Rebell unter den Apfelsäften

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Glas & Flasche
Foto: F. Bäcker
Mit Perücke und im „stiefkind“-Outfit promotet Magdalena Schneider den in Longneck-Flaschen abgefüllten Saft.
Auf etwa einem Hektar der Betriebsfläche baut Georg Schneider den sauren Apfel „Maggy“ an. Fotos: stiefkind
Rebell unter den Apfelsäften
Eine aus Frankreich adoptierte Apfelsorte und eine ausgezeichnete
­Marketingstrategie machen Familie Schneider aus Edingen-­
Neckarhausen zu erfolgreichen Saftvermarktern.
K
nallrotes Fruchtfleisch hat der Apfel „Maggy“ und sauer ist er. Richtig sauer. Genau das macht ihn zu
einer Besonderheit. Gepresst und ähnlich
wie die Bionade in stylische LongneckFlaschen abgefüllt, vermarktet Familie
Schneider aus Edingen-Neckarhausen
den sauren Saft unter dem Namen „stiefkind“. Als einen Rebell unter den Apfelsäften bezeichnen Schneiders den Saft
liebevoll, denn, so auch der Slogan auf
der Flasche: … süß kann ­jeder!
„stiefkind“ ist das Projekt von Magdalena
Schneider und ihrem Vater Georg. Während der Vater für den Anbau der Äpfel
zuständig ist, übernimmt die 27-Jährige
als Projektleiterin Marketing, Werbung
und Vertrieb.
Namensgebend für den sauren Saft
war die Geschichte, wie die Apfelsorte,
eine Züchtung aus gelbfleischigem Ess­
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HOF direkt 5/2015
apfel und rotfleischigem Zierapfel, auf
den Obstbaubetrieb in Edingen-Ne­
ckarhausen kam. Denn Georg Schneider „adoptierte“ den Apfel aus Frankreich. Während seiner Ausbildung
verbrachte er ein Jahr in Villers-Cotterêts. Sein französischer Lehrmeister
kultivierte die besondere Apfelsorte –
wollte sich aber von ihr trennen, weil er
sie als unbrauchbar betrachtete. Georg
Schneider mochte die Sorte nicht aufgeben, woraufhin sein Lehrmeister ihm
17 verschiedene Wildlinge schenkte, die
der Obstbauer als seine „Stiefkinder“
mit nach Hause brachte. Jede der 17 verschiedenen Sorten benannte Georg
Schneider mit Namen seiner Kinder,
Nichten und Neffen. Und – welch ein
Zufall – ausgerechnet die Sorte Maggy,
benannt nach seiner Tochter Magdalena, erwies sich mit ihrem leuchtend ro-
ten Fruchtfleisch, dem säuerlichen Geschmack und ihrer Ertragsstabilität als
die beste aller Kreuzungen.
Zufall oder Vorbestimmung
Dass sich ausgerechnet die Sorte
Maggy als optimal für die Produktion
des Apfelsaftes erwiesen hat, war reiner
Zufall. Vielleicht war es aber auch
Schicksal. Denn Magdalena war es, die
„stiefkind“ zu einem Verkaufsschlager
machte.
2011, während ihres Studiums an der
Hochschule für Medien in Stuttgart,
stellte sie ihrem Professor eine Milchfla-
Betriebsspiegel
Betriebsleiter: Georg Schneider
(Senior) sowie Schwägerin Monika
Schneider und Sohn Georg Schneider junior
Lage: Edingen-Neckarhausen
(14 000 Einw.), Baden-Württemberg
Betrieb: 30 ha Fläche, 21 ha Ertrags­
anlage, 19 ha Äpfel und Birnen, 1 ha
Maggy, 1 ha Steinobst, 1 ha Obstbaumschule, 0,5 ha Versuchsfläche
der Artevos Group
Direktvermarktung: Obst, Beeren,
Säfte, Schnaps, Sekt, Likör, Essig,
Eingemachtes, getrocknetes Obst
Internet: www.stiefkind-shop.de,
www.schneider-baumschule.de
Das „stiefkind“ der
Familie Schneider wird
nicht nur über Vertriebspartner vermarktet, sondern ist auch
fester Bestandteil im
eigenen Hofladen-Sortiment. Magdalena
und Georg Schneider
verkaufen den Saft
zudem an Cafés und
Bars in Stuttgart und
Heidelberg. Foto: A. Rose
sche, gefüllt mit dem sauren Apfelsaft,
auf den Tisch. Bis zu diesem Zeitpunkt
verkaufte die Familie den frisch gepressten Saft in Kanistern im eigenen Hofladen. Allerdings immer nur zur Erntezeit, denn der Apfel ist nicht lagerbar.
