Leben mit systemischer Sklerose Patientenratgeber rund um das Thema systemische Sklerose Vorwort der Sklerodermie Selbsthilfe e. V. Werden Sie Ihr eigener Krankheitsmanager Liebe Leserin, lieber Leser, „Gemeinsam sind wir stärker“: Dieser Satz hat nicht nur innerhalb einer Selbsthilfegruppe Gültigkeit – gemeinsam ist man auch stärker, wenn man über den eigenen Tellerrand hinausschaut, ab und zu die Fragen stellt: „Wer kann was – was können wir? Wer könnte uns helfen – wem können wir helfen?“ und wenn man bereit ist, Kooperationen einzugehen. Actelion verfügt, um überhaupt Medikamente herstellen zu können, über großes Hintergrundwissen. Unsere Selbsthilfegruppe hat die nicht zu unterschätzende Betroffenenkompetenz, das Alltagswissen und die Möglichkeit, viele Betroffene schnell und in kürzester Zeit zu erreichen. Da jeder die Stärken und Besonderheiten der Einzelnen respektierte, machte es sogar richtig Spaß, sich mit dem Herzen einzubringen und an diesem Werk mitzuwirken. Diese wunderbare Patientenbroschüre schließt selbst bei langjährigen Mitgliedern unserer Selbsthilfe die eine oder andere Wissenslücke, auch wenn Sie als Patient bei einem Spezialisten in Behandlung sind und dort optimal betreut werden. Für alle neu Betroffenen, Angehörigen, Nichtmitglieder und sonstigen Interessierten gibt sie einen sachlichen Überblick über die Erkrankung – angstfrei, aber mit der gehörigen Portion an „respektieren Sie Ihre Krankheit, gehen Sie zu Experten, nehmen Sie Ihre Medikamente und werden Sie Ihr eigener Krankheitsmanager“. 2 Selbst für Mitarbeiter der Krankenkassen, Physiotherapeuten und sonsti­ge Akteure, die wissen sollten, was systemische Sklerose ist, was sie macht und dass es sehr wohl Spielregeln wie z. B. konsequente Thera­pie, Nicht-Rauchen und Kälte-Meiden gibt, ist die Broschüre ein wertvolles Werk. Ich wünsche Ihnen beim Studieren dieses Ratgebers viele Aha-Erlebnisse im positiven Sinne. Ihre Emma M. Reil Vorsitzende Sklerodermie Selbsthilfe e. V. Am Wollhaus 2 74072 Heilbronn Tel.: +49 7131 390 24-25 Fax: +49 7131 390 24-26 e-Mail: [email protected] Internet: www.sklerodermie-selbsthilfe.de Inhaltsverzeichnis Begegnung mit der systemischen Sklerose 6 Krankheitsbild8 Verbreitung der systemischen Sklerose 12 Mögliche Komplikationen bei systemischer Sklerose 12 • Vaskulopathie / Gefäßschädigung 14 • Finger 14 –Raynaud-Syndrom 14 – Geschwollene Finger 16 – Fingergeschwüre (digitale Ulzerationen, DU) 17 • Herz und Lunge 18 – Lungenfibrose 20 – Lungenhochdruck (pulmonal-arterielle Hypertonie, PAH) 22 –Herz 24 • Niere 26 • Verdauungstrakt 28 • Haut 30 • Muskulatur und Gelenke 32 Diagnostik34 Frühe Anzeichen 35 Weitere Untersuchungen 36 • Gefäßbeteiligung der Finger 37 • Lungenbeteiligung 37 • Herzbeteiligung 37 • Nierenbeteiligung 38 • Darmbeteiligung 38 • Routine-Untersuchungen 39 4 Umgang mit der systemischen Sklerose 40 Therapie40 • Behandlung der systemischen Sklerose 40 – Immunsystemdämpfende Therapie 42 –Haut 42 – Gefäßbeteiligung 42 –Raynaud-Syndrom 42 – Fingergeschwüre (digitale Ulzerationen, DU) 43 – Lunge und Herz 44 –Niere 44 – Verdauungstrakt 44 – Muskeln und Gelenke 45 Begleitende Therapie 46 • Physiotherapie 46 • Ergotherapie 48 • Psychotherapie 48 • Sexuelle Funktionsstörungen 49 Leben mit systemischer Sklerose 50 • • • • • • • • • • 53 54 56 56 57 58 61 62 63 70 Alltagstipps Ernährung Schwangerschaft Sexualität Zahnpflege Hautpflege Beweglichkeit Selbsthilfegruppen Glossar Merkliste 5 BEGEGNUNG MIT DER SYSTEMISCHEN SKLEROSE 6 Sklerodermie bedeutet wörtlich übersetzt „harte Haut“ (skleros = hart, derma = Haut) und bezeichnet eine seltene Erkrankung, die durch eine Verhärtung der Haut gekennzeichnet ist. Die Ursache dafür ist eine Verhärtung des Bindegewebes. Inzwischen weiß man, dass auch die inneren Organe und Blutgefäße betroffen sein können; deswegen wird heute der Begriff „sysDie Geschichte der temische Sklerose“ verwendet. Eine vollstänsystemischen Sklerose dige Heilung der Erkrankung ist derzeit trotz einiger Fortschritte in der Therapie noch nicht 1753 dokumentiert der neapolitanische möglich, daher schreitet die Erkrankung über Arzt Carlo Curzio den Fall einer 17-jähdie Zeit in unterschiedlichem Ausmaß weiter rigen Patientin, die Symptome wie Vervoran. Aus diesem Grund ist eine bestmögliche dickung der Haut, Enge um den Mund und dauerhafte Therapie sehr wichtig, um eine und Verdickungen um den Hals aufweist. Verschlechterung des Gesundheitszustands Zwei Jahre später beschreibt Curzio ihre durch die Erkrankung aufzuhalten. Erkrankung zum ersten Mal in einer MoHautschichten Blutgefäß Oberhaut Lederhaut (Bindegewebe) Fibroblasten Unterhaut (Fettgewebe) Entzündungszellen Fibrose Querschnitt durch die Hautschichten: Die systemische Sklerose ist eine entzündliche Erkrankung des Bindegewebes. Durch eine Fehlreaktion des Immunsystems entsteht eine Entzündungsreaktion gegen körpereigene Zellen, und es kommt zu einer übermäßigen Vermehrung von Bindegewebszellen, den sogenannten Fibroblasten. Diese produzieren verstärkt Kollagen, welches eingelagert wird und zur Verhärtung der Haut führt (Fibrose). nographie. 1808 und 1818 werden seine Abhandlungen auch in London und Paris veröffentlicht. Der Begriff „Sklerodermie“ wird 1847 durch den französischen Arzt Elie Gintrac etabliert, der davon ausgeht, dass es sich um eine reine Hauterkrankung handelt. Nachdem William Osler, ein Mediziner aus Kanada, erstmals Organbeteiligungen mit der Hautfibrosierung in Zusammenhang gebracht hat, schlägt R. Götz 1945 vor, die Krankheit aufgrund des Verlaufs und der Organbeteiligungen „progressive systemische Sklerose“ zu nennen. Einer der bekanntesten Sklerose-Patienten war der Maler Paul Klee (1879 – 1940). 7 Krankheitsbild Die systemische Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, dass das Immunsystem körpereigene Strukturen fälschlicherweise als fremd erkennt und versucht, diese zu bekämpfen. Die Ursache für die Entstehung einer systemischen Sklerose ist bis heute nicht vollständig geklärt. Wahrscheinlich spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, unter anderem genetische Veranlagung, Umwelteinflüsse und unbekannte Infektionen (siehe auch Kapitel Diagnostik S. 34). Die systemische Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung Das Immunsystem zerstört nicht nur Bakterien, Viren und andere Schadstoffe … … sondern auch körpereigene gesunde Zellen. Daran beteiligt sind Auto-Antikörper (z. B. antinukleäre Antikörper). Mechanismus einer Autoimmunerkrankung Körpereigene Strukturen werden vom Immunsystem angegriffen. 8 Zunächst entsteht durch die Fehlreaktion des Immunsystems eine Entzündungsreaktion ge­gen körpereigene Strukturen. Das bedeutet, dass Zellen des eigenen Immunsystems bestimmte andere Zellen des Körpers angreifen, obwohl diese eigentlich gesund sind. Ausdruck einer solchen Fehlreaktion sind z. B. sogenannte Auto-Antikörper, die von den Entzündungszellen gebildet werden und im Blut des Patienten nachweisbar sind. Das Hauptmerkmal der Erkrankung ist eine fortschreitende Vermehrung des Bindegewebes durch eine erhöhte Produktion und Einlagerung von Kollagen (ein Eiweißstoff, wesentlicher Bestandteil von Knochen und Zähnen). Dies führt zu einer Verhärtung des Gewebes (Fibrose), besonders der bindegewebsreichen Haut. Da Bindegewebe aber überall im Körper vorhanden ist, kann prinzipiell auch jedes andere Organ von einer Verhärtung betroffen sein. Dies führt vor allem zu einer krankhaften Veränderung der Blutgefäße, da die Wände der Blutgefäße dicker werden. Besonders bei den kleinen Blutgefäßen kann dies zu Durchblutungsstörungen führen (Vaskulopathie). Da Blutgefäße sowohl in der Haut als auch in allen anderen Organen zu finden sind, macht sich dies auch durch Veränderungen einzelner Organ­ funktionen bemerkbar. Krankheitsmechanismen Entzündung / Autoimmunreaktion Schädigung der Blutgefäße (Vaskulopathie) Verhärtung von Haut und Bindegewebe Krankheitsbild der systemischen Sklerose Kennzeichnend sind eine Entzündung, eine Verhärtung von Haut und Bindegewebe und eine Schädigung der Blutgefäße. 