Einführung in die Linguistik Butt / Eulitz / Wiemer Syntax I Morphologische Merkmale Morphologie drückt u.a. Merkmale wie diese aus: Kasus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ Numerus: Singular, Plural, Dual Person: 1, 2, 3 Genus: Maskulin, Feminin, Neutrum Aber wozu ist das gut? Antwort: Wichtige Information für die Syntax Syntax und Morphologische Merkmale Der Affe gibt dem Hund einen Knochen. Dem Hund gibt der Affe einen Knochen. Einen Knochen gibt dem Hund der Affe. Einen Knochen gibt der Affe dem Hund. Der Affe gibt einen Knochen dem Hund. Dem Hund gibt einen Knochen der Affe. Woher wissen wir wer was wem gibt? Position/Stellung im Satz? Im Deutschen nicht eindeutig. Syntax und Morphologische Merkmale Einen Knochen gibt der Affe dem Hund. [3.Sg] Kongruenz [1.Sg.] Ich gebe dir einen Knochen. Woher wissen wir wer was wem gibt? Kongruenz? Identifiziert das wer — Subjekt Grammatische Relationen: Typische Beschreibungen Subjekt: Element oder Teil des Satzes über das eine Aussage gemacht wird. Fische können schwimmen. Der Affe lacht. Objekt: Element des Satzes, auf das die vom Verb beschriebene Aktion einwirkt (oder auf das die Aktion gerichtet ist, oder etwas, was die Aktion produziert). Der Affe kneift den Hund. Der Affe sieht den Hund. Der Affe baut ein Haus. Grammatische Relationen: Typische Beschreibungen Indirektes Objekt: Element des Satzes, auf das es indirekte Auswirkungen von der vom Verb beschriebenen Aktion gibt (d.h., das indirekte Objekt wird nicht direkt manipuliert, produziert oder involviert). Der Affe schickt dem Hund einen Knochen. (Der Hund muss nicht unbedingt was von seinem Glück wissen, es kann auch sein, dass er den Knochen gar nicht bekommt. Der Knochen aber ist auf jeden Fall irgendwo unterwegs —wurde direkt manipuliert — und der Affe hat auf jeden Fall etwas getan.) Syntax und Morphologische Merkmale Einen Knochen gibt der Affe dem Hund. [Acc.Sg.M] Objekt [Nom.Sg.M] [Dat.Sg.M] Subjekt Ind. Objekt Woher wissen wir wer was wem gibt? Kasus? Identifiziert alle Argumente des Satzes. Kasus und Kongruenz Latein: Kongruenz [3.Sg] claudia puellae rosås dat [Nom.Sg] ‘Claudia gibt dem Mädchen Rosen.’ [Acc.Pl] [Dat.Sg] Objekt Subjekt Ind. Objekt Woher wissen wir wer was wem gibt? Kasus? Kongruenz? Identifiziert alle Argumente des Satzes. Identifiziert das Subjekt Kasus und Kongruenz Wozu braucht man beides? [3.Pl] Das Kind sehen die Katzen. [Nom.Sg] [Acc.Sg] [Acc.Pl] [Nom.Pl] Objekt Subjekt Im Deutschen: Nominativ+Kongruenz: Subjekt Akkusativ: generell Objekt Dativ: generell Ind. Objekt Reichen Kasus und Kongruenz? [3.Sg] Das Kind sieht die Katze. [Nom.Sg] Subjekt [Acc.Sg] [Acc.Sg] [Nom.Sg] Objekt Sprachübergreifend: Wenn Kasus und Kongruenz nicht eindeutig sind, dann wird Position/Stellung im Satz ausschlaggebend (“word order freezing”). Englisch The cat sees a monkey. [1.Sg] I see/*sees a monkey. Im Englischen: Nur noch vereinzelt Kasus übrig (I/me, he/him, who/whom). Kongruenz identifiziert das Subjekt (aber auch da gibt es wenig eindeutige Morphologie). Was ist mit den anderen Argumenten? Position The monkey gave a bone to the dog. A bone gave the monkey to the dog. *A monkey gave to the dog