altägyptische briefe und texte – antik, aber nicht von

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ALTÄGYPTISCHE BRIEFE UND TEXTE – ANTIK, ABER NICHT VON
GESTERN
Viele Aussagen und Vorstellungen, die aus dem Alten Ägypten stammen und vor unendlich langer
Zeit niedergeschrieben wurden, muten so modern an, als stammten sie aus unserer Zeit. Bei den
Weisheitslehren und Lebensweisheiten haben wir uns bereits davon ein Bild machen können.
Im folgenden möchte ich Ihnen einen Einblick geben in Briefe und Texte aus Ägypten anhand
dieser sechs Alltagsthemen:
Zwischenmenschliches • Liebesbriefe • Post ins Jenseits • Aus dem Gerichtswesen
• Träume • Briefe aus der Ferne
Eine sehr große Anzahl von Briefen aus dem Alten Ägypten ist erhalten geblieben. Sie bestehen
aus einzelnen Papyrusblättern, die doppelt gefaltet und dann zusammengerollt wurden. Die
Blätter wurden mit einem Bindfaden zusammengebunden und mit einem Tonsiegel versiegelt. Auf
der Außenseite des gerollten Papyrusblattes stand der Name des Absenders und der des
Empfängers. Briefe auf Papyrus wurden in der hieratischen Schrift (der kursiven Schreibschrift
Ägyptens) verfasst, nicht in Hieroglyphen.
Die Inhalte der Briefe stammen aus unterschiedlichen Bereichen: es gibt private Briefe,
Geschäftskorrespondenzen, Anweisungen an die Verwaltung, Beschwerdebriefe.
Neben Briefen an Privatpersonen konnte auch der Pharao per Brief angeschrieben werden. Ein
Brief galt als offizielles Dokument und war vor Gericht als Beweismaterial zugelassen.
Königliche Briefe wurden durch Botschafter und Kuriere überbracht, offizielle Post durch Boten
befördert, private Schreiben von Händlern und Kaufleuten mitgenommen.
ZWISCHENMENSCHLICHES
Treueschwur – Der Brief des Hotep an Ipuresti
Dieser Brief befindet sich auf einem Tongefäß, das vollständig erhalten ist und stammt aus der 18.
Dynastie, also aus dem 15. Jahrhundert v. Chr.
Der Absender ist Hotep, der diese Zeilen an eine Frau namens Ipuresti schreibt:
Nun – was vor allem Dein Befinden betrifft – Geht es Dir gut?
Du sollst in Leben, Heil und Gesundheit sein, in der Gunst des Gottes Amun-Re, des
Königs der Götter, und in der Gunst des Gottes Min, des Herrn von Achmin.
Er verliehe Dir Gunst und Beliebtheit.
Achte bloß nicht auf das Geschwätz jener zweiten Frau.
Sieh, ich hatte Dir doch Folgendes gesagt:
Eine andere Frau existiert nicht für mich, nachdem ich mich mit Dir vereint habe.
Ich will Dir auch weiterhin dienen.
So habe ich Dir einen Krug mit Rosinen geschickt, auch einen Scheffel Gerstenkörner
sowie 50 Bund Zwiebeln.
Der Brief beginnt ohne Datum mit der Nennung des Absenders und der Empfängerin. Auf die
Frage nach dem Befinden folgen Segenswünsche an die Götter, erst dann kommt die eigentliche
Mitteilung. Hotep weist den Vorwurf seiner Untreue, der im Raum steht und Ipuresti offensichtlich
zusetzt, ganz klar zurück. An diesen Unterstellungen sei nichts dran. Er macht ganz deutlich, dass
er die Beziehung zu Ipuresti weiter fortführen will und schickt ihr zur Bestärkung seiner Absicht
ein großzügiges Geschenk in Form von Lebensmitteln.
In welcher Beziehung die beiden zueinander stehen, wissen wir nicht. Der Text spricht zwar eine
intime Beziehung zwischen Hotep und Ipuresti an, aber wir können nur spekulieren, ob hier die
Ehefrau, die Geliebte oder die geschiedene Ehefrau angesprochen ist.
Liebeslieder
Die Baumgartenlieder um 1200 v. Chr.
