Stadt und Bürgerschaft

Werbung
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
I
10:25 Uhr
Seite 18
Stadt und Bürgerschaft
D
Ti
b
er
KA
PI
TO
L
VI
M
IN
QU
ie älteste Siedlung Roms liegt an den östlichen Ufern des schiffbaren Flusses Tiber,
der fast 39 Kilometer südwestlich von der Stadt ins Meer mündet. In der Mitte
des Flusslaufes erleichterte eine kleine Insel das Überqueren des Wassers. Das tiefliegende Land in der Nähe des Flusses, umgeben von den Hügeln, war das Gebiet, auf
dem sich eventuell das Forum Romanum (oder auch Marktplatz genannt) befunden hat. Als
Sumpfgebiet wurde es zunächst in fast regelmäßigen Abständen überschwemmt, bis die
ansässigen Bauern im 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr. einen Abfluss anlegten, die cloaca, die
auch heute noch, wenn auch modernisiert, überschüssiges Wasser zum Fluss hin ableitet.
Am Ostufer boten die Hügel Roms ihren ersten Bewohnern Schutz und einen Rückzugsort in Notzeiten. Der Legende nach errichteten die Römer ihre Stadt auf den Sieben
Hügeln Roms, doch welche die ursprünglichen sieben waren, steht nach wie vor zur
Debatte | Abb. 7 | . Die ersten Hütten wurden auf den Hügeln, so auch auf dem Palatin, errichtet, was die Spuren von Pfahllöchern und die Ausschnitte für
rudimentäre Fundamente belegen. Später dann, im 1. Jahrhundert
AL
v. Chr., lebten einige der prominentesten Politiker und IntellekIN
IR
CAMPUS
tuellen Roms, unter ihnen der Redner Cicero, auf dem Palatin,
MARTIUS
AL
und schließlich errichteten auch einige der Kaiser ihre Paläste
dort: Der moderne Begriff ›Palast‹ ist abgeleitet von palatium, dem
ESQUILIN
offiziellen
Namen des Hügels.
FORUM
OPPIUS
ROMANUM
Der höchste und wichtigste dieser Hügel war jedoch das Kapitol. Bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. stand hier ein Tempel des
PALATIN
Jupiter, des höchsten und mächtigsten Gottes im römischen PanCAELIUS
theon (siehe Kapitel 6). Die noch kleine, aber expandierende Stadt,
AVENTIN
die nach wie vor von ihren etruskischen Königen regiert wurde,
engagierte den etruskischen Architekten Vulca, um das enorme
Heiligtum zu errichten. Seine Überreste und massiven Fundamente, die ein Rechteck von 62 ҂ 53 Metern einschließen, lassen
sich auch heute noch in den Kapitolinischen Museen bestaunen.
7 | Plan von Rom mit
Während der republikanischen Zeit umgaben die Römer ihre Siedlung nach wiederseinen Sieben Hügeln
holten
Angriffen der Gallier aus dem Norden (dem heutigen Gebiet Frankreichs) mit einer
und dem Tiber.
Mauer, die fälschlicherweise nach dem frühen König Servius Tullius als »Servianische Mauer« bekannt wurde. Tatsächlich wurde sie erst im 4. Jahrhundert v. Chr. errich-
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
10:25 Uhr
Seite 19
19
S TA D T U N D B Ü R G E R S C H A F T
.......................................................................................................................
Prätorianer
Lager
Mausoleum
des Augustus
Mausoleum
Hadrians
Petersdom
vian
Diocletiansthermen
ische Maue
r‘
Stadion
Domitians
CAMPUS
MARTIUS
Pantheon
auer
eM
isch
elian
Aur
r
,Se
Säule des
Marcus Aurelius
Circus des Nero
Trajansforum
Augustusforum
KAPITOL
Theatre of
Marcellus
Maxentiusbasilika
Forum
Romanum
Porta
Maggiore
Kolosseum
T
Portunustempel
PALATIN
Ci
rcu
sM
ax
im
us
e
ib
r
he
is c
an
eli
r
Au
er
au
M
Caracallathermen
ia
App
Via
1 km
378 BC
che Mauer‘
ianis
,Serv
0
Aqua
Claudia
Porta San
Sebastiano
tet | Abb. 8 |. Mit zunehmender militärischer Macht (siehe Kapitel 2) wurde eine tatsächliche
Bedrohung der Stadt immer unwahrscheinlicher; die Kämpfe fanden weit entfernt von
Rom statt, zunächst in Latium, dann in immer entlegeneren Gebieten. So schritt die Stadtentwicklung mit zunehmender Bevölkerungsdichte eher planlos voran, indem sich die
Bewohner entlang der Hügel und Täler des Tiberufers ansiedelten. Im Laufe der Zeit wurden
die »Servianischen« Mauern zu eng und die Stadt wuchs weit über sie in alle Richtungen
hinaus. Im 3. Jahrhundert n. Chr. bedrohten nach langer Zeit erneut umherziehende Heeresgruppen und plündernde Horden das Innere des Reiches, so dass Kaiser Aurelian im Jahr
271 n. Chr. mit dem Bau einer neuen Mauer begann (die Aurelianische Mauer), die zehn
Jahre später unter Probus vollendet wurde. Diese Mauer war hauptsächlich aus Ziegeln, Beton
sowie Marmorsplittern errichtet worden, die aus anderen Bauwerken herausgebrochen
waren. Die Mauer spricht eindringlich von der plötzlichen Notwendigkeit, die Stadt schützen zu müssen, im 3. ebenso wie in den darauffolgenden Jahrhunderten.
