Fertilität und die Mechanismen sozialer Ansteckung

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Familienforschung
Nico Richter
Fertilität und
die Mechanismen
sozialer Ansteckung
Ein theoretischer und
empirischer Integrationsversuch
Familienforschung
Herausgegeben von
A. Steinbach, Duisburg, Deutschland
M. Hennig, Mainz, Deutschland
O. Arránz Becker, Köln, Deutschland
T. Klein, Heidelberg, Deutschland
In der Familienforschung lassen sich zwei Grundpositionen zu Familie identifi­
zieren, die seit Jahrzehnten das Spektrum bilden, in dem sich die Untersuchungen
zu diesem Gegenstand bewegen: Einerseits eine institutionelle Perspektive, die Fa­­
milie als eine Institution betrachtet, die auch unabhängig von ihren Mitgliedern
gedacht werden kann, und andererseits die mikrosoziale Perspektive, innerhalb
derer Familie als Zusammenleben miteinander interagierender Familienmitglieder
interpretiert wird. Die Reihe „Familienforschung“ präsentiert Buchpublikationen
in der gesamten Breite der Forschungsthemen zu Partnerschaft und Familie. Die
Veröffentlichungen umfassen dabei sowohl sozialwissenschaftliche Grundlagen, als
auch angewandte praxisorientierte Forschung. Einer interdisziplinären Sichtweise
auf Familie Rechnung tragend werden neben der Soziologie auch Untersuchungen
aus anderen Fächern wie z. B. der Psychologie, Pädagogik und den Wirtschaftswissenschaften in die Reihe aufgenommen.
Herausgegeben von
Anja Steinbach
Universität Duisburg-Essen
Deutschland
Oliver Arránz Becker
Universität Köln
Deutschland
Marina Hennig
Universität Mainz
Deutschland
Thomas Klein
Universität Heidelberg
Deutschland
Nico Richter
Fertilität und
die Mechanismen
sozialer Ansteckung
Ein theoretischer und
empirischer Integrationsversuch
Nico Richter
Trier, Deutschland
Dissertation Universität Trier, 2016
Familienforschung
ISBN 978-3-658-15810-1
ISBN 978-3-658-15811-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-15811-8
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Inhalt
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ....................................................... 9
Vorwort ........................................................................................................... 11
1. Einleitung ................................................................................................... 13
2. Fertilität im Spiegel der sozialen Einbindung .................................... 17
2.1 Mechanismen des Netzwerkeinflusses – Monopol der
analytischen Soziologie? .................................................................... 21
2.2 Logik der Situation in Fertilitätsprozessen – Der Einfluss
sozialer Nahumwelten im methodologischen Individualismus .. 36
2.2.1 Sozialräumliche Kontexte und Fertilitätsentscheidungen ..... 46
2.2.2 Fertilität in sozialen Interaktionsnetzwerken .......................... 60
2.2.3 Kontext vs. Netzwerk – Ein erstes Fazit ................................... 66
2.2.4 Theoretische Einbindung ins Rahmenmodell – Eine
Standortbestimmung .................................................................. 69
2.3 Die Herkunft des Netzwerkbegriffes – Eine Bestandsaufnahme . 71
2.4 Soziale Netzwerke und die Erklärung des
Geburtenverhaltens – Ein Resümee .................................................. 78
3. Mechanismen der „sozialen Ansteckung“ generativen
Handelns in Interaktionsnetzwerken ................................................... 83
3.1 Strukturelle Äquivalenz – Soziale Ansteckung als
Koinzidenz? ......................................................................................... 95
3.2 Sozialer Druck ................................................................................... 103
3.2.1 Sozialer Druck und Fertilität – Zum Stand der
Forschung ................................................................................... 106
6
Inhalt
3.2.2 Mechanistische Erklärung von sozialem Druck – Die
Wirkung sozialer Normen ....................................................... 112
3.3 Soziale Unterstützung ...................................................................... 120
3.3.1 Soziale Unterstützung und Fertilität – Zum Stand der
Forschung ................................................................................... 125
3.3.2 Mechanistische Erklärung sozialer
Unterstützung – Soziales Kapital und reziproker Tausch ... 138
3.4 Soziales Lernen .................................................................................. 145
3.4.1 Soziales Lernen und Fertilität – Zum Stand der
Forschung ................................................................................... 152
3.4.2 Mechanistische Erklärung sozialen Lernens - Die
sozial-kognitive Theorie des Lernens am Modell ................. 160
4. Mechanismen des Einflusses sozialer Netzwerke auf fertiles
Handeln – Ein quantitativ empirischer Integrationsversuch ......... 169
4.1 Mechanismen des Netzwerkeinflusses auf
Fertilitätsentscheidungen in Ost- und Westdeutschland – Ein
