INFOLETTER Nr. 12/März 10 Informationen zu Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Aktuelles S1 Ambulante Konsilien Schwerpunkte S2 Depression: individuelle + zwischenmenschliche Herausforderung S3 Stationäre Therapie und Familiengespräche Übersicht S4 Patienten und ihre Angehörigen Ambulante Konsilien Das Wissen in unserer Informationsgesellschaft wächst rasant: Jedes Jahr werden alleine im Bereich der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik über 5500 als relevant einzustufende wissenschaftliche Artikel geschrieben. Dieser Wissenszuwachs führt zwangsläufig zu einer Spezialisierung, da nur noch in einem umschriebenen Gebiet eine hochstehende fachliche Kompetenz möglich ist. Es ist daher erfreulich, dass in der medizinischen Aus- und Weiterbildung mehr Gewicht auf interdisziplinäre Zusammenarbeit gelegt wird, wobei dem Konsilium als etablierter Form des Informationsaustausches unter Spezialisten eine zentrale Rolle zufällt. Als aktueller Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie (SSCLP) bin ich glücklich, dass die FMH auf den 1. Januar 2010 den Schwerpunkttitel «Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie» neu eingeführt hat. Somit kann die Ausbildung jener Psychiater verbessert werden, welche an der Schnittstelle zwischen Somatik und Psychiatrie arbeiten und als Spezialisten für die interdisziplinäre Kommunikation ausgebildet werden. Da die Privatklinik Hohenegg die stationären Therapien aus bekannten politischen Gründen nur Privat- und Halbprivatversicherten Editorial anbieten kann, ist es uns besonders wichtig, allen ambulanten Patienten aller Versicherungsklassen unser fachliches Expertenwissen anbieten zu können. Neben der fachlichen Unterstützung soll die Beratungstätigkeit auch einen vertieften fachlichen Austausch mit Ihnen ermöglichen. Das Angebot ambulanter konsiliarischer Beurteilungen in unseren Kompetenzbereichen Depression, Psychosomatik und Burnout besteht seit April 2009. Unsere ersten Erfahrungen zeigen, dass die Voraussetzung für ein qualitativ gutes Konsilium eine klar formulierte Fragestellung ist. Auch sollte der zugewiesene Patient über Zweck und Inhalt des Konsiliums informiert sein. Nach der Untersuchung besprechen wir mit Ihnen und den Patienten unsere Einschätzung in einer interaktiven Weise, welche es ermöglicht ev. noch offene Fragen zu klären. Unser Konsiliarangebot steht allen Ärzten und Psychotherapeuten offen. Wir nehmen Ihre Anmeldungen per E-Mail ([email protected]), Post oder Fax gerne entgegen. Wir freuen uns, die erfolgreich begonnene Zusammenarbeit mit Ihnen weiter zu vertiefen! Prof. Dr. med. Stefan Büchi Leiter Kompetenzzentrum Psychosomatik 2009 haben wir unsere drei Kompetenzzentren etabliert und zugleich die Durchführung von Konsilien angeboten. Warum wir als Klinik letzteres für nötig erachten, beschreibt Dr. Büchi in nebenstehendem Artikel. Die Nachfrage war bisher erfreulich, 78 Konsilien fanden bereits durch unsere Ärzte statt und es ist zu erwarten, dass die Zahl steigen wird. Der vorliegende Infoletter befasst sich schwergewichtig mit der Bedeutung von Angehörigen in der Behandlung psychischer Erkrankungen, da diese sich ja immer auf das engere soziale Umfeld auswirken. Und auch der Kontakt mit Angehörigen durch unsere Pflegefachleute ist oft ein anspruchvolles Unterfangen. Um den fachlichen Austausch mit unseren Zuweisern zu intensivieren und Einblicke in unsere Behandlungsmöglichkeiten wie auch unseren Behandlungsstil zu geben, sind für das laufende Jahr drei Fachreferate an Donnerstagnachmittagen sowie zwei längerdauernde Workshops geplant. Themen und Termine entnehmen Sie bitte dem beiliegenden Flyer. Ich hoffe, dass diese wie auch