9 Subgruppen der Sklerodermie Systemische Sklerose Limitierte sys­ temische Sklerose (lSSc, CREST) Diffuse systemische Sklerose (dSSc) Wichtigste Unterformen der systemischen Sklerose Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Unterformen der systemischen Sklerose: die diffuse systemische Sklerose (dSSc) und die limitierte systemische Sklerose (ISSc). Diese werden aufgrund der Hauptsymptomatik eingeteilt. Sind nur die sogenannten Akren (vorstehende Körperteile, also Hände oder Füße bzw. die Extremitäten unterhalb der Ellenbogen- oder der Kniegelenke, aber auch Nase oder Kinn) betroffen, spricht man von einer limitierten Form der systemischen Sklerose. Eine Organbeteiligung ist bei dieser Form seltener und meist leichter ausgeprägt. Eine Unterform der limitierten systemischen Sklerose ist das CREST-Syndrom (Calcinosis cutis, Raynaud-Syndrom, ösophageale (engl.: esophageal) Beschwerden, Sklerodaktylie, Teleangiektasie). Breitet sich die Sklerose über den ganzen Körper aus, wird von einer diffusen systemischen Sklerose gesprochen. Sie schreitet in der Regel schneller voran und führt bei manchen Patienten schon innerhalb eines Jahres zu einer schweren Form von Fibrose (Hautverhärtung). Sehr häufig sind dann auch innere Organe betroffen. Die „Systemische Sklerose sine scleroderma (ssSSc)“ ist eine sehr seltene dritte Unterform der systemischen Sklerose. Bei dieser Form sind nur innere Organe betroffen, die typischen äußeren Merkmale fehlen. Lokalisierte (zirkumskripte) Sklerodermie Bei der zirkumskripten Sklerodermie (Morphea) ist im Unterschied zur systemischen Sklerose die Verhärtung auf die Haut beschränkt, auch wenn benachbarte Strukturen wie Fettgewebe, Muskeln und selten auch Gelenke mitbetroffen sein können; eine Beteiligung innerer Organe (Magen-Darm-Trakt, Lunge, Herz, Nieren) tritt jedoch nicht auf, ebenso wenig ein Übergang in eine systemische Sklerose. 10 Die systemische Sklerose ist eine chronischprogrediente Erkrankung. Das bedeutet, dass die Krankheit mit der Zeit voranschreitet und deshalb eine stetige Überwachung und Kontrolle der Symptome wichtig und notwendig ist. Auch wenn bestimmte Symptome bei milderen Temperaturen nicht so stark zu Tage treten und man sich vielleicht nicht akut krank fühlt, sollte die Therapie nicht ausgesetzt werden. Eine Einhaltung der Therapie ist für die langfristige Kontrolle des Krankheitsverlaufs wesentlich. 11 Verbreitung der systemischen Sklerose Die systemische Sklerose ist eine seltene Erkrankung. Österreichweit leiden etwa 1.500 Menschen an einer systemischen Sklerose, und man schätzt, dass etwa 120 Menschen pro Jahr neu erkranken. Da der Krankheitsverlauf jedoch sehr individuell ist und die Angaben über die Häufigkeit in der Literatur stark variieren, handelt es sich hierbei nur um Schätzwerte. Meistens tritt die Erkrankung im Alter von 30 bis 50 Jahren auf, wobei Frauen etwa viermal häufiger betroffen sind als Männer. Das Ausmaß der Erkrankung variiert stark: In einigen Fällen sind die Veränderungen nur nach genauer Untersuchung mit entsprechender Diagnose-Technik nachvollziehbar und werden von den Betroffenen fast gar nicht wahrgenommen. Andere Erkrankte sind dagegen deutlich am ganzen Körper betroffen und haben Verhärtungen im Gesicht, Durchblutungsprobleme an den Fingern oder Beeinträchtigungen der inneren Organe. Entsprechend kann die systemische Sklerose mit ernsthaften Beschwerden bei der Atmung, dem Schlucken und der Verdauung verbunden sein. Da die Krankheit sehr unterschiedliche Ausprägungen zeigt, vergehen bei milden Verläufen oftmals Monate oder Jahre, bis bei einem Patienten die richtige Diagnose gestellt wird. Die systemische Sklerose ist heute zwar leider noch nicht heilbar, aber inzwischen stehen gute Behandlungsoptionen zur Verfügung, die das Leben mit systemischer Sklerose erleichtern und den Langzeitverlauf positiv beeinflussen. Mögliche Komplikationen bei systemischer Sklerose Von der systemischen Sklerose können prinzipiell alle Organe betroffen sein, was zu unterschiedlichen Symptomen und Beschwerden führen kann. 12 Gesicht Lunge Hände Herz Verdauungstrakt Gelenke Haut Schleimhäute Geschlechtsorgane Muskulatur Gefäße Niere Mögliche Begleiterkrankungen bei der systemischen Sklerose Die Übersicht zeigt verschiedene Organe, die von der systemischen Sklerose betroffen sein können. 13 Vaskulopathie / Gefäßschädigung Die Schädigung der Gefäße (Vaskulopathie) gehört zu den Hauptmerkmalen der systemischen Sklerose. Die Durchblutung der Gefäße wird durch verschiedene Botenstoffe reguliert, je nach Bedarf durch eine Verengung (Vasokonstriktion) oder eine Erweiterung (Vasodilatation) des entsprechenden Gefäßes. Hier spielen drei Botenstoffe eine zentrale Rolle: Endothelin, Stickstoffmonoxid und Prostazyklin. Geraten diese Regulationsmechanismen aus dem Gleichgewicht, so kommt es zu Durchblutungsstörungen. Im ungünstigsten Fall kommt es zu einer ausgeprägten Gefäßverengung und einer Minderdurchblutung des betroffenen Gewebes. Endothelin ist ein sogenannter Vasokonstriktor, ein körpereigener Stoff, der an den Blutgefäßen eine Verengung auslöst. Wird es in zu großen Mengen freigesetzt, verursacht es eine Verengung, Verhärtung und Verdickung der Gefäßwände sowie Entzündungen. In verschiedenen Organen oder Körperteilen – beispielsweise an den Fingern, in der Niere oder der Lunge – können durch eine Gefäßschädigung schwere Komplikationen auftreten (siehe hierzu auch Kapitel Fingergeschwüre S. 17, Niere S. 26 und Lungenhochdruck S. 22). Finger Raynaud-Syndrom Eines der frühesten Symptome, das der Erkrankung oft Jahre vorausgeht, ist das sogenannte Raynaud-Syndrom. Es ist benannt nach seinem Entdecker, dem französischen Arzt Maurice Raynaud. Mehr als 90 % der Patienten leiden am Raynaud-Syndrom, bei dem sich die Blutgefäße in den Fingern (oder manchmal auch an Zehen, Ohrläppchen oder Nase) anfallsweise zusammenziehen und der Blutfluss eingeschränkt wird. Als Folge verfärben sich die Finger zunächst weiß und anschließend aufgrund des Sauerstoffmangels blau. Wenn die Gefäße sich wieder erweitern, fließt das Blut zurück in die Finger, sodass diese sich dadurch rot verfärben. Die schnelle Verengung und Erweiterung der Gefäße kann zu starken Schmerzen 14 Raynaud-Syndrom Normale Durchblutung Quer- und Längsschnitt der Arterie Krampfartiges Zusammenziehen der Arterien (Vasospasmen) Die Finger verfärben sich weiß (Minderdurchblutung) Die Finger verfärben sich blau (Sauerstoffmangel) Die Finger verfärben sich rot (Gefäße erweitern sich wieder) Typischer Verlauf einer Raynaud-Attacke Einzelne Finger werden zunächst weiß, dann blau und schließlich rot. 15 führen. Die drei farblichen Phasen haben dazu geführt, dass das Raynaud-Syndrom auch als „Tricolore-Phänomen“ (Farben der französischen Flagge) bezeichnet wird. Das primäre Raynaud-Syndrom tritt unabhängig von einer Grunderkrankung, wie zum Beispiel der systemischen Sklerose, auf. Etwa 5 bis 12 % der Bevölkerung sind davon betroffen. Formen des Raynaud-Syndroms Primäres