Original Ernährung in Justizvollzugsanstalten – besonders der Gesundheitsorientierung verpflichtet Michael Krawinkel und Sabine Halacz, Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen Die Ernährung in Justizvollzugsanstalten (JVA) erfolgt – je nach Haftdauer – für viele Jahre und ist für die Insassen ohne Alternative. Daher besteht eine besondere Verpflichtung, die Kost so zu gestalten, dass Gesundheitsrisiken vermieden und die Chancen auf ein späteres Leben in Gesundheit nicht eingeschränkt werden. Es gibt jedoch nur wenig veröffentlichte Daten zur Ernährung in JVA. Daher wurde das Nahrungsangebot für Gefangene erhoben. Von 25 Anstalten konnten Daten erfasst, ausgewertet und mit den Ergebnissen einer früheren Studie, den Ergebnissen des Gesundheitsund Ernährungssurvey sowie den D-A-CH-Empfehlungen verglichen werden. Dabei zeigt sich, dass eine deutliche Annäherung des Nahrungsangebots an die Empfehlungen stattgefunden hat. Eine weitere Verbesserung könnte erreicht werden, wenn insbesondere die hohen Zufuhren an Fett und an Natrium gesenkt würden. Einleitung Die Ernährung in JVA ist von besonderer Bedeutung, da die Konsumenten bei der Lebensmittelauswahl eingeschränkt und z. T. für viele Jahre auf das Angebot der Einrichtung angewiesen sind. Die Bereitstellung einer gesundheitsfördernden Ernährung ist unter diesen Bedingungen eine verantwortungsvolle Aufgabe und Pflicht des Strafvollzugs. Schon 1984 wurde eine Ernährungserhebung zur Verpflegung im Justizvollzug durchgeführt, die sich jedoch nur auf die bayeri- schen JVA bezog [1]. Ergebnisse weiterer Erhebungen in diesem Bereich, z. B. einer Studie der Fachhochschule Fulda, sind zumindest nicht veröffentlicht worden. Untersucht wurde die Versorgungssituation mit Hauptnährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen durch das Regelkostangebot in 25 JVAs. Miterhobene Daten zu speziellen Kostformen, z. B. bei Diabetes mellitus o. a. wurden nicht in diese Publikation einbezogen, können aber bei Interesse aus der Diplomarbeit zur Verfügung gestellt werden [3]. Ziel der Tab. 1: Vergleich des Angebots an Lebensmitteln (g/Tag; jeweils Mittelwerte) für Männer mittleren Alters in der vorliegenden und der in Bayern durchgeführten JVA-Studie [1] Lebensmittelgruppen eigene Daten [3] g pro Tag Bayern [1] g pro Tag Differenz in g Differenz in % Käse u. Quark 51,1 32,0 +19,9 +62,2 Fisch u. Fischwaren 32,6 25,0 +7,6 +30,4 Koch- u. Streichfett 65,1 56,0 +9,1 +16,3 Gemüse 231,3 208,0 +23,3 +11,2 Brot u. Backwaren 434,7 412,0 +22,7 +5,5 70,3 78,0 -7,7 -9,9 Fleisch u. Wurstwaren 156,5 176,0 -19,5 -11,1 Milch, Joghurt, Milchpulver 218,0 264,0 -46,0 -17,4 12,2 17,0 -4,8 -28,2 258,4 435,0 -176,6 -40,6 Obst Eier Kartoffeln u. -produkte Ernährungs-Umschau 53 (2006) Heft 8 Erhebung war es zu prüfen, ob die Ernährung der Inhaftierten in JVAs tatsächlich den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für eine gesundheitsförderliche Ernährung entspricht. Die Ergebnisse der bayerischen Studie sowie des Ernährungs- und Gesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts [4] dienten als Grundlage zur Diskussion der aktuell erhobenen Daten. Methoden In der vorliegenden Studie wurde das Kostangebot für inhaftierte Männer und Frauen (Alter: 25 bis 51 Jahre) sowie Jugendliche (Alter: 15 bis 19 Jahre) untersucht. Justizvollzugsanstalten in 11 Bundesländern wurden einbezogen; von den insgesamt 80 Angeschriebenen schickten 25 JVA – aus Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Sachsen, SachsenAnhalt, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein – die Erhebungsbögen ausgefüllt zurück. Aus