Loibl-Saga - Dokumentationsarchiv des österreichischen

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Erwin Riess, Kärnten, Veranstaltungen Herbst 2015, aktualisierte Version
(2. November)
21.11. Lesung im Kulturgasthaus „raj“
Klagenfurt, Badgasse 7, 19 h, neue politische Texte zu Kärnten und Österreich + „Herr Groll und das Ende
der Wachau“
Ab 2. 12.
Erwin RiessLoibl‐Saga ‐ Mord, Verfolgung und Solidarität im Konzentrationslager Loibl‐
Nord
Ein Auftragsstück des klagenfurterensemble in Kooperation
mit teatrtrotamora
wissenschaftliche Begleitung: Univ.‐Prof. Dr. Peter Gstettner
Uraufführung/Premiere: 2. Dezember 2015
Aufführungstermine: 3., 4., 5., Dezember 2015
13.,14.,15.,16. Jänner
Beginn: 20.00 Uhr in Klagenfurt/Celovec
theaterhalle 11, Messeplatz 1, 9020 Klagenfurt
10., 11., 12. Dezember 2015, 20.00 Uhr
13. Dezember 2015, 15.00 Uhr
in Šentjakob v Rožu/St. Jakob im Rosental
SchülerInnenvorstellungen: 4. Dezember 2015, 10.00 Uhr
14. Jänner 2016, 10.00 Uhr
wobei auch jede der Abendvorstellungen (außer der Premiere)
besucht werden kann.
Kontakt: [email protected], Tel.: 0699 131 38 932, (Rechte: Thomas SesslerVerlag)
Kartenreservierungen: [email protected] oder +43 463/310300
Regie: Marjan Štikar
Bühne: Majda Krivograd, Kostüme: Karin Loitsch, Licht: Gottfried Lehner, Ton: Christoph Bürger, Kristijan
Rehsmann, Musik: Jozej Štikar, Videos: Marco Zwitter (Kamera) Visuals: Rudi Melcher,
Simultanübersetzungstechnik: Niko Mečina
Es spielen: Oliver Vollmann, Gerhard Lehner, Kai Möller, Gernot Piff sowie Schauspielerinnen und
Schauspieler der Theatergruppen teatrzora und teatrtrotamora aus St.Jakob i.R./Šentjakob v Rožu
otoškizbor Kinderchor "Rožce", ŽPZ "Rož" (Frauenchor) Leitung: Primož Kerštanj
Geschichtlicher Hintergrund
Seit der Römerzeit zählt der Loibl zu den bedeutendsten Alpenpässen. Der Überfall der deutschen
Militärmaschinerie auf Slowenien im Jahr 1941 führte rasch zu Planungen für einen 1,5 Kilometer langen Tunnel, der
die Nachschublinien sicherstellen sollte. Die Baufirma Universale bediente sich für den Tunnelbau hunderter
Zivilarbeiter. Für die besonders gefährlichen Arbeiten stellte die Gauleitung in Kooperation mit der SS rund 1200 KZ‐
Häftlinge aus Mauthausen und anderen KZ's, vor allem Franzosen, Polen und Jugoslawen aber auch Griechen und
Sowjetbürger. Im Süden und im Norden des Tunnels wurden ausgedehnte Lager errichtet, die von der SS betrieben
und kontrolliert wurden. Der Tunnelbau wurde unter großem Zeitdruck und in grenzenloser Ausbeutung der
Arbeitskräfte vorangetrieben. Kranke Häftlinge wurden in großer Zahl nach Mauthausen zurückgeschickt, nur wenige
überlebten. Transportunfähige wurden in einer offenen Grube, genannt "Krematorium", am Rand des Lagers
verbrannt. Vorher waren sie vom SS‐Lagerarzt Siegbert Ramsauer durch Benzinspritzen ins Herz getötet worden
(nach dem Krieg machte Ramsauer Karriere im Landeskrankenhaus Klagenfurt und betrieb von 1956 bis in die späten
1980er Jahre eine Ordination in der Innenstadt). Immer wieder wurden die Häftlinge verprügelt, mit Essensentzug
bestraft oder in halsbrecherische Arbeiten getrieben. Erschießungen aus nichtigen Gründen durchs das SS‐
Wachpersonal, das aus ausgesuchten Sadisten und Mördern aus anderen KZ's bestand, waren keine Seltenheit.
Speziell das Nord‐Lager auf der österreichischen Seite galt aufgrund seines Wachpersonals und der unerbittlichen
klimatischen Umstände als Hölle auf Erden.
