RV SS 1999 - Von der mediterranen zur - gottfried

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070059 Lektüre historiographischer Texte und Historiographiegeschichte – Globalgeschichte 16.
Jahrhundert SS 14
21.03.2014 Das Mittelmeer – Probleme mit der Pfefferroute
Manfred Pittioni
KAPROUTE UND OSMANISCHES REICH - EIN WELTHANDELSKRIEG DER
NEUZEIT
Am Ende des 15. Jahrhunderts waren am östlichen und westlichen Ende des Mittelmeeres zwei Großmächte
entstanden, das Osmanische Reich und das Königreich Portugal. Beide hatten zunächst keine wesentlichen
Berührungen wirtschaftlicher oder politischer Art. Jedoch entstanden zwischen ihnen in den ersten Dezennien des
genannten Jahrhunderts Auseinandersetzungen militärischer und politischer Art, die sich im Mittleren Osten, in
Indien und im Malaiischen Archipel abspielten und die in Handels- und Seekriege mündeten.
Beide Mächte wiesen eine voneinander grundlegend verschiedene Struktur auf - das Königreich Portugal, ein
kleines Land mit nur 1,4 Millionen Einwohnern, als Landmacht wenig bedeutend, war durch seine afrikanischen
Eroberungen und den Erlösen aus Gold- und Sklavenhandel zu einer reichen Nation geworden, die durch die zur
Verfügung stehenden Mittel und die seemännische Erfahrung eine Überseemacht von globalen Dimensionen
geworden war. Das Osmanische Reich hingegen, nach einer Kette von beispiellosen kriegerischen Expansionen
war zur ersten Territorialmacht geworden, der um 1500 kein gleichwertiges politisches Gebilde gegenüberstand.
Die Geschichte der Auseinandersetzungen dieser beiden Mächte, auch wenn diese vornehmlich auf hoher See
und im Osten erfolgten, sollte der Beginn einer Entwicklung sein, die eine ganz neue weltpolitische Konstellation
einleitete, die die Dominanz der europäischen Staaten auf den Weltmeeren sichern würde und den Grundstein für
das Zeitalter des Imperialismus legte.
Grundsätzlich war auch diese Zeit, also das späte 15. Jahrhundert, eine Periode, die gekennzeichnet war durch
das Verlassen des in sich geschlossenen Mittelmeerraumes, der seit der Antike der kommerzielle und politische
Kreuzungspunkt der Anrainermächte gewesen war. Der Atlantik tat sich auf und eröffnete den europäischen
Mächten Zugang zu fernen Reichtümern, die es auch der Politik ermöglichte, in weltweiten Dimensionen zu
agieren, da die Mittel dafür nunmehr vorhanden waren.
Das Osmanische Reich war um 1300 aus einem kleinen Emirat an der Grenze zum byzantinischen Reich
entstanden. Die osmanischen Emire waren zunächst Vasallen der von Konya aus regierenden Rumseldschuken,
man beschäftigte sich mit ghaza, dem Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen und war vor allem gegen die
Byzantiner aktiv. Das Ghaza - Motiv prägte auch für die Zukunft die dynamische Eroberungspolitik des Landes
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und sollte auch die Struktur des Staates für die Zukunft bestimmend sein. Bis zum Ende des Osmanenstaates war
die Militär- nicht von der Zivilverwaltung getrennt und waren ziviles und religiöses Recht weitgehendst ident.
Die Überlegenheit des Osmanenemirats gegenüber den anderen kleinasiatischen Fürstentümern rührte zum Teil
aus den dauernden Berührungen mit den Byzantinern her. Man lernte deren Verwaltungsstruktur kennen, schuf
nach dem Vorbild der Themenverfassung, die ein Art Wehrbauernsystem war, das Timar - System, welches für
rund dreihundert Jahre die Basis sowohl eines Teils der Landwirtschaft wie auch für die Miltärorganisation war.
Hierbei wurde verdienten Kriegern vom Sultan nicht vererbliches Land zugewiesen, das sie in Pacht nahmen und
dessen Ertrag ihnen den Unterhalt sicherte. Demgegenüber lag bei dem Pächter, dem „Sipahi“, die Verpflichtung,
im Kriegsfall mit Pferd und Ausrüstung zur Verfügung zu stehen und auch Gefolgsleute zu stellen, sollte sein
Timar-Gut größer sein. Dieses System bildete auch die Basis der Provinzialverwaltung, des Sandschaks, die in
jeder Provinz eine zentrale Verwaltung gewährleisteten.
Das Timar - System ermöglichte es den Sultanen - diese vergaben theoretisch alles eroberte Land - auch
Ortsfremden Präbenden zu verleihen. Damit hatten sie die Möglichkeit, die Macht der Clans und der Stämme zu
brechen, da sie damit unruhige Elemente in weit entlegene Provinzen versetzen konnten.
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts hatten die osmanischen Sultane begonnen, von Europa zunächst wenig
beachtet, auf dem anatolischen Gebiet der heutigen Türkei und später auch auf dem Balkan, ihre Eroberungen
voranzutreiben. Ihre dynamische Angriffspolitik, die hervorragende Militärorganisation und ihre zentrale
Führung machten sie zu einem in der damaligen Zeit fast unüberwindlichen Gegner. Adrianopel wurde 1361 den
Byzantinern entrissen, 1364 wurde eine gemischte Streitmacht von Serben, Bosniern, Wallachen und Ungarn
geschlagen. Die Bulgaren wurden 1366 Vasallen des Sultans und in der Schlacht bei Kosovo Polje 1389 schlug
Sultan Murad I. die Serben und drang damit tief in den Balkan ein. Der Versuch einer europäischen Koalition,
unter dem ideologischen Banner eines Kreuzzuges gegen den Islam den Eroberungen einen Riegel
vorzuschieben, scheiterte 1396 bei Nikopolis kläglich, wie auch die noch folgenden Feldzüge. Nicht einmal das
Zwischenspiel der Mongolen unter Timur Lenk, die 1402 bei Ankara den Sultan Bayezit I schlugen und der
darauffolgende, zehn Jahre dauernde Nachfolgestreit wurde von den europäischen Mächten dazu ausgenützt,
verloren gegangenes Gebiet wieder zurückzuerobern. Zu groß waren die Zwistigkeiten zwischen den Byzantinern
und den Lateinern und später zwischen Protestanten und Katholiken, dem Kaiser Karl V. und dem König Franz I.
von Frankreich und den divergierenden Interessen der italienischen Seerepubliken, als daß es zu einer
gemeinsamen Anstrengung gekommen wäre.
Der Fall Konstantinopels 1453 erfolgte praktisch ohne nennenswerte Intervention Europas, hatte zwar eine große
psychologische Wirkung, war aber militärisch letztlich nicht sehr bedeutend gewesen, da ja die Stadt zuletzt nur
mehr eine tributpflichtige Enklave im osmanischen Reich gewesen war. Die weiteren Vorstöße der „ghazis“ 1459 Morea (Peloponnes), 1461 Trapezunt und 1481 mit der Besetzung Otrantos einen Brückenkopf in Italien zu
erringen, zeigten eine Dynamik und Stärke, der das zersplitterte Europa in diesem Jahrhundert nichts
entgegenzusetzen hatte. Unter dem Sultan Selim II. (1512-20) dehnte sich das Reich noch weiter aus. Er schlug
die safawidischen Perser bei Chaldiran und 1517 die Mamelucken bei Kairo, Ägypten wurde osmanische
Provinz. Den Höhepunkt, sein „Goldenes Zeitalter“ erreichte das Reich unter Sultan Süleyman I. (1520-1566),
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der, während in Europa die Auseinandersetzungen zwischen Franz I. und Karl V. vor sich gingen und dazu auch
noch die Zwistigkeiten zwischen den Katholiken und Protestanten ausbrachen, die Eroberungen weiter forttrieb.