Anstalten mit männlichen und weiblichen Insassen kamen 6 und aus Anstalten mit ausschließlich männlichen Insassen 19 Bögen; in 3 JVA waren ausschließlich Jugendliche inhaftiert, in 12 ausschließlich Erwachsene und in 10 Anstalten sowohl Jugendliche als auch Erwachsene. Erfragt wurden die Speisenpläne für die Normalkost und die verschiedenen Kostformen (Diabetikerkost, leichte fettarme Kost, kochsalzarme Kost, vegetarische Kost, muslimische Kost) über einen Zeitraum von 2 Wochen. Fehlende Informationen zu einzelnen Lebensmitteln und Speisen, z. B. Mengen oder Zubereitungsarten, wurden ergänzend per Fax oder telefonisch abgefragt. Der Fragebogen war offen gehalten, so dass die Befragten mit selbst gewählten Formulierungen antworten mussten und Suggestionen vermieden wurden. Die Daten und Speisenpläne wurden mit den Programmen „Ernährung 309 Original Tab. 2: Vergleich des Angebots an Lebensmitteln (g/Tag; jeweils Mittelwerte) in der vorliegenden Studie und den Daten für Männer mittleren Alters aus dem Bundesernährungssurvey [4] Lebensmittelgruppen1 Eigene Daten, g pro Tag pflanzliche Fette Ernährungssurvey [4], g pro Tag Differenz in g Differenz in % +285,9 62,9 16,3 +46,6 Kartoffeln u. K´produkte 245,0 126,3 +118,7 +94,0 Brot 400,0 168,3 +231,7 +137,7 Fisch 30,0 15,0 +15,0 +100,0 Geflügel 21,4 13,7 +7,7 +56,2 Fleisch 68,3 103,3 -35,0 -33,9 Wurstwaren 71,4 60,0 +11,4 +19,0 Kohlgemüse Milchprodukte Teigwaren tierische Fette 42,2 34,7 +7,5 +21,6 256,6 237,7 +18,9 +8,0 30,0 33,0 -3,0 -9,1 8,4 10,7 -2,3 -21,5 Eier 12,4 21,0 -8,6 -41,0 Obst 58,6 135,0 -76,4 -56,6 10,0 0,0 +10,0 189,1 162,0 +27,1 Innereien andere Gemüse Diskussion +16,7 1 Zusammensetzung der Lebensmittelgruppen zur besseren Vergleichbarkeit angepasst, daher Abweichungen von den eigenen Daten in Tabelle 1. aktiv - DGE-PC“ und Microsoft Excel erfasst und im Hinblick auf das tägliche Angebot an Lebensmitteln sowie Energie, Wasser und Nährstoffe ausgewertet. Schließlich wurden die Ergebnisse mit den D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr sowie den Ergebnissen anderer Untersucher verglichen. Ergebnisse In Abbildung 1 ist das durchschnittliche tägliche Lebensmittelangebot für die Normalkost dargestellt. Brot und Backwaren, Kartoffeln sowie Gemüse und Suppen führen die Liste an; am unteren Ende stehen Teigwaren, Fisch und Eier. Angaben zu den Makronährstoffen und Ballaststoffen enthält Abbildung 2a, Angaben zum Anteil der Makronährstoffe an der Energiezufuhr Abbildung 2b. Die Varianz ist relativ gering, sodass die Mittelwerte das Angebot gut widerspiegeln. Das hohe Brotangebot stellt den Großteil der Kohlenhydrate. Fleischund Wurstwaren, sichtbares, Streichund Zubereitungsfett sowie Käse machen einen hohen Fettanteil aus. Eier Fisch Teigwaren Käse Fett Wurst Fleisch Suppe Gemüse Kartoffeln, ges. Brot 0 200 400 600 g/d 800 Abb. 1: Angebot an Lebensmitteln in Gramm pro Tag und Person im Rahmen der Normalkost für alle Inhaftierten (jeweils Minimum, Mittelwert und Maximum); Kartoffeln ges.: Kartoffeln und alle Kartoffelprodukte 310 Abbildung 3 zeigt die in der Kost enthaltenen Mengen ausgewählter Mineralstoffe. Dabei fällt insbesondere ein deutlich über den Referenzwerten liegendes Natriumangebot auf, während Calcium vielfach in zu geringen Mengen enthalten ist. In Abbildung 4 wird das Angebot an ausgewählten Spurenelementen dargestellt. Hier ist die Varianz für Eisen am größten. Abbildung 5 zeigt das Angebot an einigen ausgewählten Vitaminen. Das mittlere Angebot an Vitamin D beträgt 0,0019 mg pro Tag (Minimum: 0,0008 mg, Maximum: 0,0005 mg). Vitamin C wird im Mittel mit 93 mg pro Tag (Minimum: 