170330_fk_Das politische Rechts-Links-Schema als - Splitter-pfe

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Quelle: https://fassadenkratzer.wordpress.com
Das politische Rechts-Links-Schema als
Kampfinstrument
30.03.2017, Fassadenkratzer
„Ich bin weder links, noch rechts;
ich denke selbst.“
Ein Blogger
Die Bezeichnung von politischen Auffassungen als „links“ oder „rechts“
geht auf die 1789 im Zuge der Französischen Revolution entstandene
Französische Nationalversammlung zurück, in der auf der linken Seite
(vom Präsidenten aus) die revolutionären, republikanischen, verändernden Kräfte sassen, während auf der rechten Seite die mehr für den Erhalt
der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse eintretenden, der
Monarchie freundlich gesinnten Vertreter ihre Sitze hatten. An die Stelle
der festgefügten hierarchischen Sitzordnung in der Versammlung der
feudalen Generalstände, trat die Auffächerung in ein Meinungs- und
Auseinandersetzungs-Spektrum zwischen zwei Polen, zwischen denen sich
dann noch weitere Differenzierungen bildeten.
Von Frankreich aus breitete sich die Links-Rechts-Sitzordnung in ganz
Europa aus. In Deutschland konstituierte sich das Paulskirchen-Parlament
von 1848 nach ihrem Muster. Die republikanischen Abgeordneten, die
einen sofortigen Sturz der damaligen Monarchie forderten, sassen links
und die Befürworter einer konstitutionellen Monarchie rechts. Auch die
Parteien im Deutschen Bundestag sind nach diesem Schema platziert. Die
Linkspartei, die die politische Richtung sogar zu ihrem Namen gemacht
hat, sitzt ganz links vom Bundestagspräsidium, dann folgen SPD, die
Grünen, die CDU/CSU und ganz rechts vormals die FDP. Wo die AfD in die
Landtage eingezogen ist, wird sie rechts von der FDP angesiedelt. Dieses
quantitative, räumliche Nebeneinander der Parteien in den Parlamenten
wurde nun von den Politikern und Medien allgemein in ein lineares geistiges Spektrum abstrahiert, in das alle politischen Parteien, Gruppierungen
und Einzelpersonen in der Gesellschaft wie in ein Prokrustesbett gepresst
werden. Und an den linken und rechten Enden wurden zusätzliche Abstufungen mittels der Attribute radikal und extrem angefügt. Hieraus ergibt
sich die heute gängige Skala:
„linksextrem – linksradikal – links – Mitte – rechts – rechtsradikal –
rechtsextrem“
(vgl. Wikipedia: Politisches Spektrum).
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Unzulänglichkeit des Schemas
Mit dem polaren Schema links-rechts werden die verschiedensten Gegensätze assoziiert: egalitär – elitär; progressiv – konservativ; internationalistisch – nationalistisch; sozialistisch – kapitalistisch oder auch basisdemokratisch – hierarchisch. Alle Ausrichtungen sind in sich wieder sehr
vielschichtig, mitunter schwer voneinander abgrenzbar und treten auch als
Mischungen auf. Wie soll man wissen, was mit links oder rechts jeweils
gemeint ist. Es ist offensichtlich, dass eine Vielzahl von politischen Standpunkten und Auffassungen in ihrer Komplexität nicht hintereinander auf
eine eindimensionale Linie angesiedelt werden können. So werden nur
diffuse Gefühlswallungen erzeugt, in die jeder seine eigenen Vorstellungen
hineinlegt, zumeist aber die, die von der veröffentlichten Meinung gerade
vorgegeben werden. Es ist im Grunde absurd.
Die SPD bezeichnet sich in ihrem Parteiprogramm als „linke Volkspartei“,
derweil auch kritisch von „rechten Sozialdemokraten“ berichtet wird. Die
CDU, früher allgemein als rechts-konservativ eingestuft, hat einen linken
Arbeitnehmerflügel und wird heute insgesamt in der Mitte oder gar links
gesehen. Aber auch im Liberalismus wird zwischen einem „linken“ und
einem „rechten Flügel“ unterschieden: Sozialliberale gelten als „Linke“,
Nationalliberale als „Rechte“.