Belgrad fiel 1521, Rhodos 1522 und 1526 wurde das Königreich Ungarn nach der Schlacht bei Mohacs als
selbständige politische Einheit ausgelöscht. 1529 standen die Truppen des Sultans vor Wien und 1538 Moldau
ein Vasallenstaat. Der Jemen und Südarabien wurden 1547 zu osmanischen Provinzen. In seiner größten
Ausdehnung reichte das beherrschte Gebiet von Algier nach Tabriz und von der Krim bis zum Jemen, damit hatte
es eine größere Ausdehnung als das römische oder byzantinische Reich je gehabt hatten.
Die Liste dieser Eroberungen ist beeindruckend, sie spielte sich auch in einer für die damalige Zeit großen
Geschwindigkeit ab. Diese militärische Stärke des Osmanenreiches hatte aber auch soziologische und
ökonomische Gründe, auf die hier näher eingegangen werden soll.
Zunächst war es die große Bevölkerungszahl, die zwischen 1520 - 1535 um ca. 12 Millionen lag, um 1600 sollen
es bereits ca. 30 Millionen gewesen sein. Diese Ziffern beruhen auf Schätzungen, wobei als Basis die
Steuerregister genommen wurden. Diese große Zahl an Menschen allein bildete schon eine ökonomische
Ressource ohnegleichen, die von keinem anderen europäischen Land erreicht wurde.
Ein der Stärken des Osmanenereiches war sein geistiger Überbau, der sunnitische Islam, der eine einheitliche
Ideologie schuf, die alle Gläubigen, ohne Ansehen des Standes oder des Ranges verband und der auch im Kampf
eine besondere Motivation bildete. Der Islam war nicht nur Religion, sondern auch Gesetz und Lebensregel.
Seine Inhalte und seine relative einfachen Regeln gaben den Glaubenskämpfern den moralischen Halt und die
Verheißung auf ein wunderbares Leben im Paradies, das über den Opfertod erlangt werden konnte.
Die soziale Struktur des Reiches war zwar autokratisch, mit dem Sultan an der Spitze, dessen Wort Gesetz war,
aber sie war keineswegs feudal im Sinne der europäischen mittelalterlichen Lehensordnung. Einer Klasse der
askerler, d.h. eines nichtproduktiven Standes aus Miltärs und Bürokratie bestehend, stand die reaya, d.h. Herde
gegenüber, die die Bauern, Handwerker und Kaufleute umschloß. Über allen stand der Sultan als Führer und
Beschützer. Es war - im Gegensatz zur feudalen Hierarchie Europas, der soziale Aufstieg für jeden möglich, sei
es durch Tapferkeit im Kriege oder durch Gelehrsamkeit oder handwerkliche Geschicklichkeit. Die Religion sah
eine große Toleranz für die Anänger der „Buchreligionen“ vor, die es Christen und Juden ermöglichte, den
Schutz der Gesetze zu genießen, wenn ihnen auch die Laufbahn zu den höheren Ämtern nur nach Konversion zu
Islam offenstand. Die nichtmuslimischen Religionen genossen im Rahmen des sogenannten Millet -Systems
weitgehende Freiheiten und Möglichkeiten der Selbstverwaltung.
Die zentrale Figur des Staates war der Sultan, der durch seine Macht einem ihm ergebenen Kreis erzeugte, aus
dem verschiedene Ränge entstanden. Aufstieg für den Einzelnen beruhte überwiegend auf den Möglichkeiten,
zum Hof gute Beziehungen zu erlangen und die Aufmerksamkeit eines Mitglieds der Oberschicht zu erringen.
Wirtschaftlich war das Osmanische Reich durch die Landwirtschaft und das Handwerk geprägt. Um 1500 - noch
in seiner Expansionsphase - war es bereits ein wirtschaftliches Weltreich, gemessen an den Volkswirtschaften
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Europas, die im Mittelalter groß geworden waren und wieder verschwanden. (Wallerstein, Deddeli & Kassaba in
Islamoglu-Inan, S. 88 und 89). Innerhalb dieses Reiches bestand ein einheitliches Geldsystem, wenn auch Maße
und Gewichte regional verschieden waren. Es gab ein einheitliches Besteuerungssytem und es herrschte eine
normierte Steuer- und Abgabenpolitik sowie eine genormte Außenzollstruktur.
Die Agrarproduktion basierte auf dem schon erwähnten Timar-System, wobei die Bauern ,die das Land
bewirtschafteten, eine Abgabe an den Sipahi zu leisten hatten , keine Leibeigenen waren und im Vergleich zu den
europäischen Verhältnissen eine vergleichsweise geringere Abgabenlast zu tragen hatten. Dies war einer der
Gründe, warum in vielen Landstrichen des Balkan die Herrschaft der Osmanen vom einfachen Volk gar nicht so
negativ empfunden wurde, da die Lebensverhältnisse in vielen Fällen erträglicher waren als die drückende Last
der Feudalherren.
Kontrolliert wurde das Abgabensystem und die Sicherheit durch die Sancak beyis, d.h. Provinzgouverneure und
die Kadis, die zugleich Richter und Verwaltungsbeamte mit Steuerkontrollfunktionen waren. Die Abgaben
flossen alle an die Hohe Pforte, von wo sie wiederverteilt und zur Bezahlung der Militärausgaben und der
Verwaltung eingesetzt wurden. Dieses System verhinderte auch die Ansammlung von Macht in einer bestimmten
Provinz und wirkte separatistischen Tendenzen entgegen.
Das Handwerk war in Zünfte gegliedert, die strenge Regeln hatten. Die Preise für Nahrungsmittel und
Rohmaterialien waren staatlich kontrolliert, wie auch die Rechte der Kaufleute, auf bestimmten Märkten
Geschäfte machen zu können.
Die wirtschaftliche Gesamtlage des Reiches war dergestalt, daß es in fast allem autark war, mit Ausnahme der
Waffenproduktion, wo man auf ausländische Experten zurückgriff und anderer strategischer Materialien wie
Metalle für die Militärindustrie, Holz und gewisse Chemikalien.
Im ganzen Reich bestand ein effizientes System an Außenzollstellen, die die entsprechenden Zölle und Abgaben
einhoben. Den Karawanen, die den Fernhandel zum Teil abwickelten, waren die Routen genau vorgeschrieben
und es wurden auch im Inland Binnenzölle eingehoben. Der Fernhandel beschäftigte sich zumeist mit
Luxusgütern. Es gab zwei Hauptachsen, die horizontale Ost-West Achse Indien-Arabien-Venedig und die
vertikale Damaskus - Bursa - Akkerman auf der Krim - Lwow, die der Versorgung Polens und Rußlands mit
Orientgütern diente. Daneben bestand noch die Verbindung Ungarn - Slowakei - Donau bis Brasow.
Der Zweck all dieser osmanischen Finanzsysteme war es, möglichst viel Abgaben einzuheben und hohe
Einnahmen für den Staat zu erzielen, um die Besoldung der Soldaten und der Bürokratie sicherzustellen und auch
die Versorgung des Reiches mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten. Dabei stand Istanbul an erster Stelle. Dieses
System funktionierte im großen und ganzen recht gut, sofern nicht zu viel Bargeld involviert war. Silber war
immer knapp, daher behalf man sich auch mit bargeldlosen Transaktionen und Geldverleihgeschäften. Im 16.
