INFOLETTER Nr. 02/06 Meilen am Zürichsee Informationen zu Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Aktuelles • Die Privatklinik Hohenegg als psychosomatische Klinik Schwerpunkt Einblicke • Somatoforme Schmerzstörung • Bewegungstherapie bei chronischem Schmerz Die Privatklinik Hohenegg als psychosomatische Klinik Die Klinik Hohenegg ist seit langem bekannt für ihre stationäre Behandlung mit psychotherapeutischem Schwerpunkt, vor allem bei Krankheitsbildern wie Burnout, Lebenskrise, Depression, Angst u.a. Neu hinzu kommt jetzt der Schwerpunkt der psychosomatischen Krankheiten. Dem entspricht das Fachthema des vorliegenden Infoletters, die somatoformen Schmerzen. Der Autor, Dr. med. H.-P. Fischer, ist Leitender Arzt in unserer Klinik und ist unser Experte für psychosomatische Leiden. Er hat früher fünf Jahre in der Abteilung für klinische und psychosomatische Medizin an der Universitätsklinik Heidelberg unter Professor Herzog gearbeitet. Seine damaligen Spezialgebiete waren die Psychosomatik des Bewegungsapparates und das Fibromyalgiesyndrom. Er hat neben dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie auch den Facharzt Innere Medizin erworben, sowie den Fähigkeitsausweis für Psychosomatische und Psychosoziale Medizin APPM. Der Text in diesem Infoletter ist eine Zusammenfassung eines Referates vor der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich. Frau Elisabeth Rohr, welche auf der letzten Seite einen Einblick in ihre Tätigkeit gibt, ist unsere Bewegungstherapeutin. Sie verfügt über eine jahrelange Erfahrung mit Patienten unserer früheren Psychotherapiestationen. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der Schweiz noch zu wenige auf Psychosomatik ausgerichtete Kliniken. Viele dieser Patienten bleiben zu lange in somatischen Spitälern, wo sie nicht die angemessene Behandlung erhalten. Die Privatklinik Hohenegg möchte mit ihrer zusätzlichen Profilierung einen Beitrag dazu leisten, diesen Engpass im schweizerischen Gesundheitswesen zu erweitern. Dr. med. Toni Brühlmann Chefarzt und Ärztlicher Direktor Editorial Analog zu den akutsomatischen Privatspitälern findet vermehrt auch in den privaten Psychiatriekliniken eine Fachspezialisierung statt. Dies erlaubt eine gezielte und qualitativ hochstehende Behandlung der Patienten. Fachärzte, Pflegefachleute und Spezialtherapeuten verfügen über spezialisierte Aus- und Fortbildungen sowie reiche Erfahrung. Nutzniesser einer solchen Spezialisierung sind in erster Linie die Patienten. Zudem profitieren die Angehörigen sowie der Arbeitgeber von einer raschen Genesung und Wiedereingliederung. Und letztendlich ist es für die Mitarbeitenden der Klinik eine grosse Genugtuung, wenn die Patienten unsere Klinik mit neuer Lebensfreude verlassen können. Der Verwaltungsrat dankt Ihnen für die Zuweisungen in unsere Privatklinik. Wir setzen uns dafür ein, die Rahmenbedingungen für eine optimale Behandlung Ihrer Patienten zu schaffen. Felix Ammann Delegierter des Verwaltungsrates Die somatoforme Schmerzstörung Dr. med. Heinrich-Peter Fischer, Leitender Arzt len Konflikten und – in seinen Forschungskriterien – eine Mindestdauer der Symptome von sechs Monaten. Die Lebenszeitprävalenz der somatoformen Schmerzstörung wird in der Gesamtbevölkerung auf 12,7% geschätzt, die Vier-WochenPrävalenz auf ca. 5%. Klinisches Bild der somatoformen Schmerzstörung Fallbeispiel Frau E., eine etwa 40-jährige Patientin, leidet seit mehr als 10 Jahren unter Rücken- und Kopfschmerzen, seit zwei Jahren auch unter Schmerzen in den übrigen Körperregionen. Die Schmerzen seien „immer“ da, „furchtbar“, nicht auszuhalten, verschlimmerten