vorliegender Infoletter Ihr Interesse finden. Dr. med. Ralf Krek Stv. Ärztlicher Direktor 1 Depression als individuelle und zwischenmenschliche Herausforderung Prof. Dr. med. Daniel Hell, Leitender Arzt, Leiter Kompetenzzentrum Depression und Angst sitiv äussern können, sondern ihre Aussagen meist einen negativen Charakter haben. Das kann die Missstimmung verstärken, insbesondere, wenn ihre Klagen als Anklagen verstanden werden. Besonders gravierend wirken sich sui­zidale Phanta­ sien aus. Depressionen führen zu Leidenszuständen, die besonders schwer zu bewältigen sind. Ihr Krankheits­ charakter gibt depressiven Menschen ein Recht auf therapeutische Hilfe, sei es ambulant oder wenn nötig stationär. In der berechtigten Sorge für depressive Menschen geht jedoch oft vergessen, dass auch Partner, Eltern, Kinder und andere Angehörige vom depressiven Geschehen mitbetroffen sind und häufig schlecht damit zurecht kommen. Anders als körperliche Krankheiten wirken sich depressive Störungen in besonders charakteristischer Weise auf andere Menschen aus. Das hat damit zu tun, dass depressive Probleme oft in zwischenmenschlichen Problemsituationen auftreten. Mindestens ebenso wichtig ist aber, dass Depressionen die zwischenmenschliche Kommunikation verändern. Die depressive Hemmung verlangsamt den Sprachfluss und behindert die Ausdrucksfähigkeit. Dadurch fühlen sich Angehörige oft irritiert. Sie sind es gewohnt, dass ein Blick mit einem Gegenblick, ein Lächeln mit einem Lächeln beantwortet wird. Wenn diese körpersprachlichen Antworten bei depressiven Menschen ausbleiben oder verzögert auftreten, reagieren sie irritiert. Etwas scheint dann nicht zu stimmen, auch in der Beziehung. Doch ist diese Störung des Kommunikationsverhaltens haupt­sächlich durch die Depression bedingt, die wie ein Bremsmanöver auch den mimischen und gestischen Ausdruck behindert. Darüber hinaus führt die Niedergeschlagenheit depressiver Menschen dazu, dass sie sich schwerlich po- 2 Diese zwischenmenschliche Dimension der Depression fordert mitbetroffene Angehörige besonders stark heraus. Die daraus entstehende Belastung kann nicht einfach mit der Herausforderung durch körperliche Erkrankungen gleichgesetzt werden. Umso wichtiger ist es, diese spezielle zwischenmenschliche Dynamik verstehen zu lernen. So lange man ihr nur ausgeliefert ist, aber kein Verständnis dafür hat, ist es besonders schwer, mit ihr umzugehen. Im Idealfall sind psychiatrische Experten, insbesondere Fachärzte, Vermittler eines solchen Verständnisses. Im Gespräch mit Angehörigen können Psychiater und Psychotherapeuten Verständnis für das depressive Geschehen und seine interaktionelle Seite wecken. Voraussetzung ist aber, dass sich auch Angehörige in ihrer speziellen Situation von den behandelnden Ärzten verstanden fühlen. Solange Angehörige unter dem Eindruck stehen, dass sich die behandelnden Ärzte wie «Anwälte der Gegenseite» verhalten, ist ein Verständnis der interaktionellen Seite für sie erschwert. Auch vorbestehende Ehe- oder Familienkonflikte oder stark ambivalente Beziehungen stellen Hindernisse für ein adäquates Verständnis des depressionsbedingten zwischenmenschlichen Geschehens dar. Hier kann es sinnvoll sein, auch Angehörige mit einer psychotherapeutischen Begleitung durch eine andere Fachperson zu unterstützen, oder eine Paar- oder Familientherapie anzubieten. Im Gegensatz zum verbreiteten Vorurteil, dass Depressionen Beziehungen zerstören, zeigen eigene und andere Verlaufsstudien, dass dies bei akuten depressiven Episoden gerade nicht die Regel ist. Auch im psychiatrischen Alltag kann immer wieder erlebt werden, dass die Belastungsprobe einer Depression zu einer Vertiefung der Beziehung