Aus der 19. und 20. Dynastie haben sich wundervolle Sammlungen von Liebesliedern auf Papyrus
erhalten. Einen Teil davon stellen die so genannten „Baumgartenlieder“ des Papyrus Turin dar. In
ihnen berichten Bäume vom Treffen Liebender im Schutz ihrer Schatten.
Der Granatapfelbaum spricht:
Meine Kerne gleichen ihren Zähnen, meine Früchte gleichen ihren Brüsten,
denn ich bin der Beste des Baumgartens, weil ich zu jeder Jahreszeit bleibe,
in der die Geliebte bei ihrem Geliebten ist.
Unter dem Schutz meiner Zweige verweilen sie,
trunken von Wein und Süßwein,
benetzt von Öl und Balsam.
Alle Bäume – nur ich nicht – verblühen auf der Flur.
Ich aber blühe zwölf Monate im Garten, denn ich bin von Dauer.
Ach, möge sie doch den Tag zubringen auf das schönste in der Hütte aus Schilf, im
behüteten Ort.
(...)
Ach, verbringe den Tag auf schöne Art und Weise, morgen und übermorgen und bis zu
drei Tagen, während du in meinem Schatten sitzt.
Ihr Freund ist zu ihrer Rechten.
Dazu ein Literaturtipp:
"Gärten der Liebe. Lyrik aus der Zeit der Pharaonen".
Herausgegeben und übersetzt von Hermann A. Schlögl, mit Nachzeichnungen von
Barbara Lüscher, Verlag Artemis & Winkler 2000.
Briefe ins Jenseits
Es war ein fester Glaube der alten Ägypterinnen und Ägypter, dass die Toten, vor allem enge
Verwandte und der Lebenspartner bzw. die Lebenspartnerin, mit übernatürlichen Kräften
ausgestattet seien. Sie sind als Verstorbene den Göttern besonders nahe und selbst zu Wesen mit
besonderen Fähigkeiten geworden. Diese Kräfte konnten bei der Lösung von Problemen der
Lebenden nützlich sein.
Es sind ungefähr 20 Briefe von Lebenden an die Toten erhalten, aus der Zeit um 3100 bis 1200 v.
Chr. Diese Totenbriefe wurden in die Gräber der Toten mitgegeben, etwa in Verbindung mit
einem Speiseopfer. Auf Tonschüsseln, die vermutlich die Opfergaben enthielten, finden sich
Nachrichten mit Tinte geschrieben. Einige behandeln rechtliche Problem wie Erbstreitigkeiten.
Ein Beispiel für einen solchen Brief auf einer Tonschüssel stammt aus der Ersten Zwischenzeit und
wurde in Oberägypten gefunden.
Gerichtet ist er an Nefersechi und wurde von seiner Gattin in Auftrag gegeben. Es geht um eine
Erbstreitigkeit. Der Vermögensverwalter will die Tochter des Verstorbenen um ihr Erbe betrügen,
Nefersechi soll unbedingt eingreifen.
Aus dem Alten Reich stammt ein Brief einer Witwe und ihres Sohnes an das verstorbene
Familienoberhaupt. Sie erbitten Hilfe von dem Toten, weil ihre Verwandten gegen ihren Willen
Sklaven und Geschirr mitnahmen. Die Witwe erinnert ihren verstorbenen Mann daran, dass er noch
auf dem Totenbett gegen die diebische Familie gewettert habe.
Auch bei Unfruchtbarkeit war es möglich, Abhilfe von den verstorbenen Verwandten zu erbitten.
Eine Tochter bittet ihren verblichenen Vater auf einem Totenbrief aus dem Alten Reich:
„Sorge dafür, dass mir ein gesunder Sohn geboren wird. Denn du bist jetzt ein Ach“.
Manchmal wurden die Toten auch bei der Heilung von Krankheiten um Hilfe gebeten. Die „KairoSchüssel“ aus der 12. Dynastie ist mit einem Brief der Dedi an ihren toten Vater beschriftet. Darin
berichtet Dedi, dass ihre Dienerin krank geworden sei und bittet ihren Vater, sie wieder gesunden
zu lassen.
Gerichtswesen
Bereits im Alten Ägypten gab es ein gut entwickeltes Gerichtswesen mit Zivil- und Strafprozessen.
