Österreich und in Graz der Fall. Die Mehrheit der Muslime ist türkischer, bosnischer oder
kurdischer Abstammung.
Nach Art 3 wird Segregation verurteilt und der Staat dazu verpflichtet, Regeln und Praktiken,
die zu (ethnischer) Segregation führen (oder diese festschreiben) zu verbieten, zu verhindern
und zu beseitigen.
Weiters ist der Staat gem Art 4 verpflichtet, Propaganda und Organisationen zu verurteilen
und zu verbieten, die den Gedanken oder die Überzeugung von ethnischer Überlegenheit oder
Bevorzugung fördern oder dazu aufreizen.
Neben dem internationalen Rassendiskriminierungsverbot existiert eine Reihe von
verbindlichen Vorschriften zum Diskriminierungsverbot, wie zB die Europäische
Menschenrechtskonvention oder das Gleichbehandlungsgesetz.
Die FPÖ besetzt im Wesentlichen dieselben Themenbereiche wie das BZÖ mit leichten
Unterschieden in der Bearbeitung. In der Integrationsdebatte mit ihren unterschiedlichen
Aspekten werden ähnliche Positionen vertreten, andere Themen wie soziale Rechte oder
Sicherheit werden unter Verwendung aggressiver Diskurse behandelt, alle Themen können im
Grunde unter den Begriff „Ausländerfeindlicher Wahlkampf“ subsumiert werden.
Folgende Themen wurden in den Diskurs eingebracht:
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In der Integrationsdebatte wird zB von „Multi-Kulti-Wahn“ und
„Ausländerproblematik“ gesprochen.
Das Thema Familie wird in Zusammenhang mit demographischer Entwicklung
behandelt, „Gebärverweigerung in der Ursprungsbevölkerung“ und
„Massenzuwanderung“ bestimmen den Diskurs, in dem es sich erübrigt über
„Homoehe“ zu diskutieren.
Betreffend die Religionsfreiheit ist laut „Wir Grazer“ (Postwurf vom 2.11.2007, S 2)
der ÖVP in der „Islam-Bekämpfung“ nicht zu trauen. Das „Moscheenverbot“ steht –
gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen – weit oben auf der Agenda.
Beim Thema Armut und Arbeitsmarkt wird über die Kosten für ausländische
SozialhilfeempfängerInnen und die „in dubiose Integrationsprojekte gesteckten
Millionen“ polemisiert. „Zuwanderung ruiniert den Sozialstaat“ (Wir Grazer, S 4).
In die Bildungsdebatte wird lediglich eine nach Sprache getrennte Klasseneinteilung
zur Bildungsgarantie für „einheimische“ SchülerInnen eingebracht.
Gemeindewohnungen sollen (entgegen EU Vorschriften) nur für „Inländer“
zugänglich sein.
Egal welches Thema analysiert wird, es wird immer rassistisch, ausgrenzend,
ausländerInnenfeindlich, aggressiv und hetzerisch behandelt.
Die Integrationsdebatte wird vor dem Hintergrund vorgebracht, dass eine Gruppe ohnehin
„von Natur aus“ nicht fähig wäre, die geforderte Anpassungsleistung zu erbringen. Dies ist
mit strukturellem Rassismus gleichzusetzen.
Der Wahlkampf der FPÖ fokussiert sich auf das Schüren von Ängsten, auf Ausgrenzung und
Abgrenzung und auf die Schaffung von Feindseligkeit gegenüber Menschen nach den
Merkmalen Hautfarbe, Rasse, nationale Herkunft, ethnische Zugehörigkeit oder
Abstammung. Dies kann durchgängig nachgewiesen werden ohne auf jede einzelne
Stellungnahme eingehen zu müssen.
Unter Anwendung der Kriterien zur Qualifikation des Diskurses ergibt sich folgendes Bild:
• Konstruktion von Gruppen und Ableitung von benachteiligenden Maßnahmen gegen
die Außenseiter bzw. Herleitung von Privilegien für die eigene Gruppe
Die Wahlkampfrhetorik unterscheidet kategorisch zwischen In- und Ausländern, wobei
Ausdrücke wie „Ursprungsbevölkerung“ oder die Hervorhebung, dass „Türken und Bosnier
an der Spitze der Grazer Einbürgerungsliste stehen“ auf eine ethnische Abgrenzung nach
Abstammung schließen lassen.
Es wird mit scheinbar sachlichen Belegen gearbeitet, um die „Ungerechtigkeit der
Bevorzugung“ dieser Gruppe zu belegen (Einkommensvergleiche, falsche Zahlen über den
Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung, lange Zeitreihen in der Zuwachsstatistik,
Generalisierung von Einzeldaten wie Anteil von Kindern nicht deutscher Herkunftssprache,
usw).
„Fremd im eigenen Land“ ist das Bedrohungsszenario, auf das die Folgen der jetzigen Politik
gebracht werden.
•
Verwendung, Bestätigung und Erzeugung von Stereotypen und Vorurteilen;
Konstruktion des „Fremden“ und des „Anderen“
Insbesondere in der Debatte um Religionsfreiheit wird der Islam stereotypisiert und über die
Behauptung der „Islamisierung“ die Verbindung zu fundamentalistischem Terror konstruiert.
•
Kollektivmetaphorik
Überfremdung, Verausländerung, Massenzuwanderung, „Fremd im eigenen Land“ ist das
Bedrohungspotenzial.
Pauschalverurteilung von AfrikanerInnen als Drogendealer, von Roma, die um Almosen
bitten als „Mafia“, Ausländern als ruinös für den Sozialstaat, AsylwerberInnen als verdächtig
des „Asylmissbrauchs“, kulturelle Diversität und eine Politik des sozialen Zusammenhalts als
„Multi-Kulti-Wahn“ diskreditiert, Kinder von Zuwanderern als der deutschen Sprache
generell nicht mächtig usw.
• Strategien der „Entmenschlichung“ von Menschen(gruppen)
Es wird in der Religionsdebatte nicht von Muslimen gesprochen, sondern nahezu
ausschließlich von Islamismus. Offensichtlich hat man sich auch der Islam-Bekämpfung
verschrieben. Das ist keine Feststellung einer Tatsache mehr, das ist eine
Handlungsaufforderung.
• Sündenbockkonstruktion
AusländerInnen scheinen im Gesamtkontext betrachtet an allen kritisierten Umständen die
Schuld zu tragen. Sie ruinieren den Sozialstaat, nehmen den ÖsterreicherInnen die
Sozialwohnungen weg, sind an der „Bildungsmisere“ (in Hauptschulen) schuld, verhindern
Aufstiegschancen „einheimischer“ Jugendlicher und geraten unter pauschalen Terrorverdacht,
sind doch „Moslems bald die Mehrheit“ (Wir Grazer, S 2).
• Täter-Opfer-Umkehr
Es ist kein Thema, dass zugewanderte MitbewohnerInnen soziale Nachteile haben und
deshalb zu sozialstaatlichen Leistungen berechtigt sind. „Ausländer“ sind schuld an der
Segregation, um nur ein Thema zu nennen.
• Abwertende Begriffe zur Bezeichnung von Personen(gruppen)
„Neger“ ist die Bezeichnung für Leibeigene mit dunkler Hautfarbe, meist afrikanischen
Ursprungs. Die Bezeichnung ist als Abwertung anerkannt (siehe Duden), die Verwendung gilt
als nicht konform mit dem Rassendiskriminierungsverbot, ist straf- (Ehrenbeleidigung,
Verhetzung) und zivilrechtlich (rassistische Belästigung) relevant. Die Bezeichnung wurde in
mehreren Texten und Presseaussendungen trotz entsprechenden Hinweisen verwendet.
•
Dogmatismus, Totalitarismus und politischer Radikalismus als „politische Rezepte
gegen Personen(gruppen)“
Der bisherige Wahlkampf der FPÖ ist hier einer Analyse nicht in der gebotenen Kürze
zugänglich.
Die Kriterien zur (menschen-)rechtlichen Auslegung
• objektiver Sachverhalt
Die Wahlkampfrhetorik ist in sämtlichen Themenbereichen so angelegt, dass eine auf Rasse,
der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende
Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur
Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von
Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen
oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.
o Wer sind die betroffenen Menschen (Begünstigte oder Opfer)?
