III/B5 Antike Geschichte 4 Sallust: Coniuratio Catilinae 1 von 36 … in primis arduom videtur res gestas scribere. Sallusts geschichtstheoretische Konzeption hinter seiner Darstellung der Coniuratio Catilinae (Oberstufe) Dr. Sven Günther, Yokohama itur A b t he m a S R H C O V © Parlamentsdirektion/Bernhard Zofall U A Salluststatue in Wien „Die Verschwörung Catilinas“ – ein Klassiker des Lateinunterrichts. Doch auf den ersten Blick erscheint dieser Aufstand, da schlussendlich gescheitert, nicht gerade erwähnenswert. Es sei denn, man betrachtet das zum Teil bissige Rekurrieren Ciceros, des damaligen Konsuls, auf seine so heroische Tat. Doch welche geschichtstheoretische Konzeption steckt hinter der Darstellung des Sallust, der nicht nur dieses Ereignis, sondern auch die Krisenphase und den Niedergang der Römischen Republik miterlebte? In dieser Reihe erarbeiten sich Ihre Schülerinnen und Schüler, wie Sallusts eigene politische Laufbahn an der Seite Caesars zum hohen moralischen Anspruch passt, den er in seinem Werk erhebt, und warum der Aufstieg Roms zur Weltherrschaft aus seiner Sicht für den Fall der Republik verantwortlich war. Klassenstufe: 10.–12. Klasse, 5.–7. Lernjahr, Latein als 2. FS Dauer: 12 Stunden Bereich: Geschichtsschreibung, Geschichtskonzeption, Sallusts Bellum Catilinae zur Vollversion 31 RAAbits Latein November 2013 8 von 36 Sallust: Coniuratio Catilinae Antike Geschichte 4 III/B5 Materialübersicht 1./2. Stunde: Zwischen otium und negotium – Annäherung an Sallusts Biograie M 1 (Bi/Tx) Sallust – eine erhabene Persönlichkeit? M 2 (Tx) Sallust – Biograie und Zeitgeschichte M 3 (Tx) Die zwei Leben des Sallust 3./4. Stunde: Geschichtsschreibung als eine (anstrengende) Art des otium M 4 (Bi/Tx) Sallust als römischer Thukydides? M 5 (Tx) Wird so Geschichte gemacht? Die schwierige Aufgabe des Historikers 5.–7. Stunde: Auf den Charakter kommt es an! Virtus als Triebfeder guten Handelns M 6 (Bi/Tx) Virtus et honos als Richtschnur des Handelns M 7 (Tx) Was passiert, wenn virtus herrscht? Sallusts Ermahnung zum tugendhaften Handeln M 8 (Tx) Was passiert, wenn virtus fehlt? Die Charakteristik des L. Sergius Catilina 8.–10. Stunde: Imperialismus kommt vor dem (inneren Ver-)Fall – der ewige Geschichtskreislauf aus Sicht Sallusts M 9 (Tx) Der Fisch stinkt vom Kopf her! Moralische Mängel der Führungspersönlichkeiten in Friedenszeiten M 10 (Fo) Georg Pencz: Der Kampf um Cartagena (1539) M 11 (Bi/Tx) Von Sieg zu Sieg – die römische Expansion im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. M 12 (Tx) Wenn ein äußerer Sieg zur inneren Niederlage wird – die Rückwirkung der römischen Expansion auf die Innenpolitik 11./12. Stunde: Wenn Moral Geschichte macht – der Werteverfall als Basis für die Verschwörung Catilinas M 13 (Ab) Mein Haus, mein Auto, meine Rechtschaffenheit? Meine Werteordnung! M 14 (Tx) U A H C S R O V Der Werteverfall als Wurzel des gesellschaftlichen Niederganges Lernerfolgskontrolle: Äußerer Sieg und innere Niederlage – die innenpolitische Krise des Römischen Weltreichs (Sallust, Historiae 1,12 und 1,16) Die Vokabelhilfen zu allen Texten dieses Beitrags können Sie als Abonnent/-in in unserem Webshop kostenlos als veränderbare Word-Datei herunterladen und an die individuellen Bedürfnisse Ihrer Lerngruppe anpassen: http://latein.schule.raabe.de (Word-Download RAAbits Latein „Vokabelhilfen EL 31“). 