Abendzettel

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Vier Tänzer aus dem Junior Ballett präsentieren
die Choreografien des Abends
Un Ballo
Disrupted
Jiří Kylián
Benoît Favre
Auf Jiří Kyliáns Choreografie Un Ballo freue ich mich sehr. Es wird das erste
Mal sein, dass ich in einem Ballett von ihm tanze. Das Stück wirkt absolut zeit­
los, und ich kann kaum glauben, dass es bereits vor über 25 Jahren entstanden
ist. Kylián hat es 1991 für die Nachwuchsformation des Nederlands Dans The­
aters (NDT II) kreiert. Mich beeindruckt vor allem die Eleganz und die Raffi­
nesse, mit der Kylián hier zu Werke geht. Auf drei vom Charakter her völlig
verschiedene Pas de deux folgt ein Teil für sechs Paare, die aber nur scheinbar
das Gleiche machen. Jede Bewegung bei Kylián atmet eine unglaubliche Musi­
kalität. Hier hat er zwei berühmte Kompositionen von Maurice Ravel verwen­
det, das Menuett aus Le Tombeau de Couperin und die Pavane pour une infante
défunte. Obwohl beide Stücke am Anfang des 20. Jahrhunderts komponiert
wurden, weisen sie doch in die Barockzeit zurück. Gerade in meinem Pas de
deux muss ich oft an eine höfische Atmosphäre denken. Ein grosses Glück für
uns Juniortänzer war, dass wir die Choreografie mit Kyliáns Assistenten Urtzi
Aranburu einstudieren konnten. Er hat lange im Nederlands Dans Theater
getanzt und kennt das Stück wie kein Zweiter. Urtzi hat mir die Tür zu Kylián
geöffnet und uns Tänzer für die vielen kleinen Details sensibilisiert, die Un Ballo
zu etwas Besonderem machen. Kylián hat sein Stück als «Übung für Musikali­
tät und Sensibilität zwischen männlichen und weiblichen Partnern» bezeich­
net. Um es tanzen zu können, kommt es vor allem auf Präzision, aber auch
auf die richtige Mischung von Virtuosität und Überschwang an. Spektakulär
finde ich auch das Ende, aber das darf ich hier ja noch nicht verraten.
Mit den Proben zu Benoîts Stück haben wir bereits im September vorigen
Jahres begonnen. Von Woche zu Woche hat sich die Choreografie weiterentwi­
ckelt, und ich bin jetzt sehr gespannt auf die Premiere. Der lange Probenprozess
hat uns zusammengeschweisst. Meine Tänzerkollegen habe ich in dieser Zeit
wirklich kennen- und schätzengelernt. Dass Benoît selbst noch Tänzer ist, war
für uns ein grosser Vorteil. Seine choreografischen Vorstellungen kann er sehr
genau beschreiben. Er kann alles vormachen und sieht sofort, wo und wie man
etwas verbessern kann. Nicht nur mental, sondern auch physisch ist er Teil
seiner Kreation. So reflektiert wie Benoît selbst ist auch das Stück. Auch bei
meinem Solo merke ich, dass er es mehr nach innen als nach aussen gedacht hat.
Bei einer Uraufführung dabei zu sein, ist für uns Tänzer immer spannend. Un­
sere Rolle besteht nicht nur darin, darauf zu warten, dass der Choreograf uns
Schritte gibt, sondern auch eine für ihn angenehme Arbeitsatmosphäre zu
schaffen, ihn zu inspirieren, indem wir mit ihm gemeinsam nach Umsetzungs­
möglichkeiten für seine Ideen suchen. Benoît ist sehr offen für unsere Vorschläge.
Ein wichtiger Bestandteil der Choreografie sind drei verschiebbare Metallrahmen.
Sie schaffen ständig neue Räume und neue Beziehungen zwischen den Tänzern.
Ich habe viel modernes Ballett getanzt. Deshalb hat es mir Spass gemacht, mir
Benoîts Bewegungsrepertoire anzueignen. Er setzt sehr auf die Wirbelsäule, den
Oberkörper. Die experimentelle Musik des Schweizer Gitarristen Joel Gilardini
hilft mir sehr dabei, meine eigene Geschichte in dieser Choreografie zu finden.
Schliesslich geht es ja um mehr als nur um Schritte.
