Abb. 113: Im Jahre 1971 fand H. Kretschmann in den Sanden der Oberen Siißwassermolasse das Skelett eines Urelefanten (Gomphotherium anguslidens Cuvier). Dieses Tier lebte vor 10 Millionen Jahren im Alpenvorland. Foto: Bayerischer Industrieverband Steine und Erden e. V 194 Kiesgrube und Landschaft, 3. Auflage, 1998 Paläontologische, prähistorische und historische Funde Beim Sand- und Kiesabbau stößt man immer wieder auf Lebensspuren längst vergangener Zeiten. Knochenfunde von Tier und Mensch, Werkzeuge, Schmuck und Waffen werden ausgegraben. Für diese Funde besteht eine gesetzliche Meldepflicht bei den zuständigen Stellen (Kreisverwaltungsbehörde, Staatssammlung für Paläontologie, Landesamt für Denkmalpflege). Ihre Erhaltung ist eine moralische Verpflichtung: Alle Fundstücke aus früheren Zeiten sind längst Volkseigentum geworden, auch wenn sie aus privaten Grundstücken entnommen werden. Bereits aus dem Erdmittelalter (vor 220 bis 70 Mio. Jahren) sind Schleifspuren und Trittsiegel von Tieren aus den Sandsteinschichten bekannt. Eindrucksvoller sind dann die Knochen- und Zahnfunde von Großsäugern aus der Jungtertiärzeit (vor 20 bis 10 Mio. Jahren). Aus der Vielzahl dieser Funde seien hier die Elefanten-Verwandten herausgestellt. In den Kiesen und Sanden finden sich Knochen, Zähne und Stoßzähne vom "Hauer-Elefanten" (Dinotherium, s. Abb. 115) und vom "Zitzenzahn-Elefanten" (Gomphotherium, s. Abb. 116). Die Schotter der Würmeiszeit (Ablagerungszeitraum vor 115000 bis 10000 Jahren) sind Fundstätten von Überresten des ausgestorbenen "Mammuts" (Elephas primigenius, s. Abb. 117). Auch Pflanzenreste haben sich in den sandigen und kiesigen Sedimenten erhalten, insbesondere "versteinerte" (verkieselte) Hölzer aus vorquartärer Zeit. Eichenstämme, sogenannte "Mooreichen" (ihr Holz ist von Huminsäuren schwarz gefärbt) werden immer wieder bei Naßbaggerungen in jungen Kiesen (Quartär) der Flußtäler zu Tage gefördert. In den Zwischenschichten der Sand- und Kieslagerstätten zeugen Kohle- und Torfschichten von früherem pflanzlichen Leben. An Fossilfunden lassen sich die Entwicklungsgeschichte des Lebens, aber auch Klimaveränderungen ablesen. Mit dem Eintritt des Menschen in die Erdgeschichte (vor ca. 2,5 Mio. Jahren) lassen sich häufig in den obersten Schichten von Sand- und Kiesvorkommen dessen Spuren nachweisen. Die Antropologen ("Menschenforscher") interessieren sich für Knochenfunde und die Prähistoriker und Historiker für Spuren menschlicher Kulturen, z. B. Wohnbauten, Straßen, Werkzeuge, Hausgeräte, Opfer- und Weihegaben, Schmuckgegenstände, Waffen und Münzen. Abb. 114: Beispiel einer guten Zusammenarbeit des Abbauuntemehmens mit dem Denkmalamt: Nach dem Abtragen der Humusschicht stellte das Abbauuntemehmen Boden verfärbungen fest und verständigte daraufhin das Denkmalamt. Dieses hat mit freiwilligen Helfem innerhalb einer Woche die Überreste einer interessanten neolithischen Ansiedlung bei AugsburgFoto: M. Egger fnningen rellen können. Bei solcher Zusammenarbeit wird der Kiesabbau kaum beeinträchtigt. 195 Pafäol1/ofogische. prähistorische und historische Funde Abb.115: Unterkiefer eines Hatterelefanten (Dinotherium giganteum Kaup). Fundort: Ebing am Inn. Der Hauerelefant halle im Oberkiefer keine Stoßzähne. Er lebte im Obermiozän/Pliozän. Foto: Bayerische SLaaLssammlung für Paläontologie Abb.116: Schädel eines Zitzenzahnelefanten (Gomphoterium angustidens CL/vier), Fundort Mühldorf/lnn. Er halle im Ober- und Unterkiefer Stoßzähne und lebte im Obermiozän. Foto: Bayerische Staatssammlung für Paläontologie Aus der Urnenfelderzeit, der Zeit zwischen dem 12. und 8. Jahrhundert vor Chr., stammen Bronzeschwerter, die man bei Naßbaggerungen in Flußtälern findet (s. Abb. 119). Beim Tode eines Kriegers wurden ie vermutlich als Opfergabe im Fluß versenkt, da nach alten GlaubensvorsteUungen der Grenzfluß am Eingang des Reichs der Toten bewacht ist. Der Krieger selbst wurde verbrannt und in einer Urne bestattet. Solche Urnen werden immer wieder beim Trockenabbau auf Hoch- und Niederterrassen gefunden. Zwischen 15 vor und 400 nach Chr. waren die Römer in unserem Land. Sie hinterließen Gräber mit reichen Beigaben, Gehöfte, Siedlungen, Befestigungsanlagen und Straßen. Grabungsfunde menschlicher Tätigkeit verweisen nicht nur auf vergangene Kulturen und Völker mit ihren Herrschaftsstrukturen (z. B. Kelten, Germanen, Römer, Bajuwaren), sondern auch auf ihre religiösen VorsteUungen und Rituale. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Art der Bestattung. Abb. 119: In späteren Zeiten wurde In Abhängigkeit von religiösen der Rohstoff Kies von der Bronze Weltanschauungen haben unsere ersetzt. Bronzeschwerter waren eleVorfahren ihre Toten verbrannt gante Waffen der wehrbaren Männer. und in Urnen beigesetzt oder in Foto: Prähistorische Staatssammlung München verschiedensten Körperhaltungen In der Altsteinzeit haben die Jäger und Sammler aus behauenen Steinen Werkzeuge gefertigt. Mit Seßhaftwerdung in der Jungsteinzeit vor etwa 7000 Jahren wurden die Steine durch Sägen, Bohren und Schleifen fein bearbeitet (s. Abb. 118). Bevorzugt wurden dabei besonders "zähe" Gesteine wie Diorit, Diabas und Serpentinit. Abb.1l8: Unsere Vorfahren fertigten ihre Steinäxte aus groben Kiesgeröllen der alpinen Flüsse. Foto: Prähistorische Staatssammlung München 196 Abb.117: Oberkiefer eines Steppenelefanten aus dem Pleistozän. Er wurde in den Rheinscholfem bei Rohrdorf (Wannen) gefunden. Foto: Bayerische Staatssammlung für Paläontologie Paläontologische, prähistorische LInd historische Funde Abb. 120: Teilstück der Via Claudia bei Untermeitingen im Landkreis Augsburg. Das während des extremen Trockensommers 1976 angefertigte Luftbild zeigt deutlich die römischen Materialgruben links und rechts der römischen Straßenterrasse, die dunklen Flecke sind kleine, wiederverfüllte Kiesentnahmestellen ("Seitenentnahmestellen"), die der Instandhaltung dieser wichtigen römischen Fernverbindung dienten. Luftaufnahme: G. Krahe (Freigeg. Reg. von Obb. es 300/7456). begraben. Vor der Christianisierung wurden je nach gesellschaftlicher Stellung und religiösem Denken die unterschiedlichsten Dinge mit ins Grab gegeben, z. B. Küchengeschirr, Nahrung für das Jenseits, Karaffen, Streitwagen und Pferde. Im Laufe der Millionenjahre hat sich vieles im Sand und Kies angesammelt, vom Wasser eingespült oder durch Menschenhand begraben. Nur ein Teil dieser stummen Zeugen vergangener Zeit ist geborgen, präpariert und in Museen zur Schau gestellt. Die Bagger arbeiten Tag für Tag weiter und fördern neue Funde aus paläontologischer, prähistorischer und historischer Zeit. Abb. 121: Im Kiesgrubengelände von Augsburg-Inningen konnten im Laufe der Jahre beim Kiesabbau immer wieder bedeutende Siedlungs- und Bestattungsfunde geborgen werden, hier eine spätrömische Halskeue. Foto: M. Egger Literatur DA HEIMER, H., FINK, R., 1968: Fundort Bayern, München und Zürich. FREU OE DER BAYERISCHEN STAATSSAMMLUNG FÜR PALÄO TOLOGIE U 0 HISTORISCHE GEOLOGIE, MÜ CHEN E. V.. 1979: Leben und Vorzeit. München. - o. J.: Sand, Kies und Knochen. München. LANDSCHAFfSVERBAND RHEINLA 0; ARCHAOLOGISCHER PARKIREGIO ALMUSEUM XANTEN, in Zusammenarbeit mit dem RHEINISCHE AMT FÜR BODENU 0 DENKMALPFLEGE: 1993: Geschichte aus dem Kies. eue Funde aus dem alten Rhein bei Xanten. Köln. PRÄHISTORISCHE STAATSSAMMLUNG, 1982: Archäologie in Bayern. München. - 1992: Das keltische Jahrtausend. München. PRÄHISTORISCHE STAATSSAMMLU G MÜNCHEN und AMT DER SALZBURGER LANDESREGIERUNG. 1998: Die Bajuwaren. Rosenheim. Mattsee. Abb.I22: Inventar des reichen Frauengrabens von Wöhringen (15 km südlich der ehemaligen Provinzhauptstadt Augusta Vindelicorum, dem jetzigen Augsburg). Datierung.Anfang 3. Jahrhundert nach Christus. Entdeckt wurde der Siedlungs- und Bestallungsplatz bei der Erweiterung einer Kiesgrube. Foto: Prlihistorische Staatssammlung München 197