Die beiden Lager waren die höchstgelegenen des NS‐Regimes. Schnee fiel bis in den Mai, Ende September kehrte er
wieder. Besondere Bedeutung muss man auch der Tatsache zumessen, dass um das Lager Partisanen operierten und
es immer wieder zu teils erfolgreichen Fluchten von Häftlingen kam, die sich dem bewaffneten Widerstand in der
Regel anschlossen. Von 29 Fluchten gelangen 22. Gefasste Flüchtlinge wurden misshandelt und getötet, die übrigen
Insassen büßten Fluchtversuche durch grausame Schikanen auf dem Appellplatz. Bei der Auflösung des Lagers um
den 7. und 8. Mai nahmen die SS‐Bewacher die Häftlinge als Geiseln und trieben sie zur Drau hinunter. Ziel war die
dortige Brücke und in der Folge der Vorstoß nach Klagenfurt, wo die britische Armee Stellung bezogen hatte. Die
Soldaten setzten alles daran, sich dem Zugriff der Partisanengruppen und der Jugoslawischen Volksarmee zu
entziehen.
Als die SS‐Einheiten die Draubrücke von den Partisanen besetzt vorfand, veranstalteten sie ein Massaker im
Hauptort der Region, Ferlach, dem bis zu 250 Menschen zum Opfer fielen. Da die britischen Truppen nicht eingriffen,
gelang es großen Teilen der SS‐Einheiten, auf Umwegen Klagenfurt zu erreichen und in die britische
Kriegsgefangenschaft zu kommen.
Seit 1955 erinnert an der Südseite des Loibl‐Passes ein Denkmal an das Lager. Auf Kärntner Seite geschah zwanzig
Jahre nichts ‐ für das offizielle Kärnten hatte es das Lager nie gegeben. Der Opfer und Insassen des KZ's wurde
gedacht – auf eine "österreichische" Art und Weise. Das Lagergelände blieb unter einem Fichtenwald verborgen und
am Tunnelportal wurde eine Tafel angebracht, in der in schwülstigen Formulierungen den Wirren der Zeit gedacht
wurde. Die Schrift war kaum lesbar, noch dazu befand sich die Tafel unmittelbar am Tunneleingang, einem
Niemandsland, in dem Autofahrer weder anhalten noch aussteigen durften. Es war erst zu Beginn der 1990er Jahre,
als, betrieben von dem Tiroler, Uni‐Prof. Dr. Peter Gstettner, der an der Klagenfurter Universität (Pädagogik)
forschte und lehrte, das Schweigen um die wichtigsten Erinnerungsorte des Kärntner Widerstands und der NS‐Opfer
trotz widrigster politischer Verhältnisse (die Jahre der "Hochblüte" des Haider‐Systems) gebrochen wurde. Heute
präsentiert sich der Ort dank Gstettners Hartnäckigkeit als würdevolle Gedenkstätte mit klaren graphischen Hilfen
und einer Installation des Bildhauers Georg Planer. Jedes Jahr finden Gedenkveranstaltungen mit TeilnehmerInnen
aus halb Europa und seit 2012 auch der Landesspitze statt. Im Ablauf der umsichtig organisierten Treffen spielen
neben Zeitzeugen auch Schulklassen eine wichtige Rolle.
Eine Szene:
(Zwei männliche Personen in Uniform. Mühsam kämpfen sie sich den Weg bergauf)
ALBERT SPEER: Mein lieber Herr Gauleiter! Das ist ein Sauwetter. Meine Stiefel sind naß. Morgen werde ich dem
Führer berichten. Der Führer mag es nicht, wenn man in seiner Gegenwart krank ist.
RAINER: Es tut mir leid, Herr Wehrwirtschaftsführer. Die Karawanken haben ihren eigenen Kopf.
SPEER: Daß wir gerade hier durch den Berg müssen!
RAINER: Woanders ist es noch schlimmer.
SPEER: Einen schlimmeren Ort als diesen Liubel gibt es nicht.
RAINER: Loibl, Herr Wehrwirtschaftsführer. Liubel ist Slowenisch.
SPEER: Sag ich doch. Es gibt keinen schlimmeren Ort. Kommen Sie auch aus dieser Ödnis?
RAINER: Ich komme aus St. Veit. Das liegt in der Ebene. Am Rande des Zollfelds.
SPEER: Schlimm?
RAINER: Viele Eisenbahner. Bolschewisten, wohin man schaut.
SPEER: Was unternehmen Sie dagegen?
RAINER: Wir rotten sie aus.
SPEER: Gibt es bei Ihnen noch Juden?
RAINER: Jetzt nicht mehr.
SPEER: Wem gehört das Schloß dort vorn?
RAINER: Es gehörte einem gewissen Born. Berliner Bankier. Und Jude.
SPEER: Ein Jude mit Namen Born. Himmler hätte seine Freude. Was macht ein Berliner Bankier im ewigen Eis?
RAINER: Er vögelt seine Maitressen. Mit Verlaub.
SPEER: Wo ist er jetzt?
RAINER: Er steckt in einem Viehwaggon.
SPEER: Auschwitz?
RAINER: Planankunft Donnerstag.
SPEER: So, so. Viehwaggon ist hart. Ich meine, für einen Bankier und Schlossherrn. Andererseits: In einer großen Zeit
müssen alle Opfer erbringen. Wir frieren ja auch. Hier also soll der Tunnel angestochen werden?
RAINER: Dort, neben dem Schloß, Herr Minister.
