INFOLETTER Nr. 6/April 08 Informationen zu Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Aktuelles Schwerpunkt Spezialthema S1 S2 S3 S3 Erhöhung der Bettenkapazität Übersicht S4 Sekundäre Alkoholabhängigkeit Alkohol und Kokain Fallbeispiel Veränderungen in unserem Ärzteteam Erhöhung der Bettenkapazität Resultate und auch die angelaufene Zuweiserbefragung bestärkt uns in unserem professionellen, alltäglichen Wirken zu Gunsten unserer Patientinnen und Patienten. Wir danken allen Involvierten für Ihr Vertrauen und die Unterstützung. Nach einem ermutigenden zweiten Betriebsjahr als Privatklinik für Privat- und Halbprivat-Versicherte können wir ab 1. April 2008 neu 54 Betten (+ 20%) anbieten. Mit dieser Erweiterung und dem Ausbau der dazugehörenden Infrastruktur werden auch acht neue Vollzeitstellen geschaffen. Dem vergrösserten Mitarbeiterteam wird auch ein zusätzlicher Leitender Arzt angehören (siehe Seite 3). Die positive Entwicklung lässt sich anhand der Statistik ablesen. Während 2006 die Auslastung bei 82.5 % lag, stieg sie 2007 auf 86.5 %. Im letzten Jahr wurden 300 Patientinnen und Patienten stationär behandelt. Auch die Pflegetage haben sich innerhalb eines Jahres um 20 Prozent - von knapp 12‘000 auf 14‘200 – erhöht. Mit Freude stellen wir fest, dass unser Konzept Anklang findet. Die detaillierte Erhebung der Patientenzufriedenheit zeigt sehr erfreuliche The Swiss Leading Hospitals SLH haben mit der CSS Versicherung einen Vertrag zur engen Zusammenarbeit unterschrieben. Es ist dies eine langfristig angelegte strategische Zusammenarbeit zweier Partner, die in ihren jeweiligen Bereichen führend sind. Die CSS Versicherung anerkennt das ausgewiesene Qualitätskonzept der SLH und bevorzugt im Zusatzversicherungsbereich die Kooperation mit den SLH-Kliniken. Weitere Informationen finden Sie unter www.slh.ch und www.hohenegg.ch. Walter Denzler Verwaltungsdirektor Editorial Die Privatklinik Hohenegg verfügt über spezifische Erfahrungen in Suchtkrankheiten. Unser Leitender Arzt Silvano Sommer berichtet im vorliegenden Infoletter darüber. Er leitet die Gruppentherapie für Patienten mit Abhängigkeitsstörungen. Im Hauptartikel zeigt er auf, wie immer mehr beruflich und sozial voll integrierte Patienten mit Kokainproblemen zu uns kommen und wie wir diese behandeln. Auch schildert er die Verflechtung von Kokain und Alkoholabusus. Im zweiten kürzeren Text informiert Herr Sommer über die Wechselwirkung von psychischen Grundleiden und sekundärer Alkoholproblematik. Es entwickelt sich ein eigenes Krankheitsbild. Wir verfügen über eine grosse Erfahrung damit, weil solche Patienten oft zu uns kommen, während Patienten mit primären Suchtleiden wegen möglichen Ausschlusskriterien der Zusatzversicherungen nicht hier hospitalisiert werden können. Es freut mich, wenn Sie Zeit finden, sich hier mit diesen praktisch wichtigen Themen auseinander zu setzen. Dr. med. Toni Brühlmann Ärztlicher Direktor und Chefarzt 1 Alkohol und Kokain med. pract. Silvano Sommer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Leitender Arzt Kokain-Abhängigkeit, noch vor einigen Jahren eher ein Problem sozial desintegrierter und polytoxikomaner Drogenkonsumenten zeigt sich heute vermehrt bei einem völlig anderen Zielpublikum. Es sind nebst sogenannten Partygängern meist Männer, seltener auch Frauen in mittlerem Alter die als Börsenhändler, Broker, Rechtsanwälte und ähnlichen anforderungs- und stressreichen Berufen tätig sind. Im Gegensatz zu den polytoxikomanen Drogenkonsumenten bleiben sie meist sozial integriert und arbeitsfähig, was sie lange in der Überzeugung bestärkt, ihren Konsum im Griff zu haben. So kommen sie in den meisten Fällen erst nach mehrjährigem intensivem Konsum in unsere stationäre Behandlung, wenn das brüchig gewordene innere und soziale Gleichgewicht zu dekompensieren droht und wenn ambulante oder halbstationäre Behandlungsversuche erfolglos