führt, wenn sie gemeinsam durchgestanden wird. Depressionen haben durch ihre Bremswirkung eine Art Klammerfunktion. Sie können allerdings auch Entwicklungsschritte aufzeigen, die sowohl der depressive Mensch als auch sein Partner zu leisten haben. Ein grösseres Risiko für eine unglückliche Entwicklung stellen das Zusammentreffen von Depression und Persönlichkeitsoder Suchtproblemen sowie unlösbare Beziehungsprobleme dar. An der Privatklinik Hohenegg achten wir besonders darauf, die Bedingungen für günstige Entwicklungen zu fördern. So versuchen wir in der Einzeltherapie mit den depressiv erkrankten Menschen zusammen Bewältigungsstrategien für anstehende Probleme zu erarbeiten und seine Ressourcen zu aktivieren. Dazu können oft auch nahe Bezugspersonen beitragen, mit denen wir bei Bedarf und auf Wunsch der Betroffenen gerne zusammenarbeiten. Literaturhinweis Wer über die zwischenmenschlichkommunikative Seite der Depression im Rahmen eines integrativen Depressionskonzeptes mehr erfahren möchte, findet eine ausführliche Darstellung in meinem Buch «Welchen Sinn macht Depression? Ein integrativer Ansatz», Rowohlt Taschenbuch 15. Auflage 2009. Stationäre Therapie und Familiengespräche med. pract. Silvano Sommer, Leitender Arzt Den Schritt zu einer Therapie in unserer Klinik machen die Patientinnen und Patienten selber – unab­hängig davon, ob sie durch andere dazu motiviert worden sind. Die Therapieziele umfassen meist die Reduktion belastender Symptome, eine verbesserte Selbstwahrnehmung, die Bearbeitung von Konflikten, das Erkennen und Verändern von dysfunktionalem Verhalten und nicht zuletzt eine Perspektive auf ein zufriedeneres Leben. Doch kaum jemand lebt völlig isoliert von seinem sozialen Umfeld. Deshalb sind die Menschen in der Umgebung des Patienten, meist seine Familie, von der Entscheidung für eine Therapie ebenfalls betroffen. Einstellung und Verhalten von Angehörigen haben oft einen wesentlichen Einfluss auf die Problematik, die den Patienten in unsere Behandlung führt. Gegenseitige unerfüllte Erwartungen und auch Frustrationen sind in der Vorgeschichte häufig. Ihr Einbezug in die Therapie ermöglicht die Klärung von Konflikten, problemauslösenden Interaktionen und symptombedingten Störungen des Zusammenlebens. Damit entsteht auch die Gelegenheit, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und Absprachen zu treffen. werden sich tiefgehend verändern. Die übernommenen Aufgaben haben eine Neuverteilung von Kompetenzen innerhalb der Familie zur Folge und gelten für die übrigen Familienmitglieder nicht nur als Belastung. So könnte beispielsweise die Frau die Regelung finanzieller Angelegenheiten vom depressiven Ehemann übernehmen, der dazu nicht mehr imstande ist. Nach erfolgreicher Therapie kehrt dieser in eine deutlich veränderte Umgebung zurück und nimmt in seiner Familie nicht mehr die gleiche Position ein wie vor seiner Erkrankung Er behält in der neu organisierten sozialen Umgebung weiterhin die Position eines Kranken, den man schonen muss und dem nicht allzu viel zuzutrauen ist. Diese Rolle wird dem ehemaligen Patienten, der sich wieder gesund und leistungsfähig fühlt, kaum mehr zusagen. Er möchte wieder seinen alten Platz einnehmen und selber Entscheidungen treffen. Was zuvor von allen begrüsst wurde, wird nun Anlass für Konflikte und Enttäuschungen. Der Umgang mit dem Vergangenen bleibt schwierig, Gespräche enden oft in gegenseitigen Vorwürfen und werden zunehmend vermieden. Daraus ergibt sich, dass Familiengespräche für den längerfristigen Behandlungserfolg von wesentlicher Bedeutung sind. Das wird auch von neueren Forschungsar- beiten belegt. Insbesondere bei Suchtbehandlungen haben sich therapeutische Interventionen