Im Umfeld der ursprünglichen Siedlung und des Abflusssystems, das die Gegend erst
wirklich bewohnbar machte, entwickelte sich eine große offene Fläche zum Forum, dem
Herzen der Stadt | Abb. 9 |. Hier gingen die Bürger ihren Geschäften nach, hielten ihre
Märkte ab, bauten Tempel und Versammlungsgebäude, einschließlich des Senatsgebäudes,
8 | Roms Mauern:
die »Servianische« (rot)
und die Aurelianische
(schwarz).
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
9 | Das Forum Romanum
mit dem Tempel des Saturn
im Vordergrund und Überresten weiterer Tempel und
Straßenzügen sowie das
Kolosseum im Hintergrund.
10:25 Uhr
Seite 20
der curia; und hier befand sich auch die Plattform, von der aus politische Reden gehalten
wurden. Die sacra via, die Heilige Straße, führte durch dieses Forum, vorbei an religiösen
und öffentlichen Monumenten zu beiden Seiten. Durch die Bemühungen des visionären
Archäologen Giorgio Boni (spätes 19. Jahrhundert) blieb das wertvolle Gelände im Herzen
der Stadt der Nachwelt erhalten. Immer noch finden hier in begrenztem Maße Ausgrabungen statt.
Einer der am besten erhaltenen Tempel auf dem Forum wurde von Kaiser Antoninus
Pius zu Ehren seiner verstorbenen Frau Faustina errichtet und im Jahr 140 n. Chr. geweiht.
Nach seinem Tode erfuhr auch der Kaiser selbst hier Verehrung | Abb. 10 |. Er kann als Beispiel
sekundärer Nutzung römischer Gebäude in späterer Zeit dienen: Die Säulen an der Vorderseite des Tempels sowie die frontale Treppe und die Mauern des antiken Tempels
entsprechen dem Originalzustand, da das Gebäude im 7. oder 8. Jahrhundert n. Chr. als
Kirche S. Lorenzo in Miranda neu geweiht wurde. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde
der Kirche ihre barocke Fassade hinzugefügt. Aus genau dem gleichen Grund sind auch
viele weitere antike Gebäude noch heute ganz oder in Teilen erhalten, sowohl auf dem Forum
als auch an anderen Stellen der Stadt. Einer der faszinierendsten Aspekte der modernen Stadt
ist die unüberschaubare Anzahl von antiken römischen Bauwerken, die sich in verschiedenen Erhaltungsgraden zwischen (und unter) späteren Gebäuden finden.
Bürgerschaft und Politik
Wie sich eine Siedlung vereinzelter Hütten auf dem Palatin des 8. Jahrhunderts zur Hauptstadt eines ausgedehnten Weltreiches entwickeln konnte, ist eines der Wunder der politischen
Geschichte. Die Umsichtigkeit des Volkes und eine Reihe von erfolgreichen Regierungs-
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
10:25 Uhr
Seite 21
BÜRGERSCHAFT UND POLITIK
21
.......................................................................................................................
experimenten führten zu einer republikanischen Staatsform
mit zwei gewählten Konsuln an der Spitze. Militärische
Auseinandersetzungen, von kleineren Scharmützeln bis
zum großangelegten Krieg, spielten eine bedeutende
Rolle in der Entscheidung darüber, wer in den nächsten
Jahrhunderten nicht nur über Italien, sondern über die
gesamte Mittelmeerwelt regieren würde. Interne Krisen und
wiederholte Bürgerkriege führten die Republik jedoch an
den Abgrund, vor welchem das Reich durch Augustus,
Großneffe und Adoptivsohn des Diktators Iulius Caesar,
gerettet wurde, der im Jahr 31 de facto zum Alleinherrscher
wurde und die Republik in das römische Kaiserreich überführte. Von diesem Zeitpunkt an wurde die Macht an einen
Nachfolger als nächsten Kaiser entweder durch Familienbande oder, öfter noch, durch arrangierte Begünstigungen
beim Tode des regierenden Kaisers weitergegeben.
Das römische Bürgerrecht erlebte im Laufe der Zeit
einigen Wandel, doch gab es gewisse Grundregeln. Zunächst besaß jedes Kind eines römischen Bürgers aus einer
legalen Ehe das Bürgerrecht. Sklaven, die im Laufe ihres
Lebens ihre Freiheit erlangten (die sogenannten Freigelassenen), besaßen ebenfalls das Bürgerrecht, genossen jedoch nicht alle Privilegien und
Rechte derjenigen, die bereits als römische Bürger geboren waren. Frauen durften nicht
wählen, hielten jedoch Eigentumsrechte. Soldaten aus nicht-römischen Auxiliar-, das heißt
Hilfseinheiten, konnte nach Ende ihres Dienstes das römische Bürgerrecht zuerkannt werden. Durch die Constitutio Antoniniana weitete Kaiser Caligula im Jahr 212 n. Chr. das
Bürgerrecht auf alle freien männlichen Einwohner des Römischen Reiches aus.