55,8 mg, Maximum: 122,6 mg). Über die Gemeinschaftsverpflegung in Justizvollzugsanstalten gibt es praktisch keine wissenschaftlichen Publikationen. Ob tatsächlich keine Erhebungen durchgeführt wurden oder ob deren Ergebnisse nicht öffentlich zur Diskussion gestellt wurden, kann aufgrund der Studienlage nicht beurteilt werden. SHAW, RUTHERDALE und KENNY [5] berichten über die Gewichtsentwicklung von Häftlingen und die fehlende Bedarfsorientierung der Kost in Haftanstalten in den USA, beschränken sich allerdings auf weibliche Häftlinge. Da hier überwiegend Daten zur Versorgung männlicher Häftlinge erhoben wurden, wird diese Studie hier nicht weiter berücksichtigt. Vergleich der Lebensmittelzufuhr mit Daten einer Studie aus Bayern Da es in der wissenschaftlichen Literatur bis heute keine entsprechende Studie über das Nahrungsangebot in deutschen JVA gibt, werden im Folgenden Ergebnisse mit denen in bayerischen JVA aus dem Jahr 1984 verglichen [1]. In der vorliegenden Studie findet sich ein deutlich höheres Angebot an Käse und Quark sowie Fisch und Fischwaren und ein deutlich niedrigeres Angebot an Kartoffeln und Kartoffeltrockenprodukten sowie an Eiern als in der früheren Untersuchung (Tab. 1). Während Brot und Backwaren sowie Gemüse etwas reichlicher angeboten werden, sind die Mengen an Obst, Fleisch- und Wurstwaren sowie Milch und Milchprodukten geringer. Sowohl in der bayerischen als auch in der vorErnährungs-Umschau 53 (2006) Heft 8 Original Ballaststoffe Fett 35,5 % Eiweiß ess. Fettsäuren Fett Protein 14,8 % Kohlenhydrate 49,6 % Kohlenhydrate 0 50 100 150 200 250 300 350 400 g/d 450 Abb. 2b: Mittleres Angebot an MakroAbb. 2a: Angebot an Makronährstoffen und Ballaststoffen in g pro Tag und Person im Rahmen der Normalkost für alle Inhaftierten (jeweils Minimum, Mittelwert und Maximum) liegenden Studie findet sich eine erhebliche Varianz hinsichtlich des Lebensmittelangebots zwischen den einzelnen Justizvollzugsanstalten. Für die aktuelle Studie ist diese in Abbildung 1 dargestellt. Vergleich der Lebensmittelzufuhr mit den Daten des RKI Um das Nahrungsangebot in den JVA mit den Ernährungsgewohnheiten der deutschen Bevölkerung zu vergleichen, wurden Ergebnisse des Bundesernährungssurvey des Robert KochInstituts (RKI) zum Lebensmittelverzehr deutscher Männer im Alter von 25–51 Jahren herangezogen [4]. Diese Erhebung umfasste sowohl einen Gesundheits- als auch einen Ernährungssurvey und wurde von Oktober 1997 bis März 1999 durchgeführt. Sie spiegelt das aktuelle Ernährungsverhalten der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland im Jahre 1998 wider. Als Vergleichsgröße für die Verpflegung in den Justizvollzugsanstalten zeigt sie die unmittelbaren Abweichungen der Gemeinschaftsverpflegung von der Verpflegung in den Individualhaushalten. Aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsmethodik im Survey des RKI und der vorliegenden Studie ist die Vergleichbarkeit der Daten kritisch zu bewerten. Obwohl die Anpassung der Studie in den JVA an die Methodik des RKI nicht möglich war, sollen die Daten dennoch verglichen werden, denn es handelt sich in beiden Fällen um eine retrospektive Untersuchung des Nahrungsverzehrs bzw. -angebots. In der vorliegenden Studie findet sich für die Justizvollzugsanstalten ein deutlich höheres Angebot an Brot, Fleisch, Geflügel, Innereien, Fisch, Ernährungs-Umschau 53 (2006) Heft 8 Kartoffeln und Kartoffelprodukten sowie an pflanzlichen Fetten und ein deutlich niedrigeres Angebot an Eiern sowie an Obst (Tab. 2). Während Wurstwaren, Kohlgemüse und andere Gemüse etwas reichlicher angeboten werden, ist das mittlere