Nanostrukturierte Materialien - Humboldt

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Abb. 1
Oben: Dr. Klaus Rademann, Professor für Physikalische und Theoretische
Chemie am Institut für Chemie der Humboldt-Universität zu Berlin im
Labor bei der Herstellung von Goldnanopartikeln.
Links: Neuartige, stabile SIMO-Gläser mit Silbernanopartikeln sind perfekte Substrate für die oberflächenverstärkte Raman-Spektroskopie (SERS)
von kleinen Molekülen (z. B. Adenin).
(Quelle: A. Simo et al., ChemPhysChem, 12, 1683, 2011)
derart in Form, Größe, Material und Umgebung zu
beeinflussen, dass diese Effekte gezielt zu Tage treten und über einen langen Zeitraum stabil bleiben.
KLAUS RADEMANN
Die Arbeitsgruppe konzentriert sich dabei auf vier
Schwerpunkte: Die Einbettung von Metallnanoparti-
Nanostrukturierte Materialien
keln in perfekte Glasmatrices (Natronkalkgläser),
die größen- und ligandenumgebungsgesteuerte Katalyse mit Edelmetallnanopartikeln (z.B. Gold) sowie
Die im Arbeitskreis Rademann synthetisierten nanostrukturierten Materialien
die Darstellung von Metallnanopartikeln (z.B. Bis-
dienen der Untersuchung neuer optischer Bauteile, Thermoelektrika sowie der
mut) zur Untersuchung thermoelektrischer Effekte.
Entwicklung neuer, selektiver, quasihomogener Katalysatoren auf Edelmetall-
Ein weiteres Feld der Untersuchungen der Arbeits-
basis. Ziel ist es, das grundlegende Verständnis über die Einflussfaktoren wie
gruppe Rademann stellt die Charakterisierung der
Form, Größe, Kristallstruktur (Polymorphismus) und Material auf die Eigen-
Oberflächen in ihrer lokalen Struktur im Nanome-
schaften der Nanomaterialien zu erweitern. Nanomaterialien der Münzmetalle
terbereich dar. Diese Erkenntnisse werden für die
und schweren Elemente der 5. Hauptgruppe (Antimon, Bismut) stellen einen
oberflächeninduzierte, kontrollierte Bildung poly-
Kernuntersuchungsgegenstand dar.
morpher Modellsubstanzen (z.B. Koffein) genutzt.
Allgemeine Einführung in das Fachgebiet
Für die Darstellung der Nanopartikel werden neben
Nanostrukturierte Materialien zeigen eine Vielzahl
der klassischen nasschemischen Reduktionsmetho-
neuer und interessanter Eigenschaften. Dazu
de ebenso Laserablation- und Ionenaustauschver-
gehören neben mechanischen und ma-
fahren mit anschließender Reduktion genutzt. Die
gnetischen Effekten vor allem optische,
gewonnenen Nanomaterialien werden anschließend
katalytische und elektronische Eigen-
hinsichtlich der lokalen Struktur mittels UV-Vis-
schaften. Ziel ist es, Nanomaterialien
Spektroskopie, Rasterkraftmikroskopie (AFM) und
Internet
www.chemie.hu-berlin.de/agrad
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Rasterelektronenmikroskopie (ESEM) sowie Trans-
ter lokalisiert in grenznahen Schichten im Glas zu
missionselektronenmikroskopie (TEM), Röntgen-
erzeugen. Im Besonderen erfolgt ein Screening re-
Kleinwinkelstreuung (SAXS) und dynamischer
levanter Übergangsmetalle zur systematischen und
Lichtstreuung (DLS) untersucht und anschließend
komparativen Analyse der Unterschiede in grund-
hinsichtlich ihrer gewünschten optischen, elektri-
legenden Bildungsmechanismen. Für ein gezieltes
schen und katalytischen Parameter getestet.
Design optischer Systeme ist ein grundlegendes
Verständnis der Bildungsmechanismen von Über-
Forschungsprojekte
gangsmetallclustern im Glas notwendig. Systema-
Nanostrukturierte Materialien haben ein breites
tische Studien zu Unterschieden in Nukleations-
Anwendungsspektrum. Die Arbeitsgruppe Rade-
und Wachstumsvorgängen werden durchgeführt,
mann beschäftigt sich mit vier Kernprojekten:
um diese Prozesse dahingehend zu kontrollieren
SIMO-Gläser, Edelmetallnanopartikel in der Kata-
und zu optimieren, dass ortsaufgelöst plasmoni-
lyse und nanostrukturierte Thermoelektrika sowie
sche Strukturen im Glas erzeugt werden können.
oberflächeninduzierter Polymophismus.