im Familiensystem als sehr wirkungsvoll erwiesen und bei Alkoholabhängigen zu signifikant verlängerten Abstinenzphasen geführt. Doch der Einbezug von Angehörigen findet nicht nur in der Suchtbehandlung statt. Unabhängig von einer Diagnose erleben wir die konstruktive Auseinandersetzung im geschützten therapeutischen Rahmen eines Familiengespräches als nützlich und wertvoll. Beziehungsstruktur und Rollenverteilung können neu ausgehandelt, Informationen ausgetauscht, Wünsche und Befürchtungen angstfrei ins Gespräch gebracht werden. Oft entsteht auf diese Weise eine neue Kommunikations- und Gesprächskultur, die nicht nur für den Genesungsprozess des Patienten nützlich ist, sondern auch für die Lebensqualität der ganzen Gemeinschaft. Wenn Patientinnen und Patienten gewisse Aufgaben ihres Alltags nicht mehr bewältigen können, wird ihr soziales Umfeld versuchen, sie zu entlasten und vor der Aussenwelt in Schutz zu nehmen. Mit anderen Worten, die Binnenstrukturen der sozialen Gemeinschaft 3 Patienten und ihre Angehörigen Paul Wijnhoven, Stellvertreter Pflegedienstleitung In der Privatklinik Hohenegg ist die Arbeit mit Angehörigen nicht die primäre Aufgabe des Pflegepersonals. Der Kontakt zwischen den Pflegefachpersonen und den Angehörigen der Patienten entsteht zufällig und ungeplant, ist aber nicht weniger wertvoll. Die Bezugsperson des Patienten ist während dem ganzen Aufenthalt für die zielgerichtete Pflege des Patienten zuständig. Eine ihrer Aufgaben ist es, regelmässig ihre Beziehung zum Patienten und dessen soziales Netz zu evaluieren. Hierzu gehören u. a. das Einholen von Rückmeldungen beim Team über Angehörigenkontakte sowie den direkten Begegnungen mit Angehörigen. Sie sind eine wichtige Informationsquelle. Hierdurch zeigt sich ein ganzheitliches Bild des Patienten. Nicht nur das Gespräch mit den Angehörigen, sondern auch das Beobachten von Situa­tionen, hilft die Beziehungen des Patien­ ten und dadurch ihn besser zu verstehen. Diese Beob­achtungen fliessen dann in die Behandlung ein. Hier steht die Wechselwirkung zwischen dem Menschen und seiner Umgebung im Vordergrund. Ein weiterer Aspekt der Arbeit mit Angehörigen ist, diese beim Ver- Informationen zur Privatklinik Privatklinik Hohenegg AG Hohenegg 4 Postfach 555 8706 Meilen Telefon +41 44 925 12 12 Fax +41 44 925 12 13 [email protected] www.hohenegg.ch stehen des Patienten zu unterstützen, und bei ihnen eine emotionale Entlastung zu bewirken. Zusätzlich schaffen die Kontakte eine Grundlage für einen reibungslosen Übergang zwischen Klinikaufenthalt und Rückkehr ins gewohnte Umfeld. Klinikleitung Kompetenzzentren Depression und Angst • Prof. Dr. med. Daniel Hell Burnout und Lebenskrise Dr. med. Toni Brühlmann •Psychosomatik Prof. Dr. med. Stefan Büchi • Ärztliche Direktion Weitere Schwerpunkte Telefon +41 44 925 15 16 Fax +41 44 925 15 10 [email protected] Zwänge Posttraumatische Störungen •Substanzabhängigkeit Die Klinik Zuweisung Die Privatklinik Hohenegg ist eine Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik für Privat- und Halbprivat-Versicherte. Mit den meisten Krankenkassen bestehen Verträge. Die Privatklinik Hohenegg bietet 54 Privat- und Halbprivat-Betten auf zwei offenen Stationen an. Die Anmeldung erfolgt telefonisch beim Dienstarzt oder mit Zuweisungsschreiben an den Ärztlichen Direktor. Auf Wunsch wird mit der Patientin oder dem Patienten ein Vorgespräch geführt. Notfalleintritte sind tagsüber jederzeit möglich. Dr. med. Toni Brühlmann Ärztlicher Direktor • • Madeleine Eisenbarth Pflegedirektorin Trägerschaft Die privatrechtliche und gemeinnützige Stiftung Hohenegg ist die alleinige Eigentümerin der Privatklinik Hohenegg AG. 4 Walter Denzler Verwaltungsdirektor