geblieben sind. Problemorientierte Zielsetzung Eine langdauernde Kokain-Abhängigkeit hat meist verheerende Folgen mit psychischen, sozialen, medizinischen und legalen Komplikationen. Demzufolge ist unsere Behandlung mit problemorientierter Zielsetzung multimodal angelegt. In einem Vorgespräch werden zunächst die Bedingungen der Entzugsbehandlung besprochen und die gegenseitigen Erwartungen geklärt. Meist wird das Ergebnis dieses Vorgesprächs schriftlich festgehalten und als Ausdruck gegenseitiger Verbindlichkeit von Therapeut und Patient unterschrieben. Nach dem Eintritt in die Klinik ist der schützende und stützende stationäre Rahmen als hilfreiche Struktur zentral, um 2 die zu Beginn der Behandlung ausserordentlich grosse Rückfallgefahr zu vermindern. Die Motivation zum Entzug wird durch eine engmaschige ärztliche und pflegerische Betreuung entscheidend unterstützt und der Patient erlernt allmählich den Umgang mit den quälenden Entzugssymptomen (Craving). In der akuten Phase ist auch eine individuell zu ermittelnde Medikation hilfreich, während die längerfristigen medikamentösen Behandlungen gemäss der bisher publizierten Studien mässige bis enttäuschende Resultate ergaben. Eine antidepressive Medikation ist bei der häufig nach dem KokainEntzug langdauernden Depression sinnvoll. Die als vielversprechend beschriebene Impfung befindet sich noch in klinischer Erprobung. Abstinenz als Ziel Die Behandlung der Kokain-Abhängigkeit ist abstinenzorientiert und zielt zunächst auf die Aufrechterhaltung der Motivation, auf den Suchtmittelkonsum verzichten zu wollen. Diese Motivation ist - wie bei allen Suchterkrankungen - nicht ein für allemal vorhanden, sondern muss täglich sozusagen neu erkämpft werden. Das psychotherapeutische Vorgehen mit einem integrativen multimodalen Ansatz beinhaltet hochfrequente Einzeltherapien, welche auf die Verbesserung der Introspektion und der kommunikativen Fähigkeiten abzielen, sowie störungsspezifische Gruppentherapien, die sowohl psy- choedukativ als auch verhaltensmodifizierend angelegt sind. Die bei diesen Patienten in der Regel ungenügende Frustrationstoleranz und die mangelnde Stressresistenz werden im Rahmen verschiedener körpertherapeutischer Verfahren und Entspannungsmethoden gefördert. Erlebnisorientierte Therapien wie therapeutisches Reiten, Qi Gong, Shiatsu und Achtsamkeitsmeditation (MBSR) lassen angenehme Empfindungen aufkommen und vermindern die Fokussierung auf das Suchtmittel. Wichtig ist uns auch der Einbezug der sozialen Umgebung in Form von Angehörigen-, ev. auch Arbeitgebergesprächen. Nicht selten sind finanzielle Schwierigkeiten vorhanden, insbesondere Schulden zu sanieren oder es gibt Probleme am Arbeitsplatz die zu klären sind. Unter anderem ist dies eine Aufgabe unserer Sozialarbeiterin. Seit einiger Zeit behandeln wir vermehrt Patienten, die von einem problematischen Umgang sowohl mit Kokain, als auch mit Alkohol berichten. Diese Patienten thematisieren meist nur ihren Kokainkonsum, die oftmals nicht unbeträchtliche Menge Alkohol, die sie ebenfalls konsumieren wird eher bagatellisiert. Dabei zeigt sich bei näherer Befragung, dass der Alkohol in vielen Fällen als Einstiegsdroge benützt wird. Der Alkoholkonsum vermindert bei diesen Patienten die Hemmung, die illegale Droge Kokain zu konsumieren. Die Kombination von Kokain und Alkohol bringt zusätzliche gesundheitliche Risiken mit sich. Es werden zunächst beim akuten Konsum kreislauftoxische Metaboliten (Cocaaethylen) gebildet. Diese erhöhen die euphorische Wirkung des Kokain und auch dessen Toxizität, was vor allem bei unentdeckten, an sich harmlosen Herzfehlern fatale Folgen haben kann. Die erlebte Wirkung des Alkohols wird vermindert, was zusätzlich die Gefahr einer Alkoholintoxikation erhöht. Längerfristig besteht aber auch die Gefahr einer zusätzlichen Abhängigkeit, bzw. einer Suchtverlagerung, so dass nach einem erfolgreich verlaufenen