Der Nationalsozialismus in seinen diversen Ausprägungen wird heute von
vorneherein der extremen Rechten zugerechnet, obgleich er zahlreiche
Elemente sozialistischen Ideengutes hat. Das gleiche gilt für den Faschismus, der ursprünglich aus einem massiv nationalisierten italienischen
Sozialismus entstammte. In neuerer Zeit sehen wir die extrem links
verorteten Antifaschisten gegen alles, was sie als rechts betrachten, mit
Methoden und Mitteln vorgehen, die eindeutig faschistischen GewaltVorbildern gleichen, so dass diese Terrorgruppen auch als Linksfaschisten
bezeichnet werden.
Das politische Rechts-Links-Schema kann prinzipiell nicht der adäquaten
Beschreibung oder Charakterisierung der politischen Ausrichtungen und
Parteien dienen, sondern eher ihrer gegenseitigen schlagwortartigen
negativen Kennzeichnung und Diffamierung. „Rechts“ und „links“ sind
Kampfbegriffe im politischen Unterholz.
Der Kampf um die Deutungshoheit
Dieses Schlagwort-Kampffeld hat noch viel tiefer gehende Auswirkungen.
Es verhindert eine fruchtbare erkenntnismässige Auseinandersetzung um
die rechten Wege gesellschaftlicher Gestaltung zum Wohle aller. Jeder
ernsthafte Entwurf gesellschaftlicher Veränderung, setzt die Erkenntnis
der bestehenden Verhältnisse und ein Idealbild voraus, nach dem die
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Realität gerechterweise verändert werden soll. Aber was heisst Erkenntnis? Jeder steht einem Problem zunächst von einem bestimmten Standoder Gesichtspunkt aus gegenüber, von wo er, wie z. B. gegenüber einem
Haus, nur eine Seite sieht. Andere stehen woanders und blicken auf
andere Seiten derselben Sache. Natürlich sehen sie Verschiedenes, das
sich nur scheinbar widerspricht, in Wahrheit aber zur Gesamt-Wirklichkeit
ergänzt.
Sozialisten blicken auf die Situation der benachteiligten Arbeitnehmer, die
für den Profit weniger Kapitaleigentümer ausgebeutet werden, und wollen
diese entmachten. Liberale haben die unternehmerische Freiheit im Auge,
die erst grosse Leistungen ermögliche und auch ihre Belohnung verdiene.
Sozialdemokraten schauen auf den Staat, der die Arbeiter gesetzlich
schützen und über Steuern zum Ausgleich ein Sozialsystem finanzieren
soll. Jede Seite hält ihre Beobachtungen und Gedanken für richtig und die
damit nicht übereinstimmenden der anderen für falsch, so dass sich die
verschiedensten Auffassungen wie monolithische Blöcke gegenüberstehen,
zumal die anderen ja nicht als wohlmeinende Erkenntnissuchende, sondern als Gegner um die Macht betrachtet werden.
Parteien (lat. pars = Teil) vertreten von vorneherein weltanschauliche,
politische, wirtschaftliche oder kulturelle Teil-Interessen, die sie durch
möglichst viele Vertreter im Gesetzgebungsverfahren des Parlamentes und
in der Regierung durchsetzen und zu den allein bestimmenden machen
wollen. Es handelt sich um organisierte Gruppeninteressen, die primär
nicht das Ganze, das Wohl und die berechtigten Interessen aller, sondern
Einseitigkeit, Egoismus und Macht eines Teiles im Auge haben.1 Parteien
sind in ihrem Machtstreben auf Konfrontation und Kampf angelegt, was
durch das unsinnige polare Links-Rechts-Schema noch schlagwortartig
verschärft wird. Parteien sind daher Feinde eines freien und umfassenden
Erkenntnisbemühens einer demokratischen Gesellschaft um die rechten
Wege gerechter Gemeinschaftsgestaltung.
Das Streben nach Wahrheit
Die Wirklichkeit ist viel grösser und umfassender als die schmale Seite, die
wir durch unseren augenblicklichen Gesichtspunkt gerade erfassen. Halten
wir diese für die volle Wirklichkeit, leben wir im Vorurteil und in der
Illusion. Kommen mehrere Menschen zusammen, kommt objektiv eine
Vielfalt von Gesichtspunkten und Seiten der Sache zusammen. Denn jeder
steht biographisch an einem anderen Ausgangspunkt, von dem die Perspektive seines Wahrnehmens und Denkens bestimmt wird. In einem
gemeinsamen Erkenntnisbemühen kommt es darauf an herauszufinden,
von welchem Gesichtspunkt der andere spricht, und anzuerkennen, dass
dieser ebenso berechtigt und notwendig ist wie der eigene. Falsch sind
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seine Gedanken nur, wenn sie auch von diesem Gesichtspunkt aus irrtümlich sind.