tägliche Angebot an tierischen Fetten, Milchprodukten, Teigwaren geringer. Das Angebot an Brot und Kartoffeln ist sowohl in der vorliegenden als auch in der älteren bayerischen Studie bedeutend höher, als es den Verzehrsgewohnheiten in Deutschland entspricht. Auch werden den Inhaftierten Innereien, z. B. Leber, angeboten, die sonst praktisch nicht oder nur in sehr geringer Mengen verzehrt werden. Vergleich der Lebensmittelzufuhr mit den D-A-CH-Referenzwerten Die Kost in den JVA weist, gemessen an den Referenzwerten, im Mittel ein deutlich erhöhtes Angebot an Fett, essentiellen Fettsäuren, Ballaststoffen, Eiweiß, Vitamin C sowie Folsäure auf nährstoffen in Prozent der Energiezufuhr (kcal/Tag und Person) im Rahmen der Normalkost für Männer mittleren Alters (Tab. 3). Die Versorgung mit Vitamin A fällt etwas reichlicher aus und die an Energie sowie Kohlenhydraten etwas niedriger als in den Referenzwerten angegeben. Die durchschnittliche Energiezufuhr ist etwas niedriger als in den D-A-CH-Richtwerten angegeben. Dabei ist das Angebot an Makronährstoffen recht ausgeglichen, Allerdings ist das Angebot an Fett in der Normalkost eher hoch. Die Inhaftierten nehmen dann – bei eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten – schnell zu viel Fett auf. Bei nicht ausgeglichener Energiebilanz wird so die Entstehung eines Übergewichts mit allen damit verbundenen Folgen begünstigt. Die Versorgung mit Kohlenhydraten ist ausreichend, ebenso der Ballaststoffgehalt der angeboten Kost mit im Mittel 42,1 g/Tag. Bei der Normalkost für Männer liegt das Eiweißangebot deutlich über der Empfehlung. Die Versorgung mit Vitamin A wird über die angebotene Kost gesichert. Ein Überschreiten der D-A-CH-Empfehlung für Vitamin C ist nicht negativ Tab. 3: Vergleich des Energie- und Nährstoffangebots (Mittelwerte) für Männer mittleren Alters in der vorliegenden Studie mit den D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr [2] Nährstoff eigene Daten D-A-CH 2000 Energie (kcal) 2 858 2 900 Fett (g) essentielle Fettsäuren (g) Kohlenhydrate (g) Ballaststoffe (g) Eiweiß (g) 111,6 80,6 Differenz in g Differenz in % -42,0 -1,4 +31,0 +38,5 +101,1 18,9 9,4 +9,5 351,8 398,8 -47,0 -11,8 42,1 30,0 +12,1 +40,3 +43,7 104,8 59,0 +45,8 Vitamin A (mg) 1,1 1,0 +0,1 +10,0 Vitamin C (mg) 148,8 100,0 +48,8 +48,8 Folsäure (µg) 462,0 400,0 +62,0 +15,5 311 Original Phosphor Natrium Magnesium Calcium 0 1 000 2 000 3 000 4 000 5 000 6 000 7 000 8 000 mg/d Abb. 3: Angebot an Mineralstoffen in mg pro Tag und Person im Rahmen der Normalkost für Männer mittleren Alters (jeweils Minimum, Mittelwert und Maximum) Kupfer Zink Eisen 0 5 10 15 20 25 30 mg/d 35 Abb. 4: Angebot an Eisen, Zink und Kupfer in mg pro Tag und Person im Rahmen der Normalkost für Männer mittleren Alters (jeweils Minimum, Mittelwert und Maximum) Vitamin E Vitamin A Thiamin Folsäure 0,0 2,5 5,0 7,5 10,0 12,5 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0 mg/d Abb. 5: Angebot an Vitamin A, E, Thiamin und Folsäure in mg pro Tag und Person im Rahmen der Normalkost für Männer mittleren Alters (jeweils Minimum, Maximum und Mittelwert) 312 zu bewerten, da Vitamin C wasserlöslich ist und bei einem überhöhten Angebot mit dem Urin ausgeschieden wird. Zudem weist die hohe VitaminC-Zufuhr auf ein ausreichendes Angebot an Obst und Gemüse hin. Das heißt, die Inhaftierten werden im Mittel auch ausreichend mit Folsäure versorgt. Denn diese kommt vor allem in Gemüsearten wie Spinat, Brokkoli, Tomaten, Bohnen und Endivie vor, welche in den JVA-Küchen reichlich verwendet werden. Tabelle 4 zeigt die ermittelten Mittelwerte an Mengen- und Spurenelementen