Raynaud-Syndrom Sekundäres Raynaud-Syndrom Hintergrund Ohne Grunderkrankung Mit Grunderkrankung Ursache Kälte oder Stress Symptom einer Grunderkrankung, z. B. systemische Sklerose Erstes Auftreten Meistens zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr Meistens nach dem 30. Lebensjahr Muster des Auftretens Symmetrisch Asymmetrisch Auswirkungen Vorübergehende Gefäßverengung, keine bleibenden Gewebeschäden Dauerhafte Schäden der Blutgefäße Geschwollene Finger Die Finger sind im frühen Stadium der systemischen Sklerose zunächst geschwollen und gerötet („puffy fingers“). Im weiteren Verlauf können sie immer schmaler werden und zunehmend versteifen (Sklerodaktylie); vor allem werden die Fingerbeeren kleiner („Madonnenfinger“). Zusätzlich kann das Nagelwachstum gestört sein: Das Nagelhäutchen ist häufig verdickt und schmerzempfindlich. Manchmal treten Einblutungen im Nagelfalz oder an dessen Rand auf. 16 Puffy fingers Besonders im Frühstadium der Erkrankung sind die Finger oft geschwollen. Fingergeschwüre (digitale Ulzerationen, DU) Fingergeschwüre, medizinisch als digitale Ulzerationen bezeichnet (lat. digis = Finger; ulcus = Geschwür), sind schmerzhafte, schwer heilende Wunden an den Fingern und Zehen. Etwa 30 bis 60 % der Patienten mit systemischer Sklerose leiden mindestens einmal im KrankDigitale Ulzerationen heitsverlauf an digitalen Ulzerationen. Diese Kapillarmikroskopie heilen oftmals sehr langsam ab und können A B im Krankheitsverlauf immer wieder auftreten. Hauptursache ist eine mangelnde Durchblutung, die durch eine Verdickung der Gefäßwände oder auch durch kleinste Blutgerinnsel zustande kommt. Daneben können mechanische Ursachen (Verletzungen oder Druck) zu digitalen Ulzerationen führen. Zur Vermeidung von Infektionen ist eine Abklärung auch kleinerer Wunden durch den behandelnden Arzt und deren frühzeitige Wundversorgung von entscheidender Bedeutung. Das Auftreten neuer digitaler Ulzerationen ist dabei unabhängig von der Jahreszeit, auch wenn andere Symptome für eine verminderte Durchblutung, zum Beispiel das Raynaud-Syndrom, im Sommer weniger häufig auftreten. Deswegen sollte der Entstehung von digitalen Ulzerationen das ganze Jahr über vorgebeugt werden. Dazu gehört, die Finger auch im Sommer stets warm zu halten. Normal Normale Dichte und Form der Kapillaren Früh Wenige vergrößerte bzw. Riesenkapillaren und kapilläre Mikrohämorrhagien Aktiv Häufige Mega­­­­­­kapil­laren und Hämor­rhagien, moderater Kapillarverlust Spät Schwerer Kapillarverlust, Desorgani­sation des Kapillar­musters Kapillarmuster bei digitalen Ulzerationen A: Änderung der mit Kapillarmikroskopie (weitere Informationen siehe Seite 34) beobachteten Kapillarmuster im Krankheitsverlauf. Mit einer Kapillarmikroskopie lassen sich die kleinen Blutgefäße (Kapillaren) in den Fingern beurteilen. Eine geringe Anzahl an Kapillaren pro Millimeter erhöht das Risiko für digitale Ulzerationen. B: Die Entstehung digitaler Ulzerationen hängt mit einer verminderten Durchblutung der Finger zusammen. 17 Herz und Lunge Herz und Lunge arbeiten bei der Sauerstoffversorgung eng zusammen. Um das Blut mit Sauerstoff anzureichern, pumpt das Herz das Blut in die Lunge, sammelt es erneut im Herzen und pumpt es dann in den gesamten Körper. Ist bei einer Erkrankung die Lunge beteiligt, hat dies zwangsläufig oft auch Auswirkungen auf das Herz, welches das Blut durch die Lunge pumpt. Herz-Lungen-Kreislauf Das Herz des Menschen kann als in zwei Hälften geteilt betrachtet werden. Die rechte Herzhälfte pumpt das Blut durch den Lungenkreislauf, wo es mit Sauerstoff angereichert wird. Danach strömt es in die linke Herzhälfte. Die linke Herzhälfte pumpt das mit Sauerstoff angereicherte Blut durch den Körperkreislauf, um alle Organe mit Sauerstoff zu versorgen und Kohlendioxid von den Organen zur Lunge zu transportieren und dort wieder abzugeben. Es gibt also einen Lungenkreislauf (rechtes Herz – Lunge – linkes Herz) und einen Körperkreislauf (linkes Herz – Körper – rechtes Herz). Der Druck im Lungenkreislauf ist sehr viel niedriger als im Körperkreislauf und die Wanddicke der Lungengefäße entsprechend dünn, sodass Sauerstoff besser aufgenommen werden kann. Die beiden wichtigsten Formen der Lungenbeteiligungen bei systemischer Sklerose sind die Lungenfibrose (Beteiligung des Lungengewebes) und der Lungenhochdruck (Beteiligung der Lungengefäße). 18 Herz-Lungen-Kreislauf Rechte Lunge Linke Lunge Lungenarterie Lungenvene Körperkreislauf Vene Körperkreislauf Arterie Herzklappen Rechtes Herz Linkes Herz Herzbeutel Herzmuskel Der Herz-Lungen-Kreislauf Das linke Herz pumpt das Blut durch den Körper in die verschiedenen Gewebe, um diese mit Sauerstoff zu versorgen. Von dort gelangt das sauerstoffarme Blut zurück ins rechte Herz. Neben dem Körperkreislauf gibt es den Lungenkreislauf. Hier wird das Blut aus dem rechten Herzen zur Anreicherung mit Sauerstoff in die Lunge und anschließend in das linke Herz gepumpt. Der Körper- und der Lungenkreislauf haben unterschiedliche Gefäßwiderstände und auch verschiedene Drücke. 19 Lungenfibrose Eine Lungenfibrose tritt bei ca. 50 % der Patienten mit systemischer Sklerose auf. Hierbei kommt es zu einer Ablagerung von Bindegewebe in den Lungenbläschen und den kleinen Luftwegen. Dabei ist der Verlauf sehr unterschiedlich. Bei vielen Patienten verläuft die Erkrankung sehr langsam. Zu Beginn spürt man die Veränderungen im Lungengewebe kaum, als Symptome können allerdings Kurzatmigkeit und trockener Husten auftreten. Schreitet die Erkrankung fort und verdickt sich das Bindegewebe in der Lunge weiter, kann es zu einem gestörten Sauerstoffaustausch kommen. Daher und aufgrund einer (ebenfalls durch die Sklerose bedingten) Verengung der Blutgefäße braucht das Herz mehr Kraft, um Gesunde Lunge Lunge bei Lungenfibrose Bronchiole Fibrose Lungenbläschen Alveolitis: Sklerose und Entzündung der Lungenbläschen Mögliche Schädigung des Lungengewebes bei Lungenfibrose Die Lungenfibrose ist durch Entzündung und Verhärtung des Lungengewebes gekennzeichnet. 20 das Blut durch den Lungenkreislauf zu pumpen. Eine zunehmende Herzschwäche durch den erhöhten Pumpwiderstand kann gegebenenfalls später, wenn sie nicht adäquat behandelt wird, zu Wassereinlagerungen in den Beinen führen. 21 Lungenhochdruck (pulmonal-arterielle Hypertonie, PAH) Bei der systemischen Sklerose können aufgrund verschiedener pathologischer Prozesse die Blutgefäße der Lunge immer weiter verengen. Damit durch die verengten Lungengefäße eine ausreichende Blutmenge fließt, muss die rechte Herzhälfte erheblich mehr leisten und gegen den Widerstand der Lungengefäße anpumpen. Im Laufe der Erkrankung verändert sich das Gewebe der Blutgefäße in der Lunge immer mehr und das Blut muss mit weiter zunehmendem Druck durch die Gefäße gepumpt werden. Aufgrund der zusätzlichen Belastung vergrößert sich das rechte Herz; man spricht von Rechtsherzhypertrophie. Zum Krankheitsbild des Lungenhochdrucks können Sie sich unter www.ruhigatmen.at informieren. Bei der PAH ist der Druck in der Lungenarterie durch ein gestörtes Gleichgewicht von Regulationsmechanismen erhöht. Die Folge ist eine Verengung der Gefäße (Vasokonstriktion), wodurch der Druck in der Lungenarterie ansteigt. Auf Dauer kommt es auch zu einer Verdickung der Gefäßwand, was den Druck weiter verstärkt. 22 Lungenhochdruck (PAH) Gesundes Herz Lungenarterie normal Herz bei PAH Lungenarterie verengt Vergrößerung des rechten Herzens Querschnitt durch das Herz und die Lungenarterie Bei Lungenhochdruck wird das rechte Herz durch einen erhöhten Gefäßwiderstand in der Lungenarterie stark belastet. 