Zeitaufgelöste Messungen der Röntgenkleinwinkelstreuung tragen zur Aufklärung der Nukleati-
SIMO-Gläser
onsmechanismen von Übergangsmetallen in einer
Das Projekt der SIMO-Gläser leistet einen Beitrag
Glas-Matrix bei. Durch Messungen der Kleinwin-
zu dem modernen Gebiet der Plasmonik, insbe-
kelstreuung können dabei direkt Aussagen über
sondere Sensorik. Das Motiv der angestrebten Un-
Größe und Größenverteilungen getroffen werden
tersuchungen ist die Erzeugung von definierten
und damit mechanistische Erklärungen gewonnen
Metallcluster-dotierten Schichten innerhalb der
werden. Die so erzeugten plasmonischen Struktu-
Glasmatrix. Ein Schwerpunkt ist dabei die Entwick-
ren finden Anwendung in der optischen Nahfeld-
lung eines quantitativen Verfahrens, welches er-
verstärkung. Die entwickelten Substrate können
laubt, hohe Konzentrationen neutraler Metallclus-
z.B. für Oberflächenverstärkte Raman-Streuung
(SERS) und für die Metall-verstärkte Fluoreszenz
(MEF) eingesetzt werden (siehe Abb. 1).
Abstract
Novel materials in the form of micro- and na-
Edelmetallnanopartikel-Katalyse
nocrystals are very promising for applications
Goldnanopartikel fungieren als Ausgangspunkt ka-
in the fields of catalysis, optics and thermo-
talytischer Untersuchungen der Reduktion von
electrics. We study the basic formation me-
p-Nitrophenol mit Natriumborhydrid. Hierbei spielen
chanisms of precious metal nanoparticles
Form, Größe und Umgebung der Goldnanopartikel
(copper, silver, gold). It is a great challenge to
eine sehr entscheidende Rolle. Goldnanopartikel
control coarsening processes (Ostwald ripen-
auf Basis der Keim-Wachstumsmethode dienen zur
ing) of nanoparticles and fabricate long-term
Untersuchung der Größenabhängigkeit der Katalyse
stable materials, glasses and devices. Bismuth
und sind Grundlage für die Synthese von Kern-
based materials (topological insulators) and
Schale-Nanopartikeln. ›Nackte‹ Nanopartikel werden
their thermoelectric properties are becoming
für die Umgebungsabhängigkeit der katalytischen
very important for our future research.
Reduktionsreaktion genutzt. Die spektroskopischen
und mikroskopischen Untersuchungen mittels
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Abb. 2
Größenselektierte Gold-Nanopartikel haben interessante katalytische
Eigenschaften. Für die katalytische
Umsetzung von p-Nitrophenol zu
p-Aminophenol ergibt sich eine ungewöhnliche Größenabhängigkeit.
Mittelgroße Nanopartikel sind hier
aktiver als kleinere Nanopartikel
mit einer entsprechend erhöhten
Oberfläche.
(Quelle: R. Fenger, Doktorarbeit,
2011)
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SAXS, DLS, UV-Vis-Spektroskopie, TEM und AFM
wendeten Materialien zum einen den elektrischen
zur Größen- und Morphologiebestimmung bilden
Strom gut leiten, zum anderen aber schlechte Wär-
die Grundlage für den Aufbau von Kern-Schale-Na-
meleiter sind. Da ein guter Stromleiter in der Regel
nopartikeln und die nachfolgenden katalytischen
auch ein guter Wärmeleiter ist, sind der Effizienz
Untersuchungen. Goldnanopartikel mit selektiv
von thermoelektrischen Elementen bisher enge
einstellbaren Eigenschaften werden anschließend
Grenzen gesetzt. Ein viel versprechender Ansatz
genutzt, um einzelne die Katalyse beeinflussende
dies zu umgehen und beide Anforderungen zu er-
Parameter zu untersuchen. Die katalytischen Un-
Abb. 3
Kupfernanopartikel ( 5–50 nm) unter dem Rasterkraftmikroskop.
(Quelle: C. Schaumberg, Diplomarbeit, 2011)
tersuchungen erstrecken sich bis hin zur Untersuchung der Substratabhängigkeit. Dabei werden
Nitrofunktionen in Gegenwart leicht reduzierbarer
füllen, liegt in der Verwendung von Nanopartikeln.
Gruppen wie Carboxylfunktionen und Alkoholen
Es konnte gezeigt werden, dass sich über die La-
selektiv zu den entsprechenden Amino-funktionali-
serablation von in organischen Lösungsmitteln
sierten Stoffen umgesetzt (siehe Abb. 2).
suspendiertem Metalloxidpulver fein verteilte metallische Nanopartikel herstellen lassen (siehe Abb.