Inhaber des römischen Bürgerrechts hatten bestimmte Rechte, unter ihnen das Wahlrecht,
Vertragsrecht, das Recht zu heiraten und das Recht, eigene Kinder als Bürger anerkennen
zu lassen, ebenso auch das Anklagerecht, Prozessrecht und das Recht, sich um öffentliche
Ämter zu bewerben. Diese Rechte verloren auch in den Kolonien nicht an Gültigkeit, zumal diese in den meisten Fällen von Veteranen der römischen Armee und deren Familien
besiedelt wurden.
Roms Regierungsformen hatten ihren Ursprung in der Urgeschichte der Stadt, in den
Tagen nach der Vertreibung des letzten Königs, als Beamte die relativ kleine Bevölkerung
regierten. Diese Organisationsform der bürgerlichen Verwaltung blieb über Jahrhunderte
erhalten, doch am Ende der späten Republik waren die administrativen Aufgaben stark
ausgeweitet, da nicht mehr nur die Stadt Rom, sondern ein gewaltiges Staatsgebiet mit
einer enormen Bevölkerungszahl von diesen Beamten regiert werden musste.
Die Männer, die sich einen Platz in der Regierung der Republik und der frühen Kaiserzeit sichern wollten, folgten einem vorgegebenen Weg, der als cursus honorum bezeichnet
wird, eine politische Karriereleiter, auf welcher die Politiker in einer bestimmten Abfolge
von Ämtern Aufgaben mit zunehmend größerer Verantwortung übernahmen, bis sie das
10 | Der Tempel des Antoninus Pius und der Faustina
auf dem Forum Romanum,
begonnen 141 n. Chr.
Im 17. Jahrhundert wurde
die Kirche S. Lorenzo in
Miranda in seinen Mauern
errichtet.
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
22
10:25 Uhr
Seite 22
S TA D T U N D B Ü R G E R S C H A F T
.......................................................................................................................
höchste Amt der Republik, das Konsulat, erreichten. Als besondere Ehre galt es, und wurde
mit Stolz verzeichnet, alle Ämter bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt erlangt zu haben.
Nur Aristokraten, die ein Vermögen von mindestens einer Million sestertii nachweisen konnten, durften sich für diese höheren Ämter und damit um einen Platz im Senat bewerben. Von
jedem Bewerber wurde erwartet, dass er seine Karriere mit einem zehnjährigen Militärdienst
begann, nach dem er sich um politische Ämter bewerben durfte.
Das erste Amt des cursus honorum war das des Quästors, um welches sich der Bewerber
mit dreißig Jahren zum ersten Mal bewerben durfte. Zunächst wurden pro Jahr vier Männer
in dieses Amt gewählt, doch wurde ihre Zahl im Laufe der Zeit aufgestockt, bis in der späten
Republik schließlich zwanzig Quästoren jährlich zur Verfügung standen. Diese dienten
entweder in Rom selbst oder unter einem Statthalter in der Provinz. In ihrer Verantwortung
lagen die finanziellen Belange der Stadt sowie der Getreideimport, der Rom durch die
Hafenstadt Ostia erreichte. Die Vermehrung der Zahl der Quästoren macht deutlich, dass
immer mehr Beamte gebraucht wurden, um der steigenden Bedürfnisse der Stadt Rom und
ihres Reiches Herr zu werden. Denn auch Iulius Caesar verdoppelte die Zahl der Quästoren
erneut von zwanzig auf vierzig.
Der nächste Schritt auf der politischen Karriereleiter war die Bekleidung der Prätur,
ein Amt, das die Belange der Armee sowie der Gerichtshöfe verwaltete. Auch die Anzahl dieser Beamten wurde im Laufe der Jahrhunderte erhöht, bis im frühen 1. Jahrhundert v. Chr.
acht Männer pro Jahr zum Prätor gewählt wurden. Nach der Prätur konnte der Kandidat sich
dann ins Konsulat wählen lassen. Dieses wurde jährlich an nur zwei Männer vergeben, die
dem Senat vorstanden und im Kriegsfall den Oberbefehl über die römischen Legionen führten. Ein weiteres, äußerst ehrenwertes Amt, das jedoch nicht jährlich besetzt wurde, war
die Zensur: Ihre Inhaber überwachten die Bürgerlisten und stellten die Zugehörigkeit
zum Senatoren-, Ritter- oder Bürgerstand fest. Daneben gab es noch das Amt des Ädilen, welches zwischen Quästur und Prätur eingenommen wurde und in welchem sich der Inhaber
um die städtischen Dienstleistungen kümmerte, vor allem um die öffentlichen Spiele.