23 Herz Auch das Herz selbst kann von der systemischen Sklerose betroffen sein. Die Herzmuskulatur kann durch eine Verhärtung des Bindegewebes in seiner Pumparbeit gestört sein, ebenso der das Herz umgebende Herzbeutel. Beides kann zu einer verminderten Pumpleistung des Herzens führen. Auch die Herzklappen können in ihrer Funktion eingeschränkt sein. Seltener ist auch die Herzreizleitung (der Teil des Herzens, der den Grundrhythmus des Herzens vorgibt) in Mitleidenschaft gezogen, was in Einzelfällen zu Herzrhythmusstörungen führen kann. 24 Mögliche Herzbeteiligung bei systemischer Sklerose Reizleitungs-/ Rhythmusstörung Herzmuskelentzündung Minderdurchblutung des Herzmuskels Verhärtung der Herzmuskulatur Herzbeutel-Erguss Querschnitt durch das Herz Das Herz kann auf verschiedene Art und Weise betroffen sein. 25 Niere Nierenfunktionsstörungen entstehen durch eine Veränderung der kleinen Gefäße in den Nieren. Diese verengen sich, und die Gefäßwände werden dicker und verhärten. Dies führt zu einer verminderten Durchblutung. Eine gefährliche Komplikation dabei ist die sogenannte renale Krise, die jedoch bei regelmäßigen Kontrollen nur noch selten vorkommt. Darunter versteht man eine sich sehr schnell verschlechternde Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen. Deswegen ist es sehr wichtig, eine wirksame Therapie einzuleiten, sobald erste Symptome auf eine Beteiligung der Nieren hinweisen. Das erste Symptom ist in der Regel eine plötzliche Erhöhung des Blutdruckes. Oft geht dies mit Sehstörungen, starken Kopfschmerzen und Atemnot einher. Patienten mit Risikofaktoren sollten ihren Blutdruck regelmäßig kontrollieren und bei untypisch starken Veränderungen sofort den behandelnden Arzt aufsuchen. Blutdruck bei Nierenbeteiligung Eine verminderte Durchblutung der Niere wird durch eine spezielle Funktionseinheit der Niere, den juxtaglomerulären Apparat (Teil des Nierenkörperchens), gemessen. Ist der Blutdruck zu niedrig, wird ein Protein, das Renin, freigesetzt. Dies aktiviert das sogenannte Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, eines der wichtigsten blutdruckregulierenden Systeme im Körper. Wird Renin freigesetzt, so erhöht sich der Gesamtblutdruck im Körper. 26 Mögliche Nierenbeteiligung Gefäße in der Niere Nierenkörperchen Schlechte Durchblutung, verminderte Nierenfunktion Steuerung des Flüssigkeitshaushalts (Blutdruck) Lage der Nieren im Körper Nierenbeteiligung Die Abbildung zeigt einen Querschnitt durch die Niere. Durch eine verminderte Durchblutung kann es zu Einschränkungen in der Nierenfunktion kommen. 27 Verdauungstrakt Viele Patienten mit systemischer Sklerose leiden auch an Symptomen im Verdauungstrakt. Diese können in jedem Abschnitt des Verdauungstraktes auftreten, der sich vom Mund über die Speiseröhre bis in den Magen und das Darmsystem erstreckt. Trockenheit im Mund kann durch eine Störung der Speicheldrüsenfunktion bedingt sein. Dadurch wird das Kauen und Schlucken erschwert. Wenn zusätzlich die Mundöffnung verkleinert und das Zungenbändchen verhärtet ist, wird dazu noch die Zahnhygiene erschwert (siehe auch Kapitel Zahnpflege S. 57). Im Bereich der Speiseröhre (Ösophagus) treten oft eine Verhärtung und eine verminderte Beweglichkeit (Peristaltik) auf. Speisen können dann nicht mehr zügig in den Magen transportiert werden und bleiben in der Speiseröhre hängen. Auch der Mageneingang selbst kann betroffen sein: Wenn sich der Mageneingang nicht mehr richtig schließt, kann der saure Magensaft zurück in die Speiseröhre fließen und Sodbrennen verursachen (siehe auch Kapitel Ernährung S. 54, Sodbrennen S. 55). Ist der Magen in seiner Motilität eingeschränkt, verbleiben Speisen dort länger, was zu einem schnellen, anhaltenden Sättigungsgefühl führt. Auch im Dünndarm ist die Passagezeit der Nahrung durch eingeschränkte Motilität oft verlängert. Das kann zu Stuhlunregelmäßigkeiten, Unwohlsein, Blähungen und einer verminderten Nahrungsaufnahme im Darm führen. In schweren Fällen kann dann eine Mangelernährung auftreten. Veränderungen der Blutgefäße im Verdauungstrakt können zu Problemen führen (z. B. Blutungen in der Magenschleimhaut). 28 Verdauungstrakt normal verhärtet Speiseröhre Verhärtung der Speiseröhre (Motorik verschlechtert) Magen Mageneingang steht offen: Sodbrennen (Reflux) Magen „Wassermelonenmagen“ Darm Verhärtung der Darmwand (Bewegungsstörungen) Mögliche Symptome im Verdauungstrakt Im Verdauungstrakt können verschiedene Symptome, wie zum Beispiel Sodbrennen, auftreten. 29 Haut Typisch für die systemische Sklerose ist die Verdickung und Verhärtung der Haut. Meistens beginnt diese an Händen, Füßen und im Gesicht – die Haut wirkt straffer und glänzender und lässt sich schlechter verschieben. Später sind bei der diffusen Form der systemischen Skle­ rose auch Oberarme, Oberschenkel und Rumpf betroffen. Die Haut ist steif, kann nicht mehr so gut bewegt werden und ist eher trocken. Auch das Nagelwachstum kann gestört sein und mit einem verdickten Nagelhäutchen einhergehen. Mit dem Fortschreiten der Krankheit nimmt das Fettgewebe unter der Haut ab, und die Haut wird insgesamt wieder dünner. Durch Gefäßveränderungen, besonders im Bereich des Gesichts und des Dekolletés, können kleine rote Punkte auftreten, sogenannte Teleangiektasien. Diese erweiterten Kapillargefäße sind aber in der Regel harmlos und bedürfen keiner Behandlung. Bei der diffusen systemischen Sklerose können vorwiegend an den Händen und Unterarmen in Einzelfällen Kalkablagerungen (Kalzinosen) als Knötchen auftauchen. 30 Verhärtung der Haut Verhärtete Mimik und verkleinerte Mundöffnung Normale Haut Verhärtete Haut Kontrakturen (Sklerodaktylie) Fibrose Haut Der Querschnitt durch die Hautschichten zeigt die Verhärtung der Haut durch die sogenannte Fibrose (vermehrte Einlagerung von Kollagen im Bindegewebe). Besonders an den Händen verhärtet sich die Haut, was zu Kontrakturen führen kann. Im Gesicht zeigt sich eine mimische Starre, und die Mundöffnung kann verkleinert sein. 31 Muskulatur und Gelenke Durch die Hautverhärtung im Bereich der Gelenke ist die Beweglichkeit oft eingeschränkt. Besonders betroffen sind die kleineren Gelenke, also Finger-, Sprung- und Handgelenke. Die verminderte Beweglichkeit der Gelenke kann zusätzlich zu einem Abbau der Muskulatur führen. Weiterhin können Entzündungen sowohl die Gelenke direkt als auch die Muskulatur belasten. Gelenkschmerzen, sowohl in Ruhe als auch in Bewegung, treten deshalb recht häufig auf und ähneln den Beschwerden einer rheu­matischen Erkrankung mit der typischen Morgensteifigkeit. Dauerhaften Bewegungseinschränkungen der Gelenke sollte mit einer konsequenten und raschen Therapie vorgebeugt werden (siehe auch Kapitel Begleitende Therapie S. 46, Physiotherapie S. 46 und Kapitel Beweglichkeit S. 61). Degenerative Erkrankungen der Muskulatur - wie Muskelschwäche oder -rückbildung treten dagegen relativ selten auf. 32 Knochen Untersuchungen haben gezeigt, dass Patienten mit systemischer Sklerose ein erhöhtes Risiko für eine Osteoporose (Knochenschwund) aufweisen. Die Ursache dafür ist noch nicht vollständig geklärt, ein möglicher Grund könnte aber die verminderte Aufnahme von Kalzium und Vitamin D in Magen und Darm und eine veränderte Lebensweise (weniger Bewegung) sein. Weiterhin ist die systemische Sklerose oft mit einem niedrigen Körpergewicht und Nierenfunktionsstörungen verbunden, welche eine Osteoporose zusätzlich begünstigen. Mögliche Beteiligung von Gelenken und Muskulatur Gelenke Muskulatur Arthritis