a bone. *To the dog gave the monkey a bone. To the dog, the monkey gave a bone. Im Englischen: Position identifiziert Subjekt und Objekt. Subjekt: kongruiert und steht vor dem Verb (meist) am Anfang des Satzes. Position The monkey pinched the dog. The monkey pinched the dog quickly. The monkey quickly pinched the dog. *The monkey pinched quickly the dog. Im Englischen: Position identifiziert Subjekt und Objekt. Objekt: steht direkt nach dem Verb und bildet eine Einheit mit dem Verb (nichts darf dazwischen kommen). Position The monkey gave a bone to the dog. The monkey gave the dog a bone. Objekt Ind. Objekt Im Englischen: Ind. Objekt: nach dem Objekt positioniert, meistens mit der Präposition to markiert. Position ist ausschlagebend, Kongruenz spielt kaum eine Rolle, Kasus ist fast abgeschafft. Grammatische Relationen: Typische Beschreibungen Indirektes Objekt: Element des Satzes, auf das es indirekte Auswirkungen von der vom Verb beschriebenen Aktion gibt (d.h., das indirekte Objekt wird nicht direkt manipuliert, produziert oder involviert). Der Affe schickt dem Hund einen Knochen. (Der Hund muss nicht unbedingt was von seinem Glück wissen, es kann auch sein, dass er den Knochen gar nicht bekommt. Der Knochen aber ist auf jeden Fall irgendwo unterwegs —wurde direkt manipuliert — und der Affe hat auf jeden Fall etwas getan.) Position The CIA taught Pashto to the agents. Es kann sein, dass die Agenten am Ende überhaupt kein Pashto können. Objekt Ind. Objekt The CIA taught the agents Pashto. In dieser Ausdrucksweise müssen die Agenten “affiziert” gewesen sein (weil Objekt), d.h., es ist klar, dass sie am Ende Pashto können. Identifiziert Kongruenz immer das Subjekt? Urdu: hassan Hassan.M.Sg ! ! ! Subjekt [Sg.M] gaarii Auto.F.Sg ! ! Objekt calaa-t-aa fahren-Impf-M.Sg ‘Hassan fährt Auto.’ Identifiziert Kongruenz immer das Subjekt? [Sg.F] Urdu: hassan=ne gaarii calaa-y-ii Hassan.M.Sg=Erg Auto.F.Sg ! ! Subjekt ! ! fahren-Perf-F.Sg ‘Hassan ist Auto gefahren.’ Objekt [Ergativ (agentiver Kasus, identifiziert Subjekte)] Im Urdu kann auch mit dem Objekt kongruiert werden. In anderen Sprachen kongruiert man auch noch mit ind. Objekten (z.B. Georgisch). Kongruenz identifziert also nicht immer Subjekte, es kommt auf die Sprache an. Zwischenfazit Argumente eines Satzes können durch Kasus, Kongruenz und Position identifiziert werden. Sprachen unterscheiden sich in der Strategie (oder Mischstrategie), die gewählt wird um die Argumentidentifizierung auszudrücken. • Kasus und Kongruenz werden durch die Morphologie bereitgestellt. • Position/Stellung wird durch die Syntax determiniert. Morphologie und Syntax interagieren also miteinander Argumente Argumente vs. Adjunkte: Argumente sind unverzichtbare Elemente, die vom Verb bestimmt werden. *Der Affe gibt. was, wem? *Der Affe hat gebissen. was/wen? Adjunkte sind verzichtbare Ergänzungen (und man kann so viele haben, wie man will). Der Affe hat mich (im Garten) gebissen. Der Affe hat mich im Garten vor dem Käfig gebissen. Der Affe hat mich im Regen im Garten vor dem Käfig gebissen. Argumente Von jedem Argument darf es nur eins geben: *Der Affe gibt dem Hund ein Geschenk mir. *Der Affe hat mich