erster empirischer Ansatz ................................................................ 170
4.1.1 Die Identifikation sozialer Mechanismen .............................. 172
4.1.2 Datenbasis, Operationalisierung und Methode .................... 177
4.1.3 Ergebnisse .................................................................................. 179
4.1.4 Zur Wirkung sozialer Netzwerke in Ost- und
Westdeutschland – Ein kurzes Fazit ....................................... 194
4.2 Soziale Ansteckung beim Übergang zur
Elternschaft – Empirische Analysen anhand der
Bamberger Panelstudien zu Ehen und Nichtehelichen
Lebensgemeinschaften ..................................................................... 197
4.2.1 Daten und Methode ................................................................... 202
4.2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse zu sozialen
Mechanismen ............................................................................. 206
Inhalt
7
4.3 Soziale Ansteckung beim Übergang zur
Elternschaft – Eine empirische Folgestudie zur Kausalität
sozialer Mechanismen ...................................................................... 213
4.4 Zusammenfassung und Implikationen .......................................... 222
5. Fertilität und die Mechanismen sozialer
Ansteckung – Zusammenfassung und ein abschließendes
Fazit ........................................................................................................... 231
Literatur ......................................................................................................... 247
Anhang .......................................................................................................... 264
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungen
Abbildung 1: Drei Schritte der soziologischen Erklärung ...................... 25
Abbildung 2: Typologie sozialer Mechanismen von Hedström
und Swedberg (1998) ........................................................... 32
Abbildung 3: Makrodynamiken aus der Supervenienz-Perspektive .... 34
Abbildung 4: Drei Schritte der soziologischen Erklärung
im methodologischen Individualismus ............................. 40
Abbildung 5: Erweitertes Grundmodell .................................................... 70
Abbildung 6: Theorie geplanten Verhaltens ........................................... 113
Abbildung 7: Einfluss des Modelllernens auf
individuelle Handlungsentscheidungen ......................... 165
Abbildung 8: Der Einfluss von sozialem Druck
auf Familienerweiterungen ............................................... 184
Abbildung 9: Der Einfluss von sozialer Unterstützung
auf Familienerweiterungen .............................................. 188
Abbildung 10: Der Einfluss von sozialer Ansteckung
auf Familienerweiterungen .............................................. 191
Abbildung 11: Theoretische Skizze zur Erklärung von
sozialen Ansteckungsprozessen ....................................... 198
Abbildung 12: Altersspezifische Effekte auf die Übergangsrate
zur Familiengründung....................................................... 208
Abbildung 13: Pfadmodell intervenierender Mechanismen
sozialer Ansteckung hinsichtlich Fertilität in sozialen
Netzwerken ......................................................................... 217
Abbildung 14: Kausalanalytisches Hybridmodell
intervenierender Mechanismen sozialer Ansteckung
hinsichtlich Fertilität in sozialen Netzwerken ................ 221
10
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tabellen
Tabelle 1: Determinants of fertility intentions: effects of the
number of peers in respondents‘ communication
networks about children that have one child, two, or
three or more children .................................................................. 86
Tabelle 2: Deskriptive Ergebnisse zum Einfluss sozialer
Netzwerke in Ost- und Westdeutschland ............................... 180
Tabelle 3: Der Einfluss von sozialem Druck auf die
Familiengründung und Familienerweiterungen
zwischen Welle 2 und 3.............................................................. 182
Tabelle 4: Der Einfluss von sozialer Unterstützung
auf Familiengründung und -erweiterungen zwischen
Welle 2 und 3 ............................................................................... 186
Tabelle 5: Der Einfluss von sozialer Ansteckung auf
Familiengründung und -erweiterungen zwischen Welle
2 und 3 .......................................................................................... 190
Tabelle 6: Indirekte Effekte des sozialen Ansteckungspotenzials
auf die Übergangsrate zur Familiengründung ...................... 212
Vorwort
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit sozialer Ansteckung in Interaktionsnetzwerken hinsichtlich der Fertilität und entstand im Rahmen
meiner Beschäftigung mit diesem Thema und den Ansätzen der analytischen Soziologie und deren Bedeutung an der TU Chemnitz bzw. der Universität Trier. Ursprünglich war diese als kumulative Dissertation geplant, doch schließlich und nach reiflicher Überlegung fiel im Jahr 2013