Verkürzung der Fingerendknochen Entzündung der Muskulatur Muskelschwäche Mögliche Beteiligung von Gelenken und Muskulatur Durch die Verhärtung der Haut kann die Gelenkbeweglichkeit eingeschränkt sein. 33 Diagnostik Da im Anfangsstadium der systemischen Sklerose oft kein klares Krankheitsbild zu erkennen ist, ist deren Diagnose nicht einfach, und Patienten haben oft eine wahre Odyssee hinter sich, bevor die Krankheit erkannt wird. Verschiedene Organe können auf unterschiedliche Weise betroffen sein, und es existieren meist wenig eindeutige Erkennungsmerkmale für eine verlässliche Diagnose. Außerdem ist die systemische Sklerose eine seltene Erkrankung, an die – selbst wenn es Hinweise gibt – oft nicht sofort gedacht wird. Häufige Diagnosen sind Durchblutungsstörungen oder Gelenkbeschwerden. Dazu kommt, dass Mischformen mit anderen rheumatologischen Erkrankungen möglich sind. Moderne Untersuchungsmethoden Kapillarmikroskopie Eine hilfreiche Untersuchung für die Diagnose einer systemischen Sklerose ist die Kapillarmikroskopie. Mit einem Lichtmikroskop wird die Durchblutung der kleinsten Gefäße (Kapillaren) beurteilt, um festzustellen, ob eine Schädigung der Blutgefäße vorliegt. Dazu eignet sich besonders der Nagelfalz bzw. das Nagelhäutchen der Finger (oder der Füße), denn hier sind die kleinsten Blutgefäße in ihrer gesamten Struktur erkennbar. 34 Normal Früh Aktiv Spät Spät Frühe Anzeichen Mögliche frühe Anzeichen sind ein RaynaudSyndrom, geschwollene Finger und eine reduzierte Belastbarkeit. Da es sich bei der systemischen Sklerose um eine Auto­ immunerkrankung handelt, können häufig bestimmte Antikörper, sogenannte anti­ nukleäre Antikörper (ANA), relativ früh nachgewiesen werden. Auf diese Weise ergeben sich Hinweise zum Verlauf der Krankheit (Prognose). Einzelne Antikörper weisen auf bestimmte Krankheitsbilder hin. Wahrscheinlich tauchen antinukleäre Antikörper schon vor Ausbruch der Krankheit auf. Autoantikörper gegen Anti-Scl70 (Topoiso­ merase I)-Antikörper Autoantikörper gegen Anti-ZentromerAntikörper Antinukleäre Antikörper Bei der systemischen Sklerose werden bei 90 – 95 % der Patienten antinukleäre Antikörper nachgewiesen. Die Bilder zeigen mikroskopische Aufnahmen, bei denen antinukleäre Antikörper (Anti-Scl70und Anti-Zentromer-Antikörper) mittels einer bestimmten Unter­ suchungsmethode, der Immunfluoreszenz, angefärbt wurden und somit in den Zellen sichtbar werden. Antinukleäre Antikörper (ANA) Antikörper sind Eiweißstoffe, die vom Immunsystem zur Abwehr von Krankheitserregern gebildet werden. Bei Autoimmunerkrankungen bildet das Immunsystem Antikörper gegen körpereigene Strukturen; deswegen werden diese auch Auto-Antikörper genannt. Unter dem Begriff antinukleäre Antikörper (ANA) fasst man alle Antikörper zusammen, welche die Strukturen des Zellkerns (lat. nucleus = Kern) angreifen. Ein erhöhter ANAWert weist häufig auf eine Bindegewebserkrankung (Kollagenose) hin. 35 Weitere Untersuchungen Da es sich bei der systemischen Sklerose um eine Erkrankung handelt, die den gesamten Körper betreffen kann, sind weitere Untersuchungen sinnvoll. Diese können das mögliche Auftreten von Komplikationen frühzeitig erkennen lassen. Dazu gehört die Untersuchung von Hautveränderungen mit einem standardisierten Verfahren (mRSS, modifizierter Rodnan Skin Score). Dabei wird der Körper in 17 Bereiche eingeteilt, die jeweils auf die Hautdicke untersucht werden. Die Hautdicke in jedem Areal wird anhand eines Scores von 0 bis 3 (0 = normale Dicke, 1 = schwache Hautverdickung, 2 = mäßige Hautverdickung, 3 =Dicke schwerwiegende Hautnormale schwache verdickung) beurteilt. Je höher der Gesamt-Score aus allen Arealen ist,Hautverdickung desto schwerer ist die mäßige Hautverdickung schwerwiegende Hautverdickung Hautbeteiligung. Eine Blutuntersuchung kann Rückschlüsse auf Entzündung und Funktion verschiedener Organe geben und auch eine mögliche Herz- oder Lungenbeteiligung anzeigen. Hierzu können bestimmte Stoffe im Blut nachgewiesen werden. Die unterschiedlichen Organsysteme sollten genau untersucht werden um Organbeteiligungen möglichst frühzeitig zu erkennen. normale Dicke schwache Hautverdickung mäßige Hautverdickung schwerwiegende Hautverdickung 36 Gesicht Oberarm Oberarm Brust Bauch/Abdomen Unterarm Unterarm Hand Hand Finger Finger Oberschenkel Oberschenkel Unterschenkel Unterschenkel Fuss Fuss Gefäßbeteiligung der Finger Eine kapillarmikroskopische Untersuchung des Nagelfalzes kann Aufschluss über eine Schädigung der Gefäße in den Fingern geben. Diese Untersuchung dient vor allem der Risikoeinschätzung: Je größer die Schädigung, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von Fingergeschwüren. Lungenbeteiligung Die Kontrolle der Lungenbeteiligung ist sehr wichtig, da Komplikationen in der Lunge unbehandelt schwere Verläufe nehmen können und nach wie vor eine der häufigsten krank­heitsbezogenen Todesursachen der systemischen Sklerose sind (siehe auch Kapitel Herz und Lunge S. 18). Auch für Patienten, die keine Lungenbeschwerden haben, empfiehlt sich eine regelmäßige Untersuchung der Lunge, da gegebenenfalls eine Therapie frühzeitig erwogen werden sollte. Zunächst muss unterschieden werden, ob das Gewebe der Lunge oder die Blutgefäße betroffen sind (Lungenfibrose oder Lungenhochdruck, siehe auch Kapitel Herz und Lunge S. 18). Am besten lässt sich das in einer hochauflösenden Computertomographie beurteilen. Lungenfunktionstests geben zusätzlich Aufschluss über Lungenvolumen, Atemfluss, Widerstand im Bronchialsystem und Sauerstoffaustausch. Weiterhin kann auch die individuelle Leistungsfähigkeit, u. a. mit einem sogenannten 6-Minuten-Gehtest, ermittelt werden. Herzbeteiligung Zur Untersuchung einer Herzbeteiligung wird oft eine echokardiographische Untersuchung des Herzens empfohlen. Dabei wird durch Ultraschall das Herz auf seine Funktion überprüft und das Gewebe des Herzens auf Verdickungen und Entzündungen untersucht. Hierbei kann man die Größe und Dicke des Herzens bestimmen, die Klappen und deren Funktion und ob sich Flüssigkeit im Raum zwischen dem Herzbeutel und dem davon umschlossenen Herzen befindet (Herzbeutel-Erguss oder medizinisch Perikard-Erguss genannt). Da sich der Druck in der Lungenarterie durch diese Ultraschalluntersuchung abschätzen lässt, kann dies einen Hinweis auf einen möglichen Lungenhochdruck geben. Bei Verdacht 37 kann ein Rechtsherzkatheter (dabei wird eine Meßsonde durch die Gefäße zum Herzen gebracht, um den Druck in der Lungenarterie genau zu messen) durchgeführt werden. Ein Elektrokardiogramm (EKG) gibt einen guten Überblick über Herzrhythmus und -frequenz sowie die Erregungsleitung des Herzens und liefert Hinweise für weitere Veränderungen (Sauerstoffarmut, Herzgröße, Herzbelastung, Entzündung). Zur Sicherheit sollte einmal jährlich eine Kontrolle beim Lungen- und Herzspezialisten erfolgen. Dies sollte zusammen mit dem behandelnden Arzt entschieden werden (siehe auch Tabelle Empfehlungen zur ärztlichen Betreuung S. 39). Nierenbeteiligung Eine Nierenschädigung kann sehr gefährlich sein und muss umgehend behandelt werden. Ansonsten können ein bleibender Nierenschaden mit dauerhaftem Nierenversagen und die Notwendigkeit einer regelmäßigen Dialyse die Folge sein. Hochrisikopatienten sollten deshalb gut über die Symptome Bescheid wissen. Ein typischer Hinweis auf eine Nierenschädigung ist ein plötzlicher Anstieg des Blutdruckes (siehe auch Kapitel Niere S. 26). Eine Beteiligung der Niere lässt sich relativ gut im Blut und im Urin bestimmen. Darmbeteiligung Eine Beteiligung des