Jahrhundert wurde durch die großen Mengen spanischen Silbers aus der Neuen Welt mehr Bargeld in Umlauf
gebracht, was zu einer langsamere Strukturänderung führte, da nunmehr auch die Steuern immer mehr in Bargeld
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als in Naturalien eingehoben wurden, was wiederum den Druck auf die Bauern verstärkte. Darüber hinaus
entstand durch den rasanten Bevölkerungsanstieg in dieser Zeit eine immer größere Nachfrage nach Getreide,
was zu Preissteigerungen führte. Daraus entstand in der Folge wieder trotz eines Ausfuhrverbots eine rege
Schmuggeltätigkeit ins Ausland, da die höheren Getreidepreise die Transportkosten rechtfertigten. Die Folge der
zunehmenden Umstellung auf Steuern in Bargeld war letztlich die Einführung des Steuerpachtsystems, in
Rahmen dessen die Hohe Pforte die Steuereinhebungsrecht einer Provinz an den Meistbietenden vergab, was in
der Folge zu einer Auspressung der Bevölkerung führte und die wirtschaftlichen Grundlagen in vielen Regionen
erschütterte.
Inalcik (Inalcik S.4) führt aus, dass alle osmanische Militäraktionen immer fiskalische Aspekte beinhalteten, da
nämlich immer kurz nach der Eroberung eines Landes die Steuer- und Abgabensysteme des Zentralstaates in
Kraft traten. Damit konnte man auf Grund der enormen Ausdehnung des Reiches von einer Weltökonomie
sprechen. Mit dem Auftreten der Engländer und Niederländer im Mittelmeer und im Indischen Ozean wie auch
in Fernost und deren wirtschaftlicher Dominanz, begann das Osmanische Reich, zu einer regionalen
Wirtschaftsmacht zu werden. Verstärkt wurde diese Veränderung noch durch das spanische Silber, die große und
neue atlantische Ökonomie und den sich herausbildenden Merkantilismus Europas.
Die Größe des Reiches war auch teilweise seine Schwäche. War für Portugal wie auch für England und die
Niederlande der Fernhandel lebenswichtig, so spielte dieser für die Osmanen nur eine untergeordnete Rolle. Der
Binnenmarkt war dominant, außerdem waren 80 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig.
In der Wirtschaftspolitik der Regierung kam die Haltung des Militärstaates zum Ausdruck. Man war vor allem an
den strategisch wichtigen Erwerbszweigen interessiert - dem Schiffsbau, der Waffenproduktion, Metallurgie und
den Bergwerken. Bereits ab dem 15. Jahrhundert zeichnete sich ein technologischer Vorsprung Europas ab, etwa
im Gebrauch eines Gebläses im Eisenschmelzofen, der die Qualität des Stahls verbesserte oder die Anwendung
von Wasserantrieb bei der Erzaufbereitung und für Pumpen und anderer technischer Innovationen.
Auch im Schiffsbau fiel man langsam hinter Europa zurück. Die niedrigbordige Galeere war das Standardschiff
im Mittelmeer seit der Antike, sie versagte jedoch in Gewässern wie im Indischen Ozean bei hohem Seegang und
war der höherbordigen Galeasse und vor allem der portugiesischen Karacke, einem höherbordigen Rundschiff
nur mit Segelantrieb, unterlegen. Außerdem war die Galeere, manchmal mit einer Zahl von über 200 Ruderern,
ein unökonomisches Gefährt, da die Versorgung so vieler Menschen mit Nahrung
auf logistische Probleme stieß und hohe Kosten verursachte. Dagegen hatte die Karacke nur wenige Mann
Besatzung, was viel billiger kam und konnte auch mehr Artillerie mit sich führen.
Was die unternehmerische Tätigkeit im Fernhandel anbelangt, so war es im osmanischen Reich von Nachteil, daß
große Kapitalmärkte fehlten und entsprechende gesetzliche Regelungen, die Teilhaberschaften großen Stils
erlaubten, wie es in europäischen Seehäfen der Fall war. Zwar kannte das islamische Recht die
Partnerschaftsform der mudaraba, bei der die Partner Kapital zuschossen und eine Seereise finanzierten, diese
Formen waren jedoch immer nur für den Einzelfall konzipiert und hatten keine größere Basis. Außerdem wirkte
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das islamische riba (Zinswucher) - Verbot gegen die Bildung von Banken, die in Europa im 16. und 17.
Jahrhundert rasch entstanden waren (Issawi S. 233 in Brown). Die großen europäischen Gesellschaften bewiesen
ihre Überlegenheit, da sie eine große Basis an Kapital und Erfahrung hatten, die sie unter Heranziehung
militärischer Mittel dazu benutzten, ein Welthandelssystem aufzubauen.
Auch was den geistigen Überbau der Wirtschaft anbelangte war das Osmanische Reich ab dem 16. Jahrhundert
gegenüber Europa im Nachteil. Es gab keine Wirtschaftstheoretiker, die die Ideologie der Regierenden und
Wirtschaftstreibenden beeinflussten, wie etwa in Frankreich Jean Bodin und in England John Locke und David
Hume, die Wirtschaft und Geld in theoretische Beziehung setzen und die Zusammenhänge zu erläutern
versuchten. Es gab keine Ansätze für das Liebkind der europäischen Wirtschaftstheoretiker, die Statistik, die eine
Systematik in die Wirtschaft und die Staatsrechnung brachten. Zwar wusste man auch bei den Osmanen über die
Inflation Bescheid und auch über die Notwendigkeit, den Staatshaushalt unter Kontrolle zu halten, konnte aber
gegenüber den Kräften des Marktes immer nur die Inflation einsetzen. Mustafa Ali (1541-1600), ein berühmter
osmanischer Poet, Bürokrat und scharfer Kritiker seines Zeitalters, verlangte in seinen Schriften zwar
Sparsamkeit und Umsicht in der Staatsverwaltung, konnte aber keine wissenschaftliche Theorie über den
Staatshaushalt entwickeln. Die osmanische Bürokratie war zwar den Umgang mit Zahlen gewohnt, man kannte
die Zahl der Einwohner des Reiches, die Anzahl der Haushalte aus den Steuerregistern, die Zahl der Soldaten und
der Schiffe, kannte aber keine Produktions- und Handelsziffern, da dieser Bereich der privaten Hand überlassen
blieb. Prinzip Nummer Eins war die steuerliche Abschöpfung, wobei die durchschnittliche Steuerhöhe lange Zeit
viel geringer als in Europa war.
Ws nun die Auseinandersetzung zwischen dem Osmanischen Reich und dem Königreich Portugal anbelangt, so
war dieser Schauplatz für die Osmanischen Sultane immer ein peripheres Gebiet, da sich ja ihr Hauptaugenmerk
einerseits auf den Balkan und Europa richtete, andererseits auf die Kämpfe mit dem Safawiden im Iran. Die
weltpolitische Tragweite des Eindringens der Portugiesen im Osten schien angesichts der weitläufigen
Eroberungen nicht erkannt worden zu sein.
1498 schien Portugal nach der Entdeckung des Seewegs nach Indien und durch die Gründung von befestigten
Handelsstützpunkten an der indischen Westküste und im malaiischen Raum den so profitablen Pfefferhandel an
sich gerissen zu haben. Nach Vasco da Gamas Landung in Indien erreichte die erste Gewürzladung 1502
Lissabon. Die Portugiesen transportierten Schiffsladung um Schiffsladung, das kostbare Gewürz, das bisher über
die Karawanenwege nach Europa gelangt war, wurde mit einem Schlage rar. Venedig sandte 1502 einen
Gesandten nach Kairo, um den Mameluckensultan vor den Konsequenzen der portugiesischen Lieferungen zu
warnen (Inalcik S. 319) Dieser warnte die Sultane von Kalikut und Gujerat, die sich seine Seite stellten.
