So essen unsere Nachbarn

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 gesund essen
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FRANKREICH
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So
essen
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AS UNGEWÖHNLICH STARKE
Interesse der Franzosen am Essen ist
mehr als ein Klischee. Treffen sich zwei
alte Männer auf einem französischen Wochenmarkt, dreht sich ihr Gespräch nicht zuerst um
Sport, Autos oder die eigene Gesundheit, wie es
in Deutschland mit Sicherheit der Fall wäre.
Stattdessen geht es – nach dem blitzschnellen
Austausch von Höflichkeiten – um die aktuellen
Trüffelpreise und das beste Rezept für Hühnchen
in Senf-Weißwein-Sauce.
Nicht ohne Grund ist Französisch die internationale Sprache der Köche. „Café“, „Bistro“, „Restaurant“, „Menü“ – es scheint, als hätten die Franzosen das Essen gehen erfunden. Drei Generationen
französischer Feinschmecker sind mit dem roten
Michelin-Führer für Hotels und Restaurants aufgewachsen, dessen Sterne eine der begehrtesten
Auszeichnungen für Köche sind.
Vielen erscheint die französische Küche dennoch als „zu kompliziert“. Haben sie dabei doch
allein die Sterneküche mit ihren aufwändigen
Rezepten und kunstvoll arrangierten Saucen vor
Augen. Dabei gibt es auch – oder gerade – eine
Tradition der französischen Bauernküche, die
einfach glücklich macht und zu der zum
Beispiel die wärmende, mit Brot und Käse
überbackene Zwiebelsuppe gehört. Und es gibt,
im Land des Käses, eine absolut simple Art ein
echt französisches Essen auf den Tisch oder in
den Picknickkorb zu bringen: Man nehme einen
milden Ziegenkäse, einen Camembert aus der
Normandie und, als Hartkäse, einen Compté aus
Rohmilch, ein knuspriges Baguette, eine leicht
gesalzene Butter und einen südfranzösischen
Rotwein. Als Besteck reicht ein Messer, denn
FRANKREICH
UNSERE
NACHBARN
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DÄNEMARK
ÄNEMAR
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RAGT MAN EINE FREUNDIN VON MIR,
deren Mutter Französin und deren Vater
Deutscher ist, nach kulturellen Unterschieden
der beiden Länder, fällt ihr zunächst nicht so
recht etwas ein. Aber dann lacht sie laut auf.
„Das Essen“, sagt sie. „Na klar, das Essen!“
So wundert sich ihr deutscher Vater bis heute, wie viel
Zeit ihre Mutter und sie für die Zubereitung und den
Verzehr des Abendessens einplanen.
Durchschnittlich drei Stunden verbringen die Franzosen
traditionell bei ihrer Hauptmahlzeit, die nicht nur der
Essensaufnahme, sondern auch dem ausführlichen
Austausch über die Erlebnisse des Tages dient. Oft ist
das Abendessen warm, sehr gern auch mehrgängig und
von einem Glas Wein begleitet. Dem Vater der deutschfranzösischen Familie würde ein Käsebrot reichen, das
er nach einer Viertelstunde aufgegessen hat.
NIEDERLANDE
NIEDERLANDE
bewusst&gesundleben 2013
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FRANKREICH
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Die Küche unserer direkten
Nachbarländer ist so vielfältig wie
die Menschen, die in den sehr
verschiedenen Ländern wohnen.
Unsere Autorin wagt dennoch
den Versuch, einige Trends,
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu beschreiben.
das Brot wird – so ist es sinnlicher – auf jeden
Fall mit der Hand gebrochen.
Während sich der Norden Frankreichs mit
deftigen Gerichten wie Flammkuchen und
sämigen Buttersaucen das Bäuchlein wärmt,
verführt der sonnige Süden mit knusprig
gebackenen Sardinen vom Grill und köstlichem
Olivenöl. Ein Standardrezept der provenzalischen Küche ist Aioli – der Dip aus viel
Knoblauch, frischen Eiern und hochwertigem
Olivenöl, der zum Beispiel zu Fisch, Gemüse
oder Kartoffeln serviert werden kann.
