11. WEITERE ASPEKTE 11. 101 Weitere Aspekte 11.1. Aktien mit Dividendenzahlungen Betrachten wir das Black–Scholes-Modell. Falls die Aktie nun Dividenden bezahlt, wird der Wert der Aktie um den Wert der Dividenden grösser sein. Sei {Dt } der Dividendenprozess. Dann ist der Barwert der Dividenden im Interval (t, T ] zum Zeitpunkt t i hZ T ∗ −r(s−t) IIE e dDs Ft . t Somit muss der Aktienkurs folgendermassen gegeben sein i hZ T ∗ St = IIE e−r(s−t) dDs + e−r(T −t) ST Ft , t da man ST als Dividendenzahlung im Zeitpunkt T auffassen kann. Der Wert der Aktie lässt sich als Wert der zukünftigen Dividendenzahlungen im Intervall (t, ∞) auffassen. Berechnet man nun den Wert einer Option, dann muss man den Wert der Dividenden im Interval (t, T ] berücksichtigen; das heisst, modellieren. Diese Dividenden bekommt man ja nicht ausbezahlt, wenn man die Option hält. Man beachte, dass Rt {e−rt St } kein Martingal mehr ist, sondern {St e−rt + 0 e−rs dDs }. 11.2. Devisenoptionen Eine typische Anwendung von Optionen sind Optionen auf Devisen. Zum Beispiel, eine grosse deutsche Chemiefirma will eine Firma in den USA übernehmen. Sie unterbreitet den Aktionären ein Angebot, so dass die Firma in einem halben Jahr eine Million Dollars benötigt. Nun will sich die deutsche Firma absichern, und kauft daher eine Option über eine Million Dollars zum Ausübungspreis von 1 Million Euro. Nun liegt das Riskio bei der Bank, die die Option ausstellt. Der Wechselkurs {Xt } kann man dann zum Beispiel mit einer geometrischen Brownschen Bewegung modellieren Xt = X0 exp{σWt + (µ − σ 2 /2)t} . Nehmen wir (im deutschen Markt) einen risikolosen Zins mit Intensität r an, erhalten wir den Optionspreis e−r(T −t) IIE∗ [(M Xt − K)+ | Ft ] , 102 11. WEITERE ASPEKTE L KP K KC A Abbildung 11.1: Auszahlungsfunktion des Straddle, Strangle, Spread und Butterfly. wobei M die Anzahl Devisen im Vertrag bezeichnet. Wir sehen, dass auch hier die Black–Scholes-Formel gilt. Man bemerke, dass die Absenz von Arbitrage den Zinssatz im Ausland festlegt. Wir werden dies hier aber nicht beweisen. 11.3. Kombination von Optionspositionen 11.3.1. Straddles Ein Straddle ist das gleichzeitige Kaufen einer Call- und Put-Option mit dem gleichen Ausübungspreis, also mit Auszahlung (ST − K)+ + (K − ST )+ = max{ST − K, K − ST } = |ST − K| . 11.3.2. Strangles Ein Strangle ist auch ein gleichzeitiges Kaufen einer Call- und Put-Option, wobei die Ausübungspreise sich unterscheiden. Dabei ist der Call-Ausübungspreis KC grösser als der Put-Ausübungpreis KP . Die Auszahlung ist dann (ST − KC )+ + (KP − ST )+ = max{ST − KC , KP − ST , 0} . Es ist zu bemerken, dass im Fall KC < KP der Betrag KP − KC immer ausbezahlt wird. Man könnte diesen Vertrag somit als Kombination der Auszahlung KP − KC 11. WEITERE ASPEKTE 103 mit einem Strangle mit vertauschten Ausübungspreisen betrachten, da (ST − KC )+ + (KP − ST )+ = (ST − KP )+ + (KC − ST )+ + KP − KC . 11.3.3. Spreads Ein Call-Spread ist der Kauf einer Call-Option und gleichzeitige Verkauf einer CallOption mit höherem Ausübungspreis (ST − K)+ − (ST − A)+ = min{(ST − K)+ , A − K} , wobei A > K. So ein Kontrakt schützt den Käufer vor dem Risiko, das er eingeht, wenn der Markt sich “nomal” verhält. Die Auszahlung kann wegen der Put-CallParität auch mit Put-Optionen und einem Barwert erhalten werden (K − ST )+ − (A − ST )+ + (A − K) . Ein Put-Spread ist Kauf und Verkauf von Putoptionen (A − ST )+ − (K − ST )+ = min{(A − ST )+ , A − K} . 