im Vergleich zu den D-A-CHReferenzwerten [2]. Die vorliegende Studie ergab ein deutlich überhöhtes mittleres Angebot an Natrium, Phosphor, Magnesium, Eisen sowie Zink. Des Weiteren kann man feststellen, dass das mittlere tägliche Angebot an Kupfer etwas reichlicher und das an Calcium etwas niedriger ausfällt als in den D-A-CH-Referenzwerten angegeben. Die hohe Eisenaufnahme – wesentlich aus Fleisch und Fleischprodukten – mit der angebotenen Kost ist insofern problematisch, da so hohe Aufnahmengen bei Menschen mit einer häufig unerkannten Anlage zur Hämosiderose langfristig zu einer erhöhten Eisen-Absorption führen; bei ihnen kommt es zu einer pathologischen Speicherung von Eisen und zu Organschäden, insbesondere an Leber und Pankreas. Mit der Kost in den JVA wird im Mittel weniger Calcium als empfohlen aufgenommen. Durch ein größeres Angebot an fettreduzierten Milchprodukten, z. B. anstelle von Fleisch und Wurstwaren, könnte die Zufuhr relativ leicht erhöht werden, ohne die Energiezufuhr weiter zu steigern. Die Versorgung an Magnesium ist deutlich höher als in den D-A-CH-Referenzwerten angegeben. Dagegen ist das hohe mittlere Tagesangebot an Natrium in der Normalkost der Männer problematisch. Einerseits wird Natrium problemlos mit dem Harn ausgeschieden, andererseits kann eine hohe Natriumaufnahme langfristig zu Störungen des Säure-Basen-Haushalts, Hypertonie, koronarer Herzkrankheit und einem erhöhten Osteoporoserisiko führen. Auch die Versorgung mit Phosphor ist gegenüber der D-A-CH-Empfehlung deutlich erhöht, was weniger auf das Angebot von Milch und Milchprodukten als auf das reichliche Angebot verarbeiteter Produkte zurückzuführen ist. Ernährungs-Umschau 53 (2006) Heft 8 Original Tab. 4: Vergleich des Angebots (Mittelwerte) an Mengen- und Spurenelementen für Männer mittleren Alters in der vorliegenden Studie mit den D-A-CH-Referenzwerten [2] Mengen- und Spurenelemente eigene Daten D-A-CH 2000 Differenz in g Differenz in % Eisen (mg) 19,3 10,0 +9,3 +93,0 Zink (mg) 17,0 10,0 +7,0 +70,0 2,0 1,5 +0,5 +33,3 Calcium (mg) 866,9 1 000,0 -133,1 -13,3 Magnesium (mg) 497,5 350,0 +147,5 +70,4 Natrium (mg) 4 800,0 550,0 +4250 +772,7 Phosphor (mg) 1 856,6 700,0 +1 156,6 +165,2 Kupfer (mg) Die Kost in einer JVA, die von den Inhaftierten unter Umständen jahrzehntelang verzehrt wird, muss in besonderer Weise am Ziel der Erhaltung der Gesundheit ausgerichtet sein. Zum einen weil die Inhaftierten keine freie Wahl der Kost haben, zum anderen, um sicherzustellen, dass die aus der Haft Entlassenen keine Folgeschäden aufgrund einer suboptimal gestalteten Ernährung erleiden. Die Ernährungssituation in den JVA ist gegenüber einer früheren Erhebung zwar besser geworden, aber immer noch verbesserungsfähig. Als Schlussfolgerungen aus der durchgeführten Erhebung ergeben sich: ■ Das Angebot an frischem Obst in der Normalkost ist zu erhöhen und die Abgabe von Obstkonserven zu reduzieren. ■ Unter dem Aspekt einer gesundheitsförderlichen Ernährung sollten mageres Fleisch, wie Rind- und Kalbfleisch, dem Angebot von Schweinefleisch oder Leber vorgezogen werden. ■ Neben den Wurstwaren, die von den JVA-Küchen ausgegeben werden (Bratwurst, Leberwurst, Salami, Lyoner, Cabanossi, Cervelatwurst, Fleischwurst, Mettwurst, Mortadella, Schweinespeck und Teewurst) und große Mengen gesättigter Fettsäuren (sowie Cholesterin) enthalten, trägt das Angebot an pflanzlichen Ölen und Fetten wesentlich zu dem hohen Fettanteil von 35,5 Energieprozent bei. Teilweise handelt es sich dabei um Brat- und Frittierfett. Insgesamt sollte durch Reduzierung der Fettzufuhr aus pflanzlichen und tierischen Quellen