31 RAAbits Latein November 2013 zur Vollversion 2 von 36 Sallust: Coniuratio Catilinae Antike Geschichte 4 III/B5 Fachliche Hinweise Sallust – ein bewunderter Literat und verachteter Politiker Bei Sallust blicken nicht nur wir modernen Leser auf eine scheinbar ianusköpige Gestalt: Da ist zum einen der moralisierende Historiograf, der mit seiner intellektuellen Strahlkraft und berühmten brevitas die Krisenjahre der Römischen Republik pointiert einer bestechenden Analyse unterzogen hat. Zum anderen wirft die politische Karriere des Aufsteigers, der am Rockzipfel Caesars die periden Machtspiele innerhalb der römischen Oberschicht mit teils großem Eigengewinn mitmachte, einen Schatten über den in seinen Schriften erhobenen moralischen Anspruch. Insofern wundert es nicht, wenn bereits antike Autoren eine zwiespältige Bewertung über Sallust abgaben: Bewunderung über seinen Sprachstil, Entsetzen über seinen Lebenswandel. In diesem Spannungsverhältnis hat sich nun auch eine moderne Sallust-Lektüre, gerade zum „Bellum Catilinae“, zu bewegen: Erst die stete Kopplung der Biograie Sallusts an die stürmische Epoche der „Krise der Römischen Republik“ erschließt den Hintergrund zu dessen Analyse des Verfalls der mores maiorum am Beispiel des Handelns von Lucius Sergius Catilina. U A Contra mores maiorum? Krise und Untergang der Römischen Republik Die erfolgreiche Expansion Roms im Westen wie Osten im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. wirkte nicht nur positiv. Innenpolitisch kam es zu Krisenerscheinungen, zunächst sozialpolitischen Charakters: Durch die langen Kriegsdienste waren die Bauern teilweise verarmt, ihre Güter waren oft von Reichen okkupiert oder aufgekauft worden. Zudem verdrängten Sklaven, billige Arbeitskräfte, die Bauern von Verdienstmöglichkeiten auf dem Land in die Stadt, wo diese eine starke und politisch mobilisierbare Masse, die plebs urbana, bildeten. H C S R Hinzu traten strukturelle Probleme der Römischen Republik: Die Magistratur war nicht auf die Verwaltung eines Weltreichs ausgelegt, es kam immer mehr zu Prorogationen von Ämtern, also Verlängerungen über die Höchstdauer hinaus, was militärisch geschickten Einzelpersönlichkeiten zum Aufstieg verhalf. Die Herabsetzung des Mindestzensus für den Militärdienst zur Heranziehung neuer Truppen und die Aufnahme der sogenannten capite censi ohne nennenswertes Vermögen begünstigten zusätzlich deren Aufstieg. Diese Feldherren waren nun für das Wohl ihrer Soldaten verantwortlich, die nach geleistetem Militärdienst versorgt werden wollten (Veteranenversorgungsproblematik). O V Innerhalb der Oberschicht versuchten sich zudem die Ritter als politischer Machtfaktor zu etablieren, was ihnen bei der Besetzung der Gerichtshöfe zumindest teilweise auch gelang. Auch die Volkstribune entdeckten die politischen Möglichkeiten ihres Amtes erneut, indem sie über die Plebeierversammlung ( concilium plebis ) Gesetze zu machen versuchten. Insgesamt waren sie die Speerspitze der Popularen, die über das Volk ihre politische Macht gegen die traditionell über den Senat und dessen Netzwerke agierenden Optimaten auszubauen suchten. Der Diktator Sulla (82–79 v. Chr.) bemühte sich mit seiner außerhalb jeglicher Tradition stehenden Alleinherrschaft, viele Probleme im Sinne einer Restauration zu beseitigen: Er fügte die Prorogationen in ein festes System aus zivilem Amtsjahr in Rom und darauf folgend einer Promagistratur in den Provinzen. Er kümmerte sich um die dauerhafte Nachführung politischer Führungskräfte in den Senat durch eine festgefügte Ämterlaufbahn (cursus honorum ). Er versuchte, die Macht der Volkstribune einzudämmen, indem die Gerichtshöfe wieder rein von Senatoren besetzt wurden. Doch nach seiner Abdankung wurden viele Maßnahmen in den Folgejahren wieder kassiert, so die Einschränkung der Volkstribune oder die Besetzung der Gerichtshöfe. Auch die sozialpolitischen Probleme blieben trotz Reformbestrebungen bestehen. All dies bestimmte die innenpolitischen Kämpfe der Folgezeit bis hin zum Machtkampf