Darms tritt sehr häufig auf und kann verschiedene Formen annehmen. Mit einer Magenspiegelung lassen sich Speiseröhre, Magen und ein Stück des Dünndarms auf Veränderungen der Schleimhäute untersuchen. Mittels Röntgenaufnahmen und Sondenmessungen lassen sich Veränderungen in der Beweglichkeit der Speiseröhre und beim Schließen des Magens genauer feststellen. Eine Darmspiegelung kann Aufschluss über Veränderungen des restlichen Darmes geben. Durch eine gestörte Darmbeweglichkeit kann es auch zu einer lokalen Vermehrung von Bakterien kommen, was zu Durchfällen führen kann. 38 Routine-Untersuchungen Im Verlauf der systemischen Sklerose ist es sehr wichtig, in regelmäßigen Abständen Untersuchungen durchführen zu lassen, um frühzeitig mögliche Organbeteiligungen zu diagnostizieren und die bestmögliche Therapie zu erhalten. Bei der Diagnose der Erkrankung sollten sich betroffene Patienten auf jeden Fall einen Spezialisten suchen. Ein Rheumatologe oder ein Dermatologe, der sich auf Autoimmunerkrankungen spezialisiert hat, kann hier am besten helfen. Der Spezialist kennt sich mit den Formen der systemischen Sklerose gut aus, kann individuell beraten und den Verlauf der Krankheit kontrollieren. Es empfiehlt sich, ihn alle drei Monate aufzusuchen. Empfehlungen zur ärztlichen Betreuung Arzt / Therapeut Vorgeschlagener Zeitabstand Warum? Spezialist für systemische Sklerose (Rheumatologe, Dermatologe, Angiologe) Alle 3 Monate Durchgehende Betreuung und Überwachung, evtl. Wundversorgung Lungenspezialist (Pneumologe) Einmal im Jahr Überprüfung der Funktion der Lunge Herzspezialist (Kardiologe) Einmal im Jahr, bei Lungen­ hochdruck häufiger Überprüfung der Funktion des Herzens Magen-Darm-Spezialist (Gastroenterologe) Bei Bedarf, eventuell bei der ersten Untersuchung Überprüfung, ob eine Beteiligung des Magen-Darm-Traktes vorliegt, ansonsten bei Reflux oder Ähnlichem Wundspezialist Bei Bedarf Bei offenen Wunden Ergotherapeut Regelmäßig oder bei Bedarf Hilfe im Alltag Physiotherapeut Variabel Bei Funktionseinschränkungen und Ödemen Psychotherapeut Bei Bedarf Krankheitsbewältigung 39 Therapie Behandlung der systemischen Sklerose Da die Ursache der systemischen Sklerose bis heute nicht bekannt ist, gibt es keine Kausaltherapie (Heilung der Krankheit), jedoch können die Symptome sehr gut behandelt werden. Diese treten aber nicht alle gleichzeitig oder in vollständiger Ausprägung auf. Experten empfehlen, zu Beginn der Erkrankung eine umfassende Untersuchung durchzuführen, um neben dem Status der Sklerose eine mögliche Beteiligung verschiedener Organe frühzeitig zu erkennen. UMGANG MIT DER SYSTEMISCHEN SKLEROSE 40 Eine Behandlung muss sich vorwiegend darauf konzentrieren, den Krankheitsprozess an der Haut und den inneren Organen zu verlangsamen, die Beschwerden zu lindern und die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten. Nach der Diagnose lässt sich eine angemessene Therapie einleiten und eine sinnvolle Zusammenstellung von Kontrolluntersuchungen planen. Wichtig ist, dass aufgrund der Seltenheit der Erkrankung nur wenige Medikamente eine spezielle Zulassung für die systemische Sklerose haben, sodass Ihnen Ihre Ärztin / Ihr Arzt trotz Wirksamkeit bestimmte Medikamente nur nach Genehmigung durch die Krankenkasse verschreiben kann. 41 Immunsystemdämpfende Therapie Der Verlauf der Erkrankung kann unter bestimmten Umständen mit Medikamenten, welche die Reaktion des Immunsystems abschwächen (Immunsuppression), verlangsamt werden. Dies gilt bei hochaktiven oder sich schnell verschlechternden Verläufen auch für die Stammzelltransplantation. Haut Zur Behandlung der Hautsklerose gibt es keine sicher wirkenden Ansätze. Lediglich für Methotrexat gibt es positive Erfahrungen bei der Behandlung im sehr frühen Stadium. Auch eine Lichttherapie (UV-Strahlung) kann bei milderen Formen erwogen werden. Bei starkem Juckreiz oder Brennen können ebenfalls Behandlungen mit einer Lichttherapie (UV-Strahlung), Antihistaminika oder Medikamente und Salben gegen „Nervenschmerzen“ (neuropathische Schmerzen) helfen. Gefäßbeteiligung Im gesunden Organismus gibt es ein Zusammenspiel zwischen gefäßerweiternden und gefäßverengenden Stoffen, sodass der Körper je nach Bedarf die Blutzufuhr in den Gefäßen verringern oder erhöhen kann. Im Krankheitsfall kann dieses Gleichgewicht jedoch gestört sein, sodass es zu einer übermäßigen Gefäßverengung kommt. Es gibt verschiedene Strategien, diese Balance wiederherzustellen. Neben Wärmeanwendungen wie Kohlendioxid- oder Paraffinbäder, dem Meiden von Kälte sowie dem Verzicht auf Nikotin ist die Gabe von durchblutungsfördernden und gefäßerweiternden Medikamenden ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Raynaud-Syndrom Für die Behandlung des Raynaud-Syndroms kommen in erster Linie Kalzium-Kanalblocker (eine Gruppe von Medikamenten, die u. a. zur Behandlung von Bluthochdruck, koronaren Herzkrankheiten und Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden) infrage. Weitere Medikamente 42 sind u. a. sogenannte Phosphodiesterase-5-Hemmer oder intravenöse Vasodilatatoren (gefäßerweiternde Medikamente, z. B. Prostaglandine). Gefäßverengende Beta­blocker sollten vermieden werden. Fingergeschwüre (digitale Ulzerationen, DU) Digitale Ulzerationen (Fingergeschwüre) sind sehr schmerzhaft und können im Extremfall bis zum Verlust der betroffenen Gliedmaßen führen. Um die Durchblutung der Finger zu verbessern, ist der Einsatz blutgefäßerweiternder Substanzen angeraten. Bei akuten digitalen Ulzerationen kommen intravenös verabreichte Prostazykline infrage. Zur Verminderung der Anzahl neuer Geschwüre ist seit 2007 ein dualer Endothelin-Rezeptor-Antagonist zugelassen. Endothelin-Rezeptor-Antagonisten hemmen den im Überschuss gebildeten natürlichen Botenstoff Endothelin, der eine Verengung der Blutgefäße, eine chronische Entzündungsreaktion und auf Dauer einen Umbau der Gefäße bewirkt. Behandlung der Gefäßerkrankung (Vaskulopathie) Zur Behandlung der Vaskulopathie kommen verschiedene medikamentöse Maßnahmen infrage. Das Ziel ist die Verbesserung der Durchblutung. Aber auch begleitende Maßnahmen wie Wärmebäder, das Nicht-Rauchen und die Vermeidung von Kälte sind wichtig. Als durchblutungsfördernde Medikamente können u. a. Kalziumkanalblocker und Angiotensin-Rezeptor-Blocker zum Einsatz kommen. Bei digitalen Ulzerationen werden intravenöse Vasodilatatoren, Phosphodiesterase-5-Hemmer zur Unterstützung der Abheilung sowie Endothelin-Rezeptor-Antagonisten zur Vermeidung neuer Geschwüre eingesetzt. Neben der medikamentösen Therapie ist bei digitalen Ulzerationen eine begleitende Wundbehandlung sehr wichtig, ebenso wie die Vorbeugung gegen Raynaud-Attacken durch Handschuhe, Handwärmer, Schutzkleidung und Meidung von Nikotin. 