Damit er gelingt und nicht gerinnt, müssen alle
Zutaten zimmerwarm sein. Für einen halben
Liter Aioli werden 10 Knoblauchzehen fein
gewürfelt und mit Meersalz im Mörser zu Brei
zerrieben. Nachdem man zwei Eier und einen
Spritzer frisch gepressten Zitronensaft vorsichtig
untergerührt hat, stellt man die Mischung für
eine Viertelstunde beiseite. Dann nach und nach
etwa einen halben Liter Olivenöl als feinen
Strahl einlaufen lassen und die Mischung dabei
ständig mit dem elektrischen Handrührgerät
kräftig schlagen, bis der Dip geschmeidig fest
und goldgelb ist.
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gesund essen
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IE KÜCHE BELGIENS UND Luxemburgs ist stark von den Nachbarländern
Deutschland und Frankreich beeinflusst.
Die Bewohner des kleinen Landes Luxemburg
mögen gern deftige Gerichte wie Judd mat
Gaardebounen (gepöckelter Schweinehals mit
Saubohnen), Bouneschlupp (Bohnensuppe mit
Speck und Kartoffeln) oder saftigen Pflaumenkuchen.
Auch für die niederländische Küche sind vor
allem einfache, deftige Speisen typisch. Beispiele dafür sind Matjes mit Gurken und
Zwiebeln oder – als Süßspeise – Poffertjes,
kleine, runde Teiglinge, die geschmacklich an
Pfannkuchen erinnern und mit Puderzucker
bestreut werden. Internationale Karriere
gemacht hat der gelbe Hartkäse, dem die Stadt
Gouda seinen Namen gab.
Das bekannteste Nationalgericht der Belgier ist
mit Sicherheit Moules frites (Pommes Frites mit
Miesmuscheln). Es ist auch bei Kindern sehr
beliebt, weil beide Komponenten mit der Hand
verzehrt werden können und die erste geöffnete
Miesmuschel als „lustiges“ Besteck für die
anderen fungieren kann, indem man sie wie
eine Zange verwendet, mit der man das Muschelfleisch herauslöst.
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SCHWEIZ
ÖSTERREICH
Bekannt ist die belgische Küche auch für ihre
hochwertige Schokolade und unzählige Pralinensorten mit Sahne, Marzipan, Krokant oder
Likör. Zu den berühmtesten Backwaren des
Landes gehören die Belgischen Waffeln. Man
unterscheidet dabei Brüsseler und Lütticher
Waffeln. Während Brüsseler Waffeln aus
weichem Rührteig bestehen und gern mit
Beigaben wie Sahne, Eis oder heißen Kirschen
serviert werden, enthält der Teig für die dickeren, festeren Lütticher Waffeln Hefe und groben
Hagelzucker, der zum Teil beim Backen fest
bleibt, sodass er beim Essen zwischen den
Zähnen knirscht und sich als köstliche Karamellschicht auf den Waffeln absetzt.
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BELGIEN, NIEDERLANDE UND
LUXEMBURG
TSCHECHIEN
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ÖSTERREICH UND TSCHECHIEN
SCHWEIZ
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F
ER KENNT NICHT TAFELSPITZ
mit Meerrettichsauce oder Wiener
Schnitzel mit Erdäpfelsalat? Oder
köstliche Mehl- und Süßspeisen wie Palatschinken, Kaiserschmarrn, Apfelstrudel oder Salzburger Nockerln? Die österreichische Küche ist
von der Kochtradition Ungarns, Böhmens und
Norditaliens beeinflusst. Zahlreiche Gerichte,
wie z.B. Gulasch, wurden übernommen und
der eigenen Küche angepasst.
Nah verwandt mit dieser Kochtradition ist die
böhmische Küche Tschechiens. Im fruchtbaren
Böhmen war das Angebot an Obst, Gemüse,
Beeren, Pilzen, Fisch und Wild von jeher vielfältig.
Am bekanntesten sind wohl die Böhmischen
Knödel, die, in dicke Scheiben geschnitten, zum
Braten oder Gulasch serviert werden.