zwischen Caesar und Pompeius, den ersterer für sich entschied und der sodann (46 v. Chr.) als Diktator in Rom agierte. Für Sallust haben diese von ihm ebenfalls eingeräumten Krisensymptome ihre Ursache im moralischen Verfall, insbesondere in der Oberschicht, die sich nicht mehr an den mores maiorum orientiert habe. Die Forschung hat in den letzten Jahren erwiesen, dass dieses Modell der idealisierten römischen Geschichte der Frühen und Mittleren Republik eine Rückprojek31 RAAbits Latein November 2013 zur Vollversion 14 von 36 Sallust: Coniuratio Catilinae Antike Geschichte 4 III/B5 M4 Sallust als römischer Thukydides? Lernen Sie die Wurzeln des sallustianischen Geschichtsbildes kennen. 10 15 H C S R Text: Dr. Sven Günther U A Thukydides-Statue vor dem Parlamentsgebäude in Wien (Richard Kauffungen, 1896) O V Auszug aus dem Methodenkapitel – Thuk. 1,22,3 Sed multi laboris erat res cognoscere, quod illi, qui in quaque re interfuerant, non eadem de rebus iisdem dicebant, sed prout1 cuiusque in alterutros2 amor aut memoria esset. 1 prout (mit Konj.): so wie – 2 alteruter, utra, utrum: einer von beiden © iStockphoto/Chelnok 5 Thukydides aus Athen, ca. 454–396 v. Chr., war ein aus begüterten Verhältnissen stammender militärischer Führer (Stratege) im Peloponnesischen Krieg zwischen Athen und Sparta. Nach dem Verlust der thrakischen Stadt Amphipolis an den spartanischen Heerführer Brasidas 424 v. Chr. wurde er aus der athenischen Bürgerschaft verdammt und widmete sich der Geschichtsschreibung. Sein Werk behandelt den von ihm selbst miterlebten Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.), bricht jedoch im Jahr 411 v. Chr. ab. Neben der bloßen Darstellung der Ereignisse analysiert er in seinem Geschichtswerk auch das Zusammenwirken von tiefer liegenden Ursachen und konkreten Kriegsgründen, die dann zum Ausbruch des Konliktes führten (Anlass). Diese Diferenzierung verbindet er mit einer kritischen Schau auf die Quellen für die einzelnen Ereignisse. © iStockphoto/alexandrumagurean Thukydides und sein Werk Aufgaben 1. Informieren Sie sich mithilfe des Textes über den Autor Thukydides und dessen Geschichtswerk. Beschreiben Sie hierzu, wie Thukydides den Peloponnesichen Krieg darstellt und worauf er bei seiner Darstellung besonderen Wert legt. 2. Übersetzen Sie das Thukydides-Zitat in Partnerarbeit. Erläutern Sie anhand des Zitats, inwieweit es Schwierigkeiten bereitet, Geschichte angemessen darzustellen. 31 RAAbits Latein November 2013 zur Vollversion Antike Geschichte 4 Sallust: Coniuratio Catilinae 15 von 36 M5 Wird so Geschichte gemacht? Die schwierige Aufgabe des Historikers Erarbeiten Sie, welche Probleme einen Historiografen bei seiner Arbeit erwarten. 2 4 6 8 © iStockphoto/Chelnok III/B5 Sed in magna copia rerum aliud alii natura iter ostendit. Pulchrum est bene facere1 rei publicae, etiam bene dicere2 haud absurdum3 est; vel pace vel bello clarum ieri licet; et qui fecere4 et qui facta aliorum scripsere5, multi laudantur. Ac mihi quidem, tametsi haudquaquam6 par gloria sequitur scriptorem et auctorem rerum, tamen in primis7 arduum8 videtur res gestas scribere: primum, quod facta dictis exaequanda9 sunt; dehinc, quia plerique, quae delicta10 reprehenderis11, malevolentia12 et invidia dicta putant; ubi de magna virtute atque gloria bonorum memores13, quae sibi quisque facilia factu14 putat, aequo animo15 accipit, supra ea16 veluti icta pro falsis ducit. U A (Sall. Cat. 3, 1–2) H C 1 bene facere (m. Dat. commodi): etwas durch Taten leisten für – 2 bene dicere: etwas durch Reden leisten – 3 absurdus, a, um: ungeschickt; häuig: non/haud absurdus: gescheit – 4 fecēre = fecērunt – 5 scripsēre = scripsērunt – 6 haudquāquam (Adv.): keineswegs – 7 in prīmīs = imprīmīs – 8 arduus, a, um: schwierig – 9 facta dictis exaequāre: Taten angemessen darstellen – 10 dēlictum, ī n.: Vergehen – 11 reprehenderis: 2. Sg. Konj. Perf. Akt. (Potentialis) – 12 malevolentia, ae f.: Neid, Missgunst – 13 memores: 2. Sg. Konj. Präs. Akt. (Potentialis) – 14 factū: zu machen (Supinum II) – 15 aequus animus: Gleichgültigkeit – 16 suprā ea: das darüber hinaus Gehende S R Aufgaben O V 1. Strukturieren Sie den Text mithilfe des Einrückverfahrens. 