Viele Gerichtsprotokolle, in denen es um Grabräuberei, Mord, Diebstahl, Steuerhinterziehung oder
Erbstreitigkeiten ging, sind uns auf Papyrus erhalten geblieben
Gerichtsgebäude waren in den kleineren Ortschaften über das ganze Land verteilt, die großen
Gerichtshöfe hatten ihren Sitz in der Hauptstadt. Daneben hatten die Tempel das Recht auf eine
eigenständige Rechtsprechung
Eine Klage musste offiziell eingereicht werden und kam, wenn sie nicht schriftlich abgewiesen
wurde, auch zur Verhandlung. Kläger und Beklagte wurden vorgeladen und angehört, Zeugen
befragt, und es gab auch die Möglichkeit zu mehrfachen Einsprüchen, was einen Prozess in die
Länge ziehen konnte.
Die Strafen für Verurteilte richteten sich nach dem Vergehen, dessen sie überführt worden waren.
Sie reichten von Prügel über das Abschneiden von Ohren und Nase bis zur Zwangsarbeit und
Verbannung. Auf schwere Vergehen wie Kapitalverbrechen stand die Todesstrafe. Die
Gefängnisstrafe war allerdings unbekannt. In den Gefängnissen saßen nur vorübergehend die
Untersuchungsgefangene oder die Verurteilten, die auf die Vollstreckung ihrer Urteile warteten.
Der älteste erhaltene Papyrus mit einem juristischen Inhalt stammt aus der 6. Dynastie um 2300 v.
Chr. Es geht um einen Erbstreit, der auf der Insel Elephantine zur Verhandlung kam:
Ein Mann namens User ist gestorben. Vor seinem Tod hat er schriftlich einen Nachlaßverwalter
eingesetzt, der das Erbe unter Users Frau und den gemeinsamen Kindern aufteilen soll. Nach
einigen Jahren zieht Tjau, der mittlerweile volljährig gewordene älteste Sohn des User, vor Gericht.
Er will sein Recht einklagen, wonach ihm als ältestem Sohn allein das väterliche Erbe zustehe. Tjau
bezweifelt die Echtheit des Schriftstückes des Nachlaßverwalters und verlangt drei Zeugen, die
unter Eid bestätigen können, dass der verstorbene User auch tatsächlich dieses Schriftstück
aufgesetzt habe.
Diese Zeugen können nicht gefunden werden, das gesamte Erbe des User geht ausschließlich an
seinen ältesten Sohn Tjau.
Träume
Den Träumen, den nächtlichen Begleitern, wurde im Alten Ägypten eine große Bedeutung
beigemessen. Sie galten als Botschaften der Göttinnen und Götter.
Man war sich sicher, dass Träume ihre Auswirkungen auf den Alltag haben und die Zukunft
voraussagen können, man muss sie nur richtig zu deuten wissen. Dazu gab es professionelle
Traumdeuter, die man engagieren konnte. War das finanziell nicht drin, benutzte man ein Buch, in
dem die Traumdeuter ganz gängige Träume zusammengestellt und gedeutet haben.
Eines dieser Traumbücher aus dem 13./12. Jahrhundert vor Christus gehörte einem Mann
namens Qen-herk-hepshef, der von Beruf Schreiber und Verwalter war und eine umfangreiche
Bibliothek besaß. Sein Traumbuch ist wie eine Tabelle angelegt: auf der einen Seite stehen die
Träume, auf der anderen ihre Deutung.
Wenn ein Mann im Traum sieht, dass er mit einer Frau schläft — schlecht — Das bedeutet
Trauer.
Wenn ein Mann im Traum sieht, dass sein Bett Feuer fängt — schlecht — Das bedeutet, er
verstößt seine Frau.
Es sind auch weitere Traumbücher erhalten, die teilweise bis auf die Zeit um 2000 v. Chr.
zurückgehen. Aufgebaut sind sie nach einem ähnlichen Schema: der Traum, seine Bewertung,
seine Deutung. Einige Beispiele:
Wer träumt, dass er seinen eigenen Urin trinkt — gut — er wird von den Gütern seines
Sohnes leben.
Wer träumt, dass er in einem sonnigen Garten sitzt — gut — er wird Freude haben.
Wenn eine Frau träumt, sie bringt eine Katze zur Welt
haben.
— gut — sie wird viele Kinder
WENN TRÄUME IN ERFÜLLUNG GEHEN
Die Traumstele von Pharao Thutmosis IV.