Kokainentzug die Alkoholabhängigkeit fortbesteht, die zunächst als das kleinere Übel verkannt wird. Fallbeispiel Hr. M.N., ein 48-jähriger Geschäftsmann, Inhaber einer Werbeagentur wird uns wegen völliger Erschöpfung und drohendem psychosozialem Zusammenbruch zur stationären Behandlung zugewiesen. Er konsumiert seit mehr als zwei Jahren rauchbares Kokain (Base) in steigenden Mengen, so dass er trotz eines überdurchschnittlichen Einkommens in finanzielle Bedrängnis kam. In der Anamnese ist zunächst wenig Auffälliges zu erfahren. Er berichtet von einer behüteten Kindheit in bürgerlichen, geordneten Verhältnissen, einer erfolgreichen Schulzeit und einem glänzenden Studienabschluss. Die berufliche Laufbahn kann nur als bilderbuchmässig beschrieben werden, nach einigen Jahren in einer leitenden Position machte er sich mit einer eigenen Werbeagentur selbständig. Er ist verheiratet, hat drei Kinder (11, 12 und 14 Jahre alt). In wohl altersüblicher Weise konsumierte er in der Adoleszenz gelegentlich Cannabis, ohne darin je ein Problem zu sehen. Ebenso wenig empfand er seinen nicht unbeträchtlichen Alkoholkonsum als ungewöhnlich. Man traf sich regelmässig mit Kunden und Kollegen in bestimmten Bars, eine gewisse Trinkfestigkeit gehöre zu seinem Berufsimage. Vor sechs Jahren geriet seine Ehe in eine Krise und seine Frau wünschte die Scheidung. Danach stürzte er sich noch mehr in seine Arbeit, empfand jegliche Freizeit als leer und bekämpfte Müdigkeit mit Thaipillen (N-Methylamphetamin). Diese bekam er in einer Bar angeboten, wo er abends reichlich Alkohol trank, um Entspannung zu finden, schlafen zu können. Es wurde ihm auch Kokain angeboten, was ihm half, die in seiner Branche übliche gute Lau- ne zu zeigen und gut im Geschäft zu bleiben. Er hatte den Eindruck, alles im Griff zu haben, empfand seinen Substanzkonsum lediglich als eine nützliche Unterstützung im Alltag. Anfänglich legte er regelmässig ein paar abstinente Tage ein, um sich selber zu beweisen, dass sich alles noch im „grünen Bereich“ befinde. Doch in den letzten Jahren gelang es ihm immer weniger Pausen einzuhalten. Er stellte fest, dass er deutlich mehr Kokain benötigte, dass er auch viel mehr trank, sich häufiger in einem Stimmungstief befand. Ein Versuch, den Kokainkonsum in Begleitung eines ambulanten Therapeuten zu sistieren scheiterte nach wenigen Tagen, was ihn schliesslich dazu bewog, in unsere Klinik einzutreten. Trotz medikamentöser Unterstützung plagten ihn während einiger Tage starke Entzugsbeschwerden. Die danach einsetzende tiefergehende Bearbeitung seines Suchtverhaltens liess ihn sich als einen vereinsamten Mann erkennen, der nach der Trennung von seiner Frau keine tiefergehenden Beziehungen mehr eingehen konnte und im Suchtmittelkonsum einen Ersatz für all seine Beziehungsbedürfnisse fand. Im Gegensatz zu Menschen war für ihn das Suchtmittel stets da, wirkte zuverlässig und liess ihn nie im Stich. Es brauchte mehrere Wochen intensiver Arbeit, bis er dies als seine Einstellung erkennen konnte und wahrnahm, wie lebensfeindlich er die letzten Jahre verbracht hatte. Nach einer Zeit der Trauer und mit anhaltender Motivation, auf die „Hilfe“ von Substanzen zu verzichten und sich wieder auf das Risiko von Beziehungen einzulassen, trat er aus, sich bewusst, dass er noch für längere Zeit eine ambulante Therapie benötigen wird. Veränderungen in unserem Ärzteteam Ende Dezember 2007 beendete Dr. Eberhard Rust seine Arbeit als Leitender Arzt bei uns. Er blieb ein Jahr länger als ursprünglich geplant. Wir haben von seiner langjährigen Erfahrung als Chefarzt sehr profitieren können. vierte eine fünfjährige Aus- und Weiterbildung in Körperorientierter Psychotherapie bei G. Downing. Am 1. April beginnt Dr. Othmar Noser. Seit 1995 war er im Sanatorium Kilchberg Oberarzt und ab 2000 Leitender Arzt und Stellv. Chefarzt. Während 10 Jahren präsi- dierte er die regionale