2. Übersetzen Sie den Text. 3. Sammeln Sie die Aussagen Sallusts bezüglich der Schwierigkeit, Geschichte zu schreiben. 4. Vergleichen Sie Sallusts Aussagen mit denen von Thukydides in Form einer Tabelle. Thukydides Quellen Sallust Leser Historiker zur Vollversion 31 RAAbits Latein November 2013 26 von 36 Sallust: Coniuratio Catilinae Antike Geschichte 4 III/B5 M 11 Von Sieg zu Sieg – die römische Expansion im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. Erfahren Sie hier, wie die Römer selbst schwierige außenpolitische Konlikte erfolgreich meisterten. 10 15 U A H C Text: Dr. Sven Günther S R O V Karte: Doris Köhl 5 Es lassen sich grundsätzlich drei Phasen in der römischen Expansion bis zum Weltreich am Ende der Republik unterscheiden: In einer ersten Phase erweiterte sich das Gebiet des römischen Stadtstaates in Italien bis zum Beginn des 3. Jahrhunderts v. Chr. Die eroberten Gemeinden wurden in das römische Bürgerrecht integriert oder als römische Bundesgenossen angebunden. Ein verändertes Konzept trat mit den ersten Eroberungen außerhalb der italischen Halbinsel hervor: Die Punischen Kriege und die Expansionspolitik im Osten des Mittelmeerraums führten zur Errichtung von Provinzen, wobei die jeweilige provincia gemäß dem Wortsinn nur eine „Aufgabe“ unter vielen weiteren für die damit beauftragten römischen Beamten war. Dabei wurden Sizilien und Sardinien in der Folge des Ersten Punischen Krieges (264–241 v. Chr.) als erste Provinzen eingerichtet. Bis zur Späten Republik des Jahres 70 v. Chr. waren es dann insgesamt zehn Provinzen. Infolge der administrativ-politischen Reformen des Diktators Sulla (82–79 v. Chr.) wurden die Provinzen von Konsuln und Prätoren nach ihrem jeweiligen Amtsjahr als Statthalter in Form einer normalerweise einjährigen Promagistratur verwaltet. Als dritte Möglichkeit zur Herrschaftssicherung der Römer wurden von Rom abhängige Klientelkönigreiche errichtet – ein Konzept, das insbesondere im östlichen Mittelmeerraum Anwendung fand. Aufgaben 1. Lesen Sie den Informationstext. 2. Ordnen Sie das Bild „Der Kampf um Cartagena“ von Georg Pencz (1539) in den historischen Kontext ein, indem Sie mithilfe des Informationstextes sowie der Karte die Etappen der römischen Expansion näher beschreiben. 3. Beschreiben Sie, auch unter Rückgriff auf den Informationstext „Sallust – Biograie und Zeitgeschichte“, welche Vor- und Nachteile die Expansion Roms über das Stadtstaatsgebiet hinaus mit sich brachte. 31 RAAbits Latein November 2013 zur Vollversion 30 von 36 Sallust: Coniuratio Catilinae Antike Geschichte 4 III/B5 M 13 Mein Haus, mein Auto, meine Rechtschaffenheit? Meine Werteordnung! Wie wichtig sind Ihnen Werte wie Ehrlichkeit, Anstand oder Ruhm? Suchen Sie die für Sie wichtigsten Wertebegriffe heraus und ordnen Sie diese nach ihrer Wichtigkeit von oben nach unten in die Wertepyramide ein. Reichtum Rechtschaffenheit Erfolg Ehrlichkeit Gerechtigkeit Anstand Hilfsbereitschaft Ordnung H C Freundlichkeit S R Dankbarkeit Liebe Gemeinschaftssinn Geduld Respekt O V 31 RAAbits Latein November 2013 U A Freigiebigkeit Toleranz Freundschaft Demut Gewaltlosigkeit Pflichtgefühl Ruhm Verantwortung © www.colourbox.com Treue zur Vollversion