Protokoll der Sitzung vom 07.01.2016

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10.01.2016 | Jonathan Fuss | WS 2015/16 | S. Meine | Musikgeschichte
Protokoll der Sitzung vom 07.01.2016
Das Thema der ersten Sitzung im neuen Jahr 2016 lautet „Musik und Glaubensreformen“.
Zu Beginn erklingt das Madrigal „Pianto della Madonna“ von Claudio Monteverdi, eine Kontrafaktur
der Arie „Lasciatemi morire“ aus Monteverdis Oper „Arianna“ aus dem Jahr 1608, das wohl auf dem
Richtfest der anlässlich der Pestseuche 1630/31, aufgrund derer etwa ein Drittel der europäischen
Bevölkerung starb, erbauten Kirche „Santa Madonna della Salute“ in Venedig zum ersten Mal gespielt
wurde. Das Besondere hieran: Auf ein bekanntes Musikstück mit weltlichem Text wird ein neuer,
geistlicher Text geschrieben und das wird dann als ein neues Lied unter die Leute gebracht, eine
Methode, die sich zur Zeit Martin Luthers und der Revolution in der christlichen Kirche großer
Beliebtheit erfreut. Auch eine neue Form des Madrigals, zu der auch o.g. „Pianto della Madonna“
gehört, entstand zu jener Zeit: Je eine tragende Ober – und Unterstimme, dazwischen eine weniger
bedeutende Mittelstimme.
Zur Zeit der Luther’schen Reformation und der katholischen Revolution spielte die Musik eine große
Rolle, denn nur wenig drückt Gefühle so gut aus wie Musik, nur wenig schafft Identitäten in solchem
Maße, wie es die Musik tut. Sie hatte in beiden Bewegungen vor allem ein Ziel: Die Erziehung zum
Glauben.
In der Luther’schen Revolution sollte dies vor allem erreicht werden durch Gesänge in deutscher
Sprache, nicht nur der Priester, sondern der Gemeinde, durch vom Lateinischen ins Deutsche
übersetzte Messen und durch mehrstimmige, „himmlische“ Musik, von der Luther begeistert war.
Martin Luther lebte von 1483 bis 1546. Nach seinem erfolgreichen Abschluss an der Universität Erfurt
trat er in ein Augustiner-Kloster ein und wurde Priester. 1510/11 reiste er nach Rom, ehe er 1512 als
Doktor der Theologie und Professor für heilige Schrift an die Universität nach Wittenberg kam. Was
Luther in Rom, der damaligen Hauptstadt des Christentums, mitbekam, ließ ihn die christliche Kirche
stark kritisieren: Die einflussreichen Mitglieder der Kirche lebten in Saus und Braus, in Prunk und
Habgier, und die Menschen kauften Ablassbriefe, um ihre Zeit in der Hölle, dem Fegefeuer, zu
verkürzen. Vor allem aber kritisierte er, dass die Priester durch den Verkauf von Ablassbriefen über die
Menschen richtend und somit gottgleich handelten.
Aus diesem Grund schlug Luther am 31.10.1517 seine 95 Thesen an das Tor der Schlosskirche zu
Wittenberg. 1520 sagte er sich von der katholischen Kirche los, 1521 galt er als vogelfrei und versteckte
10.01.2016 | Jonathan Fuss | WS 2015/16 | S. Meine | Musikgeschichte
sich deshalb auf der Wartburg, wo er das Neue Testament ins Deutsche übersetzte. 1530 erschien die
„Confessio Augustana“, in der die Luther’schen Glaubensgrundsätze gesammelt dargelegt waren.
Luther liebte die Musik. Er sang, spielte Flöte und Laute, studierte die Musiktheorie und schätzte die
Kunstmusik von Josquin Desprez, Ludwig Senfl und anderen. Luthers deutsche Fassung des Credo „Wir
glauben all‘ an einen Gott“ ist ein Text auf ein in der Stadtkantorei Torgau in Sachsen erklungenes
Tenorlied von Johann Walter und mit dem Gemeindelied „Ein feste Burg ist unser Gott“ schrieb Luther
das Lied, welches als zentrales Lied der Reformationsbewegung in die Geschichte einging und unter
anderem von dem evangelischem Organisten und Kirchenmusikkomponisten Michael Praetorius als
doppelchörige Choralmotette mehrfach neu vertont wurde.
Im Gegensatz zur Luther’schen Reform mit der Erziehung durch deutschsprachige Gesangsbücher, der
Förderung mehrstimmiger Musik und der Bibelübersetzung, die zahlreiche Vertonungen anregte,
stand die Katholische Reform. Die Musik diente hier hauptsächlich der Abschreckung von der
Luther’schen Reformation, die Menschen sollten durch Laiengesang religiös erzogen werden und auch
hier wurde die Mehrstimmigkeit in der Musik revolutioniert. Voraussetzung dafür war das Konzil von
Trient 1545 bis 1563, in dem über die Reaktion auf Luther und damit auch über die Zulässigkeit von
mehrstimmiger Musik im Gottesdienst verhandelt wurde.
In dieser Zeit entstanden viele Lieder mit bekannten Melodien und neuen Texten, die gegen Luther
und seine Reformation hetzten, wie beispielsweise die Motette „Te Lutherum damnamus“ („Te Deum
laudamus“) aus den 1530er Jahren des Komponisten Maître Jhan, in Auftrag gegeben von Herzog
Ercole II. d’Este.
Zwecks der Erziehung zum Glauben gab es Laiengesänge zum Beispiel in geistlichen Prozessionen, es
wurde viel Geistliches auch außerhalb des Gottesdienstes gesungen, man bildete Bruderschaften und
sang dort zusammen und aus dem Grund, dass viele Menschen keine Noten lesen konnten, wurden
geistliche Texte auf bekannte, eingängige Melodien gesungen. Dadurch entstand ein großes Repertoire
an geistlichen Gesängen.
Nach dem Beschluss des Tridentiner Konzils, dass Kirchenmusik „nichts Laszives und Unreines“
enthalten sowie keine „üble Polyphonie“ (Mehrstimmigkeit) zulassen dürfe, wurde der von ca. 1525
bis 1594 lebende Giovanni Pierluigi da Palestrina als der „Retter der katholischen Kirchenmusik“
bekannt. Er war Sängerknabe, Kapellmeister (unter anderem an der Sixtinischen Kapelle im Vatikan)
und schrieb Messen für den spanischen König Philipp II.. Pierluigi entwickelte den sogenannten
„Palestrina-Stil“, der sich durch die Versinnbildlichung des kontrapunktischen Stils, einen hohen
Anspruch an Vollklanglichkeit sowie eine hohe sprachliche Verständlichkeit auszeichnete.
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