sich von Tag zu Tag, der „Kopf zerplatze“ ihr. Auf einer Skala von 0-10 liege die Schmerzintensität immer mindestens bei 8-10, häufig „über 10“. Ausserdem leide sie zunehmend unter gedrückter Stimmung, Schlafund Antriebslosigkeit, Selbstzweifeln, abnehmendem Selbstwertgefühl und Schuldgefühlen gegenüber Ehemann und Kindern, die seit ein bis zwei Jahren alles für sie täten, damit sie sich schonen könne. Arbeitsplatzverlust vor einigen Monaten, auslaufende Taggeldversicherung usw. Niemand (Hausarzt, Rheumatologe, Neurologe usw.) habe eine Schmerzursache finden und ihr helfen können. Seelisch gehe es ihr schlecht, „aber nur wegen der Schmerzen“. Wären die einmal weg, wäre alles wieder gut. Definition und klinisches Bild Menschen mit chronischen Schmerzen, welche durch eine körperliche Störung nicht ausreichend erklärbar sind, stellen im Gesundheitssystem eine wachsende und als schwierig wahrgenommene Patientengruppe dar. Im ICD-10 lautet die genaue Krankheitsbezeichnung „anhaltende somatoforme Schmerzstörung“ (ICD-10: F45.4), im DSM-IV einfach „Schmerzstörung“. In beiden Klassifikationssystemen wird die somatoforme Schmerzstörung als eine Schmerzerkrankung ohne hinreichende somatische Erklärung definiert. Der ICD-10 fordert zusätzlich eine Verbindung mit schwerwiegenden emotionalen oder psychosozia- • Beschwerdeschilderung mit affektiv geladenen Begriffen • Wenig Wechsel der Schmerzintensität • Kaum schmerzfreie Intervalle • Wenige benennbare Einflussfaktoren (z.B. Bewegung) • Extremitäten, LWS-Bereich, Gesicht und Unterleib • Beginn üblicherweise vor dem 35. Lebensjahr • Frauen 2 bis 3 x häufiger betroffen Differentialdiagnose Eine gleichzeitig vorliegende somatische Schmerzursache schliesst die somatoforme Schmerzstörung nicht per se aus. Allerdings sind bei diesen Patienten psychosoziale Parameter ätiopathogenetisch bedeutsamer als biologische. Sie weisen meist eine lange Anamnese insgesamt ineffektiver medizinischer und chirurgischer Interventionen wegen ihrer Schmerzen auf und haben zwischenzeitlich eine ganze Reihe zusätzlicher Komplikationen (z.B. Medikamentenmissbrauch) entwickelt. Aus psychiatrischer Sicht gilt es, die Somatisierungsstörungen (F45.0 u. F45.1), die Hypochondrie (F45.2), die somatoformen autonomen Funktionsstörungen (F45.3) und die Neurasthenie (48.0) abzugrenzen. Ausserdem werden Schmerzsyndrome, die im engen Kontext einer Depression oder einer schizophrenen Erkrankung auftreten, diesen Diagnosen zu- bzw. untergeordnet. Beträchtliche Überlappungen gibt es mit dem Fibromyalgie Syndrom (M79.9) und dem Chronischen Rückenschmerz (M54.9). Therapeutische Überlegungen Für die Diagnose und Behandlung kommt dem Primärversorger eine Schlüsselrolle zu, da Schmerzpatienten in der Regel zuerst einen somatisch ausgerichteten Arzt aufsuchen. Wird bei diesen frühen Arztkontakten die Möglichkeit einer somatoformen Erkrankung in Erwägung gezogen, kann der diagnostische und therapeutische Aufwand zum Wohle des Patienten und der Solidargemeinschaft eingegrenzt werden. Handlungsempfehlungen in der Primärversorgung • Klage entgegennehmen, Beschwerden ernst nehmen • Hinreichend sicherer Ausschluss organischer Ursachen: Geplant, nicht redundant, zeitlich gerafft • An die Möglichkeit einer somatoformen Störung denken, Erweiterung der Anamnese über die Leitsymptome hinaus • Kritische Indikationsstellung für eine Injektionsbehandlung mit Lokalanästhetika oder Steroiden • Entkopplung von Kontaktangeboten und Beschwerdeintensität Gelingen auf der Ebene der Primärversorgung keine befriedigenden Fortschritte, so ist eine ambulante Psychotherapie