Angeblich konnten venezianische Galeeren 1504 im Hafen von Alexandria keinen Sack Pfeffer mehr vorfinden.
Venedig und die europäische Kaufmannschaft waren alarmiert.
Das Osmanische Reich unter Sultan Selim I. hatte 1517 das Mameluckenreich, also Syrien und Ägypten erobert,
1522 war Rhodos gefallen und 1538 besetzte man Teile des Jemens, Aden und die gegenüberliegende
afrikanische Küste. Damit war nach der Eroberung von Mesopotamien und der Besetzung der westlichen Küste
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des persischen Golfes (1546 Errichtung eines Stützpunktes in Basra) die fast restlose Einbeziehung der alten
arabischen Welt in das Osmanische Reich vollzogen. Die Kontrolle der Handelswege durch den Golf und das
Rote Meer bildete ein wichtiges Erbe der Mamelucken, der Sultan war damit nicht nur der Oberherr der
eroberten Länder geworden, sondern er hatte damit auch eine Schutzfunktion für die islamischen Gläubigen und
auch indirekt über ihre Handelsverbindungen erworben. Besonders nach der Eroberung von Mekka und Medina
übten die Sultane in Istanbul faktisch die Funktionen des Khalifats aus, obwohl es formaljuristisch nie eine
Annahme des Titels gegeben hat. Praktisch aber war dies wohl der Fall, es kommt auch dadurch zum Ausdruck,
dass der osmanische Sultan unter anderen Titeln auch den Ehrennamen „alem-i penah“ , (d.h. Zufluchtsort der
Welt der Gläubigen)angenommen hatte. Darüber hinaus führte er auch den alten Khalifentitel „Zillu llahi fi larz“ (Schatten Gottes auf Erden), was auf seinen Anspruch hinwies, für alle rechtgläubigen Muslims eine
Schutzfunktion auszuüben.
Er wurde auch tatsächlich als Träger seiner Schutzfunktion in Anspruch genommen, nämlich von den indischen
und malaiischen Fürsten, die sich von den Portugiesen bedrängt fühlten.
Die Auseinandersetzungen zwischen Portugal und dem Osmanischen Reich setzten nun voll dort ein, wo es zur
Störung wichtiger kaufmännischer Interessen kam, nämlich im Gewürzhandel und in der Beherrschung der
Handelsrouten im Persischen Golf, im Roten Meer und im Bereich des Indischen Subkontinents. Bereits 1502
wollten sich indische und arabische Lokalherrscher gegen die vordringenden Portugiesen stellen, wurden aber in
der Seeschlacht von Kalikut durch die kleine Flotte Vasco da Gamas auf Grund deren artilleristischer
Überlegenheit geschlagen. 1503 wird der Mameluckensultan durch die Nachricht überrascht, dass die
Portugiesen in das Rote Meer eingedrungen seien. Die heiligen Stätten Mekka und Medina scheinen gefährdet.
1506 verliert die Flotte des Sultans von Kalikut abermals ein Gefecht und 1509 erringt in dem Seegefecht von
Diu der portugiesische Admiral Francisco Almeida einen Sieg über die verbündeten Mamelucken und Inder und
sichert seine Seeherrschaft im Indischen Ozean. Die Mamelucken verlieren damit eine wichtige Einnahmequelle
und die Kontrolle der alten arabischen Handelswege. Versuche der Portugiesen, im Roten Meer 1513 Aden und
1517 Djiddah einzunehmen, scheitern allerdings.
Diese Siege hatten der muslimischen Welt gezeigt, dass der Mameluckenstaat zu schwach war, um mit den
Portugiesen fertig zu werden, man wandte sich daher an die einzige Macht, von der man glaubte, dass sie dieses
Problem bewältigen könnte – das Osmanische Reich. Sogar der Mameluckensultan Kansu al-Gawri selbst bat die
Osmanen um Hilfe und bat Bayezid II um den Bau einer Flotte in Suez. Diese Bitte wurde erfüllt und dreißig
Schiffe in Bewegung gesetzt, die Flotte wurde jedoch von den Johannitern von Rhodos auf dem Weg nach
Alexandria zerstört, angeblich auf Grund von vorhergehenden portugiesischen geheimdiplomatischen
Interventionen. Dieser Fall war ein Beweis für ein gut funktionierendes Informationssystem der Portugiesen und
eine gelungene konzertierte Aktion der christlichen Welt, von der es nicht allzu viele gab. Die Osmanen ersetzten
jedoch den Schaden umgehend und sandten abermals einen Konvoi, um eine neue Flotte zu bauen. (Inalcik S.
320). Diese Kraftanstrengung war ein Beweis für die organisatorische und wirtschaftliche Stärke der Osmanen,
wenn man in Betracht zieht, was die Kosten für ein Kriegsschiff waren und in welch kurzer Zeit der Ersatz
beschafft wurde. Es entstand damals auch ein Plan, der einer von vielen war, einen Kanal bei Suez zu bauen, um
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damit Schiffe aus dem Mittelmeer ins Rote Meer bewegen zu können. Er scheiterte jedoch an der Tatsache, dass
andere Projekte militärischer Art immer wichtiger waren und angesichts der zahlreichen Kriegsschauplätze, die
laufend große Mittel verschlangen.
An dieser Stelle ist es angebracht, die Lage des Mameluckenreiches zu betrachten, da dessen damalige
Schwächung im militärischen und außenpolitischen Bereich eine für die weitere Entwicklung ausschlaggebende
Rolle spielte. Vor 1517 war es der Schirmherr über die Heiligen Stätten des Islam gewesen und beherrschte auch
die Mündungen zum Roten Meer und zum Persischen Golf. Wenn es auch keine strikte Kontrolle im Sinne des
zentralistischen Staates der modernen Zeit war, so war es doch eine Schutzherrschaft einer bedeutenden Macht,
die auch in Indien und Südostasien anerkannt war und durch die islamische Weltgemeinschaft des Glaubens
vereint war.
Zum Zeitpunkt des portugiesischen Vordringens nach Ostafrika. Indien und der Errichtung von Stützpunkten auf
der Arabischen Halbinsel waren die Mamelucken nicht in der Lage, die Angriffe, trotz einiger Teilerfolge, die
erzielt wurden, abzuwehren. Im Prinzip war diese Macht, die in ihrer Führungsstruktur voll auf den Kampf
eingestellt war, auf dem Gebiet des Marinewesens schwach. Ayalon (S.109-116) führt diese sehr prägnant an.
Wie er ausführt, konnte die mameluckische Flotte nie die Stärke ihrer Armee erringen und zwar aus den
folgenden Gründen:
Auf Grund der geographischen Lage gab es wenig Bauholz und Metall zum Bau von Schiffen.
Für eine große Flotte war höchstens ein Bedarf im Mittelmeer vorhanden gewesen, zur Bewachung der Seerouten
nach Indien in größerem Ausmaß war nie ein Anlass fall gegeben gewesen. Der wichtigste Faktor für Ayalon war
jedoch die Ideologie der Mamelucken. Die regierende Kaste war in sich abgeschlossen und für Neuerungen
wenig zugänglich, als ursprüngliches Turkvolk auch wenig an maritimen Problemen interessiert. Die
Abgeschlossenheit der Oberschicht dieser Gesellschaft manifestierte sich auch in der Tatsache, dass man bei der
Infanterie keine Armbrüste einführte, als diese in Europa in Gebrauch kamen und es beim Bogen beließ. Auch
die Feuerwaffen wurden erst relativ spät eingeführt, die Niederlage gegen die Osmanen war eine Folge dieser
Einstellung.
Allerdings wurden die Araber im allgemeinen durch das Auftauchen der Portugiesen im Roten Meer sehr
überrascht, gab es doch seit hunderten von Jahren keine Angriffe in diesem Raum.