den Hund gebissen. *Der Affe hat mich der Hund gebissen. Das Verb bestimmt, wieviele Argumente ein Satz hat: Intransitive Verben: 1 Argument (Der Affe lacht) Transitive Verben: 2 Argumente (Der Affe kneift den Hund) Ditransitive Verben: 3 Argumente (Der Affe gibt dem Hund einen Knochen) Passiv Aber wie ist das, wenn ich z.B. ein transitives Verb passiviere? Ist es dann intransitiv? Aktiv: Der Affe kniff den Hund. Passiv: Der Hund wurde (vom Affen) gekniffen. In gewisser Weise ist gekniffen intransitiv (nur noch 1 Argument). Aber: es gibt immer noch zwei Partizipanten, die die zentrale Rolle spielen — jemand, der kneift (“Kneifer/ pincher”) und jemand der gekniffen wurde (“Gekniffene/ pinchee”). Argumentstruktur/Thematische Rollen Von daher redet man von der Argumentstruktur eines Verbs/Prädikats. Die Argumente eines Verbs/Prädikats werden mittels zugrundeliegender thematischer Rollen ausgedrückt. kneifen Aktiv: Passiv: < Agens Subjekt Patiens > Tiefenstruktur Oberflächenstruktur Objekt Subjekt Im Passiv gibt es nur realisiertes Argument, aber man weiss von der zugrundeliegenden Argumentstruktur, dass es 2 Partizipanten gibt: Agens und Patiens. Argumentstruktur/Thematische Rollen Nicht alle transitiven Verben funktionieren gleich: Aktiv: Der Affe kniff den Hund. Eine Vision erschien mir. Passiv: Der Hund wurde gekniffen. *Mir wurde erschienen. *Eine Vision wurde erschienen. Mögliche Erklärung: die zugrundeliegenden thematischen Rollen unterscheiden sich. kneifen < Agens Patiens > erscheinen < Thema Experiencer/Ziel> Passiverklärung: man kann ein Verb nur dann passivieren, wenn es ein Agens Argument hat. Intransitive Verben Auch intransitive Verben funktionieren nicht alle gleich: Aktiv: Der Tiger tanzte. Der Tiger fiel. Passiv: Es wurde getanzt. *Es wurde gefallen. Mögliche Erklärung: die zugrundeliegenden thematischen Rollen unterscheiden sich. tanzen < Agens > fallen < Patiens > Passiverklärung: man kann ein Verb nur dann passivieren, wenn es ein Agens Argument hat. Intransitive Verben Im Deutschen (und den romanischen Sprachen) wird dieser Unterschied auch durch die Auxiliarselektion deutlich. Unergative Verben (Agens Argument): Der Tiger hat getanzt/gelacht/geniest. *Der Tiger ist getanzt/gelacht/geniest. Unakkusative Verben (Patiens Argument): *Der Tiger hat gefallen/gerannt/gegangen. Der Tiger ist gefallen/gerannt/gegangen. Das Lexikon Der Affe gab dem Hund einen Knochen. geben < Agens Rezipient/Ziel kneifen erscheinen tanzen fallen < Agens Patiens > < Thema Experiencer/Ziel> < Agens > < Thema > Patiens > Es wird angenommen, dass Information zu der Argumentstruktur eines Verbs/Prädikats im mentalen Lexikon kodiert ist. Das Lexikon D.h., die Lexikoneinträge erhalten zugrundeliegende Informationen zu thematischen Rollen (Partizipanten der Aktion), die nie verlorengehen, egal was für Flexion, Derivation oder Komposition betrieben wird. geben < Agens Rezipient/Ziel Patiens > Passiv: Der Knochen wurde dem Hund gegeben. (Wir wissen: es gab einen Agens.) Adjektiv: Der gegebene Knochen (Wir wissen: es gab auch Ag. und Rez.) Nominalisierung: Das Geben Komposition/Derivation: Die Vielgeberei (Wir wissen: es gab Ag., Rez. und Pt.)