Betroffen sind Menschen mit den Merkmalen Rasse, Hautfarbe, der Abstammung,
dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum, sowie des Religionsbekenntnisses.
o Ist ein Menschenrecht verletzt bzw. gefördert?
Es sind das Rassendiskriminierungsverbot, die Artikel 1 und 2 der AEMR, kulturelle
Selbstbestimmungsrechte und das Recht auf Privat- und Familienleben, die
Religionsfreiheit, das Recht auf Bildung und das Recht auf Wohnraum beeinträchtig.
o Kausalität
Es handelt sich um politische Forderungen. Es ist im politischen Diskurs nicht
unerlaubt, etwas zu fordern, das der aktuellen Gesetzeslage nicht entspricht. Die
Forderung zielt jedoch auf die Einschränkung von Grundrechten aus verpönten
Gründen ab, daher ist die Kausalität der Forderung mit der Beeinträchtigung von
Rechten zu bejahen. Die Tatbestände des „Aufreizens“ bzw. der „Belästigung“ sind
hinlänglich nachgewiesen. Die Forderungen sind durchaus geeignet, ein feindseliges
Umfeld u schaffen.
o Zurechenbarkeit
Die wahlwerbende Partei muss sich die Konsequenzen dieser Rhetorik zurechnen
lassen. Absicht und Wissentlichkeit kann wohl angenommen werden.
Kommunikations- und Werbestrategie
• Gestaltung, (suggestive) Wirkung auf die Wahrnehmung
• Reichweite und Grad der Öffentlichkeit
• Wiederholungshäufigkeit (Frequenz)
Hohe Frequenz in diesem Wahlkampfabschnitt. Immer wieder gleiche Töne, zu jedem Thema
kommt der „Ausländer-Diskurs“. „Österreich Zuerst“ als Diskriminierungsformel.
• Gesamtbild
Aggressiv.
• Medienvielfalt und Medienwahl
Plakatständer (2 Wellen)
Plakate in GVB (1 Aktion 14 Tage)
Intensive Bearbeitung der website (wöchentliche, teilweise täglich neue Beiträge)
Gratiszeitungen (wöchentliche Textanzeigen)
Die FPÖ hat mit dem Thema (über 70 Beiträge wurden gesammelt) quantitativ die
Wahlkampfphase dominiert. Ob mit ihrer Strategie eine Öffentlichkeitswirksamkeit erreicht
wurde, kann (noch) schwer beurteilt werden. Der Wahlkampf ist insgesamt noch nicht
gekippt.
• Transparenz der Botschaft
Die Aggression mit der das Thema vorgetragen wird und einzelne Äußerungen wie (IslamBekämpfung, Minus-Zuwanderung, Überfremdung) lassen auf eine Aufforderungsebene der
Botschaft schließen. Die verwendeten Wortspiele in den Slogans sind meist noch auf
syntaktischer Ebene jeder für sich genommen nicht verboten. Die Verbindungen und
Binnendifferenzierungen zeigen recht klar den semantischen Inhalt der Botschaft. Einzelne
Äußerungen (Sodomieverdacht, Asylkriminalität) setzen ganze Gruppen von Menschen derart
ins Unrecht, dass dies einem Aufruf zum Handeln auf pragmatischer Ebene gleichzusetzen ist
und nicht lediglich ein Aufruf zur Unterstützung einer politischen Forderung.
Mit den Bedrohungsszenarien („Überfremdung“, „Verausländerung“, „Islamisierung“, alle
Bezeichnungen sind negativ konnotiert) werden Menschen nach den Merkmalen Hautfarbe,
Rasse, nationale Herkunft, ethnische Zugehörigkeit oder Abstammung ins Unrecht gesetzt
und eine die menschliche Würde verletzende Wertung vorgenommen. Auch wenn kein
expliziter Handlungsaufruf zur „Gegenwehr“ erfolgt, so ist der Diskurs in seiner Konsequenz,
Häufigkeit und in seiner Intensität als Aufreizung im Sinne des
Rassendiskriminierungsverbots zu qualifizieren.
Wo der Wahlkampf das Rassendiskriminierungsverbot schwerwiegend verletzt, kann er sich
nicht auf Meinungsäußerungsfreiheit berufen.
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