eine Annäherung an die Empfehlungen für eine gesundheitsförderliche Fettaufnahme erreicht werden. ■ Den Inhaftierten sollte anstelle von Vollmilch besser Buttermilch und fett- Zusammenfassung Ernährung in Justizvollzugsanstalten – besonders der Gesundheitsorientierung verpflichtet M. Krawinkel, S. Halacz, Gießen An die Ernährung in Justizvollzugsanstalten (JVA) sind besonders hohe Ansprüche zu stellen, weil die Verpflegten keine Auswahl haben und die angebotene Kost zum Teil viele Jahre lang verzehren müssen. Die vorliegende Studie berichtet über diese Ernährung anhand einer Umfrage bei 25 JVA aus elf Bundesländern, deren Kostpläne für zwei Wochen erhoben und analysiert wurden. Im Mittel findet sich ein höheres Angebot an Brot, Fleisch, Geflügel, Innereien, Fisch, Kartoffeln und -produkten sowie an Fetten und ein niedrigeres Angebot an Eiern sowie an Obst verglichen mit dem Ernährungssurvey des RKI aus dem Jahr 2002. Bezogen auf Nährwerte ergibt der Vergleich mit den D-A-CH-Empfehlungen ein hohes Angebot an Eiweiß und Fett, aber auch Ballaststoffen, Vitamin C und Folsäure. Empfehlungen gehen dahin, frisches Obst, mageres Fleisch vorziehen, Fettzufuhr aus pflanzlichen und tierischen Quellen reduzieren, sowie Buttermilch, fettarme Milch und Joghurt anbieten. Insgesamt ist im Vergleich zu einer bayerischen Studie aus dem Jahr 1988 eine verbesserte Ernährungspraxis im Sinne der Orientierung an den D-A-CH-Zufuhrempfehlungen und der Vermeidung von ernährungsbedingten Krankheiten festzustellen. Diese Tendenz sollte weiter optimiert werden. Ernährungs-Umschau 53 (2006), S. 309–313 Ernährungs-Umschau 53 (2006) Heft 8 reduzierte Milch sowie Joghurt in größeren Mengen angeboten werden, um die Calciumversorgung bei niedrigerer Energieaufnahme zu steigern; denn die Erhebung ergab Milchmengen von nur einem Liter pro Woche und dies teilweise nur für arbeitende Inhaftierte. Das Nahrungsangebot in Justizvollzugsanstalten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland deutlich verbessert. In Anbetracht der steigenden Prävalenz von in Verbindung mit Übergewicht entstehenden Erkrankungen, wie Diabetes mellitus, Herzinfarkt, Schlaganfall und manchen Krebserkrankungen, muss auf die Prävention durch gesundheitsförderliche Ernährung in der Gemeinschaftsvollverpflegung gerade auch in Justizvollzugsanstalten besonderer Wert gelegt werden. Ziel muss es sein, den Menschen die Chance auf ein Leben in Gesundheit nach der Entlassung aus der Haft zu erhalten. In Anbetracht der teilweise langzeitigen Abhängigkeit der Häftlinge von dem Nahrungsangebot sollte weiterhin angestrebt werden, die Ernährung eng an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu orientieren. Literatur: 1. Burger A, Kibler R: Ernährungserhebungen in bayrischen Justizvollzugsanstalten. Ernährungs-Umschau 35 (1988) 280–284 2. Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizer Gesellschaft für Ernährungsforschung, Schweizerische Vereinigung für Ernährung: Referenzwerte für Nährstoffzufuhr. Umschau Braus GmbH, Verlagsgesellschaft, Frankfurt/Main 2000 3. Halacz S: Ernährung im Justizvollzug – eine Erhebung in 25 Anstalten. Diplomarbeit, Universität Gießen, Fachbereich 09, 2003 4. Mensink G: Was essen wir heute? Ernährungsverhalten in Deutschland. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut, Berlin 2002 5. Shaw NS, Rutherdale M, Kenny J: Eating more and enjoying it less: U.S. prison diets for women. Women Health 10 (1985) 39–57. Für die Verfasser: Prof. Dr. Michael Krawinkel Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen Wilhelmstr. 20 35392 Gießen E-Mail: [email protected] 313