11.3.4. Butterflies Ein Butterfly wird durch den Kauf von zwei Call-Optionen mit verschiedenen Ausübungspreisen A und L und dem Verkauf von zwei Call-Optionen mit einem Ausübungspreis K dazwischen erzeugt, (ST − L)+ + (ST − A)+ − 2(ST − K)+ . Oft wählt man dabei K = (L + A)/2. 11.4. Spezielle Optionen Call- und Put-Optionen sowie deren Kombinationen sind etablierte Optionen. Sie werden an der “normalen” Börse gehandelt. Man nennt dies Optionen auch plain Vanilla. Daneben gibt es auch nicht-so-übliche Optionen. Diese werden ausserhalb der “normalen” Börse gehandelt, und man nennt sie over-the-counter, oder kurz OTC. Wir wollen hier ein paar dieser Optionen vorstellen. 104 11.4.1. 11. WEITERE ASPEKTE Asiatische Optionen Eine Voraussetzung der üblichen Modelle ist, dass der Markt genügend liquide ist, so dass ein einzelner Händler die Preise nicht direkt beeinflussen kann. Aber in vielen Bereichen ist der Markt nicht genügend liquide. Zum Beispiel, der Aktiv wird nicht täglich gehandelt, oder der Preis wird durch politische Entscheide bestimmt, oder ein paar wenige Händler kontrollieren die Preise des zugrundeliegenden Aktivs. Ein Beispiel eines solchen Marktes ist der Rohölmarkt. Zeichnet man jetzt eine Option auf so einen Aktiv, kann es sein, dass die eine Partei die Möglichkeit hat, den Preis zum Zeitpunkt T stark zu beinflussen. Um diesen Einfluss zu verkleinern, nimmt man daher einen Durchschnittspreis über eine bestimmte Periode statt des Endpreises in die Option k + 1 X St` − K , k `=1 wobei 0 < t1 < · · · < tk = T . Eine Version der Option ist der floating Strike, k 1 X + St , ST − k `=1 ` wobei hier tk < T gilt. Die stetigen Versionen der Option sind 1 Z T + Ss ds − K T −t t und Z t + 1 ST − Sv dv , t−s s wobei 0 ≤ t < T und 0 ≤ s < t ≤ T . Dadurch wird sichergestellt, dass eine Manipulation des Marktes über einen längeren Zeitraum sehr kostspielig ist. 11.4.2. Optionen auf Futures Statt eines Aktivs kann auch der Preis eines Futures (das heisst die Grösse Ft , die den Dividendenfluss bestimmt) einer Option zugrundeliegen. Optionen auf Futures werden vor allem zur Wertsicherung verwendet. Da das Kaufen und Verkaufen des Aktivs mit Unkosten verbunden ist, und daher in der Realität eine theoretisch gute Hedgingstrategie sehr teuer ist, versucht man mit Optionen auf Futures die Hedgingstrategie zu approximieren. Das Problem ist aber, dass das Anwenden einer solchen Strategie nur funktionieren kann, wenn faire Futurespreise im Markt existieren. Im weiteren, muss das Hedging-Portfolio mit dem Portfolio, das dem Futures unterliegt, stark korreliert sein. 11. WEITERE ASPEKTE 11.4.3. 105 Optionen auf Optionen Eine weitere Möglichkeit sind Optionen auf Optionen (compound Options). Hier wählt man als unterliegenden Aktiv eine Option. Sei U > T . Dann lässt sich zum Beispiel als unterliegenden Aktiv eine Call-Option mit Ausübungszeitpunkt U wählen. Bei einer Call-Option hat dann der Halter das Recht, aber nicht die Verpflichtung zum Zeitpunkt T die Option mit Ausübungszeitpunkt U für einen bestimmten Preis A zu kaufen. Der Wert der Option zum Zeitpunkt 0 wird also o i + i o h n Z U h n Z T ∗ ∗ + r(s) ds (SU − K) FT − A . r(s) ds IIE exp − IIE exp − 0 T Der Vorteil dieser Option ist, dass ihr Preis weniger stark fluktuiert als der Preis einer gewöhnlichen Option. 11.4.4. Barrieren-Optionen Oft benutzt man eine Option nur dazu, um sich vor eher unwahrscheinlichen Ereignissen zu schützen. Daher hat man die sogenannten Barriere-Optionen eingeführt. Bei diesen Optionen tritt die Option erst in Kraft (oder verliert ihren Wert) falls der unterliegende Aktiv eine bestimmte Grenze erreicht. Das heisst, nicht nur der Endwert des Aktivs spielt eine Rolle, sondern der gesamte Pfad. Sei {St } der Preis des Aktivs, Mt = sup{Ss : 0 ≤ s ≤ t} und mt = inf{Ss : 0 ≤ s ≤ t}. Die Auszahlung eines Up-and-In-Call ist dann (ST − K)+ 1IMT ≥B für K < B und S0 < B. Man bemerke, dass B ≤ K keinen Sinn macht, da diese Option einer normalen Call-Option entspricht. Das Gegenstück ist ein Down-andIn-Call, (ST − K)+ 1ImT ≤B S0 > B. Ist B ≤ K, so hat die Option beim Erreichen der Barriere noch keinen Wert, sondern muss zuerst zum Wert K zurückkehren. Diese beiden Optionen nennt man Knock-In-Optionen. Bei einer Knock-Out-Option wird die Option wertlos, falls die Barriere erreicht wird. Man hat den Up-and-Out-Call (ST − K)+ 1IMT <B für K < B und S0 > B, und den Down-and-Out-Call (ST − K)+ 1ImT >B für K > B und S0 > B. Analoge Optionen erhält man auch, wenn man den Call durch einen Put ersetzt. Ob B > K oder K > B hängt davon ab, welche der Optionen Sinn machen. Eine Version der Barrieren-Option sind die Knock-Out-Optionen mit Prämie. In diesem Fall wird eine eine fixe Prämie fällig, falls die Barriere erreicht wird. Die Barrieren müssen auch nicht konstant über die Zeit sein, sondern können in verschiedenen Perioden verschieden gewählt werden. Da gibt es auch die Variante, 106 11. WEITERE ASPEKTE wo die Barriere in einem bestimmten Zeitraum erreicht oder nicht erreicht werden soll. Also z.B., die Option wird in einem Jahr ausgeübt, aber nur, wenn der Preis in den Monaten 3-9 die Barriere nicht überschreitet. Weiter gibt es die sogenannten Tunnel-Optionen. Bei dieser Version gibt es sowohl eine obere wie auch eine untere Schranke, die nicht erreicht werden sollen. Bei der Pariser-Option muss die Barriere für eine bestimmte Zeitspanne über-, bzw. unterschritten werden. Die Berechnung der Optionenpreise sind im allgemeinen recht kompliziert. Für das Black–Scholes Modell aber, kann man geschlossene Formeln für die Preise erhalten, da die gemeinsame Verteilung von (ST , MT ) und (ST , mT ) berechnet werden kann, siehe Hilfssatz D.1. 11.4.5. Digitale Optionen Ähnlich wie Barrieren-Optionen funktionieren die sogenannten digitalen Optionen. Bei digitalen Optionen wird ein bestimmter Wert ausbezahlt, falls MT ≥ B oder mT ≤ B. Hier sind auch Kombinationen möglich, wie z.B. 1IMT ≥B 1ImT >b für ein b < S0 < B. Hier wird die Option wertlos, falls ein bestimmter Wert unterschritten wird, erhält aber erst einen Wert, falls eine bestimmte obere Schranke erreicht wird. 11.5. Portfolio Insurance Ein professioneller Inverstor muss oft eine Mindestrendite erziehlen, z.B. in der Lebens- oder Pensionsversicherung. Zu diesem Zwecke muss ein Anlageportfolio abgesichert werden. Eine einfache Möglichkeit ist, auf einem Teil des Portfolios PutOptionen zu kaufen. Der versicherte Teil hat dann den Wert M [ST + (K − ST )+ ] = M max{ST , K}, wobei M die Anzahl Aktien bezeichnet, die versichert sind. Das Problem mit dieser Strategie ist, dass Put-Optionen im Normalfall nicht so lange Laufzeiten haben, wie sie der Investor benötigt. Die Black–Scholes-Theorie erlaubt aber nun, virtuelle Optionen zu erzeugen. Der Wert einer Put-Option ist nach der Black–Scholes-Formel Ke−r(T −t) Φ(−d2 ) − St Φ(−d1 ) . Der Investor muss also KΦ(−d2 ) in den risikolosen Aktiv investieren, und Φ(−d1 ) Aktien verkaufen, das heisst, er sollte Φ(d1 ) Aktien behalten. Verhält sich also der Markt wirklich wie ein Black–Scholes-Modell, dann würde diese Strategie den Wert 11. WEITERE ASPEKTE 107 max{ST , K} ergeben. Auf diese Weise hat der Investor eine virtuelle Put-Option erzeugt, die sein Portfolio versichert. Ein Problem der Portfolio Insurance ist, dass die Strategie stetiges Handeln voraussetzt. Dies ist nicht möglich, da die Börse nicht 24 Stunden an sieben Tagen die Woche geöffnet ist. Weiter kann wegen der Transaktionskosten nicht stetig gehandelt werden. Ein weiteres Problem ist, dass das Black–Scholes-Modell nur bedingt den Markt beschreibt. Es gibt immer wieder “Crashes”, wo die Preise grosse Sprünge aufweisen. Diese Sprünge können durch politische Erreignisse oder Katastrofen erzeugt werden. Oder es kann auch zu Liuiditätsengpässen kommen, wenn z.B. viele Computer verkaufen wollen. Dann wird der Preis wegen des grossen Angebots sinken, und noch mehr Händler, die die Black–Scholes-Formel verwenden, werden verkaufen wollen. Um das Risiko von Verlusten bei Preis-Sprüngen zu verkleinern, kann man die sogenannte Constant-Proportion-Portfolio-Insurance anwenden. Hier teilt man die Anlageperiode in n kleinere Perioden auf, in denen man ein konstantes Portfolio hält. Das heisst, man wählt die Handelszeitpunkte 0 = t0 < t1 < · · · < tn = T . Zum Zeitpunkt 0 hat man das Anfangsvermögen V0 und einen Startfloor F0 = cV0 , wobei c ∈ (0, 1). Dies ergibt das sogenannte Start-Cushion (Startkissen) C0 = V0 − F0 = (1 − c)V0 . Man hat dann einen Wert m ∈ IIN, genannt Multiplikator, der angibt, wie hoch die Aktienquote ist, die man haben will. Die Start-Exposure wird dann E0 = mC0 . Man hat eine Konstante α gewählt, die angibt, welchen Anteil man höchstens in Aktien investieren darf. Diese Konstante kann auch vom Gesetz vorgeschrieben sein. Für einen dänischen Lebensversicherer gilt zum Beispiel α ≤ 0.7. Für Investmentfonds kann dies auch das Risikoprofil des Anlegers angeben. Der absolute Umfang der Investition wird dann A0 = min{mC0 , αV0 } , oder der Anteil der in die Aktien investiert wird, beträgt o n mC 0 ,α . q0 = min V0 Zum Umschichtungszeitpunkt tn wird wie folgt verfahren. Man hat den Floor Fn . Der kann z.B. konstant sein, Fn = F0 , oder er kann nachgezogen sein, Fn = F0 ertn , 108 11. WEITERE ASPEKTE das heisst, er folgt einer Mindestverzinsung. Ist das Cushion Cn = Vn − Fn , so wählt man o o n n mC n ,α ,0 . qn = max min Vn Liegt man also unter dem Floor, darf nicht in Aktien investiert werden. Je höher man also über dem Floor liegt, umso mehr wird man in Aktien investieren. Man sieht nun auch die Rolle von m. Je höher m, umso mehr investiert man in Aktien. Zum einen ist somit ein grosses m wünscheswert, da man so eine hohe erwartete Rendite erziehlt. Zum andern will man m klein halten, weil man dadurch das Risiko vergrössert.