Die Osmanen hingegen waren von der Wichtigkeit einer Seemacht überzeugt, wobei sie allerdings den Zugang zu
Holz und Metallen auf dem Balkan hatten und technischen Experten wie Griechen und Italiener einsetzten.
Bei den Mamelucken war die Flotte während der ganzen Herrschaft zwischen 1250 – 1517 immer nur ein
Instrument für den Kriegsfall gewesen und keine permanente Institution. Quelle weisen darauf hin. Es gibt
nämlich keine Berichte von Kaperfahrten mameluckischer Schiffe gegen die Franken. Kreuzfahrerangriffe gegen
mameluckische Häfen stellten immer Überraschungsangriffe dar, was auf eine mangelnde Flottenpräsenz und
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Überwachung hinwies. Diese maritime Schwäche war ein entscheidendes Element für das ungehinderte
europäische Eindringen östlich von Suez, das damit ohne größere Widerstände erfolgen konnte.
Weiters spielte es auch eine Rolle, dass die Mamelucken bei der Einführung von Feuerwaffen eine sehr zögernde
Haltung einnahmen. Feuerwaffen waren in der islamischen Welt durch die Chinesen bekannt worden, eingeführt
wurden sie gleichzeitig wie in Europa im 15. Jahrhundert. Auch die Mamelucken besaßen sie, verwendeten sie
aber vornehmlich bei der Belagerung, im Heer gab es Ende des 15. Jahrhunderts nur veraltete Modelle. In der
islamischen Welt wurden die Feuerwaffen vor allem im großen Ausmaß auf dem Balkan durch die Osmanen
eingesetzt, nicht jedoch im südarabischen Raum und in Indien. Dies war eine der Gründe, dass die
portugiesischen Flotten anfänglich so große Erfolge erzielen konnten, da sie die Überlegenheit ihrer Artillerie
ausspielen konnten. Dabei stellte auch der der Galeere auf offener See überlegener Schiffstyp der Karacke eine
große Rolle. Nach 1517 erkannten die Osmanen wohl die Wichtigkeit einer großen maritimen Präsenz im
Indischen Ozean, allerdings war der Zeitpunkt bereits zu spät. Darüber hinaus waren die Prioritäten der
Schauplätze im Mittelmeer und auf dem Balkan gegeben, die verhinderten, ein militärtechnisches Gleichgewicht
herzustellten. . Aus osmanischen Quellen können wir die Hilfeansuchen zahlreicher Sultane aus Indien und
Indonesien an die Hohe Pforte herauslesen, die flehende Bitten um die Übersendung von Feuerwaffen enthalten,
um den Europäern Paroli bieten zu können. Zwar wurden eine Anzahl von Geschützgießern und Experten der
Artillerie nach Südostasien gesandt, um den lokalen Sultanen beizustehen , im großen und ganzen kamen sie zu
spät und konnten die Überlegenheit der Europäer nicht mehr beseitigen. Die Osmanischen Manufakturen kamen
auch mit der Produktion der Waffen nicht nach und es verschlang der Krieg in Europa den Löwenanteil. Ab der
Mitte des 16.Jahrhunderts zeigt auch langsam die auf industrielle Fertigung ausgelegte europäische
Waffenproduktion ihre Überlegenheit durch größere Fertigungskapazitäten und technologische
Weiterentwicklungen.
Die militärische Schwäche des Mameluckenstaates im Seewesen war nicht nur eine Folge der hier angeführten
Gründe, sondern auch ein Ergebnis der finanziellen Situation, die damals schlecht war. Die Steuereinnahmen des
Staates waren als Folge von landwirtschaftlichen Strukturkrisen und den geringeren Feudalrenten (iqtas)
gesunken. Darüber hinaus waren die Kosten von Feldzügen und der Unterhalt der Armee eine stete Belastung für
den Staatshaushalt. Allerdings wissen wir, dass die portugiesischen Störungen des Gewürzhandels auf den
Außenhandel am Ende der Mameluckenherrschaft bis 1517 keinen Einfluss hatten. Zwar kam es immer wieder
durch Konfiskationen, Sondersteuern und staatliche Zwangsverkäufe zu Störungen der Wirtschaftsstruktur, wir
wissen jedoch an Hand von Zahlen, dass der Handel mit Indien noch weiter florierte. Besonders der
Gewürzhandel war immer in Hand von privaten Großhändlern gewesen und nie einem Staatsmonopol
unterworfen gewesen. (Cerman, S. 7.)
Portugal versuchte, im Sinne seines strategischen Konzepts, den Gewürzhandel ganz zu beherrschen, die
militärisch wichtigen Eingänge zum Persischen Golf und zum Roten Meer zu blockieren. 1513 nahmen sie das
Fort Kamaran, das den Eingang zum Bab el-Mandab kontrollierte. Gleichzeitig nahmen sie auf der
diplomatischen Ebene Kontakte mit dem Schah von Iran auf, schickten ihm Feuerwaffen und ersuchten ihn um
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einen Entlastungsangriff auf die Osmanen, in denen sie die größte Gefahr sahen. Der portugiesische Gouverneur
und Admiral Albuquerque unternahm einen Versuch, Aden einzunehmen, allerdings ohne Erfolg
Die neue mameluckische Flotte von 19 Schiffen, teilweise mit osmanischen Truppen besetzt, verließ Suez 1516
unter dem Kommando des Admirals Selman. Dieser musste vorerst Aden und Küstenstädte Jemens belagern, die
in Rebellion begriffen waren, was einige Zeit in Anspruch nahm. Die indischen Herrscher warteten vergebens auf
die versprochene Entlastung. Inzwischen hatten osmanische Truppen das mameluckische Heer bei Marj Dabik
geschlagen, die Mamelucken wurden zu Vasallen der Hohen Pforte und damit standen die Portugiesen und die
Osmanen in direktem Gegensatz. Der Sultan beeilte sich vorerst, die heiligen Stätten Mekka und Medina zu
schützen, denn die Portugiesen hatten den Versuch unternommen, Djiddah zu nehmen. Dies war für die Osmanen
eine politisch sehr wichtige Aufgabe, da sie ja den Anspruch als Schutzherren der gesamten muselmanischen
Welt erhoben. Die Ankunft der Flotte Selmans führte zu einem Rückzug des Feindes. Die Osmanen, die auch mit
der Neuorganisation der von ihnen eroberten Länder auf der arabischen Halbinsel beschäftigt waren, setzten nun
alles daran, zunächst das Rote Meer wieder unter Kontrolle zu bekommen. 1525 gelingt dies durch eine starke
Flotte von achtzehn Schiffen mit 300 Kanonen, die nach der Wiederherstellung der Herrschaft im Roten Meer
auch zur Entlastung der indischen Sultanate eingesetzt wurde.
Es wurde auch kurz das Königreich Abessinien in den politischen Streit einbezogen, da die Portugiesen
versuchten, auf diplomatischer Basis eine christliche Allianz zustande zubringen und eine zweite Front gegen den
islamischen Feind zu errichten. Die Osmanen hingegen unterstützen die muslimischen Minderheiten im Norden,
die an den König von Abessinien Tribute zahlen mussten.