43 Lunge und Herz Eine schnell fortschreitende Lungenfibrose kann mit hochaktiven Immunsuppressiva behandelt werden. Ein Lungenhochdruck (pulmonal-arterielle Hypertonie, PAH) sollte möglichst früh erkannt und behandelt werden. Zur medikamentösen Behandlung stehen einige effektive Medikamente verschiedener Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie unter www.ruhigatmen.at. Bei einer reinen Herzbeteiligung muss je nach Krankheitsbild die Therapie individuell entschieden werden. Niere Das Hauptsymptom einer Nierenbeteiligung ist ein schneller Anstieg des Blutdruckes; deswegen ist das Ziel einer medikamentösen Behandlung dessen sofortige Senkung. Eine wichtige Gruppe von blutdrucksenkenden Medikamenten sind hierbei ACE-Hemmer, die sehr schnell in hoher Dosierung eingesetzt werden müssen, sonst besteht das Risiko einer Dialysepflicht. Verdauungstrakt Die Ausprägungen im Bereich des Verdauungstraktes können sehr vielfältig sein, betreffen in unterschiedlicher Form aber fast alle Patienten. Bei Refluxerkrankung (und Husten ausgelöst durch Reflux) sind Protonenpumpenhemmer sehr wirksam. Wichtig ist die ausreichend hohe Dosierung morgens und abends. Zur Anregung der Peristaltik (Muskeltätigkeit der Speise­ röhre, des Magens und des Darms) können Prokinetika hilfreich sein. Bei Motilitätsstörungen können sowohl Durchfall als auch Verstopfung die Folge sein. Diese lassen sich relativ gut mit Medikamenten gegen Durchfall bzw. mit Abführmitteln behandeln. Ist die normale Darmflora durch Fehlbesiedelung gestört, können Antibiotika eingesetzt werden. Wenn die Nahrungsaufnahme stark beeinträchtigt ist, ist es möglicherweise nötig (über die Venen oder ein Portsystem), Ergänzungsstoffe einzunehmen. 44 Muskeln und Gelenke Bei Gelenk- oder Muskelentzündungen kommen dieselben immunsuppressiven und entzündungshemmenden Medikamente infrage, welche sich auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen bewährt haben. Medikamentöse Behandlung Raynaud-Syndrom Blutgefäßerweiternde Substanzen (z. B. Kalziumantagonisten, Prostaglandine) Digitale Ulzerationen (DU) Endothelin-Rezeptor-Antagonisten zur Reduktion der Anzahl neuer digitaler Ulzerationen. Zur Unterstützung der Abheilung wird oft intravenöses Prostazyklin eingesetzt, bei Vorliegen von Infektionen werden Antibiotika eingesetzt. Lungenbeteiligung Fibrose: eventuell Immunsuppression PAH: Endothelin-Rezeptor-Antagonisten, sGC-Stimulatoren, Prostazyklin-Analoga oder Phosphodiesterase-5-Hemmer Beteiligung des MagenDarm-Traktes Protonenpumpenhemmer, Prokinetika, Antibiotika, Somatostatin i. m., Abführmittel gegen Verstopfung oder Medikamente gegen Durchfall Nierenbeteiligung Spezielle Bluthochdruckmedikamente (z. B. ACE-Hemmer). Sofortige Behandlung Hautbeteiligung In Frühstadien Immunsuppression und entzündungshemmende Medikamente Muskel- und Gelenkbeteilung Immunsuppressive und entzündungshemmende Medikamente 45 Begleitende Therapie Die Beschwerden zu lindern und die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten, ist eines der vorrangigen Ziele bei der Therapie der systemischen Sklerose. Dazu eignen sich neben der medikamentösen Therapie auch verschiedene andere Therapieformen. Hierzu zählen die Physiotherapie und die Ergotherapie, die der besseren Beweglichkeit dienen (siehe auch Kapitel Beweglichkeit S. 61). Regelmäßige Lymphdrainage-Behandlungen sowie Bindegewebsmassagen, Kohlensäurebäder, Elektrotherapie und Wärmebehandlungen (z.B. Paraffinbäder) können ebenfalls ratsam sein. Die physikalische Therapie ist sehr wichtig, um die Schmerzsymptomatik zu lindern und die Beweglichkeit bestmöglich zu erhalten. Was im Einzelfall gut tut, hängt auch von der individuellen Wahrnehmung des Patienten ab und sollte in enger Abstimmung ausgewählt werden. Physiotherapie Ziel der Physiotherapie ist die Behandlung von körperlichen Funktions- und Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Ein gezieltes und individuelles Krafttraining kann helfen, dem Kraftverlust der Muskeln entgegenzuwirken und die Leistungsfähigkeit zu steigern. Um Schwellungen zu behandeln, eignen sich manuelle Lymphdrainagen, die Flüssigkeitsansammlungen mobilisieren und damit die Entstauung unterstützen. Eine wichtige Maßnahme ist außerdem die Erhaltung der Beweglichkeit von Gelenken. Hier helfen aktive Übungen, Dehnungen und manuelle Techniken (siehe auch Kapitel Beweglichkeit S. 61). Regelmäßiges Ausdauertraining hat den Vorteil, dass das Herz-Kreislauf-System trainiert, der Stoffwechsel angeregt und die Sauerstoffversorgung der Organe verbessert wird. Zusätzlich erhält tägliche Bewegung die Lebensqualität (wie z. B. Spaziergänge, Yoga und Gymnastik). 46 >> Einmal in der Woche gehe ich zur Physiotherapie und mache regelmäßig Gymnastikübungen. << 47 Ergotherapie Bei der Ergotherapie stehen Betätigungen und Einschränkungen des täglichen Lebens im Mittelpunkt. Ergotherapeuten können helfen, einen persönlichen Therapieplan zu erstellen, der verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung beinhaltet. Diese können sowohl praktische Tipps für den Alltag betreffen, aber auch den Umgang im sozialen Umfeld. Psychotherapie Im Umgang mit der Erkrankung kann durch ein Gefühl von Überforderung, Angst, Traurigkeit, Hilflosigkeit oder Zorn eine depressive Stimmungslage entstehen. Eine psychotherapeutische Behandlung, möglichst auch unter Einbezug der Angehörigen und der Austausch mit anderen Betroffenen kann dem entgegenwirken. Auch eine medikamentöse Behandlung (z. B. mit Antidepressiva) ist möglich. Begleitende Therapiemaßnahmen • Kraftaufbauende Übungen / Dehnübungen • Tipps für eine kraftsparende Alltagsorganisation • Tipps für den Umgang mit systemischer Sklerose • Hilfe bei psychischer Belastung und Verantwortung • Physikalische Therapie • Wärmebehandlungen (z. B. Paraffinbäder mit anschließendem Kneten des Paraffins) • Massagen • Lymphdrainage • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) bei analer Dysfunktion • Bäder (zum Beispiel Schwefeloder CO2-Bäder) • Anleitung zu gelenkschonendem Verhalten im Alltag • Anleitung und Hilfsmittelempfehlungen zum Schutz vor Kälte und Verletzungen • Hautpflege • Wundpflege • Ernährungstipps 48 Sexuelle Funktionsstörungen Die Gründe für sexuelle Funktionsstörungen sind vielfältig, da hier eine Anzahl verschiedener Faktoren zusammenspielen. Eine verminderte Durchblutung, lokale Trockenheit und eine depressive Stimmungslage können z. B. eine Ursache sein. Teilweise ist hier eine medikamentöse Behandlung möglich, häufig kann aber schon eine psychologische Beratung zu einer Besserung führen. Mögliche sexuelle Funktionsstörungen Männliche Geschlechtsorgane Erektile Dysfunktion Weibliche Geschlechtsorgane Vaginale Trockenheit Dyspareunie (Schmerzen) Vaginale Enge Sexuelle Funktionsstörungen im Überblick Die Abbildung zeigt einen Querschnitt durch die männlichen (links) und weiblichen (rechts) Geschlechtsorgane. Physische und psychische Ursachen können bei Männern zur erektilen Dysfunktion führen, während bei Frauen vaginale Trockenheit und Enge sowie Dyspareunie (Schmerzen) ausgeprägt sein können. 49 Viele fühlen sich mit der Diagnose einer Auto­­immunerkrankung wie der systemischen Sklerose erst einmal überfordert. Für andere wiederum ist es auch eine Erleichterung, endlich die Ursache für ihre jahrelangen Beschwerden zu erfahren. In jedem Fall ist es wichtig, bei einer chronischen Erkrankung das Seelenleben nicht außer Acht zu lassen. Psychologische Hilfe kann den Umgang mit der Erkrankung wesentlich erleichtern. Wie auch immer Betroffene sich mit der Diagnose fühlen, wichtig ist, sich auf die neue Situation einzulassen und mit Hilfe der Ärzte und Therapeuten eine bestmögliche Behandlung und eine gute Lebensqualität zu erreichen. Dass die Krankheit jetzt einen Namen hat, sollte nicht abschrecken – im Gegenteil: Jetzt weiß man, zu welchen Experten man gehen sollte, denn heutzutage kann man die Symptome einer systemischen Sklerose gut therapieren. Außerdem sollte man sich immer wieder sagen: Ich bin nicht allein! Es gibt Selbsthilfegruppen (www.ruhigatmen.at), deren Mitglieder ihre Erkrankung sehr gut kennen und viele hilfreiche Ratschläge geben können. Es hilft immer, sich gegenseitig auszutauschen und Erfahrungen zu teilen. 