Daneben hatten auch die Plebejer eigene Vertreter und eine eigene administrative Versammlung, die von Tribunen geleitet wurde. Ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. wurden Volkstribunen nach Ablauf ihres Amtes ebenfalls in den Senat aufgenommen. Da der weitaus
größte Teil dieser Ämter auf ein Jahr beschränkt war, wurde der beständige Strom unerfahrener Beamter, ob aus der senatorischen oder plebejischen Schicht, durch erfahrene
Administratoren unterstützt, die die politischen Spielregeln kannten und ihnen Hilfe und
Unterstützung in der Ausübung ihrer Ämter bieten konnten.
Gaius Iulius Caesar und das Ende der Republik
Seit dem späten 2. Jahrhundert v. Chr. hatte die römische Republik mit gewaltigen innenpolitischen Problemen zu kämpfen. Als Volkstribunen setzten sich zwei Brüder – Tiberius
und Gaius Gracchus, auch als die »Gracchen« bekannt – für eine Neuverteilung des römischen Bodens ein, welche zugunsten der Plebejer, also den ärmeren Schichten der römischen
Bürgerschaft, durchgeführt werden sollte. Damit wollten sie erreichen, dass diese wieder,
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
10:25 Uhr
Seite 23
DIE KAISER
23
.......................................................................................................................
wie in Urzeiten, als freie Bauern ihren eigenen Acker bebauten und so die Masse der verarmten städtischen Bevölkerung verringert werden konnte. Da aber zur Erreichung
dieses hehren Ziels das notwendige Land von den Großgrundbesitzern, den Patriziern, konfisziert werden musste, schürten sie politische und soziale Unruhen,
die auch nach der Ermordung der Gracchen – Tiberius im Jahr 133, Gaius im Jahr
123 v. Chr. – noch schwelten. Weitere Unruhen folgten, als im frühen 1. Jahrhundert v. Chr. zwei überaus erfolgreiche Feldherren, Marius und Sulla, ihre Heere
im Bürgerkrieg gegeneinander führten. Beide begingen das undenkliche Sakrileg,
ihre Truppen gegen Rom selbst in Bewegung zu setzen und dabei römische Bürger
zu töten. Die Republik sollte sich von einem solchen Aderlass nie wieder erholen,
zumal auch die folgenden Jahrzehnte durch beständige Auseinandersetzungen führender Politiker und wiederholte Unruhen geprägt waren.
Die letzte Krise wurde durch Iulius Caesar heraufbeschworen, dem im Jahr 46 v. Chr.
als Bürgerkriegssieger lebenslange diktatorische Gewalt zuerkannt wurde. Zunächst hatte er
sich die Macht im Reich als Teilhaber eines legitimen Dreimännerbundes (»Triumvirat«)
geteilt, bevor er nach seinem Sieg über Pompeius wiederholt in das außerordentliche Amt
des Diktators gewählt wurde. Dieses Amt ließ er sich nun vom Senat auf Dauer zuerkennen. Der Begriff »Diktator« bezeichnet in der römischen Politik einen legitimen Herrscher,
der für eine durch den Senat festgelegte, zumeist kurzfristige Periode alleinige Macht über den
Staat ausübte. Durch die Ernennung zum Diktator auf Lebenszeit überschritt Caesar die
Grenzen republikanischer Verfassung. Anhänger der Republik und ihrer Traditionen konnten dies nicht tolerieren und ermordeten Caesar am 15. März des Jahres 44 v. Chr.
Eine Münze mit dem Abbild Caesars | Abb. 11 | zeigt diesen mit Lorbeerkranz, einem
langen, dünnen Hals und strengen Gesichtszügen. Andere Portraits zeigen ihn mit knollenartigem Schädel und es wird behauptet, er hätte durchdringende Augen und eine dominante Präsenz gehabt. Tatsächlich reicht ein Blick in seine Beschreibung der Gallischen
Kriege – bis heute Pflichtlektüre für Lateinlernende –, um die überragende Selbstsicherheit des Mannes zu verstehen.
Die Kaiser
Nach Caesars Tod bildete sich ein zweites Triumvirat, das aus Oktavian (Caesars Großneffe
und Adoptivsohn), Marcus Antonius und Marcus Lepidus bestand. Doch auch dieses
Triumvirat war nicht von Dauer, so dass sich Rom bald in einen erneuten Bürgerkrieg verwickelt sah, aus dem Oktavian schließlich als Sieger hervorging. In der Schlacht bei Aktium
im Jahr 31 v. Chr. besiegte er Marcus Antonius und Kleopatra VII., die Königin von Ägypten.
Vier Jahre später wurde er im Senat zum princeps ernannt, ein durchaus republikanischer
Titel, der nun jedoch eine neue Bedeutung annahm. Auch der Ehrenname »Augustus« (»der
Erhabene«) wurde ihm verliehen, ein Titel, der auf die glorreichen Ursprünge der Stadt
verwies und welchen in seiner Nachfolge Kaiser bis in die Neuzeit hinein tragen würden. Auch
die Titel pontifex maximus und imperator wurden fortan nur noch von den Kaisern getragen
und unterstrichen ihren Anspruch, als oberster Priester Roms sowie als Oberbefehlshaber
11 | Münze des Gaius Iulius
Caesar. Silber denarius.