SPEER: Sagen Sie Professor zu mir. Ich bin Architekt. Ein Mann der Schönen Künste.
RAINER: Sehr wohl, Herr Professor.
SPEER: Wir werden Häftlinge brauchen. Tausend Stück. Und Lager auf beiden Seiten.
RAINER: Die Pläne sind fertig.
SPEER: Das Menschenmaterial kommt aus Mauthausen. Dort ist ein Überbelag von Franzosen und Polen.
RAINER: Tausend sind zu wenig. Mit Verlaub.
SPEER: Dazu tausend Zivilarbeiter. Tausend Mann auf jeder Seite. Und in tausend Tagen feiern wir den zweiten
Jahrestag der Tunneleröffnung.
RAINER: Ein Jahr. Ich verstehe. Das muß zu machen sein. Andererseits …
SPEER: Andererseits?
RAINER: Sie sehen ja. Das Wetter. Anfang Juni enden die Schneefälle. Und Ende September beginnen sie.
SPEER: Aber im Tunnel schneit es nicht.
RAINER: Im Tunnel schneit es nicht.
SPEER Die Daten!
RAINER: Einskommafünf Kilometer lang. Belgische Tunnelbauweise.
SPEER: Wieso nicht die Deutsche?
RAINER: Straßen und Arbeitstunnel parallel voranzutreiben, erlaubt die Geologie nicht. Das Gestein ist zu brüchig.
Wir brauchen oben einen Arbeitstunnel und zurückgesetzt den Haupttunnel. Der Abraum wird durch Löcher
abgesetzt und ins Freie verbracht.
SPEER: Und die Abwicklung?
RAINER: Universale‐Bau aus Wien, ein Betrieb der Creditanstalt‐Bankverein. Verlässliche Parteigenossen.
SPEER: Ich kenne die Creditanstalt. Sie führt den Zahlungsverkehr zwischen der SS und dreizehn
Konzentrationslagern. Mir sind keine Klagen bekannt. Wußten Sie, dass die SS die Finanziers mit Steinen bezahlt?
Aus diesem Grund werden die Konzentrationslager in der Nähe von Steinbrüchen errichtet.
RAINER: Herr … Professor sind bestens informiert.
SPEER: Wir in Berlin sind zwar weit vom Schuß. Das heißt aber nicht, dass wir danebenschießen.
RAINER: Selbstverständlich.
SPEER: Ich werde morgen dem Führer berichten. Er mag die Kärntner. Sein Lieblingslied ist ein Kärntner Volkslied.
Abendsport oder so. Er ist von dem Lied sehr ergriffen.
RAINER: Abend spat. Singt. Dihoiridldihoiridldohoiridldiduididl / Es war amal am Abend spat / A wunderscheane
Nacht / Dihoirieriehoidireridldurirididi.
SPEER: Genug! Wollen Sie die Bären auf uns hetzen? Die Kärntner haben beim Führer einen Stein im Brett. Sie auch,
lieber Gauleiter. (Pause). Wie oft war der Führer bei Ihnen in Kärnten?
RAINER: Dreimal. Am 4. April 1938, am 18. Februar 1939 und am 27. April 1941.
SPEER: So, so. Dreimal.
RAINER: Tausende haben ihm vor dem Hotel Sandwirth und am Neuen Platz zugejubelt.
SPEER: Tausende? So wenig? Nun, das Land ist dünn bevölkert. Kein Wunder, bei der Topographie. Sie werden Ihren
Tunnel bekommen, Gauleiter. Und wir werden ihn gemeinsam eröffnen.
RAINER: Es lebe der Führer.
SPEER: Er lebe hoch. Wer weiß, vielleicht kommt Er auch.
RAINER: Zum vierten Mal! Das wäre … eine ungeheure Auszeichnung für den Gau.
SPEER: Und für Sie, mein lieber Rainer. Wenn nur das Wetter …
RAINER verbeugt sich Es ist mir eine Ehre!
SPEER: Das Wetter?
RAINER: Ich meine …
SPEER: Sie wissen, was in einem solchen Fall passiert.
RAINER: Bei Schlechtwetter?
SPEER: Himmel!
RAINER: Ich bitte um Verzeihung.
SPEER: Ich weiß, der Regen. Wenn der Führer kommt, wenn er enthusiasmiert ist. Dann …
RAINER: Dann?
SPEER: Ist eine höhere Verwendung nicht auszuschließen. Der Führer fackelt da nicht lang.
RAINER (haucht): Eine höhere Verwendung! (Ermannt sich) Heil Hitler! (Knallt die Hacken beim Hitlergruß
zusammen)
SPEER: Passen Sie doch auf, Sie Tölpel! Sie spritzen mich ja von unten bis oben mit Schlamm voll!
(Dunkel)
Theater HALLE 11
Messeplatz 1, Eingang Florian-Gröger-Straße
9020 Klagenfurt
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Texte von Peter Gstettner und Erwin Riess (Stücktext) kitab-verlag 2015, 146 S. 15,00
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