Nanostrukturierte Materialien als Thermoelektrika
3). Werden diese kolloidalen Lösungen eingetrock-
Thermoelektrika bestehen aus einer Kombination
net und entsprechend verdichtet, so können die
von verschiedenen elektrischen Leitern. Legt man
thermoelektrischen Eigenschaften dieser neuen
eine Spannung an, so kühlt sich eine Seite des ther-
Materialien untersucht werden. Diese Methode
moelektrischen Elements ab, während sich die an-
wurde zunächst für die Münzmetalle entwickelt
dere Seite erwärmt. Umgekehrt kann ein starker
und soll nun auf weitere Elemente ausgedehnt wer-
Temperaturgradient genutzt werden, um aus der
den. Auf Grund ihrer thermoelektrischen Eigen-
sonst ungenutzten Abwärme (z.B. von Kraftwer-
schaften stehen insbesondere die Elemente Bismut
ken) Strom zu erzeugen. Eine ausreichend hohe
und Antimon im Zentrum der aktuellen For-
Effizienz kann nur erreicht werden, wenn die ver-
schung.
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Oberflächeninduzierter Polymorphismus
Molekulare Nanopartikel
Synchrotron-Röntgenbeugung, Einkristallröntgen-
Umfangreiche Untersuchungen zur Clusterbil-
strukturanalyse und Raman-Spektroskopie sind die
dung im Molekularstrahl und zur Clusterstreuung
Werkzeuge, um Polymorphismus von pharmazeu-
an Oberflächen unter UHV-Bedingungen werden
tisch relevanten Substanzen, wie Koffein, Nifedipin,
von der integrierten Arbeitsgruppe Dr. Wolfgang
o-Terphenyl und »ROY« aufzuklären. Gegenstand
Christen (http://wolfgang-christen.net/home.php)
des Forschungsvorhabens ist das Aufspüren neuer
durchgeführt.
metastabiler Kristallphasen und die mechanistische
Aufklärung der zugehörigen Kristallwachstumsmoden an ausgewählten organischen Molekülverbindungen (siehe Abb. 4). Die tief unterkühlte Schmelze,
die übersättigte Lösung und die Gasphase bilden die
Precursorphase für die Kristallisation. In dieser synergistisch angelegten Untersuchung stehen die Fragen
nach dem Übergang von diffusionskontrollierter zu
diffusionsfreier Kristallisation, nach den Möglichkeiten von substrat- und oberflächeninduziertem Polymorphismus und der Kristallbildung unter Levitationsbedingungen (im frei schwebenden Tropfen) im
Zentrum. Strukturchemische Charakterisierungen
am frei schwebenden Tropfen bieten einen neuen
Publikation
und einzigartigen Zugang, Kristallisationsvorgänge
Long-Term Stable Silver Subsurface Ion-Exchanged
ohne die störenden Einflüsse von Gefäßwänden zu
Glasses for SERS Applications; Anne Simo, Virgi-
untersuchen. Geplant sind zeitaufgelöste in-situ-Mes-
nia Joseph, Robert Fenger, Janina Kneipp, Klaus
sungen mit Hilfe eines breiten Spektrums von expe-
Rademann, ChemPhysChem, Volume 12, Issue 9,
rimentellen Methoden (AFM, STM, ESEM, WAXS,
pages 1683–1688, June 20, 2011
SAXS an der μ-Focus-Beamline bei BESSY, DSC, dielektrische Spektroskopie und NMR).
Abb. 4
Ein eingetrockneter Kaffeetropfen
zeigt am Rand herrlich lange kristalline Nadeln des Coffeins. Im inneren Bereich des Tropfens entstehen neue Formen der Coffeinkristalle (Hexagone), deren Bildung
durch die Oberfläche kontrolliert
wird. Die höchsten Ausbeuten an
Coffein-Hexagonen finden sich an
SIMO-Glasoberflächen.
(Quelle: A. Sarfraz et al. /Cryst.
Growth Des./ *2011*, BACG2010.
DOI: 10.1021/cg101358q)
Kooperationen
Prof. Dr. Klaus Rademann
– DFG SPP 1415 (Polymorphismus)
Jg. 1953. 1981 Diplom Chemiker, FU Berlin; 1983 Dr. rer. nat in Chemie, FU Berlin (Prof. H. Baumgär-
– Bundesanstalt für Materialforschung und
tel); 1984 Postdoc an der Universität Tel Aviv, Israel (Prof. U. Even und J. Jortner); 1989 Habilitation
-prüfung, BAM (Prof. Panne, Prof. Kneipp,
in Physikalischer Chemie an der Universität Marburg (Prof. F. Hensel); seit 1993 Lehrstuhlinhaber für
Dr. Emmerling, Dr. Müller)
Physikalische und Theoretische Chemie an der HU Berlin; 1988 Chemie-Preis der Akademie der
– Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB)
(Dr. Hoell, Dr. Rappich)
– Fritz-Haber-Institut Berlin, International Max
Planck Research School (Prof. H.-J. Freund)
Wissenschaften zu Göttingen; 1990 Otto-Klung-Preis; 1998 Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (zusammen mit Prof. N. P. Ernsting); 2010 Wilhelm Ostwald Fellowship der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung.
Humboldt-Universität zu Berlin • Institut für Chemie
E-Mail: [email protected] • www.chemie.hu-berlin.de/agrad
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