die Entscheidung, diese außerordentlich spannende Thematik doch deutlich umfangreicher im Rahmen einer Monographie zu bearbeiten, da ich
immer wieder zu der Erkenntnis gelangte, dass insbesondere der defizitären theoretischen Erarbeitung entsprechender Mechanismen dringend
Abhilfe zu schaffen ist. Dabei erhielt ich großen Zuspruch durch verschiedenste Personen, die mich mit Rat und Tat unterstützten und denen
ich hiermit meinen tief empfundenen Dank aussprechen möchte. Mein
besonderer Dank gilt dabei meinem Doktorvater, Johannes Kopp, der auf
seine unvergleichbar optimistische Art immer wieder das nötige Maß an
Motivation und inhaltlichem Input lieferte, um mich zur Fertigstellung
dieser Arbeit anzuspornen. Zudem danke ich Paul Hill für die Bereitschaft der Zweitbegutachtung. Ebenfalls großer Dank gilt meinen ehemaligen Chemnitzer Kolleginnen und Kollegen1, die mehr als häufig die richtigen Ratschläge zur rechten Zeit und ein offenes Ohr für Probleme hatten. Besonders hervorzuheben sind hierbei Oliver Arránz Becker und Daniel Lois, von welchen ich in unzähligen Gesprächen und in gemeinsamen
Projekten unendlich viel lernen durfte. Leider bekam ich bisher nicht die
In dieser Arbeit wird im Folgenden entweder die männliche oder die weibliche Form personenbezogener Hauptwörter gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des
jeweils anderen Geschlechts, sondern dient ausschließlich der besseren Lesbarkeit.
1
12
Vorwort
Gelegenheit, weiter mit ihnen an diesem Thema zu forschen, aber die vorliegende Arbeit ist wohl der Beweis, dass ich dieses Projekt noch längst
nicht ad acta gelegt habe.
1.
Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema des Einflusses sozialer Netzwerke auf das familiale Handeln. Ein Blick in die Familienforschung löst hierüber möglicherweise bereits zu Beginn eine gewisse Verwunderung aus, denn zu Recht ließe sich fragen, ob es in diesem Feld
überhaupt noch Phänomene gibt, deren Bearbeitung eine weitere Monographie zum Thema Fertilität rechtfertigt. Und in der Tat scheint es, als
sei in diesem Feld bereits alles gesagt. So könnte eine solche Arbeit wohl
damit beginnen, zu wiederholen, dass es sich bei Fertilität um ein wichtiges, wenn nicht um das zentrale Thema der Familienforschung handelt,
denn bis heute zeigen gängige Definitionen der Familie eindeutig, dass
ein zentrales Kriterium für diese Lebensform in generativem Handeln
liegt (Hill & Kopp 2013; Nave-Herz 2006, vgl. Kopp & Richter 2015). Ferner wäre es hier auch denkbar, einleitend einige Hinweise über den Begriff der Fertilität selbst, seine Verwendung in der Sozialwissenschaft im
Vergleich etwa zur Reproduktionsmedizin oder weitere, in diesem Kontext verwendete Termini zu liefern (siehe hierzu z.B. Kopp 2002; Burkart
2008). Spätestens an dieser Stelle jedoch besteht die Gefahr, selbst den geneigtesten Leser zu verschrecken, denn über all diese Aspekte wurde in
der Geschichte der Familienforschung mit einer Ausführlichkeit berichtet,
welche ihresgleichen sucht. Auch soll diese Arbeit keinen Lehrbuchcharakter erhalten, indem über die Entwicklung der Fertilität in der Welt, den
demographischen Übergang oder gar verschiedenste mögliche Kenngrößen der Messung von Geburtenzahlen und deren Entwicklung referiert
wird. Auch in diesem Bereich lässt sich festhalten, dass in der Diskussion
eine breite Einigkeit darüber herrscht, welche theoretischen Modelle zur
Erklärung der Geburtenentwicklung und des Fertilitätsverhaltens heran-
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017
N. Richter, Fertilität und die Mechanismen sozialer
Ansteckung, Familienforschung,
DOI 10.1007/978-3-658-15811-8_1
14
Einleitung
gezogen werden können und welche Maße zu ihrer Beschreibung geeignet sind (vgl. Kopp 2002; Kopp & Richter 2015), auch wenn hier durchaus
unterschiedliche Ansätze existieren. Nachdem damit gesagt ist, welches
Ziel diese Arbeit nicht verfolgt, ist es an der Zeit, zu erläutern, womit sie
sich denn eigentlich beschäftigt. Hätte der Autor Gelegenheit, mit René
Goscinny einen Helden seiner eigenen Kindheit um eine passende Einleitung für diese Arbeit zu bitten, so würde diese wohl lauten: Wir schreiben
das Jahr 2015; die gesamte Fertilitätsforschung ist mit makrostrukturellen
Entwicklungen und individualistischen Erklärungsmodellen des Handelns rationaler, autonomer Akteure besetzt. Die gesamte Fertilitätsforschung? Aber nein! Eine kleine Gruppe analytischer Soziologen, methodologischer Individualisten und Netzwerkforscher leistet noch immer
Widerstand. In einem zentralen Punkt nämlich klafft in den Überlegungen, wie Individuen die Entscheidung für oder gegen die Familiengründung oder -erweiterungen treffen, eine gewisse Lücke: Welche Rolle spielen hierbei soziale Gruppen, in die sie integriert sind? Die vorliegende Arbeit stellt den Versuch dar, diese Lücke zu schließen.
