Architektur Funktionalität und Ästhetik Norbert Koch Der Flughafen München wird weltweit gelobt für seine langfristige Entwicklungsfähigkeit, seine freundliche Architektur und die Qualität des visuellen Erscheinungsbildes. Diesem hohen Anspruch fühlten und fühlen wir uns verpflichtet und bemühten uns, diese Gesamtkonzeption zu respektieren und weiter zu entwickeln. Der Gewinn des Architektenwettbewerbs für das Terminal 2 gegen internationale Konkurrenz stellte darüber hinaus eine besondere Herausforderung für uns dar und ist zweifellos der Höhepunkt in einer langjährigen Entwicklung. Wir, meine Mitarbeiter, Partner und vor allem ich selbst, sind mit der Planung dieses Flughafens seit mehr als drei Jahrzehnten verbunden (u. a. Plangutachten zum Masterplan, Fortschreibung des Masterplans). Bereits in den Jahren 1970 bis 1974 wurden die grundsätzlichen Leitlinien und Zielvorstellungen für das Erscheinungsbild des Flughafens definiert, die die gesamte bauliche Entwicklung bis heute maßgeblich geprägt haben und auch weiterhin prägen werden: Der Flughafen ist von West und Ost durch Straße (peripher) und Schiene (in der Mittelachse) erschlossen. Die Gesamtanlage und die Einzelbereiche bieten durch eine sinnfällige städtebauliche Ordnung sowie durch Offenheit und Großzügigkeit eine hervorragende Orientierung, Übersichtlichkeit und Systemverständnis für die Passagiere. Alle künftigen Erweiterungen sind unter Wahrung der städtebaulichen Ordnung und der Gestaltungsprinzipien ohne Beeinträchtigung durchführbar, die Landschaftsgestaltung ist fester Bestandteil des Flughafengesamtkonzeptes. Grundlage für die Planung des zweiten Terminals war die Orientierung an diesen Zielsetzungen. Zusätzlich mussten aber auch neue und geänderte Anforderungen an die Aufgaben eines Flughafens berücksichtigt werden. Ein weiterer Baustein zur Airport City Das München Airport Center wird als geometrischer und optischer Mittelpunkt der gesamten Flughafenanlage erlebt. Die zentrale Halle des neuen Terminals bildet den räumlichen Abschluss zum Forum des München Airport Centers nach Osten. Sie ergänzt – gemeinsam mit dem neuen Pier – die bestehenden Anlagen schlüssig zu der Figur eines „großen H“ mit optimalen land- und luftseitigen Abwicklungsflächen. Hotel Kempinski, München Airport Center, Terminal + Pier und Parkhaus bilden ein städtebauliches Ensemble. Mit der Fertigstellung des Terminals 2 wird ein weiterer Baustein zur Entwicklung einer Airport City hinzugefügt. Die Entwicklung vom Flughafen in der Landschaft zur Stadtlandschaft Flughafen ist damit in vollem Gang. Leistungen für den Passagier Neben den klassischen Funktionen der Passagier- und Flugzeugabfertigung wird mit dem neuen Terminal 2 ein umfassendes Dienstleistungsangebot zur Verfügung gestellt, das den jeweils besonderen Anforderungen sowohl der abfliegenden, als auch der ankommenden und umsteigenden Passagiere und den Besuchern entspricht. Übersichtlichkeit, verständliche Wegeführung, Orientierung und die Schaffung des Gefühls von Sicherheit und Service wurden baulich und architektonisch gelöst. Es war die Absicht, den Passagier „der Nase nach“ gehen zu lassen, damit er als Abfliegender, Ankommender und Umsteigender sein Ziel „geradezu blind“ und auf schnellstem Wege findet. Qualität der Arbeitsplätze und Attraktivität für Besucher Neben den Angeboten für Passagiere liegt ein ganz wesentliches Ziel in der Schaffung und Entwicklung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze für die Mitarbeiter des Flughafens, der Airlines, der Behörden und der unterschiedlichsten Dienstleister. Durch die übersichtliche und leicht verständliche Anordnung der Passagierabläufe auf den verschiedenen Ebenen des Terminals 2 und durch die Gastronomiebereiche in der Halle, die Läden im gesamten