Die Osmanen konnten 1530 mit ihrer Flotte Diu nehmen und auch den Admiral Nuno da Cunha vertreiben. Es
entstand eine Allianz zwischen ihnen und dem Sultan von Gujarat, Bahadur Schah Sie hatten den Plan, eine
große Flotte in Suez ausrüsten, um den endgültigen Sieg zu erringen, die Mittel waren bereits bewilligt, doch
inzwischen waren im Mittelmeer und in Europa wichtige Ereignisse geschehen – die Belagerung von Wien war
erfolglos geblieben, Coron in der Morea war von der Flotte Karls V erobert worden und die Kampagne
Süleymans gegen den Iran brachte eine Änderung der osmanischen Politik mit sich und die europäischen
Probleme hatten wieder Vorrang. Zu dieser Zeit war die portugiesische Kontrolle dichter denn je und die
Venezianer hatten Schwierigkeiten, zu Pfeffer zu gelangen. Erst 1537 gelang es dem osmanischem Admiral
Süleyman Pascha, einen Aufstand in Aden niederzuwerfen und nach Diu weiterzusegeln, das immer wieder von
den Portugiesen belagert wurde. Er konnte die Kontrolle über das Rote Meer konsolidieren, wenn auch die
Portugiesen immer wieder Angriffe versuchten, die um jeden Preis ihre Seeherrschaft aufrechterhalten wollten.
Ein anderes Szenario des Konflikts zwischen den beiden Mächten hatte sich inzwischen auch in im Gebiet des
Malaiischen Archipels, insbesondere um Sumatra entwickelt. Die Versuche der Hohen Pforte, nicht nur durch
militärische Aktionen die Portugiesen zu bekämpfen, sondern auch durch diplomatische Bündnisse einzukreisen,
brachten eine Koalition zwischen dem Sultan von Gujrat und dem Sultan von Atjeh (auf der Nordspitze Sumatras
gelegen) zustande. Atjeh hatte sich zu einem wichtigen Pfefferexporteur entwickelt und hatte mit den Osmanen
ein Handelsabkommen geschlossen, das einen befestigten Stützpunkt und weitgehendste Handelsrechte vorsah.
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Als Gegenleistung erhielt der Sultan Soldaten und Waffen, mit deren Hilfe er die Portugiesen in der strategisch
wichtigen Straße von Malacca angriff. Atjeh konnte an den portugiesischen Schiffen im Indischen Ozean vorbei
große Mengen an Gewürzen über die Route
durch das Rote Meer liefern, so dass es in der Mitte des 16. Jahrhunderts zum sogenannten „Wiederaufleben des
Pfefferhandels“ kam Die Koalition der drei muslimischen Staaten brachte es fertig, dass die Portugiesen nie den
Handel vollkommen unter Kontrolle hatten, da sie immer mit Einzelaktionen der Flotten der Sultane rechnen
mussten und der zu kontrollierende Seeraum einfach zu groß war. Das Bündnis war ideologisch auch von der
Rolle des osmanischen Sultans als Schutzherr aller Muslime und der Pilgerrouten untermauert. 1566 erkannte
sogar der Sultan von Atjeh seinen osmanischen Partner als Oberherren an, zum Zeichen dieser Unterwerfung
wurde der Name des osmanischen Herrschers im Freitagsgebet erwähnt, ein traditionelles Zeichen der
Gefolgschaft.
Portugiesische Vergeltungsaktionen gegen den Sultan von Atjeh brachten diesen in Bedrängnis und er musste
sich laufend an Istanbul um Hilfe wenden. Er bat durch seinen Gesandten um militärische Hilfe, man plante zwar
größere Aktionen, um ihm zu helfen, jedoch waren wieder einmal andere Probleme wie Aufstände im Jemen zu
unterdrücken und Atjeh erhielt schließlich Unterstützung in Form von Geschützexperten, 500 Soldaten und
Kanonen, die 1567 in Sumatra eintrafen. Trotz dieser Verstärkung konnte Malacca 1570 nicht genommen
werden.
Die Seeschlacht von Lepanto 1571 war dann ein Ereignis, das die osmanische Aktivität im Bereich von
Seeunternehmungen für einige Zeit abkühlte, die Versprechen Selims II an den Sultan von Atjeh konnten nicht
erfüllt werden und das Land versank in Bürgerkrieg. Der Handel ging weiter und florierte. Erst mit dem
Eintreffen der Holländer 1578 in diesem Raum veränderten sich die Strukturen.
Der Kampf der Portugiesen mit dem Osmanischen Reich spielte sich auch in einem anderen Gebiet ab, nämlich
im Persischen Golf. Die Osmanen waren an diesem Raum schon sehr früh interessiert, nämlich etwa um 1520.
Die Portugiesen hatten schon 1509 Hormuz, das die Einfahrt beherrscht und es auch noch heute tut, besetzt und
wollten den Golf unter ihre vollständige Kontrolle bringen. Sie wollten unter Ausnutzung der Zwistigkeiten der
lokalen arabischen Führer sogar Basra als Stützpunkt einnehmen. Vor dem Feldzug Süleymans I im Jahre 1534
wollten die arabischen Stämme Unterstützung von den Osmanen gegen die Portugiesen, insbesondere
Feuerwaffen. Die Osmanen brauchten 20 Jahre, um zum Golf zu gelangen, 1534 wurde den persischen Safawiden
Bagdad abgenommen und die verschiedenen arabischen Stammesführer anerkannten schrittweise die osmanische
Oberherrschaft. 1545, nach der Unterzeichnung eines Waffenstillstandes mit den Habsburgern in Europa,
konnten militärische Energien für den Osten freigesetzt werden und 1546 wurde Basra erobert und zu einer
großen Flottenbasis ausgebaut, was die Portugiesen sehr beunruhigte. 1552 hatte man sich stark genug gefühlt,
um die Portugiesen aus Hormuz zu vertreiben, eine Flotte von 25 Schiffen mit 800 Soldaten, die nach Süden
unter dem Kommando des Admirals Piri Reis gesegelt war, wurde jedoch von den Portugiesen besiegt. Dieser
Piri Reis war auch ein bekannter Kartograph, der eine Weltkarte zeichnete, in der auch die Entdeckungen des
Kolumbus berücksichtigt waren, die also die Küsten Amerikas zeigte. Man wusste also in osmanischen Kreisen
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über die Größe der Welt Bescheid und über die Existenz europäischen Entdeckungen, wenn auch die damals
übliche Unwissenheit über Details der neuen Länder und abergläubige Vorstellungen vorherrschten.
Das nächste Ziel, um das gekämpft wurde, war Bahrain, wichtig auch als Perlenhandelszentrum.
Die Portugiesen demonstrierten im Golf immer wieder ihre Seeüberlegenheit. Die Osmanen konnten zwar immer
wieder Schiffe aus dem Golf nach Indien und Sumatra senden, jedoch die Portugiesen nicht vertreiben und
mussten sich auf eine defensive Strategie beschränken. Diese wiederum waren zwar auf See stark überlegen,
konnten jedoch die osmanische Herrschaft zu Lande nicht wirklich gefährden, da ihnen die militärischen Kräfte
fehlten.
Interessant ist es festzustellen, dass durch die Präsenz der Portugiesen der Handel mit Indien in den Golf
florierte, insbesondere, da diese mit den Safawiden ein Bündnisübereinkommen geschlossen hatten. Sie
versorgten diese auch mit Waffen und Waren aus Indien. Hormuz wurde zu einem bedeutenden Handelszentrum.
Gegen eine hohe Tributsumme von 60.000 ägyptischen Goldstücken durften aus die Moslems aus Hormuz sich
am Handel mit Indien beteiligen, ausgenommen war das Rote Meer, das eine Domäne der Osmanen war. (Inalcik
S. 338).
Auf Grund der Schwierigkeiten, die die Portugiesen in der Mitte des 16. Jahrhunderts mit ihrem
Überseeimperium bekamen, nämlich dem Ausbleiben von Gold aus Lissabon für Gewürzkäufe und der
Korruption der Führungsschicht, wurde die Kontrolle laxer und der Handel glitt in andere Bahnen und stieg im
allgemeinen kräftig an. Eine Karawanenstraße von Basra nach Aleppo entstand, die es erlaubte, Gewürze,
Farbstoffe und Baumwollwaren aus Indien ins Mittelmeer zu bringen. Es entstand sogar eine indische
Kaufmannskolonie in Aleppo.