Um dies leisten zu können, bedarf es in vielfacher Hinsicht einer systematischen Integration verschiedenster Ansätze und ihrer Überlegungen, welche für sich genommen zwar nicht gänzlich neu, aber in dieser
Weise noch nicht systematisch aufgearbeitet sind. Dafür soll im ersten Teil
gezeigt werden, inwiefern die soziale Einbindung von Akteuren in der
Fertilitätsforschung schon seit den Anfängen der Disziplin eine herausragende Rolle spielt, wobei aber eine zentrale Frage noch immer nicht im
Detail beantwortet wurde: Wie läuft diese Beeinflussung eigentlich ab?
Ausgehend von den Überlegungen der analytischen Soziologie
(Hedström & Swedberg 1998b; Hedström & Bearman 2013b; Hedström &
Ylikoski 2010) soll gezeigt werden, dass es hierfür einer dezidierten, theoretisch wie empirisch fassbaren Vorstellung von sozialen Wirkmechanismen bedarf. Wie in einer aktuellen Publikation gezeigt werden kann,
spielt das Konzept sozialer Mechanismen in der Familiensoziologie insofern schon immer eine Rolle, als dass die Idee dahinter eigentlich den Kern
soziologischer Erklärungen bildet (vgl. Kopp & Richter 2016). Dieser ist
Einleitung
15
allerdings insofern defizitär, als dass der Frage nach dem „Wie“ in den
seltensten Fällen die Aufmerksamkeit zukommt, die ihr eigentlich gebührt. Diese Tatsache verwundert wenig, denn wie festzustellen ist und
auch die folgende Diskussion zeigen wird, bedarf es für die mechanistische Erklärung eines jeden Phänomens einer mehr als komplexen konzeptionellen Auseinandersetzung mit sehr spezifischen Prozessen, welche im
Rahmen gängiger Forschungsbeiträge kaum zu leisten ist. Folglich werden derartige Erklärungen zumeist ex post formuliert und ihre Wirkung
wird ohne nähere Auseinandersetzung mit den entsprechenden theoretischen Prozessen postuliert, um empirische Befunde, die üblicherweise
den Kern dieser Arbeiten bilden, verstehbar zu machen. Eine insofern vergleichsweise empiristische Vorgehensweise soll in dieser Arbeit hinsichtlich der Erklärung sozialer Einflüsse auf individuelle Fertilitätsentscheidungen bewusst verlassen und die wirkenden Mechanismen selbst in den
Fokus der Aufmerksamkeit gerückt werden. Ein erstes Anliegen besteht
folglich darin, zunächst ein tragfähiges Mechanismuskonzept zu entwickeln und in die gängigen Modelle der sozialwissenschaftlichen Erklärung der Fertilität zu integrieren. Hierbei wird sich zeigen, dass soziale
Bezugsgruppen und eine Vorstellung davon, wie sie zu charakterisieren
sind, eine wichtige Grundvoraussetzung darstellt. Daher werden zwei
Möglichkeiten diskutiert, potenziell einflussreiche Nahumwelten für individuelle Entscheidungen zu beschreiben, nämlich zum einen als primär
räumlich abgrenzbare Kontexte und zum anderen über reale Interaktionen, also soziale Netzwerke. Hiermit soll also – neben der Analytischen
Soziologie – eine weitere Perspektive in die Diskussion eingeführt werden, welche im Rahmen der Netzwerkforschung selbst bereits auf eine
lange Tradition zurückblicken kann, deren bedeutende Implikationen für
die Erklärung sozialer Tatbestände gerade hinsichtlich der Fertilität aber
bislang nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Anhand der Verknüpfung beider Konzepte soll gezeigt werden, dass es in sozialen Netzwerken zu einem Phänomen kommt, welches nicht selten mit dem aus
Sicht des Autors eher metaphorischen Begriff der sozialen Ansteckung
beschrieben wird. Hierbei handelt es sich um nicht mehr als die Idee, dass
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