öffentlichen Bereich und durch die attraktive Besucherterrasse mit dem Sky Walk quer durch die Abflughalle werden optimale Möglichkeiten geboten, Besuchern den gesamten land- und luftseitigen Flughafenbetrieb auch innerhalb der Sicherheitsbereiche zu zeigen. Terminalhalle Grundlegende Entwurfskriterien waren Transparenz, optimale raumklimatische und akustische Bedingungen. Alle abfliegenden und ankommenden Fluggäste betreten bzw. verlassen das Terminal 2 über die zentrale Halle, die sich östlich an das München Airport Center anschließt. In dieser weiträumigen, lichtdurchfluteten Check-in-Halle finden die Fluggäste alle für die Passagierabfertigung relevanten Einrichtungen. Funktionalität und Ästhetik werden durch die klar strukturierte und transparente Raumaufteilung zu einer überzeugenden Synthese geführt. Mit ihrem großzügigen Erscheinungsbild knüpft die zentrale Halle an das benachbarte München Airport Center an und setzt eigene Akzente hinsichtlich der Maßstäblichkeit, Detailausbildung und Konstruktion. Die Halle des Terminals 2 ist ein neuer Höhepunkt der Flughafenanlage. Ihre Dimension, ihre Lage in der Mittelachse des Flughafens entspricht der funktionalen und städtebaulichen Bedeutung. Der Passagier erlebt einen großzügigen, offenen und lichtdurchfluteten, übersichtlichen Raum mit vielfältigen und unterschiedlichen Nutzungen. Die Terminalhalle, ruhiger Glaskorpus und Kontrapunkt zur zentralen Mitte, ergänzt das MAC-Forum mit einer markanten und unverwechselbaren Eingangssituation zum Terminal 2. Das Dach der Halle besteht aus sieben gläsernen Schiffen in Ost-WestRichtung – dem Passagierfluss entsprechend. Die vielfältigen ungestörten Sichtbeziehungen von innen nach außen machen das Thema „Flughafen in der Landschaft“ besonders deutlich erlebbar. Pier und Verwaltung Am lang gestreckten Pier des neuen Terminals stehen 24 Fluggastbrücken für die ankommenden und abfliegenden Passagiere zur Verfügung. Die Fluggäste verteilen sich hier über drei Ebenen. Bei der Raum- und Funktionsplanung für das neue Abfertigungsgebäude wurden die spezifischen Anforderungen des Umsteigeverkehrs berücksichtigt. Durch die effiziente Führung der Passagierströme und die Einrichtung von 40 Transferschaltern und einer Gepäckförderanlage höchster technischer Qualität kann eine Umsteigezeit von nur 30 Minuten gewährleistet werden. Damit verfügt München im Wettbewerb mit den anderen großen europäischen Luftverkehrsdrehscheiben über einen gravierenden Wettbewerbsvorteil. Das 1 000 m lange Gebäude des Piers übernimmt die eigentlichen passagierbezogenen Aufgaben: Ankunft, Abflug und – von besonderer Bedeutung – Transfer der Umsteiger. Dieser Aufgabenstellung entspricht die großzügige Dimensionierung und räumliche Übersichtlichkeit der Bewegungs- und Aufenthaltsräume. Das Ziel, dem Passagier eine größtmögliche Orientierung zu bieten, ist durch die hohe Transparenz des Gebäudes erreicht. Der Ausblick auf Vorfeld und Landseite ist von überall aus möglich. Die beiden 4-geschossigen Gebäude der Verwaltung, die südlich und nördlich der Halle parallel zum Pier verlaufen, bilden mit dem 3-geschossigen Pier eine gestalterische Einheit. Auch hier soll die Bezugnahme auf die Gestaltungsprinzipien des Terminals 1 deutlich werden durch Material- und Farbwahl, trotz deren Weiterentwicklung: mehr glatte, geschlossene Flächen, einfachere Elementierung, großflächigere Verglasung, keine aufgelösten Konstruktionen, hori-zontale Gliederung und Linearität. Parkgebäude Das neue Parkgebäude mit ca. 6 400 Stellplätzen auf elf Geschossen wird aufgrund des gestiegenen Stellplatzbedarfs durch die Erweiterung des Flughafens München benötigt. Das Entwurfskonzept führt die städtebauliche Ordnung des Flughafenareals unter Beibehaltung der grünen Mitte der „zentralen Zone“ fort und nimmt vorhandene Gebäudefluchten und Bezüge auf. Die in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Lichthöfe dienen der natürlichen Belichtung, Belüftung und Entrauchung des Gebäudes und lassen eine baurechtliche Einordnung als offene ober-irdische Großgarage zu. Die 170 m langen und bis zu 20 m breiten Lichtschneisen gliedern das Gebäude und sorgen für gute Orientierung. Bis in die unterste Parkebene im vierten Untergeschoss fällt natürliches Licht. Ein Stahlträgergerüst stellt die äußere Ebene der geschichteten Fassade aus Lamellen und Spannseilen dar. Gemeinsam mit den geschuppten Glaslamellen der Fluchttreppenhäuser und der Spindeln an den Gebäudeecken betont es die Horizontalität des Baukörpers. Gepäcksortierhalle Zur Sicherung der Kapazitäten in der Gepäckbeförderung in Verbindung mit der Einhaltung einer minimum-connecting-time von 30 Minuten entstand im Osten des Terminals 2 die Gepäcksortierhalle. Die Gepäckförderanlage nimmt auf bis zu vier Ebenen eine Fläche von ca. 51 000 m2 ein und ist mit dem Terminal 2 über mehrere Tunnel verbunden. Im Weiteren ist die Gepäcksortierhalle als erste Phase des nächsten Ausbauschrittes in Form eines ersten Satelliten anzusehen, der funktional dem Terminal 2 zugeordnet wird. Hierfür notwendige Maßnahmen, wie z. B. der unterirdische Anschluss eines PersonenTransport-Systems, sind bereits im Bau berücksichtigt. Für die Kontrolle der beiden östlichen Rollfelder wurde im direkten räumlichen Zusammenhang mit der Gepäcksortierhalle ein 45 m hoher Vorfeldtower errichtet. Dieser wird gestalterischer Bestandteil des künftigen Satelliten und baukörperlich in die über der Gepäcksortierhalle entstehenden Satellitengeschosse integriert. Gestaltungsbeirat Das Gesamtprojekt des Flughafens München 2 wurde von Anfang an von einem Gestaltungsbeirat begleitet. Das Kernziel war dabei das Erreichen eines Kontinuums der gestalterischen Grundsätze. Der Gestaltungsbeirat hat sich entsprechend seiner Satzung die Aufgabe gestellt, das anspruchsvolle architektonische und visuelle Erscheinungsbild des Münchner Flughafens für Gegenwart und Zukunft auf hohem Niveau zu halten. Unter Vorsitz von Peter Lanz hat der Gestaltungsbeirat auch unsere Arbeit am Terminal 2 mit einer offenen, kritischen und konstruktiven Auseinandersetzung begleitet. Gestaltungsrichtlinien Die Weiterentwicklung des übergeordneten Erscheinungsbildes des Flughafens, deren Grundlagen bereits Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre von Otl Aicher und Eberhard Stauß gelegt wurden, geschah in Form eines Gestal-tungshandbuches in enger Zusammenarbeit mit dem Büro für Gestaltung Wangler & Abele, in Nachfolge von Prof. Stauß. Hier fanden die neuen Anforderungen an ein heutiges Terminal ihren Niederschlag. Es gilt, nicht nur einen Flughafen mit einheitlichem Erscheinungsbild in die Landschaft zu integrieren. Es sind Gestaltungsvorgaben zu fixieren, die den unterschiedlichsten Einrichtungen wie Läden, Gastronomie mit ihren spezifischen Zielsetzungen die jeweils notwendigen Freiheiten lassen hinsichtlich Nutzung, individuellem Corporate Identity etc., dennoch sich aber einem übergeordneten Gestaltungskonzept – einer Grammatik aus Farben, Formen und Materialien – unterordnen; ein ständiges Bemühen um jedes Detail mit allen Beteiligten. Ich denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wir, die Architekten des neuen Terminals, danken allen an der Planung und Ausführung Beteiligten für die intensive und immer konstruktive Zusammenarbeit. Wir sind stolz darauf, dieses Riesenwerk gemeinsam in nur viereinhalb Jahren Planungs- und Bauzeit fertig gestellt zu haben und wünschen der Flughafen München Gesellschaft und der Deutschen Lufthansa mit ihren Star Alliance Partnern alles Gute zum Start im Terminal 2.