44 v. Chr., in den letzten zwei
Monaten seines Lebens
geprägt. Durchmesser
1,9 cm, Gewicht 3,92 g.
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
24
10:25 Uhr
Seite 24
S TA D T U N D B Ü R G E R S C H A F T
.......................................................................................................................
12 | Portraitkopf des
Kaisers Augustus. Bronze,
Augen aus Glas und Stein.
Aus Meröe im Sudan. Wahrscheinlich in Ägypten
gefertigt. Ca. 27–25 v. Chr.
H. 47,7 cm.
der römischen Truppen zu gelten. Viele der traditionellen kaiserlichen Titel, die wiederholt in formelhaften Sentenzen auf Münzen und in Inschriften verwendet
werden, nehmen ihren Ursprung in den Eigennamen dieser Umbruchszeit: So
wurden die ursprünglichen Namen »Caesar« und »Augustus« zu den Herrschaftstiteln der Spätantike. Zogen Kaiser mit ihren Truppen ins Feld, so konnten sie
der offiziellen Titulatur weitere Ehren- oder Siegertitel hinzufügen, wie beispielsweise Germanicus als Sieger über die Germanen oder auch Britannicus nach
seiner Eroberung Britanniens.
Augustus maß seiner Darstellung in Portraits große Bedeutung bei, von denen
viele bis heute erhalten sind, da diese kaiserlichen Bildnisse seine Macht im Reiche
festigen sollten und somit in großem Maße über das Reich verteilt wurden.5 Hierin folgte er dem Beispiel Caesars, der sein eigenes Bild auf die von ihm in Umlauf gebrachten
Münzen prägen ließ. Ein großer Bronzekopf des Augustus, der in Meroë an den Oberläufen des Nils im Sudan gefunden wurde | Abb. 12 |, zeigt seine attraktiven Züge, die gerade
Nase, hohe Wangenknochen, volle Lippen und ein ausgeprägtes Kinn. Das Haar ist typisch
frisiert, mit in die Stirn gekämmten, kurzen Locken, eine Darstellungsart, die sich auf allen Herrscherportraits des Iulisch-Claudischen Kaiserhauses findet. Auch die Kopfform
des Augustus, der knollenartige Schädel, bleibt nicht einzig typisch für seine Portraits,
sondern wird auf die seiner Familienangehörigen übertragen. Der Bronzekopf ist durchaus
ungewöhnlich, da zum einen nur wenige Bronzeportraits erhalten sind und zum anderen
auch die Augen des Kopfes, die aus Glas und Stein gefertigt wurden, den Lauf der Jahrhunderte überdauerten. Die unregelmäßige Kante des unteren Halsbereiches lässt vermuten, dass
der Kopf Teil einer Statue war, die im Laufe eines numidischen Plünderungszuges zerstört
wurde. Der Kopf fand sich unter den Stufen eines Viktoria-Tempels vergraben, ein Akt, durch
welchen die Einwohner den römischen Kaiser vermutlich symbolisch zu entehren suchten.
Ein weiteres Portrait des Augustus | Abb. 13 | zeigt ihn auf einer großen, prächtigen Gemme. Der Stein ist ein braun-weißer Sardonyx, der äußerst geschickt geschliffen wurde, so dass
sich Kopf und Schultern vor dem Hintergrund deutlich abheben. Der Harnisch des Kaisers
ist farbig gestaltet. Die Details der Rüstung entsprechen der, die typischerweise von der Göttin Minerva getragen werden: Sie zeigen das Haupt der Medusa, umgeben von Schlangen. Die
juwelenbesetzte Krone ist nicht antik.6 Diese Art von Gemmen waren wertvolle Geschenke
innerhalb des engsten kaiserlichen Umfelds und wurden oft von König zu König und Kaiser
zu Kaiser weitergereicht.
Mit seiner Frau Livia war Augustus 52 Jahre lang verheiratet. Innerhalb der kaiserlichen
Familie nahm Livia eine überaus dominante Position ein. Zum ersten Mal in der römischen
Geschichte hatte eine Frau gemeinsam mit ihrem Mann tatsächliche Macht inne, was die
Verleihung des Titels Augusta durch das Testament des Kaisers noch verdeutlicht. Ihre
Ehe begann allerdings auf eine recht unkonventionelle, fast schon skandalöse Weise: Sowohl
Augustus als auch Livia mussten sich zunächst scheiden lassen, um einander heiraten zu können. Darüber hinaus war Livia zu dieser Zeit mit dem zweiten Sohn ihres ersten Mannes
schwanger. Gleichwohl trat sie für Ehe und Moralität ein und wurde so in den Augen der
Öffentlichkeit zum Vorbild der tugendhaften Frau. In dieser Rolle unterstützte sie das
Programm ihrer Mannes zur Förderung der Familientradition. Auf der anderen Seite hafte-
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
10:25 Uhr
Seite 25
DIE KAISER
25
.......................................................................................................................
te Livia selbst beständig der Ruf einer äußerst intriganten Frau an, die alles daran setzte,
ihren Sohn Tiberius als Nachfolger des Augustus auf den Thron zu verhelfen. Hartnäckig
hielt sich auch das Gerücht (das aber wahrscheinlich nicht den Tatsachen entspricht), sie
sei schließlich so weit gegangen, ihren Mann durch ein Feigengericht vergiftet zu haben.7
Ein Marmorkopf zeigt Livia mit recht ausdrucksstarken Zügen | Abb. 14 | Ihre Haare
sind streng zurückgekämmt und am Hinterkopf in einem Knoten zusammengenommen. Über der Stirn wurden die Strähnen nach oben gebürstet und in einem nodus,
einer »Welle«, zusammengerollt, sowie an beiden Seiten in leichten Locken arrangiert.