Es war einmal ein junger Mann aus adeligem Geschlecht. Heimlich, ohne dass es jemand wusste
und nur in Begleitung eines Freundes, begab er sich in die Wüste in die Nähe der drei großen
Pyramiden und der Sphinx von Gizeh.
Er jagte Löwen und das Wild in der Wüste, probierte seinen Wagen mit den Pferden aus. Müde
geworden von all diesen Aktivitäten, ruhte sich der junge Mann im Schatten der mächtigen Sphinx
aus. In der heißen Mittagssonne verfiel er in einen tiefen Schlaf und hatte einen Traum, in dem er
diese Worte hörte:
„Schau mich an, sieh mich genau an, mein Sohn Thutmosis. Ich bin dein Vater Harmachis-ChepriAmun-Re. Ich werde dir die Königsherrschaft auf Erden über die Lebenden geben. Du sollst seine
weiße Krone und seine rote Krone auf dem Thron von Geb, des Leiters, tragen. Das Land wird in
seiner Länge und Breite dein sein, und alles, was das Auge dessen, der Herr über Alles ist,
erleuchtet. Gute Vorräte werden für dich sein aus dem Innern beider Länder, die reiche Ernte eines
jeden Fremdlandes und eine Lebenszeit reich an Jahren. Schon seit vielen Jahren hat sich dir mein
Antlitz zugewandt; mein Herz gehört dir und du gehörst mir.
Sieh nur, ich leide Schmerzen, und mein Körper ist ruiniert. Der Sand der Wüste, auf dem ich
früher stand, drückt mich jetzt nieder. Ich habe darauf gewartet, dass du tust, was mir am Herzen
liegt, denn ich weiß, dass du mein Sohn und Schützer bist. Komm zu mir; ich bin bei dir und führe
dich.“
Die Sphinx (deren genaues Alter unbekannt ist) wird im Traum von Thutmosis als Verkörperung
des Sonnengottes gesehen. Der Sonnengott bittet Thutmosis um Hilfe: er soll den gewaltigen
Körper der Sphinx von den enormen Sandmassen befreien, die schon bis zu ihrem Hals reichten
und nur noch wenig von ihrer einstigen Pracht ahnen ließen.
Aus dem ehemaligen Träumer wurde der spätere Pharao Thutmosis IV., der zehn Jahre lang
Ägypten regierte (von 1400 bis 1390 v. Chr.). Nach seiner Thronbesteigung ließ Thutmosis IV. die
große Sphinx von Gizeh vom Sand befreien und das Monument mit Steinplatten verkleiden.
Zwischen ihren Pranken ließ er eine offene Kapelle bauen und eine 3,6 m hohe und über 15
Tonnen schwere Granitstele aufstellen, die heute als „Traumstele“ bezeichnet wird.
Den Namen erhielt sie wegen ihres Inhaltes, weil sie genau erzählt, wie
die vergöttlichte Sphinx dem König im Traum erschienen ist.
Briefe aus der Ferne
Aus dem 11. Jahrhundert v. Chr. sind Briefe von Thuthmosis erhalten. Thuthmosis war ein
Beamter unter Ramses XI., dem letzen Pharao des Neuen Reiches.
Seine beruflichen Tätigkeiten führten ihn oft auf Reisen, die ihn von seiner Familie und
seiner vertrauten Umgebung trennten, etwa um Steuern einzuziehen. Aus seinen Briefen
kann man ablesen, dass diese Dienstreisen große Ängste in Thuthmosis auslösten, seine
Heimat nicht mehr wieder zu sehen und die dort ansässigen Göttinnen und Götter nicht in
direktem Gebet anrufen zu können. Also bittet er die Gottheiten in seiner neuen Umgebung
um Schutz und Beistand.
Der Brief des Thuthmosis an seinen Sohn Buteh-Amun liest sich wie folgt:
Ich bete jeden Tag zu den Göttern, die in meiner Umgebung sind, dass sie dir Leben
schenken,
Heil und Gesundheit, eine lange Lebenszeit und ein hohes Lebensalter
und dir Gunst verleihen mögen vor den Göttern.
Mir selbst geht es gut, ich bin gesund. Sorge dich nicht um mich.
Das einzige, was ich mir wünsche, ist dich zu sehen und über dein Befinden täglich zu
hören.
Sobald mein Brief dich erreicht, bete ich zu Amun, dass er mich lebend zurückbringen
möge.
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