Deia Cabalé, Frankreich
Giuditta Vitiello, Italien
Behind the Mirror
Maraschino Cherries
Filipe Portugal
Cayetano Soto
Ich tanze in einer der beiden Besetzungen von Filipe Portugals Pas de deux
Behind the Mirror, den er zum zweiten Satz aus Schostakowitschs Erstem Kla­
vierkonzert auf die Bühne bringt. Es ist das erste Mal, dass ein Choreograf eigens
für mich als Tänzer choreografiert. Das macht die Proben mit ihm zu einem
grossen Erlebnis. Bereits nach der ersten Woche hatten wir das choreo­grafische
Grundmaterial erarbeitet. Wenn man fast täglich zwei Stunden an solch einem
Stück arbeitet, geht es einem in Fleisch und Blut über. Was Filipe in seinem Pas
de deux erzählen will, kann man sowohl aus einer rein tänzerischen als auch aus
einer all­gemein menschlichen Perspektive betrachten: Eine Tänzerin ist in einer
Situa­tion, in der sie aufgeben will. Sie will nicht mehr tanzen. Ihr Partner ver­
sucht, ihr das Selbst­vertrauen zurückzugeben und sie wieder zum Tanzen zu
ermutigen. Es geht um Part­nerschaft, um Vertrauen und gegenseitige Inspiration.
Es ist eine tolle Herausfor­derung, diesen Prozess im Lauf des Stücks sichtbar
zu machen. Meine Tanzpartnerin Aurore Lissitzky beeindruckt mich immer
wieder mit ihrer unglaublich schnellen Auffassungsgabe und der Art, wie sie
Emotion sofort mit dem Schrittmaterial verbinden kann. Filipe geht beim Cho­
reografieren sehr einfühlsam und individuell auf uns beide ein. Aus seinen
Proben kommt man immer mit dem Gefühl, wieder ein Stück vorangekommen
zu sein. Schostakowitschs ausdrucksstarke Musik eignet sich fantastisch für diese
Geschichte. In Behind the Mirror ist alles drin, was man über das partnerschaft­
liche Verhältnis zweier Tänzer in einem Pas de deux lernen kann.
Bevor ich diese Spielzeit zum Junior Ballett nach Zürich gekommen bin, habe
ich bei Introdans getanzt – einer zeitgenössischen Compagnie, die im nieder­
ländischen Arnhem zu Hause ist. 2014 war ich dabei, als der katalanische Cho­
reograf Cayetano Soto dort sein Stück Maraschino Cherries erarbeitet hat. Der
Titel sagt schon ganz viel über dieses Ballett. Die eingelegten Kirschen, die man
vor allem als Garnitur von Cocktails verwendet, sind bitter und süss zugleich.
Und dass nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, zeigt Cayetano auch
in seinem Stück, in dem ganze viele überbordende Ideen, szenische Verrückt­
heiten und Bewegungsfantasien zusammen kommen. Cayetano Soto hat damals
direkt auf die Qualitäten der ihm zur Verfügung stehenden Tänzer gesetzt. Er
hat sie für seinen Stil adaptiert und in ein neues Licht gerückt, in dem sie noch
besser zur Geltung kommen. Tempo und Witz sind sehr charakteristisch für
dieses Stück, in dem die Jungs den Hauptpart haben. Mit viel Humor werden
traditionelle Männerrollen aufs Korn genommen. Am Beispiel drei ganz unter­
schiedlicher Männerpaare entlarvt er diese Vorstellungen auf sehr witzige Weise
als veraltete Klischees. An dem Stück gefallen mir vor allem seine positive Ener­
gie und der Reichtum an Kontrasten. Musikalisch spannt es einen weiten Bogen
– von Beethovens Neunter Sinfonie bis zu einem Chanson von Charles Aznavour,
der hier auf Spanisch singt. Mit Introdans haben wir Maraschino Cherries in
vielen Län-dern aufgeführt. Mal sehen, wie sie beim Publikum in der Schweiz
ankommen! In Arnhem war die Compagnie insgesamt älter und hatte natürlich
eine andere Energie. Deshalb bin ich sehr gespannt, wie sich das jetzt mit dem
Junior Ballett anfühlen wird und ob wir Cayetano Sotos Ideen auch in der neuen
Besetzung gerecht werden.
Cohen Aitchison-Dugas, Kanada
Ricardo Macedo, Portugal
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