Die Haartracht der Kaiserin wurde von unzähligen Frauen ihrer Zeit kopiert, eine
Imitationspraxis, die sich in der römischen Kaiserzeit immer wieder findet.
Livia bekam ihren Willen: Tiberius, ihr Sohn aus erster Ehe, folgte Augustus auf den
Thron. Nachdem seine erwählten Nachfolger und Enkel, Gaius und Lucius, bereits jung
verstorben waren, blieb Augustus schließlich kaum mehr eine andere Wahl. Die hierdurch
gegründete Iulisch-Claudische Dynastie nahm ihren Namen aus dem Zusammenschluss der
zwei alten patrizischen Familienzweige: der Iulier, als Familie des Caesar und Augustus einerseits, und der Claudier, als Familie des Tiberius-Vaters andererseits. Tiberius war ein sehr
introvertierter Mensch und mag ob seiner Behandlung durch Augustus durchaus verbittert
gewesen sein, da er in dessen Augen stets nur die zweite Wahl war. Dennoch trug er die
Verantwortung für eine Reihe von imposanten öffentlichen Projekten und erwies sich
den Gemeinden in Kleinasien gegenüber als überaus großzügig, als diese im Jahr 17 n. Chr.
von einem heftigen Erdbeben erschüttert wurden. Auf Tiberius folgte Gaius, der besser
unter seinem Spitznamen Caligula (»Stiefelchen«) bekannt ist – dieser Name beruht darauf,
dass er die Kindheit im Feldlager seines Vaters Germanicus verbrachte, wo er kleine, den
Soldatenstiefeln nachempfundene Schuhe trug. Seine Regierungszeit von nur vier Jahren
gilt als Zeit von Angst und Hass auf den, wie vermutet wurde, geistesgestörten Kaiser.
Auch der nächste Kaiser stammte aus der Familie der Claudier, hieß passenderweise Claudius. Tatsächlich war er der Onkel des Gaius, doch waren seine Ansprüche auf den Thron zunächst missachtet worden – vermutlich, weil er als äußerst ruhiger, gelehrter Mann galt, dem
die Leitung des Reiches nicht zugetraut wurde, und das wohl auch auf Grund einiger körperlicher Behinderungen. Doch erwies er sich als durchaus fähiger Kaiser und setzte die
Fertigstellung einer Reihe von öffentlichen Projekten in Gang: unter ihnen die Vollendung
der Aqua Claudia, eines Aquädukts in der Nähe Roms und des Hafens von Ostia.
Claudius war bereits fünfzig Jahre alt, als er zum Kaiser ernannt wurde. Die Macht fiel
ihm mehr oder weniger zufällig zu, da er sich während der Ermordung des Caligula
im Palast aufhielt und sich hinter einem Vorhang vor den Soldaten versteckte. Als er
von diesen entdeckt wurde, erkannten sie ihn als Mitglied des Kaiserhauses und riefen
ihn zum Kaiser aus, eine Wahl, die bald von allen anerkannt wurde.8
Beschreibungen von Claudius sind im Normalfall alles anderes als vorteilhaft:
An eindrucksvoller Würde der äußeren Erscheinung fehlte es ihm keineswegs, sei es,
dass er stand oder saß und vor allem, wenn er auf dem Ruhebett lag. Denn er war groß,
aber nicht mager, hatte ein attraktives Gesicht, grau werdendes Haar und einen starken
Nacken. Beim Gehen aber verließ ihn die Kraft in den schwachen Kniegelenken und
13 | Kamee mit Kopf und
Büste des Augustus mit
einer Aegis der Minerva.
Sardonyx. H. 12,8 cm,
B. 9,3 cm.
14 | Portraitkopf der Livia.
Marmor. H. 28 cm.
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
26
10:25 Uhr
Seite 26
S TA D T U N D B Ü R G E R S C H A F T
.......................................................................................................................
beim Sprechen, sei es scherzhaft oder über ernste Dinge, verunstaltete ihn mehreres: ein
ordinäres Lachen und noch mehr sein häßliches Aussehen im Zorn, wenn ihm der
Schaum vor den Mund trat und die Nase tropfte. Außerdem stotterte er und wackelte
beständig mit dem Kopf, was sich bei der geringsten Tätigkeit noch steigerte.9
Unten links:
15 | Portraitkopf des Clau-
dius, vielleicht auch Nero.
Bronze. In der Alde bei
Rendham, in der Nähe von
Saxmundham, Suffolk,
gefunden. 1. Jahrhundert
n. Chr. H. 30 cm.