Psychiatriekommission und war federführend bei dem mit der GD entwickelten regionalen Versorgungskonzept. Seine psychotherapeutische Ausrichtung war zuerst psychoanalytisch und ist jetzt verhaltenstherapeutisch orientiert. Seine Nachfolgerin ist Dr. Margaretha Gisler Wenger. Sie war von 2003 bis 2007 Oberärztin in der Integrierten Psychiatrie Winterthur IPW. Zuerst hat sie den Facharzt FMH in Allgemeiner Medizin erworben, später in Psychiatrie und Psychotherapie und besitzt den Fähigkeitsausweis für psychosomatische und psychosoziale Medizin (APPM). Frau Gisler absol- 3 Sekundäre Alkoholabhängigkeit med. pract. Silvano Sommer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Leitender Arzt Wer sich mit der Behandlung Abhängiger befasst, kann kaum darüber hinwegsehen, dass Sucht und psychische Störungen in enger Verbindung stehen. In unserem Kulturkreis greifen viele bei einem Stimmungstief zunächst zum Glas, lange bevor sie sich als krank wahrnehmen und ärztliche Hilfe suchen. Wer an einer Panikstörung mit Angstanfällen leidet, lernt die oft gute anxiolytische Wirkung des Alkohols nutzen, um die Attacken zu mildern, ein einigermassen normales Leben führen zu können. Schlafstörungen, soziale Phobien, posttraumatische Störungen und andere psychiatrische Probleme sind ebenfalls ein Anlass, Erleichterung durch Alkohol zu suchen. Wir sprechen hier von einer sekundären Abhängigkeitsentwicklung als Folge einer psychischen Störung. Die Hypothese, hinter jeder Substanzabhängigkeit stehe ein letztlich untauglicher Versuch der Selbstbehandlung einer psychischen Störung geht sicherlich zu weit. Wir sehen oft Patienten, bei denen die Dynamik der Sucht, deren somatische und psychische Folgen, das Krankheitsbild dominieren, so dass dazu kommende psychiatrische Probleme als zur Abhängigkeit gehörig erscheinen. Hier diagnostizieren wir eine primäre Abhängigkeit. Jedem Allgemeinpraktiker, Psychiater und Psychologen werden dazu passende Fallbeispiele einfallen. Die Annahme ist naheliegend, bei einer sekundären Abhängigkeitsent- Informationen zur Privatklinik Privatklinik Hohenegg Hohenegg 4 Postfach 555 8706 Meilen Telefon 044 925 12 12 Fax 044 925 12 13 [email protected] www.hohenegg.ch Ärztliche Direktion Telefon 044 925 15 16 Dienstarzt 044 925 15 00 Fax 044 925 15 10 [email protected] Die Hohenegg ist eine Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik für Zusatzversicherte. Mit den meisten Krankenkassen bestehen Verträge. Die Klinik bietet 54 Privat- und Halbprivat-Betten auf zwei offenen Stationen an. 4 Behandlungsspektrum - Depression - Burnout und Lebenskrise - Psychosomatik inkl. Schmerz - Angst und Zwang - Posttraumatische Belastungs störung - Suchterkrankung - Persönlichkeitsstörung wicklung sei lediglich die ihr zugrunde liegende Problematik zu diagnostizieren und erfolgreich zu behandeln, dann benötige der Patient das Suchtmittel nicht mehr. Doch die klinischen Verläufe und das neurobiologische Wissen zeigen uns, dass mit der Abhängigkeit von einem Suchtmittel ein eigenständiges Krankheitsbild entstanden ist, das nebst der Grundsymptomatik einer Behandlung bedarf. Die Abhängigkeit ist zum primär anzugehenden Problem geworden. Erst wenn die Selbstmedikation mit z. B. Alkohol sistiert werden kann und damit das ursprüngliche Leiden deutlicher zutage kommt, kann dieses mit einiger Aussicht auf Erfolg therapeutisch angegangen werden. Klinikleitung Dr. med. Toni Brühlmann Chefarzt/Ärztlicher Direktor Zuweisung Die Anmeldung erfolgt telefonisch beim Leitenden Arzt im Dienst oder mit Zuweisungsschreiben an den Chefarzt. Auf Wunsch wird mit der Patientin oder dem Patienten ein Vorgespräch geführt. Notfalleintritte sind tagsüber jederzeit möglich. Trägerschaft Die privatrechtliche, gemeinnützige Stiftung Hohenegg ist die alleinige Eigentümerin der Privatklinik Hohenegg AG. Madeleine Eisenbarth Pflegedirektorin Walter Denzler Verwaltungsdirektor