Wer sich mit seiner eigenen Ansicht zufrieden gibt, auf ihre unbedingte
Gültigkeit pocht und daneben keine andere duldet, hat nicht den Willen
zur Wahrheit. Es geht ihm in unbewusstem Egoismus um die alleinige
Deutungshoheit. Oder – noch schlimmer – er verfolgt bewusst bestimmte
Ziele, die nur erreichbar sind, wenn die eigene Ansicht als die einzig
korrekte medial abgesichert, alle abweichenden Ansichten ignoriert oder
dadurch aus dem Feld geschlagen werden, dass er gar nicht auf sie
eingeht, sondern denjenigen, der sie äussert, als Menschen moralisch
diskreditiert und verächtlich macht. Doch förderlich ist nur, wenn alle
Aspekte einer Sache zu einem Gesamtbild zusammengestellt und daraus
Handlungsinitiativen entwickelt werden. Denn „nur das Ganze ist die
Wahrheit“ (Hegel).
Um auf das obige Beispiel zurückzukommen: Selbstverständlich ist die
Forderung des Sozialismus objektiv berechtigt und notwendig, die Ausbeutung der Arbeitnehmer zu beseitigen, die auf einem Abhängigkeitsverhältnis vom Unternehmen beruht, das wiederum aus dem Privateigentum am
Unternehmenskapital entsteht. Das heisst, das Privateigentum muss in
eine neue Form eines sozial gebundenen Eigentums übergeleitet werden.
Die Forderung der Liberalen nach der unternehmerischen Freiheit ist aber
ebenso berechtigt. Das bedeutet, dass das neue Eigentum am Investitionskapital etwa kein Staatseigentum sein darf, sondern weiterhin ein
individuelles Eigentum, über das der unternehmerisch Tätige zur Realisierung seiner unternehmerischen Ideen frei verfügen können muss. Aber die
Früchte davon, die Gewinne, können nicht allein in seine Taschen fliessen.2 Auch all die Forderungen der SPD nach gesetzlichem Schutz der
Arbeitnehmer sind berechtigt, indem Arbeitszeit, Kündigungen, Lohnhöhe
etc. an rechtliche Standards gebunden werden. Aber man muss sogar
noch weitergehen und in der Betriebsverfassung alle Betriebsangehörigen,
die unternehmerisch Leitenden wie die übrigen Mitarbeiter, im Verhältnis
zum Unternehmen rechtlich auf eine Ebene stellen.
Wem es um die Erkenntnis und Förderung des Ganzen geht, was ja
eigentlich das Normale sein sollte, der wird von Konservativen und Neoliberalen als Sozialist und Linksextremer und von Linken gleichzeitig als
Neoliberaler und Rechter beschimpft, was natürlich absurd ist. Er ist in
dieser irrsinnigen Schablone gar nicht unterzubringen.
Die einseitigen Argumente in der Massenmigration
Nehmen wir noch ein anderes Beispiel. In der sogenannten Flüchtlingskrise sind vor allem SPD und Grüne aus humanitären Gründen für eine
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unbegrenzte Aufnahme von Flüchtlingen, zu denen sie stillschweigend
aber auch die grossen Massen der Migranten zählen. LINKE nehmen die
Invasion als selbstverschuldetes Schicksal Europas, dessen Länder nicht
nur im Kolonialismus sondern auch heute die afrikanischen Länder ausbeuteten und verarmen lassen. Nationalkonservative fordern geschlossene
Grenzen zum Schutz der nationalen Identität und des Nationalstaates.
Hier tauchen drei verschiedene Aspekte der Sache auf, die alle Berechtigtes in sich tragen. Indem sie aber ins Extrem getrieben, verabsolutiert und
die jeweils anderen Aspekte ausgeklammert werden, wird man der Wirklichkeit nicht gerecht, die eben nicht aus nur einer Seite besteht. Neben
asylberechtigten Flüchtlingen auch Migranten grenzenlos aufzunehmen,
ignoriert und bricht das bestehende Recht und führt zu Zuständen des
Staates, in denen er schliesslich selbst nicht mehr helfen kann. Die Schuld
der westlichen Industriestaaten an der Ausbeutung und Verarmung Afrikas
ist in der Tat ein grosses Problem, das international gelöst werden muss.
Es wird aber nicht dadurch gelöst, dass grosse Teile insbesondere der
jungen Bevölkerung der dortigen Lösung entzogen werden.