Für die Meerrettichsauce zum Tafelspitz bringt
man 300 ml Gemüsefond mit je 150 ml Sahne und
Milch zum Kochen und köchelt die Mischung
etwa 5 Minuten. Dann gibt man 50 g entrindetes
und fein geschnittenes Weißbrot hinzu und lässt
alles nochmals kurz aufkochen. Derweil 150 g
frischen Meerrettich reiben und in der Sauce
ziehen lassen. Die Sauce durch ein feines Sieb
passieren, mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft
würzen und 1 EL Sahne unterziehen.
ÜR AUSWÄRTIGE KLINGEN DIE
meisten Schweizer Traditionsrezepte ebenso
niedlich wie unaussprechlich: Zuger
Ofeguck (Überbackener Kartoffelpüree), Ächti
Lozärner Chügelipaschtete (Luzerner Fastnachtspastete) oder Suuri Gummeli (Saure Kartoffeln).
Daher ist es vielleicht eine Art Selbstschutz, dass
den meisten hierzulande zur Schweizer Küche
immer nur Käsefondue und Raclette einfällt.
Für ersteres werden verschiedene Hartkäse mit
Weißwein und Kirschwasser geschmolzen, um
Weißbrotstücke hinein zu tunken. Für Raclette,
das ursprünglich aus dem Kanton Wallis
stammt, wird Raclette-Käse auf dem heißen
Stein geschmolzen und mit Brot verzehrt.
Die Schweizer Küche ist von Einflüssen der
deutschen, französischen und norditalienischen
Küche geprägt – jede Region hat eine Vielzahl
eigener Spezialitäten. Die gesamte Schweiz ist
vor allem für ihren Käse – wie etwa den
Emmentaler oder Appenwzeller – und ihre
feinen Schokoladen bekannt.
NIEDERLANDE
POLEN
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Z
U DEN POLNISCHEN NATIONALgerichten gehört Bigos, ein deftiger
Schmoreintopf aus Sauerkraut, Weißkohl,
verschiedenen Fleisch- und Wurstsorten, sowie
Karotten und Waldpilzen.
Bekannt sind auch Piroggen: gekochte oder
gebratene Teigtaschen, die mit Sauerkraut und
Speck, Pilzen oder Weißkäse gefüllt sind.
Teigprodukte haben in der polnischen Kochkunst eine herausragende Stellung und werden
ähnlich geschätzt wie in der italienischen Küche.
Wunderbar schmeckt auch Barszcz die tiefrote,
klare Rote-Bete-Suppe, die aus der Tasse
getrunken wird. Dazu schält man 700 g frische
Rote Bete, schneidet sie grob und lässt sie für
etwa 10 Minuten köcheln. Mit 6 EL
Apfelessig und Salz würzen und
durch ein Sieb gießen. Mit
500 ml Rinderbrühe aus
dem Glas nochmals
kurz aufkochen und
mit Salz, Zucker und
einer fein geschnittenen Knoblauchzehe
abschmecken.
DÄNEMARK
B
EI EINEM Küstenstaat mit zahlreichen
Inseln wie Dänemark spielt
natürlich Fisch auf dem Speiseplan der
POLEN
Bewohner eine große Rolle. Hering, Scholle,
Aal und Dorsch werden gern gegessen.
Die im Ausland bekannteste Spezialität Dänemarks ist vermutlich das Smørrebrød, ein dünnes
Schwarzbrot, das mit Fisch, Fleisch oder Ei und
verschiedenen Saucen belegt wird. Vielerorts gibt
es für diesen beliebten Mittagsimbiss spezielle
BILD: © QUADE/FOTOLIA.COM
Smørrebrød-Läden. Auch Milchprodukte wie
Käse, Jogurt oder Buttermilch nehmen einen
besonderen Stellenwert ein. Die bekanntesten Käse sind Havarti und Esrom.
Vielleicht lohnt sich ja der Besuch
eines unserer Nachbarländer
im nächsten Urlaub schon
allein wegen der Neuentdeckung einiger
Gaumenfreuden? ■❙■
DÄNEMARK
BELGIEN
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bewusst&gesundleben 2013
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