angebracht. Hat auch diese zu wenig Erfolg, sollte an eine stationäre Behandlung gedacht werden. Zur Pharmakotherapie der somatoformen Schmerzstörung sind zur Zeit besonders die Antidepressiva Amitriptylin (z.B. Tryptizol oder Saroten), Venlafaxin (Efexor) und das neue Duloxetin (Cymbalta) zu empfehlen. Analgetika und Antirheumatika sollten – wenn überhaupt – Kriterien für eine Überweisung in stationäre Fachpsychotherapie • Bedarf einer multimodalen Therapie • Motivationsförderung für eine ambulante Psychotherapie • Eingeschränkte Teilnahmemöglichkeit an einer ambulanten Psychotherapie durch die Funktionsstörung • Keine symptombezogene Besserung nach 6 Monaten ambulanter Psychotherapie • Vorliegen einer erheblichen psychischen Komorbidität • Krankschreibung über 3 Monate hinaus oder andere Gefährdung der Berufs- und Erwerbsfähigkeit nur äusserst zurückhaltend und für kurze Perioden eingesetzt werden. Da das Nicht-Einsehen psychosomatischer Zusammenhänge zu den Diagnosekriterien aller somatoformen Störungen gehört, fällt diesen Patienten der psychotherapeutische Zugang in der Regel sehr schwer. Hinzu kommt, dass die psychotherapeutische Arbeit häufig durch grundlegende, weit zurückreichende (strukturelle) Probleme im Bereich der Selbst- und Selbstwertregulation sowie der Affektwahrnehmung und -regulation kompliziert wird. Als Antwort auf diese therapeutische Herausforderung wurde im Bereich der psychodynamischen Behandlung die Strukturbezogene Psychotherapie (Rudolf, 1994) entwickelt. Darunter versteht man ein behutsames, wohlwollendes und beruhigendes Zugehen auf den Patienten, im zweiten Schritt eine Unterstützung bei der Differenzierung seines Körpererlebens sowie seiner Affektwahrnehmung und -mitteilung. Insbesondere die Mitteilung „weicher“ Gefühlsregungen fällt diesen Patienten schwer. Der Therapeut nimmt die Rollen eines einfühlsamen, zuverlässigen Begleiters, Trainers, Coachs und Mentors ein. Er vermeidet langes Schweigen, vorschnelle Deutungen, ergreift auch einmal die Initiative (ohne den Patienten zu überrollen) und versucht stets, die äussere Realität und Lebenswirklichkeit des Patienten mit einzubeziehen. Neben der behutsamen Vermittlung eines psychosomatischen Krankheitsverständnisses ist auch die Abwendung weiteren Schadens (durch invasive Diagnostik oder invasive Therapieversuche) ein wichtiges und eigenständiges Therapieziel. Stationäre Behandlungen dieser Patienten sind wirksamer als allgemein vermutet wird. Man kann in vielen Fällen eine Besserung hinsichtlich körperlicher Beschwerden, hypochondrischer Ängste, Depressivität und psychosozialer Einschränkungen erreichen. Laut einer relativ neuen Studie (Hiller et al, 2004) kann durch Reduktion der direkten poststationären Behandlungskosten und der indirekten Kosten (z.B. durch Arbeitsunfähigkeit) bereits 21,5 Monate nach Austritt der Patienten eine Amortisation der stationären Behandlungskosten erreicht werden. Integratives Therapiekonzept für Schmerzpatienten in der Privatklinik Hohenegg Behandlungsart pro Woche • Einzelgespräche beim Facharzt 3 • Gesprächsgruppe kombiniert mit Bewegungstherapie 1 • Bewegungstherapie 1 • Progressive Muskelrelaxation 1-2 • Nordic Walking 1-2 • Physiotherapie 2 Ausserdem individuell angeordnete weitere Therapien, wie z.B. soz. Kompetenztraining, Ergotherapie, Maltherapie, Reittherapie Literaturhinweise • Egle UT et al. (2000): Die Somatoforme Schmerzstörung. Deutsches Ärzteblatt 97; A1469-A1473. • Gralow I (1999): Psychosoziale Risikofaktoren in der Chronifizierung von Rückenschmerzen. Schmerz 14; 104-110. • Hiller W et al. (2004): Wirksamkeit und Kosten-Nutzen-Effekte