Unten rechts:
16 | Portraitkopf des Vespa-
sian. Marmor. 70–80 n. Chr.
Aus Karthago. Bei Ausgrabung von Sir Thomas Reade
gefunden, 1835/6.
H. 40,6 cm.
Dieser Bericht stammt aus der Feder Suetons, der seine Kaiserbiographien in den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts n. Chr. schrieb. Er ist eine der wichtigsten Quellen für Anekdoten über die ersten zwölf Kaiser, doch müssen seine Beschreibungen mit Vorsicht genossen
werden. Die Darstellung der römischen Geschichte ist abhängig von derartigen Quellen,
doch muss sie durch zusätzliche Informationen, die durch Inschriften oder durch die Archäologie gewonnen werden, ergänzt werden (siehe Kapitel 9).
Ein überlebensgroßes Bronzeportrait des Claudius (vielleicht handelt es sich aber auch
um Nero) wurde im Flussbett des Alde in Suffolk gefunden | Abb. 15 |. Claudius wird entsprechend der Iulisch-Claudischen Ikonographie mit in die Stirn gekämmten Haaren dargestellt
und mit ungewöhnlich großen Ohren. Claudius war der erste Kaiser, der Britannien eroberte; somit ist es nicht verwunderlich, dass seine Statue hier gefunden wurde. Camulodunum
(Colchester), im Süden des Flusses gelegen, war Residenz des mächtigsten Stammes dieser
Gegend und wurde nach ihrer Eroberung kurzzeitig zur Hauptstadt der neu errichteten
römischen Provinz.
Das Ende der Iulisch-Claudischen Dynastie wird durch den Tod des Kaisers Nero im
Jahr 68 n. Chr. markiert. Nero wird als ausgearteter und verderbter Herrscher dargestellt, ein
Größenwahnsinniger, der zwei seiner Frauen und seine Mutter umbringen ließ. Er forderte
beständige Aufmerksamkeit und allgemeine Bewunderung, wenn er vor Publikum als
Musiker und Sänger auftrat.10
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
10:25 Uhr
Seite 27
DIE KAISER
27
.......................................................................................................................
Nach dem Ende der ersten Kaiserdynastie wurde die Nachfolge – in den Fällen, in denen kein legitimer Erbe zur Verfügung stand – durch Waffengewalt geregelt. Entsprechend
konnten beim Tod des rechtmäßigen Kaisers an allen Enden des Römischen Reiches neue
Herrscher ausgerufen werden, die ihren Anspruch auf den Thron geltend zu machen suchten. Dies gilt besonders für das Jahr 69, das auch als »Vier-Kaiser-Jahr« bekannt ist, da sich
nach dem Tod Neros gleich vier Anwärter auf seine Nachfolge fanden. Es folgte ein blutiger
Kampf um den Thron, doch blieb derartiges glücklicherweise bis zum Tod des Commodus,
123 Jahre später, zunächst einmalig. Nachdem Nero zum Selbstmord getrieben worden
war, herrschten in den Jahren 68 und 69 n. Chr. kurzfristig drei Männer als
Kaiser, bis sich Vespasian schließlich als Nachfolger etablieren und die
Flavische Dynastie begründen konnte. Vespasian stammte nicht aus
einer senatorischen Familie, sondern gründete seine Macht auf die
Armee. Seine Portraits sind – anders als die der Iulier und Claudier –
nicht idealisiert; vielmehr wird er als der reife Mann dargestellt, der er
war und mit starken, aber freundlichen Zügen charakterisiert | Abb. 16 |.
Nach den Ausschweifungen Neros war der neue Kaiser eine willkommene
Abwechslung. Der abgebildete Marmorkopf wurde in den 1830er Jahren in
Karthago ausgegraben; die zerstörten Teile seines Gesichts wurden zu dieser Zeit
nicht restauriert: So fehlen bis heute die Nase und ein Ohr.
Als Vespasian sich zum Kaiser erhob, ließ er seinen Sohn Titus als Befehlshaber der
Armee in Palästina zurück, wo sich die Juden im Aufstand gegen die Römer erhoben hatten.
Titus führte den Krieg gegen die Juden auf besonders brutale Art, besiegte sie schließlich und
zerstörte den großen Tempel von Jerusalem, bis auf ein einziges Fragment, die Westliche Mauer, besser bekannt unter dem Namen »Klagemauer“. Bei seiner Rückkehr nach Rom wurde
ihm ein Triumph zuerkannt, und der Titusbogen wurde ihm zu Ehren errichtet. Szenen des
Triumphes sind im Relief dargestellt (Seite 41, Abb. 33). Der gewissenhafte Titus folgte
seinem Vater auf den Thron; nach ihm herrschte sein undurchsichtiger jüngerer Bruder
Domitian: Auch dieser galt als einer jener Kaiser, der hinter jedem Menschen seiner Umgebung einen möglichen Attentäter vermutete, und ein Heer von Spitzeln aufbaute, um sich
zu schützen. Sein ausgedehnter Palast auf dem Palatin wurde von seinen Nachfolgern noch
Jahrhunderte lang als Residenz genutzt.