Begeistert vom Geschmack und der
Idee ließ Magdalenas Professor das damals noch namen- und flaschenlose Getränk als Projektarbeit zu. Magdalena
Schneider wurde zur Projektleiterin,
zehn weitere Studenten, darunter Grafikdesigner, Produktentwickler und
Marketingstudenten, erarbeiteten im
Laufe eines Jahres das Produkt „stiefkind“.
30 000 „stiefkinder“
Inzwischen ist Magdalena Schneider
Marketingfachfrau und betreibt eine
­eigene Agentur für Bildkommunikation
in Stuttgart. Das „stiefkind“ sei weiterhin ihr Projekt, sagt sie. Auch wenn sie
selbst nur noch selten zu Hause auf dem
Hof in Edingen ist und die Produktion
größtenteils ohne sie stattfindet.
Die Produktionsmenge des Saftes ist
seit dem ersten Produktionsjahr von
15 000 Flaschen auf 30 000 Flaschen angestiegen. Zum einen liegt das an der
größeren Nachfrage und zum anderen
daran, dass die Schneiders inzwischen
auch Apfelschorle abfüllen lassen. Das
Pressen und Abfüllen übernimmt eine
Kelterei in Bruchköbel, östlich von
Frankfurt.
Nur einmal im Jahr, zur Apfelernte im
September, bringt Georg Schneider die
Äpfel zum Pressen. Die abgefüllten Flaschen müssen dann bis zum nächsten
Jahr reichen. In diesem Jahr werden die
Schneiders bis zur Ernte wieder ausverkauft sein. Denn das Problem ist die limitierte Anbaufläche. Auf gerade mal 1 ha
der Betriebsfläche wächst der rotfleischige Apfel momentan. Über eine Ausweitung denkt Georg Schneider aber schon
länger nach. „Mit der begrenzten Produktion ist es sehr schwierig zu kalkulieren“, berichtet Magdalena Schneider. „Zu
viele Vertriebspartner darf man dann
einfach nicht akquirieren.“ Über Vertriebspartner, wie Einkaufsmärkte und
Getränkehändler, vermarkten Schneiders momentan rund 80 % des Saftes. In
Einzelflaschen, 6er-Trägern und Kisten
ist der Saft neben Äpfeln, Gemüse und
weiteren Säften auch im Hofladen der Familie für 1 €, 5,80 € bzw. 24 € ­inklusive
Pfand erhältlich. Zudem haben einige
Bars und Cafés in Stuttgart und Heidelberg „stiefkind“ auf ihrer Getränkekarte
aufgenommen. Die Direktvermarktung
ab Hof und der Verkauf an die Gastronomie in der Region machen 20 % der Vermarktung aus.
Erfolgreiches Marketing
Magdalena Schneider besucht mit ihrem Produkt etwa fünf Messen pro Jahr,
hinzu kommen Promotionauftritte in
Supermärkten oder auf Veranstaltun-
gen. Die ausgeklügelte Marketingstrategie trägt Früchte, denn „stiefkind“ ist
inzwischen preisgekrönt. 2013 wurde
­
Magdalena Schneider gleich mit zwei
TASPO-Awards, verliehen vom Gartenbau-Wochenblatt „TASPO“, ausgezeichnet: Zum einen für die beste Marketing­
aktivität und zum anderen für den
besten Internetauftritt.
Auch gibt es inzwischen die ersten
überregionalen Anfragen nach dem
sauren Apfelsaft. Cafés aus der Hauptstadt haben ihr Interesse an dem ­Getränk
bekundet. Für Magdalena momentan
noch ein Zwiespalt: „Irgendwann werden wir uns entscheiden müssen, ob wir
mit unserem ,stiefkind‘ in die Großproduktion einsteigen, oder es eben weiterhin ein regionales, exklusives Produkt
bleibt.“
Entscheidungen muss die 27-Jährige
dabei nie alleine treffen, sie erhält volle
Unterstützung von ihrem Vater. Der Anbau und die Vermarktung laufen Hand
in Hand. „Er ist der Stiefvater!“, erklärt
Magdalena. Den Rückhalt ihrer Familie
hat Magdalena gerade in der Anfangsphase gebraucht, denn vor allem der
Name wurde von vielen kritisch beäugt.
Doch die Schneiders hielten daran fest.
Und neben dem provokanten Namen ist
es das komplette Konzept mit den frechen Slogans, den stylischen Flaschen
und dem ungewöhnlichen Getränk, das
den Saft zu einem nachgefragten und erfolgreichen Produkt machen. Anja Rose
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