der stationären Therapie somatoformer Störungen. Fortschr Neurol Psychiat 72; 136-146. • Henningsen P (2004): Die Psychosomatik des chronischen Rückenschmerzes. Orthopäde 33; 558-567. • Henningsen P et al. (2002): Somatoforme Störungen. Leitlinien und Quellentexte. Stuttgart: Schattauer. • Meyer C et al. (2000): Lebenszeitprävalenz psychischer Störungen in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung. Ergebnisse der TACOS-Studie. Nervenarzt 72; 535-42. • Rudolf G (2004): Strukturbezogene Psychotherapie. Leitfaden zur psychodynamischen Therapie struktureller Störungen. Stuttgart: Schattauer. • Rudolf G, Henningsen P (1998): Somatoforme Störungen. Theoretisches Verständnis und therapeutische Praxis. Stuttgart: Schattauer. Bewegungstherapie bei chronischem Schmerz Frau Elisabeth Rohr, Bewegungstherapeutin in unserer Klinik den Kampf gegen den Körper, gegen sich selber, aufzugeben. In der Bewegungstherapie üben wir ganz konkret, den Körper einfach nur wahrzunehmen, hinzuspüren, ohne bestimmte Erwartungen oder Leistungsdruck. Wie ist die Atembewegung? Wie ist der Kontakt zum Boden? Was lastet auf den Schultern? Was tut gut? Negativer Bezug zum Körper Wenn alles weh tut, wenn der Körper nur noch über Schmerz und Einschränkung wahrnehmbar ist, wird er zum Feind. Am liebsten möchte man aus der Haut fahren, fühlt sich eingesperrt in dieser schmerzenden Hülle. Innehalten Jetzt ist es notwendig innezuhalten, Neue Erfahrungen sammeln In der Gruppe können mit anderen zusammen neue Erfahrungen gemacht werden. Spielerische Elemente und Musik helfen dabei, auf Entdeckungsreise zu gehen. Die Sinne werden wieder wach, der Körper wird belebt, ist nicht mehr nur auf den Schmerz reduziert. Es macht Freude, wieder die Kraft, Leichtig- Informationen zur Privatklinik Privatklinik Hohenegg Hohenegg 4 Postfach 555 8706 Meilen Telefon 044 925 12 12 Fax 044 925 12 13 [email protected] www.hohenegg.ch Ärztliche Direktion: Telefon 044 925 15 16 Fax 044 925 15 10 [email protected] Dienstarzt 044 925 15 00 Die Hohenegg ist eine Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik für Zusatzversicherte. Mit den meisten Krankenkassen bestehen Verträge. Die Klinik bietet 45 Privat- und Halbprivat-Betten auf zwei offenen Stationen an. keit und Lebendigkeit zu spüren, die so lange verloren waren. Achtsam und liebevoll mit dem Körper umgehen In der Einzel-Bewegungstherapie stehen die ganz persönlichen Themen, die individuelle Arbeit im Zentrum. Oft geht es darum, achtsamer und liebevoller mit sich umzugehen. Die Erfahrung von fürsorglicher Behandlung und Zuwendung können helfen, behutsam einen neuen Zugang zum eigenen Körper zu erlernen. So kann es gelingen, dass langsam wieder eine Verbundenheit entsteht, der Körper nicht mehr nur Last oder Ärgernis ist, auch wenn vielleicht die Schmerzen noch nicht verschwunden sind. Klinikleitung Behandlungsspektrum - Depression und Burnout Angst und Zwang Psychosomatik und Schmerzen Sekundäre Suchterkrankungen Persönlichkeitsstörungen inkl. Borderline - Posttraumatische Belastungsstörungen - Psychische Probleme in der zweiten Lebenshälfte - Lebens- und Sinnkrisen Dr. med. Toni Brühlmann Chefarzt/Ärztlicher Direktor Zuweisung Die Anmeldung erfolgt telefonisch beim Dienstarzt oder mit Zuweisungsschreiben an den Chefarzt. Auf Wunsch wird mit der Patientin oder dem Patienten ein Vorgespräch geführt. Notfalleintritte sind tagsüber jederzeit möglich. Trägerschaft Madeleine Eisenbarth Pflegedirektorin Die privatrechtliche, gemeinnützige Stiftung Hohenegg ist die alleinige Eigentümerin der Privatklinik Hohenegg AG. Walter Denzler Verwaltungsdirektor