Die Identität des bisherigen Volkes muss bei fortdauernder Massenimmigration allmählich verloren gehen. Das Volk hat aber einen Anspruch auf
seinen verfassungsmässigen Schutz. Ein globales Menschenrecht auf
freizügige Niederlassung gibt es nicht, und es könnte auch nicht das
verfassungsmässig garantierte Recht der angestammten Bevölkerung auf
Selbstbestimmung aufheben. Die Existenz des deutschen Volkes mit einer
eigenen kulturellen Identität zu leugnen, ist kulturgeschichtliche Ignoranz
und Dummheit, die auf ideologischer Verblendung, also auf Abwesenheit
von Erkenntnis oder böswilliger Absicht beruht.
Andererseits ist das Beharren auf dem Nationalstaat eine konservative
Einseitigkeit, die zu Recht kritisiert werden kann, weil sie auf überholten
Vorstellungen von Nationalismus-anfälligen ethnischen Gemeinschaften
beruht und ignoriert, dass das Volk keine Bluts-, sondern eine Seelen-,
sprich Kulturgemeinschaft ist, die zwar überwiegend an die folgenden
Generationen weitergegeben wird, aber nicht auf dem gemeinsamen Blut
beruht. Ein Staat als Rechtsgemeinschaft könnte auch mehrere Völker
umfassen, wenn aus ihren unterschiedlichen Kulturen gemeinsame
Rechtsvorstellungen hervorgehen. Das Hauptproblem ist aber der nationale Einheitsstaat, der von Frankreich ausgehend auf der Fiktion beruht, die
Nation habe einen einheitlichen Willen, der auf allen Lebensgebieten in
regelnde Gesetze gefasst werden müsse. Diese Fiktion des einheitlichen
Regelungswillens hat die oligarchische Herrschaft von wenigen zur Folge
und hebt im Wirtschafts- und Kulturleben die Selbstbestimmung der dort
Tätigen weitgehend auf.
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Es soll ja hier keine umfassende Behandlung dieses Themas erfolgen,
sondern nur angedeutet werden, wie komplex es ist und dass es darauf
ankommt, den verschiedenen Aspekten gerecht zu werden und sie zum
Bild der ganzen Wirklichkeit zusammen zu führen, um daraus nach Lösungen zu suchen. Aber wer eben dies versucht, wird aus den entsprechenden Winkeln nacheinander als linksextrem, linksradikal, rechts und rechtsextrem eingestuft. Was ist er denn nun? Es ist verrückt.
Stupidität der Oberflächlichkeit
Eine zentrale Aufgabe, die sich der Anthroposoph Rudolf Steiner stellte,
war die genaue Erforschung der menschlichen Erkenntnis, ihres Zusammenhanges mit der Wirklichkeit und der Möglichkeiten, sie auf übersinnliche Welten auszudehnen. In der Einleitung zu seinem Buch „Vom Menschenrätsel“ schrieb er:
„Zwei voneinander abweichende Gedankenrichtungen können ihrem
Wesen nach oftmals nur dadurch begriffen werden, dass man ihre Verschiedenheit so ansieht wie die Verschiedenheit zum Beispiele zweier
Bilder eines Baumes, die von zwei Richtungen her durch einen Photoapparat aufgenommen sind. Die Bilder sind verschieden; aber ihre Verschiedenheit beruht nicht auf dem Wesen des Apparates, sondern auf
der Stellung des Baumes zum Apparat. Und diese ist etwas ebenso ausserhalb des Apparates Liegendes wie der Baum selbst. Die Bilder sind
beide wahre Ansichten von dem Baume. Das Abweichende zweier Weltanschauungen hindert nicht, dass beide die wahre Wirklichkeit zum
Ausdrucke bringen. – Die Wirrnis der Ideen entsteht, wenn die Menschen
dieses nicht durchschauen. Wenn sie sich zu Materialisten, Idealisten,
Monisten, Dualisten, Spiritualisten, Mystikern oder gar Theosophen machen, oder von anderen gemacht werden, und damit ausgedrückt werden soll: man käme nur zu einer wahren Ansicht über die Quellen des
Lebens, wenn man seine ganze Denkweise im Sinne eines dieser Begriffe
abstimmt. Aber es ist die Wirklichkeit selbst, die von der einen Seite her
durch materialistische Ideen erkannt sein will; von einer anderen durch
geistgemässe, von einer dritten als Einheit (Monon), von einer weiteren
als Zweiheit.
