Der Begriff Sinus-Milieus beschreibt eine von dem privaten Markt- und Sozialforschungsinstitut Sinus Sociovision entwickelte und regelmäßig fortgeschriebene Zielgruppen-Typologie, die in Deutschland neben der Semiometrie von TNS Infratest und der Zielgruppen-Galaxie von der Gesellschaft für innovative Marktforschung zu den bedeutendsten gezählt werden.[1] Das Sinus-Milieu umfasst neben den soziodemografischen (Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen etc.), geografischen und verhaltensbezogenen Segmentierungsvariablen die lebensweltliche Variable. Der Begriff Lebenswelt geht zurück auf Edmund Husserl und Alfred Schütz. Die Zielgruppen-Segmentation erfolgt entlang zweier Dimensionen: „Soziale Lage“ (Unter-, Mittel- oder Oberschicht) und „Grundorientierung“ (grundlegende Wertorientierungen wie „Tradition“, „Modernisierung / Individualisierung“ und „Neuorientierung“). Auf diese Weise werden Gruppen gebildet, die sich auch in ihrer Lebensweise und ihren Alltagseinstellungen – zur Arbeit, zur Familie, zur Freizeit, zu Geld und Konsum – ähneln. Die Sinus-Milieus werden seit Beginn der 1980er Jahre von Herstellern und Dienstleistungsunternehmen für das strategische Marketing, für Produktentwicklung und Kommunikation ebenso genutzt wie von Ministerien, politischen Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden. Große Medienunternehmen arbeiten damit seit Jahren genauso wie Werbe- und Mediaagenturen. Der Begriff „Sinus-Milieus“ ist von dem SinusInstitut geschützt. Das Sinus-Milieumodell wird, parallel zum Wertewandel, ständig aktualisiert. Basis dafür ist die Sinus-Trendforschung sowie kontinuierliche Studien zu den Lebenswelten der Menschen. Das letzte Update wurde 2012 vorgenommen.[2] Das Sinus-Institut entwickelte spezielle Milieumodelle für Jugendliche[3], Migranten und Best-Ager. „Die Grenzen zwischen den Milieus sind fließend; Lebenswelten sind nicht so (scheinbar) exakt eingrenzbar wie soziale Schichten. Wir nennen das die Unschärferelation der Alltagswirklichkeit. Ein grundlegender Bestandteil des Milieu-Konzepts ist, dass es zwischen den Milieus Berührungspunkte und Übergänge gibt. Diese Überlappungspotenziale sowie die Position der Milieus in der Gesellschaft nach sozialer Lage und Grundorientierung veranschaulicht die Milieugrafik (auch „Kartoffelgrafik“ genannt): Je höher ein Milieu in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung, Einkommen und Berufsgruppe; je weiter es sich nach rechts erstreckt, desto moderner im soziokulturellen Sinne ist die Grundorientierung. In dieser „strategischen Landkarte“ können Produkte, Marken, Medien etc. positioniert werden.“ Kurzcharakteristik der SinusMilieus[6] Konservativ-etabliertes Milieu Das klassische Establishment:Verantwortungs- und Erfolgsethik; Exklusivitäts- und Führungsansprüche; (10%) Standesbewusstsein, Entre-nous-Abgrenzung Liberal-intellektuelles Milieu (7%) Milieu der Performer (7%) Die aufgeklärte Bildungselite: liberale Grundhaltung und postmaterielle Wurzeln; Wunsch nach selbstbestimmtem Leben, vielfältige intellektuelle Interessen Die multi-optionale, effizienzorientierte Leistungselite: global-ökonomisches Denken; Konsum- und StilAvantgarde; hohe IT- und Multimedia-Kompetenz Die ambitionierte kreative Avantgarde: Expeditives Milieu (6%) mental und geografisch mobil, online und offline vernetzt und auf der Suche nach neuen Grenzen und neuen Lösungen Der leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream: Bürgerliche Mitte (14 %) generelle Bejahung der gesellschaftlichen Ordnung; Wunsch nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen Die moderne junge Mitte unserer Gesellschaft mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nutzenkalkül: Adaptiv-pragmatisches Milieu zielstrebig und kompromissbereit, hedonistisch und konventionell, flexibel und sicherheitsorientiert; starkes (9 %) Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit Konsumkritisches /-bewusstes Milieu mit normativen Vorstellungen vom „richtigen“ Leben: Sozialökologisches Milieu (7%) ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen; Globalisierungs-Skeptiker, Bannerträger von Political Correctness und Diversity Die Sicherheit und Ordnung liebende Kriegs- / Nachkriegsgeneration: Traditionelles Milieu (15%) verhaftet in der alten kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur; Sparsamkeit, Konformismus und Anpassung an die Notwendigkeiten Prekäres Milieu (9%) Hedonistisches Milieu (15%) Die um Orientierung und Teilhabe bemühte Unterschicht mit starken Zukunftsängsten und Ressentiments: Häufung sozialer Benachteiligungen, geringe Aufstiegsperspektiven, reaktive Grundhaltung; bemüht, Anschluss zu halten an die Konsumstandards der breiten Mitte Die spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht / untere Mittelschicht: Leben im Hier und Jetzt, Verweigerung von Konventionen und Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft