Darstellung rationaler Zahlen durch Stammbrüche Charlotte Walter 24. November 2014 HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN Mathematisch-Naturwissenschaftlicher Kampus 1 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 2 Ägyptische Bruchrechnung 2.1 Ägyptische Zahldarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ägyptische Bruchrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 3 3 Stammbruchdarstellung rationaler Zahlen 4 4 Stammbrüche in der Schule 4.1 Beispielaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 8 2 2 ÄGYPTISCHE BRUCHRECHNUNG 1 Einleitung Im Folgenden soll das Thema der Darstellung rationaler Zahlen, oder Bruchzahlen, als Summe von Stammbrüchen besprochen werden. Dazu wird dieses Thema erst einmal in die Geschichte der Mathematik eingebunden, bevor eine Methode zur Stammbruchentwicklung gezeigt wird. Abschlieÿend sollen noch Beispielaufgaben besprochen werden, die dieses Thema in den Mathematikunterricht an Schulen einbinden können. 2 Ägyptische Bruchrechnung 2.1 Ägyptische Zahldarstellung Die alten Ägypter verwendeten zur Zahlendarstellung ebenso wie für die Schrift Hieroglyphen. Dabei bekam nicht jede Zahl ein eigenes Symbol, sondern es wurden lediglich die Zehnerpotenzen festgelegt und alle anderen Zahlen als Summe dieser geschrieben. Diese Hieroglyphen sind in nachstehender Tabelle abgebildet. Die Zeichen wurden für gröÿere Zahlen hintereinander geschrieben, was bedeutete, dass diese zur eigentlichen Zahl zusammen addiert werden sollten. Die Zahl 132 sah demnach folgendermaÿen aus: . 2.2 Ägyptische Bruchrechnung 1 Zur Darstellung von Brüchen wurden nur Brüche der Form verwendet. Dafür wurn de die Zahl des Nenners ausgeschrieben und über die gesamte Zahl die Hieroglyphe für den Mund gezeichnet. Das bedeutete, dass von der Zahl der Kehrwert zu bil2 1 den war. Die einzige Ausnahme bildeten die Brüche und . In der nachfolgenden 3 2 Tabelle sind diese Art von Brüchen veranschaulicht. 3 3 STAMMBRUCHDARSTELLUNG RATIONALER ZAHLEN Für Brüche, deren Zähler ungleich 1 sind, hätte mehrmals der Kehrwert des Nen5 würde 5 Mal ners hintereinander geschrieben werden müssen. Beispielsweise bei 12 1 hintereinander das in der Tabelle dargestellte Zeichen für stehen. Dies war sehr 12 platz- und schreibaufwendig. Damit das umgangen werden konnte, wurden Brüche, deren Zähler ungleich 1 sind, als Summe von Stammbrüchen dargestellt. Dies würde für das obige Beispiel folgende Schreibweise ergeben: . 3 Stammbruchdarstellung rationaler Zahlen Bevor die Darstellung rationaler Zahlen als Summe von Stammbrüchen beschrieben werden kann, muss der Begri des Stammbruchs deniert werden. Denition 1. Als Stammbruch wird ein Bruch bezeichnet, dessen Zähler immer 1 und dessen Nenner eine beliebige positive natürliche Zahl ist. Somit sind Stammbrüche Kehrwerte natürlicher Zahlen. Um rationale Zahlen mit Hilfe von Stammbrüchen darzustellen, gibt es sehr viele Algorithmen mit unterschiedlicher Ezienz. Im Folgenden wird die Methode der gierigen Strategie näher beschrieben. Die gierige Strategie Die gierige Strategie (greedy strategy) basiert auf dem Prinzip, immer zuerst den gröÿten Teilbrocken eines gegebenen Problems zu bearbeiten. Je nach Art des Problems fällt dieser sehr unterschiedlich aus. Im Fall der Stammbruchentwicklung rationaler Zahlen bedeutet das also, aus einer gegebenen rationalen Zahl immer zuerst den gröÿtmöglichen Stammbruch herauszuziehen und dann mit dem Rest