Der denkende Mensch möchte durch eine Vorstellungsart das Wesen der
Wirklichkeit umfassen. Und wenn er bemerkt, dass er dieses umsonst
unternimmt, so behilft er sich damit, dass er sagt: Alle Vorstellungen
über die Wurzeln des wirklichen Lebens sind persönlich (subjektiv) gestaltet, und das Wesen des «Dinges an sich» bleibt unerkennbar. — Aus
wie vielen Verwirrungen des Gedankenlebens heraus führte doch die
Erkenntnis, dass gar mancher Mensch über eine von der seinigen abweichende Weltanschauung so spricht, wie einer, der das von einer Seite
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her aufgenommene Bild eines Baumes kennt, und der, gestellt vor ein
von anderer Seite her erhaltenes, nicht zugeben will, dass dies ein «richtiges» Bild desselben Baumes ist!“ 3
Rudolf Steiner schärfte den Anthroposophen schon für die gewöhnliche
Alltagserkenntnis die grösste Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit ein. Er
warnte vor der Autorität dessen, was „öffentliche Meinung“ genannt wird.
Niemals solle das eigene Denken halbbewusst sich selbst überlassen,
sozusagen unbewacht gelassen werden; insbesondere sollten nicht die in
der Öffentlichkeit gängigen Redensarten und Worte gebraucht werden, bei
denen man nicht genügend nachdenkt.4
Aber selbst Anthroposophen oder solche, die sich dafür halten, entblöden
sich nicht, einen anderen bedenkenlos in dieses politische Links – Rechts –
Kampfschema zu pressen: für den einen ist er ein Linker, für den anderen
ein Rechter, ein Rechtsextremer gar, ein Nationalist. Es ist, sehen wir von
dem verleumderischen Charakter ab, ein primitives assoziatives Mitschwimmen in der veröffentlichten Meinung, das nur die völlige Abwesenheit eigenen verantwortlichen Denkens offenbart.
Dabei verfällt man sogar in den verbreiteten Vorstellungs-Mechanismus,
jemanden, der in einem Punkt mit der Auffassung der Sozialisten oder der
Nationalisten übereinstimmt, deswegen als „Links- bzw. Rechtsextremen“
zu bezeichnen. Man ist aber doch nur ein Sozialist oder Nazi, wenn man
einer ist und nicht, wenn man einen ähnlichen Hut trägt oder eine punktuelle Erkenntnis bestätigt, zu der ja jeder Mensch kommen kann, gleich
welcher Weltanschauung er sonst angehört. Es genügt schon, einen bei
Kommunisten (fälschlicherweise) als rechtsextremen Geschichts-Revisionisten verschrienen Historiker als Redner einzuladen, eine nationalkonservative Zeitung zu lesen oder sich mit einem Thema zu befassen,
das auch bei „rechtsextremen“ Parteien auf der Tagesordnung steht, um
in den Ruf eines „Rechtsextremisten“ zu geraten. Es ist ein oberflächlichassoziativ verlaufendes, verlottertes Denken, das Anthroposophen disqualifiziert, sich als solche bezeichnen zu können, da sie von der Einhaltung der zentralen Erkenntnisbedingungen, die Rudolf Steiner als Grundlage der Anthroposophie aufgezeigt hat, weit entfernt sind.
Sie schwimmen gedankenlos mit in dem, was als „Öffentliche Meinung“ so
wirkt, dass sich von aussen ein „Intellekt wie eine Art öffentlicher Macht
unter den Menschen ausbreitet, … der sich die Menschen fügen sollen,
wie eine Art objektiver, ausser den Menschenseelen wirkender Macht.“
„Wir schützen uns am besten dadurch, wenn wir uns immer mehr und
mehr bestreben, ein klares und genaues Denken zu entfalten, so genau
wie möglich zu denken, nicht einfach so hinzuhuschen im Denken über die
Dinge, wie das heute gerade gesellschaftlicher Usus ist. … Eine solche
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Selbsterziehung sollte derjenige, der es mit den Aufgaben der Zeit ernst
nimmt, gerade in solchen Intimitäten in ganz hervorragendem Masse in
Angriff nehmen.“ 4
•
Vgl. Das Verhängnis der politischen Parteien
•
Vgl. Die ungebändigte Macht des Kapitals
•
Rudolf Steiner: Vom Menschenrätsel S. 14 f.
•
Vgl. Rudolf Steiner GA 254 S. 176
•
a.a.O., S. 174
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