Auf Grund der osmanischen Seeniederlage bei Hormuz wurde im Golf ein modus vivendi mit den Portugiesen
getroffen, man ging seinen Geschäften nach und ließ die Waffen ruhen. Die Wichtigkeit des neuen Handelsweges
Basra-Aleppo stieg, in der Mitte des 16. Jahrhunderts stiegen auch die Venezianer wieder in den Gewürzhandel
in Aleppo ein und waren auch in Hormuz vertreten, ein Zeichen für die großen Mengen, die auf diesem Wege
transportiert wurden.
Einige Erfolge erringt schließlich im Indischen Ozean der osmanische Freibeuter Mir Ali Bey, der im Rahmen
von Kaperfahrten zwischen 1585 und 1586 an der ostafrikanischen Küste zwischen Mombasa und Mogadischu
20 portugiesische Schiffe erobert, er wird jedoch vor Mombasa 1589 von den Portugiesen aufgerieben.
Einer der Gründe, warum die Osmanen die Kontrolle im Indischen Ozean nicht erringen konnten, waren
dauernde Unruhen im Jemen, das zwar als Teil des Mameluckenstaates an den Sultan gefallen war und 1539 in
ein beglerbeylik (Großprovinz) umgewandelt wurde, jedoch auf Grund der sozialen Strukturen nie zur Ruhe kam
und immer wieder militärische Aktionen notwendig machte, um die Ruhe wiederherzustellen. Die osmanische
Art der Steuereintreibung stieß immer wieder auf Widerstand und es kam zu vielen lokalen Aufständen. Das
Land wurde - und wird auch heute noch - von den sehr starken Stammesclans beherrscht, die sehr auf
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Unabhängigkeit bedacht waren und sich schwer einer fremden Kontrolle unterwarfen. 1565 spaltete sich die
Provinz sogar in zwei Regionen mit den Hauptstädten Sa‘ dah und Ta’izz, was wieder Rivalitäten in der
osmanischen Verwaltung erzeugte. Im Jahre 1600 mussten bereits 38 Festungen im Lande unterhalten werden,
um die Ruhe erhalten zu können. Jemen war eine reiche Provinz, da sie viele Einkünfte aus dem Gewürzhandel
hatte und später mit dem Zentrum Mocha für den Kaffeeexport wichtig wurde.
Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Großmächten auf der militärischen und politischen Ebene hatten
neben den Ideologien - Verbreitung des Christentums, Reconquista auf der einen Seite und Verbreitung des Islam
auf der anderen Seite - sehr handfeste wirtschaftliche Hintergründe. Es ging um die Beherrschung von
Handelsrouten, die den Transport des profitabelsten Gutes der frühen Neuzeit ermöglichten: des Pfeffers.
Deshalb ist es in diesem Zusammenhang unerlässlich, sich im Detail mit den kommerziellen Aspekten dieses
Gutes auseinanderzusetzen.
Dieses Gewürz hatte einen sehr großen Prestigewert einerseits - in der orientalischen Kaufmannschaft und in den
Zunftorganisationen der arabischen Städte gehörten die Pfefferhändler zu den vornehmsten Kaufleuten andererseits boten die Handelsspannen, die involviert waren, Aussicht auf große Gewinne. Darüber hinaus war
das Produkt leicht zu transportieren und sehr haltbar, im Einzelfall sogar bis zu dreißig Jahren. Darüber hinaus
stellt der Pfefferhandel in der Wirtschaftsgeschichte ein gutes Beispiel für den Versuch dar, Monopole zu
errichten und Kartellabsprachen zu tätigen. Außerdem ist er ein klassisches Beispiel des harten Wettbewerbs, der,
wie wir wissen, auch mit Hilfe von Kanonen ausgetragen wurde. (Glamann in Cipolla S. 303 ff.)
Traditionell kam der Pfeffer der arabischen Welt von der indischen Westküste, Malabar und Travanacore, die die
besten Sorten lieferten, wurde entweder durch den Persischen Golf über Damaskus/Aleppo zum Mittelmeer oder
durch das Rote Meer nach Kairo versandt. Später kam noch indonesischer Pfeffer dazu.
Am Höhepunkt der portugiesischen Offensiven zwischen 1510 und 1515 und der zeitweiligen Beherrschung der
Handelswege erreichten die Pfefferpreise in Europa einen Tiefpunkt, da so viel angeboten wurde. 1501 kam das
erste portugiesische Schiff in Antwerpen an und löschte Pfeffer, 1508 gründete man die Feitoria de Flandres als
Abteilung der Casa da India in Lissabon. Die großen angebotenen Mengen lösten einen Preisverfall aus, der
besonders Venedig traf. 1503 kostete in Lissabon ein cantaro (55-58 kg) Pfeffer nur 22 Dukaten und in Venedig
45 - 70 Dukaten (Armando S. 162)
Die folgende Tabelle gibt uns einen Hinweis auf die dramatischen Verschiebungen, die im Pfefferhandel
zwischen 1497 und 15013 vor sich gingen: (Werte in lbs., Zahlen gerundet)
Jahr
Lissabon
Beirut/Alexandria
1497
-
6,6 Mio.
1498
-
6,5 Mio.
1499
-
6,4 Mio.
13
1500
-
?
1501
224.000
?
1502
173.000
1,0 Mio.
1503
3,4 Mio.
1,0 Mio.
1504
1,3 Mio
1,0 Mio
1505
2,6 Mio.
1,0 Mio.
1506
1,9 Mio
?
1507
2,8 Mio.
?
1508
?
1,1 Mio
1509
4,5 Mio.
-
1510
?
1,0 Mio
1511
?
-
1512
?
1,5 Mio
1513
4,3 Mio.
314.000
(Inalcik S. 342)
Auch wenn wir nicht für alle Jahre Zahlen besitzen und die Angaben möglicherweise nicht immer der Tatsachen
entsprechen, so sehen wir doch die dramatischen Verlagerungen an Mengen. In Venedig stieg im Zeitraum 1495
bis 1508 die öffentliche Verschuldung von 1,6 Mio. auf 2,8 Mio, Dukaten. Deutschland, England und Flandern
begannen in Lissabon zu kaufen.
Venedig war aber als Bindeglied zwischen Europa und dem Orient ein zu wichtiges Verbindungsglied, um durch
diese Verluste gänzlich ausgeschaltet zu sein. Es ging ja nicht um den Pfeffer alleine, sondern all die anderen
Waren wie Seide, Metalle, Bauholz und Farben, die transportiert wurden. 4000 venezianische Familien waren im
Handel beschäftigt, nicht nur in Venedig selbst, sondern in zahlreichen Stützpunkten der damaligen Welt.
Die Handelsgroßmacht gab jedoch nicht auf, versuchte, alte Beziehungen wieder zu aktivieren und konnte um
1518 den Handel wieder über die Levante beleben. Gegen die Portugiesen wehrte man sich mit Embargos oder
Schutzzöllen. 1512 kam es wieder zur Belebung des Gewürzhandels über die Levante. 1538 hatte Venedig aus
mehreren Gründen seine Position wieder gefestigt, da die Portugiesen durch Korruption und Kaperungen Fracht
verloren, die Karawanenrouten durch die Pax ottomana sich wieder belebt hatten und auch andere
Zwischenhändler aus Frankreich und Deutschland in das Geschäft mit der Levante einstiegen. Nicht zuletzt war
ja durch die Nachfolge der Osmanen im Mameluckenreich ein wichtiges Handelszentrum, Alexandria wieder
aktiviert worden. In Lissabon war man über diese Erfolge beunruhigt, da um 1560 der Levantehandel bereits den
portugiesischen Import übertraf. In Lissabon herrschte Pfefferknappheit. 1563 versuchte sogar der portugiesische
Gesandte an der Hohen Pforte die Erlaubnis zu erwirken, den portugiesischen Pfeffer aus Indien über das Rote
Meer senden zu lassen, was aber abgelehnt wurde. (Glamann in Cipolla S. 304).