weiter zu arbeiten. Da das Ergebnis für negative Bruchzahlen das gleiche ist wie für die betragsmäÿig gleichen positiven Bruchzahlen, mit dem Unterschied des entgegengesetzten Vorzeichen, wird im Folgenden nur auf die Darstellung positiver rationaler Zahlen eingegangen. Die Vorgehensweise lässt sich folgendermaÿen formulieren: 4 3 STAMMBRUCHDARSTELLUNG RATIONALER ZAHLEN a Sei 0 der durch Stammbruchzerlegung zu schreibende Bruch, mit a0 , b0 ∈ N\{0}, b0 dem gröÿten gemeinsamen Teiler (im Folgenden ggT(a0 , b0 )) gleich 1 und b0 > a0 ≥ 2, da für a0 = 1 die gegebene rationale Zahl schon ein Stammbruch ist und eine Zerlegung somit nicht notwendig. 1. Suche den gröÿten Stammbruch 2. Ziehe a 1 von 0 mit n0 · a0 ≥ b0 . n0 b0 1 a a von 0 ab, die Dierenz ergibt einen neuen Bruch 1 . n0 b0 b1 a1 a0 1 n 0 · a0 − b 0 := − = . b1 b0 n0 n 0 · b0 3. Verfahre mit dem neuen Bruch a1 a wie mit 0 . Man erhält den neuen Bruch b1 b0 a2 . Auch auf diesen Bruch wird das Verfahren angewendet. b2 4. Das Verfahren endet, wenn sich in Schritt 2 ein Stammbruch ergibt. Die Darstellung der rationalen Zahl ergibt sich dann als Summe der ermittelten Stammbrüche. k X 1 a0 1 1 1 = + + ... + = . b0 n0 n1 nk ni i=0 Dabei ist k die minimale natürliche Zahl, sodass ak = 1. Zur Verdeutlichung der Strategie soll folgendes Beispiel dienen. Beispiel 3.1. Sei a0 17 = . b0 39 1. Das kleinste Vielfache von 17, welches gröÿer ist als 39, ist 51. Somit ist 2. 1 1 und = . n0 3 a1 Berechne . b1 n0 = 3 a1 3 · 17 − 39 12 4 = = = . b1 3 · 39 117 39 3. Verfahre mit dem in Schritt 2 gefundenen Bruch wie mit dem Ausgangsbruch. Das kleinste Vielfache von 4, das gröÿer ist als 39, ist 40. Somit ist und 1 1 = . n1 10 n1 = 10 10 · 4 − 39 1 a2 = = . b2 10 · 39 390 4. Das Verfahren endet an dieser Stelle, da der Bruch a2 b2 selbst ein Stammbruch ist. Die Stammbruchdarstellung sieht dann wie folgt aus: 17 1 1 1 = + + . 39 3 10 390 5 3 STAMMBRUCHDARSTELLUNG RATIONALER ZAHLEN Die Darstellung eines Bruches als Summe von Stammbrüchen ist, wenn man auch andere Algorithmen zum Finden dieser Darstellung betrachtet, nicht eindeutig. Für das obige Beispiel lässt sich auch die untenstehende Darstellung nden: 17 1 1 1 = + + . 39 3 13 39 Satz 1. Die Stammbruchdarstellung anhand der gierigen Strategie hat folgende Ei- genschaften: i) Die Stammbruchentwicklung bricht ab. ii) Die erhaltenden Stammbrüche sind verschieden. Insbesondere gilt für die Folge n0 , ..., nk der gefundenen Nenner n0 < n1 < n2 < ... < nk . Um zu zeigen, dass die Stammbruchentwicklung abbricht, wird gezeigt, dass die Folge der ai monoton fallend für 0 ≤ i ≤ k ist. a Sei 0 eine rationale Zahl mit b0 > a0 , ggT(a0 , b0 ) = 1 und sei n0 ∈ N minimal, b0 sodass n0 · a0 ≥ b0 . (1) O.B.d.A. sei a0 ≥ 2, da für a0 = 1 die gegebene Zahl selbst ein Stammbruch ist. Die nächste rationale Zahl, also die nach der gierigen Strategie nun weiter zu betrachtende Zahl, ist dann wie folgt deniert: Beweis. a0 1 n 0 · a0 − b 0 a1 := − = . b1 b0 n0 n 0 · b0 Die natürlichen Zahlen a1 und b1 sind so gewählt, dass ggT(a1 , b1 ) = 1. (2) Betrachten wir nun, wie die verschiedenen Nenner der ermittelten Stammbrüche a0 n gefunden werden. Dazu überlegt man sich anhand der Division mit Rest für b0 mit ggT(a0 , b0 ) = 1, a0 < b0 , dass: b0 = q · a0 + r, mit 0 < r < a0 und q ∈ N \ {0}. (3) Man erhält mit den Gleichungen (1) und (3) folgende Abschätzung: q · a0 < b0 = q · a0 + r < q · a0 + a0 = (q + 1) · a0 . Es folgt, dass n0 = q + 1, da q das Vielfache von a gibt, welches gerade kleiner als b ist und n0 das Vielfache, welches gerade gröÿer als b ist. Wir denieren uns die natürlichen Zahlen ã1 und b̃1 mit ã1 = n0 · a0 − b0 > 0, b̃1 = n0 · b0 > 0. Es gilt a1 = ã1 , ggT(ã1 , b̃1 ) b1 = 6 b̃1 . ggT(ã1 , b̃1 ) (4) 3 STAMMBRUCHDARSTELLUNG RATIONALER ZAHLEN Dehalb gilt: a1 ≤ ã1 = n0 · a0 − b0 = (q + 1) · a0 − b0 . Mit Gleichung (3) folgt daraus: a1 ≤ ã1 = (q + 1) · a0 − (q · a0 + r) = a0 − r < a0 . Dies lässt sich durch Indexverschiebung für jedes weitere ai zeigen. Es folgt insgesamt also: a0 > a1 > a2 > ... > ak > ... . Da ai ∈ N \ {0}, endet diese monoton fallende Folge immer spätestens bei ak = 1. Wir haben also gezeigt, dass eine Darstellung rationaler Zahlen anhand der gierigen Strategie immer möglich ist und abbricht. Zu zeigen bleibt, dass die einzelnen Stammbrüche in der Darstellung unterschiedlich sind und immer kleiner werden. Für den zweiten Teil des Beweises halten wir folgende Aussagen fest: i) ni ist minimal, sodass ai · ni ≥ bi , ii) ni+1 , sodass ai+1 · ni+1 ≥ bi+1 . Da ggT(ai , bi ) = 1 und o.B.d.A. ai ≥ 2, folgt für Punkt i), dass eine Gleichheit nicht möglich ist. Aus (4) folgt: ai+1 · ni+1 ≥ bi+1 ⇔ ãi+1 · ni+1 ≥ b̃i+1 . Mit der Denition für ãi+1 und b̃i+1 ergibt sich: (ai · ni − bi ) ≥ ni · bi ⇒ ni+1 ≥ ni · bi . ai · n i − b i Zu zeigen ist also, dass der Bruch der Gleichung gröÿer als 1 ist. Die Aussage 0 < ai · ni − bi < ai . folgt, weil ni minimal deniert ist. Da für ai · ni − bi > ai durch Subtraktion von ai folgt: ai · (ni − 1) − bi > 0, was ein Widerspruch zur Minimalität von ni ist. Es gilt also nach Denition ai · ni − bi < ai < bi , insbesondere also bi > 1. ai · n i − b i ist also gröÿer als ni . Damit folgt, dass alle nach der gierigen Stra- Der Faktor ni+1 tegie gefundenen Stammbrüche verschieden sind und der gröÿe nach kleiner werden. 7 4 STAMMBRÜCHE IN DER SCHULE 4 Stammbrüche in der Schule Das Thema der Stammbrüche kann auf verschiedene Weisen in den Mathematikunterricht eingebaut werden. Zum einen sind Referate zum Thema der ägyptischen Bruchrechnung möglich aber auch Aufgaben um das Verständnis im Bereich der Bruchrechnung zu fördern. Einige Beispiele für solche Aufgaben sollen im Folgenden exemplarisch gelöst werden. 4.1 Beispielaufgaben Die folgenden Aufgaben sind vor allem für die Anfänge der Bruchrechnung an Grundschulen gedacht, da sie viele Möglichkeiten bieten, die Lösung durch Probieren zu nden. Kann jeder Stammbruch als Summe zweier Stammbrüche dargestellt werden? Antwort: Ja, denn 1 1 1 = + . n 2n 2n Ist die Summe zweier Stammbrüche wieder ein Stammbruch? Anwort: Nein, einfaches Gegenbeispiel: 1 1 5 = + . 6 3 2 Ist das Produkt zweier Stammbrüche wieder ein Stammbruch? Anwort: Ja, denn 1 1 1 · = . n m n·m Auch für die Oberschule sind Aufgaben zum Thema der Stammbruchdarstellung denkbar, wie die folgende Aufgabe zeigen soll. Diese ist für Grundschulen nicht mehr geeignet, da ein höheres Verständnis von allgemeinen Darstellungen durch Variablen benötigt wird. Kann jeder Stammbruch als Summe zweier verschiedener Stammbrüche dar- gestellt werden? Antwort: Ja. Versucht man eine Antwort im Sinne der gierigen Strategie zu 1 1 . nden, ist der gröÿte Stammbruch, den man aus herausziehen kann n n+1 1 Zieht man diesen nun von ab, so erhält man einen Bruch, der verschieden n 1 von ist: n+1 1 1 1 = + . n n(n + 1) n + 1 Die Darstellung durch zwei verschiedene Stammbrüche ist also möglich. 8