Nerva, der nächste Kaiser, herrschte nur zwei Jahre, doch sein Amtskollege und Nachfolger Trajan gilt als einer der bedeutendsten Herrscher des Römischen Reiches. Er stammte
aus Italica, einer Stadt in Spanien, knapp acht Kilometer von Sevilla entfernt. Schon früh
interessierte er sich für den Dienst an der Gemeinschaft, nicht nur in seiner Heimatstadt,
sondern im gesamten Imperium. Als überaus fähiger Heerführer fügte er dem Reich neue
Gebiete hinzu, so dass das Imperium unter seiner Herrschaft die größte Ausdehnung erreichte
(Seite 10/11, Abb. 3). Er verschönerte die öffentlichen Plätze Roms durch den Bau eines
neuen Forums mit einem mehrstöckigen Marktkomplex: das sogenannte Trajansforum
(Seite 76, Abb. 65).
Ein Portrait Trajans | Abb. 17 | zeigt diesen mit den typischen hohen Wangenknochen
und einer tiefliegenden, knöchernen Stirn, die durch das ins Gesicht fallende Haar besonders
betont wird. Seine tiefliegenden Augen verstärken den Eindruck seiner Intelligenz und
17 | Portraitbüste Trajans.
Marmor. 108–117 n. Chr.
1776 bei Rom gefunden.
H. 67,5 cm.
Ramage_Rom_1.AK:Ramage_Rom
25.01.2012
28
10:25 Uhr
Seite 28
S TA D T U N D B Ü R G E R S C H A F T
.......................................................................................................................
Bronzestatuen
Ein überlebensgroßer Bronzekopf Hadrians wurde
1834 in der Themse in der Nähe der London Bridge
gefunden. Hadrian hatte das ferne Britannien im
Jahr 122 n. Chr. besucht, was den Entstehungszeitpunkt des Portraits
markieren könnte. Der Vollbart des Kaisers ist detailliert und sorgfältig
ausgearbeitet, so dass
das Portrait eine außergewöhnliche Schönheit
annimmt.
Der Hals der Statue
weist zwei quadratische
Einsätze auf, von denen einer
herausgefallen ist. Darüber
hinaus finden sich eine
Anzahl kleinerer Flicken.
Dies sind für Bronzestatuen
typische Reparaturarbeiten,
um im Herstellungsprozess
entstandene Unebenheiten aus-
18 | Portraitkopf Hadrians. Bronze. 2. Jahrhundert n. Chr.
zugleichen, die durch den Guss geschmolzenen
Metalls in eine Hohlform entstehen. Alle Bronzearbeiten ab einer bestimmten Größe sind innen hohl,
um einerseits das Fehlerrisiko zu verringern, andererseits den Materialverbrauch zu minimieren. Um
eventuelle Fehler auszumerzen, wurden bei Fertigstellung der Bronze Unebenheiten herausgeschnitten und mit nachträglichen Flicken versehen. Diese
Flicken wurden mittels eines Hammers in die entsprechenden Stellen eingepasst und dann auf Hochglanz poliert, um Unregelmäßigkeiten der Statuenoberfläche zu vermeiden. In manchen Fällen wurde
darüber hinaus ein gefärbtes Wachs verwendet,
um Risse oder auch Luftblasen, die während des
Gießens entstanden sind, zu füllen.
Die Römer galten als geschickte Metallschmiede,
die diese Technik von ihren griechischen, etruskischen und nahöstlichen Nachbarn gelernt und
dann verfeinert hatten. Metallarbeiten wandten sie
jedoch nicht nur für die unterschiedlichen Kunstwerke an, sondern auch für Gefäße, Inschriften und
kleinere Werkzeuge. Größere Werkzeuge sowie
Klammern und Nägel wurden aus Eisen hergestellt
(siehe Seite 77, Abb. 66).
Gefunden in der Themse bei London, 1834. H. 43 cm.
starken Persönlichkeit. Der neuen Mode des 2. Jahrhunderts n. Chr. entspricht die Ausarbeitung nicht nur des Kopfes, sondern auch der (heroisch) nackten Brust des Kaisers. Auf Münzen ist er fast immer im Lorbeer- oder Strahlenkranz dargestellt.
Nach Trajans Tod übernahm dessen Cousin zweiten Grades, Hadrian | Abb. 18 |, 117 n. Chr.
die Herrschaft. Angeblich hat Trajan seinen Nachfolger kurz vor seinem Tod adoptiert,
doch konnte dies nie bewiesen werden und mag eine Erfindung der Trajanswitwe Plotina sein.
Hadrian war einer der kultiviertesten der römischen Herrscher und bereiste das gesamte
Reich. Seine besondere Aufmerksamkeit galt den Griechen, im Besonderen Athen, deren
Kultur er offene Bewunderung entgegenbrachte. Diese Bewunderung mag als Erklärung
dafür dienen, warum er in Anlehnung an die berühmten Philosophen Athens als erster der
Kaiser und entgegen römischer Sitte einen Bart trug. Er hatte sowohl eine Frau, Sabina, als
Herunterladen