Die langen Verbindungsrouten von Indien nach Portugal waren einfach zu verletzlich und die Verluste durch
Schiffbruch, Piraterie und dem moralischen Verfall der in Übersee tätigen waren bedeutend. Der Krieg Venedigs
mit den Osmanen 1570-73 brachte Portugal eine Atempause, da die Venezianer große Verluste erlitten.
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Am Ende des 16. Jahrhunderts waren die Portugiesen jedoch aus dem Rennen geworfen worden. Sie hatten ihr
Fernziel, das Weltpfeffermonopol nicht erreichen können. Die Karawanenstraßen hatten noch einmal ihre
Widerstandsfähigkeit bewiesen. Portugal wurde 1580 in einer Personalunion mit Spanien vereinigt , was zu einer
Änderung der gesamten Politik führte, andererseits hatten ihm die beiden aufstrebenden Seemächte England und
die Niederlande inzwischen den Rang im Überseehandel abgelaufen. Durch das Auftreten dieser beiden
Handelsgroßmächte und des damit zur Verfügung stehenden zusätzlichen Frachtraums geriet der Pfeffermarkt in
Europa in Turbulenzen und litt unter Überangeboten und Preisverfall. Auch die Levante spürte den Preisdruck
und fiel stark zurück. Allerdings versuchte man, den Rückgang des Produktes Pfeffer durch neue Waren
auszugleichen, die in Mode gekommen waren, wie zum Beispiel Kaffee, Arzneimittel und Baumwollprodukte.
Was das Osmanische Reich anbelangte, so wäre es möglicherweise ohne die Entdeckung des Seewegs nach
Indien und Amerikas der Welthandelsknotenpunkt geblieben (Braudel S. 522), da es eine sehr gesunde
wirtschaftliche Struktur hatte, ein einziger Binnenmarkt war und durch die kommerzielle Anbindung an Indien zu
einem der größten Märkte der damaligen Zeit Zugang hatte. Jedoch war sicherlich die Größe des Reiches selbst
ein Hindernis für seine weitere Ausdehnung, die Grenzen der damaligen Logistik und Kommunikation waren
erreicht. Der Islam konnte weder über Algier hinaus durch Marokko zum Atlantik gelangen noch im Osten
Persien niederringen, um die Landverbindung zu Indien herzustellen. Den Seeweg hatten ihnen ja die Portugiesen
verlegt, später waren die Engländer und Holländer zu stark, um geschlagen werden zu können. Immerhin aber
waren die Produktionswerte des riesigen Reiches im 16. Jahrhundert beeindruckend, man beherrschte die
überwiegende Anzahl der Mittelmeerhäfen von Algier bis zur Adria, besaß die Kontrolle über das Schwarze
Meer, das Rote Meer und den Persischen Golf. Ab 1517 floss auch der Reichtum Ägyptens und Syriens dem
Sultan zu und ab der Mitte des Jahrhunderts die Schätze Arabiens. Die Grenzen seiner maritimen
Expansionsfähigkeit zeigten Lepanto und Algier auf. Außerdem darf man nicht vergessen, dass durch die Größe
des Reiches der Binnenhandel den Außenhandel bei weitem übertraf, wobei letzterer vor allem strategische und
Luxusgüter beinhaltete. Die Unterbrechung des Seeweges nach Indien, die Störung der Karawanenrouten waren
für das Osmanische Reich, das ja überwiegend agrarisch und handwerklich strukturiert war, zunächst mit keinen
größeren wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. es erfolgten zwar Umleitungen in den Handelsströmen, aber
keine grundlegenden Veränderungen. (Owen S.3.). Im Gegenteil, der Binnenmarkt des frühen 16. Jahrhunderts
wurde durch die Pax Ottomanica belebt, da die zentrale Verwaltung in Istanbul sehr auf die Aufrechterhaltung
der inneren Sicherheit bedacht war, was wiederum dem Handel gut tat. Man führte in allen eroberten Gebieten
ein geregeltes Steuersystem ein, das bürokratischen Regeln unterworfen war. Die Märkte in den Städten wurden
kontrolliert, die Karawanenenrouten abgesichert und Stützpunkte gebaut. Die Agrarwirtschaft konnte durch das
Anwachsen der Bevölkerung die Anbaufläche für Getreide vergrößern. Der verstärkte europäische Bedarf für
Getreide führte auch zum Entstehen eines gut gehenden - wenn auch illegalen - Exportgeschäftes von
osmanischem Getreide nach Europa.
Es war aber immerhin das Osmanische Reich, das auch durch seinen ständigen Kontakt mit Europa als einziger
islamischer Staat mit den modernen Entwicklungen in Europa konfrontiert wurde und lange Zeit auf die
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laufenden technologischen Veränderungen reagieren konnte, wenn auch nicht immer rechtzeitig, was zu den
bekannten Verfallserscheinungen des 19. Jahrhunderts führte.
Die Eroberungen der Portugiesen - für die Osmanen zunächst ein peripheres Problem - leiteten jedenfalls einen
Prozess ein, der in der Dominanz der industriellen Güter Europas im 19. Jahrhundert mündete.
LITERATUR
Armando, Walter G., Geschichte Portugals, Stuttgart - Berlin - Köln -München 1966
Ayalon, David, Le phénomène mamelouk dans l’Orient islamique, Paris 1996
Braudel, Fernand, Sozialgeschichte des 15. - 18. Jahrhunderts, Aufbruch der Weltwirtschaft, Paris 1979
Brown, L. Carl, Imperial Legacy, The Ottoman Imprint on the Balkans and the Middle East, New York Chichester 1996
Cerman, Markus, Wirtschaftlicher Niedergang im Spätmittelalter ? Der Mameluckenstaat (1250-1517),
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Cipolla-Borchart (Hrsg.) Europäische Wirtschaftsgeschichte, Band 2, New York 1983
DTV-Atlas zur Weltgeschichte, Band 1, München 1995
Inalcik, Halil (Hrsg.) An Economic and Social History of the Ottoman Empire 1300-1914, Cambridge 1994
Islamoglu- Inan, Huri, The Ottoman Empire and the World Economy, Paris 1987
Kissling, Hans Joachim, Dissertationes Orientales et Balcanicae Collectae, München 1991
Lewis, Bernard, Der Atem Allahs, München 1998
Matuz, Josef, Das Osmanische Reich, Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 1994
Owen, Roger, The Middle East in The World Economy 1800-1914, London & New York 1981
Pemsel, Helmut, Seeherrschaft, Eine maritime Weltgeschichte von den Anfängen bis 1800, Bd 1.
Augsburg 1996
Prien, Hans Jürgen, in Edelmayer-Hausberger-Weinzierl - Die beiden Amerikas, Historische Sozialkunde 7,
Frankfurt 1996.
Rendell, Keith, (Hrsg.) The Ottoman Empire 1450-1700, London 1995
Shaw, Stanford J., History of the Ottoman Empire and Modern Turkey, Vol.I., Cambridge 1976
Vilar, Pierre, Geld und Gold in der Geschichte, München 1984
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Textlektüre: Die Portugiesen vor Jeddah – ein Augenzeugenbericht – Brief des Johan de la Chamara
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