50 Wichtig sind beim Umgang mit der syste­ mischen Sklerose vor allem zwei Punkte: 1 Zu akzeptieren, dass sich die Krankheit nicht ändern lässt 2 Die Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen Belastungsfaktoren • Oftmals langer Weg bis zur Diagnose • Gefühl von Endgültigkeit, da keine Heilung möglich • Wissen über die Erkrankung gering • Körperliche und seelische Beschwerden • Warum trifft es gerade mich? • Schwierigkeiten im sozialen Umfeld • Hemmungen, um Hilfe zu bitten 51 >> Wenn ich unterwegs bin, habe ich immer ein paar Pfefferminzbonbons oder Kaugummis dabei. Das regt die Speichelproduktion an, und ich fühle mich wohler. << Alltagstipps Da die Ursachen der Erkrankung unbekannt sind, gibt es keine erprobten vorbeugend wirksame Maßnahmen. Die Symptome der systemischen Sklerose lassen sich jedoch zumindest mildern: Die Kleidung sollte darauf abgestimmt sein, dem Körper und den Extremitäten den bestmöglichen Schutz vor Kälte zu bieten. Am besten zieht man mehrere Schichten übereinander an. Thermoeinlagen und Hand- oder Fußwärmer können zusätzlich schützen. Hier hilft es auch, Spaziergänge bei windigem und nasskaltem Wetter zu vermeiden. Orthopädische Einlagen und Schuhe sowie Gelenkschienen können die Gelenke entlasten. Grundsätzlich erleichtern verschiedene Hilfsmittel wie ergonomische Türöffner, ein ergonomischer Schreibtischstuhl oder eine beheizbare Computermaus das Leben. Auch in der Küche vereinfachen viele Tricks den Alltag. Zum Beispiel kann eine Universalzange benutzt werden, um die Armaturen von Ofen oder Wasserhahn zu benutzen. Daneben gibt es viele weitere Hilfsmittel wie abgewinkelte Messer, ergonomische Scheren, Sparschäler oder Öffnungshilfen. Weitere Tipps für den Haushalt erfährt man bei den Selbsthilfegruppen und auf der Patientenwebsite www.ruhigatmen.at. 1 3 5 7 2 4 10 9 6 8 11 Hilfsmittel im Alltag 1: Apfelteiler, 2: Winkelmesser mit Zähnen, 3: Universalöffner (Dosen-, Flaschen-, Schraubdeckelöffner), 4: Gemüse-/ Obstschäler, 5: Deckel­ öffner für Gläser mit Blechdeckel, 6: Flaschenaufschrauber, z. B. für Wasserflaschen, 7: Selbstöffnende Schere, 8: Kugelschreiber mit extradickem Griff, 9: Extralanger Schuhlöffel, 10: Dosenöffnerhilfe, 11: Wärmflasche Weitere, nicht abgebildete Hilfsmittel: Knöpf- und Reißverschlusshilfe, Wärmekissen, Muff, Lammfellfäustlinge, Handwärmer, Taschenofen, Lenkradbezug aus Lammfell, beheizbare Computermaus, beheizbare Handschuhe, beheizbare Einlegesohlen 53 Ernährung Die Ernährung spielt gerade bei chronischen Erkrankungen eine wichtige Rolle, denn sie kann mithelfen, Haut und Knochen optimal zu ernähren und die Heilung zu fördern, und spendet zudem wärmende Energie. Deshalb sollte die Ernährung bei der Therapieplanung eine wichtige Rolle einnehmen. Insgesamt sollte bei systemischer Sklerose auf eine ausgewogene Ernährung geachtet werden. Ansonsten ist es – weil die systemische Sklerose sehr verschieden verlaufen kann – wichtig, auf den Körper zu hören und herauszufinden, welche Nahrungsmittel gut tun und welche nicht. Gerade bei einer Beteiligung des Verdauungstraktes kann es zu einer gestörten Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen kommen. Insgesamt ist eine ausgewogene Vollwertkost mit Nahrungsergänzungsmitteln (Vitamine, Spurenelemente) sinnvoll, um den Allgemeinzustand zu verbessern und die Wundheilung zu begünstigen. 54 Unterstützende Nahrungsergänzungsmittel Vitamin A: Wichtig beim Aufbau der Haut und der Schleimhaut; Milch und Milchprodukte sowie Eier decken den größten Bedarf. ✓ Vitamin C: Essentielles Vitamin, als Antioxidans und zur Optimierung des Immunsystems ✓ Vitamin D und Kalzium: Wichtig für die Knochen, Vorbeugung einer Osteoporose ✓ Vitamin E: Entzündungshemmend, unterstützt die Heilung von Wunden; in pflanzlichen Ölen enthalten (Weizenkeim-, Distel-, Rapsöl). ✓ Eisen: Wichtig bei der Kollagensynthese und für den Sauerstofftransport in Form von Hämoglobin, unterstützt die Wundheilung; in Fleisch und grünen Gemüsesorten enthalten. ✓ Eiweiß: Wichtig für Reparaturprozesse in den Zellen ✓ Zink: Stabilisiert Zellmembranen, wichtig beim Wundverschluss; in Fleisch, Nüssen und Getreideprodukten enthalten. ✓ Sodbrennen Bei Sodbrennen hilft die Aufteilung des Essens in mehrere kleine Mahlzeiten. Nach dem Essen sollte man sich nicht hinlegen. Eine Erhöhung des Kopfteiles des Bettes kann Reflux, den Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre, vermindern. Es ist wichtig, Tabak ganz zu meiden und Alkohol, Kaffee, kohlensäurehaltige Getränke, schwarzen Tee, Schokolade, stark säurehaltige und fettige Lebensmittel zu reduzieren oder darauf zu verzichten. Oft kann es auch helfen, das Tragen (vor allem an der Taille) enger Kleidungsstücke zu vermeiden. Bei verkleinerter Mundöffnung und Schluckbeschwerden empfehlen sich kleinere Bissen, weiche und feuchte Speisen und ein Glas Wasser – eventuell mit Trinkhalm – als Schluckhilfe parat zu haben. Viele weitere Tipps zur Ernährung bietet die Patientenwebsite www.ruhigatmen.at. 55 Schwangerschaft Schwangerschaften sind prinzipiell auch mit systemischer Sklerose möglich – die Krankheit wird nicht vererbt. Wenn allerdings eine frühe diffuse Form der systemischen Sklerose oder ein schwerer Lungenhochdruck vorliegt, ist von einer Schwangerschaft dringend abzuraten. Bei der Planung einer Schwangerschaft sollten Sie unbedingt mit Ihrer/Ihrem behandelnden Ärztin/Arzt Rücksprache halten. Sexualität Sowohl Frauen als auch Männer mit systemischer Sklerose erfahren oft Einschränkungen im Sexualleben. Leider möchte aber nur ein kleiner Teil der Betroffenen (16 %) mit ihrem Arzt über diese Probleme reden. Um effektiv helfen zu können, ist dieser Austausch aber wichtig. Trauen Sie sich, auch dieses Thema anzusprechen! Sexuelle Funktionsstörung bei systemischer Sklerose Dabei ist eine sexuelle Funktionsstörung, bei der eine erfüllte Sexualität nicht erreichbar ist, bei systemischer Sklerose weit verbreitet – mehr als 80 % der Patienten leiden darunter. Während die Ursache für die erektile Dysfunktion bei den männlichen Patienten in einer Störung in den Gefäßen liegt und somit vor allem organischer Natur ist, ist die Ursache bei Frauen sehr viel komplexer. Neben Ursachen, die auf die systemische Sklerose schließen lassen (trockene Vagina, Schmerzen, Müdigkeit), spielen hier auch andere physische Probleme (wie starke Gelenkschmerzen) oder die psychische Belastung eine Rolle. Es ist wichtig, hier mit dem Arzt des Vertrauens über Probleme zu sprechen. Es geht vielen Patienten so, und man kann heutzutage sehr viel dagegen tun. Die Diagnose erfolgt meist über einen Fragebogen, sodass man sich in Ruhe damit auseinandersetzen kann. Man darf nicht vergessen: Sexualität ist wichtig für die Erfüllung und die Befriedigung von Bedürfnissen. In der Partnerschaft ist sie ein wichtiger Faktor für mehr körperliches Wohlbefinden und Lebensqualität. Andererseits ist Sex in einer guten Partnerschaft nicht das einzig Verbindende 56 und kann gut kompensiert werden. Offene Gespräche mit der Partnerin / dem Partner zeigen, wenn beide ihre Wünsche und Grenzen aussprechen, neue Zuneigungsmöglichkeiten auf. Zahnpflege Eine verkleinerte Mundöffnung und Mund­ trockenheit erschweren oft die Mundhygiene, was Karies, Zahnfleischerkrankungen und Mundgeruch begünstigt. Eine gute Zahn- und Mundhygiene und der regelmäßige Gang zum Zahnarzt sind deshalb besonders wichtig. Am besten sollte man eine Zahncreme mit Fluor benutzen und mindestens viermal im Jahr die Zahnbürste wechseln. Auch die Zunge sollte regelmäßig gereinigt werden. Für eine verkleinerte Mundöffnung sind auch spezielle Zahnbürsten erhältlich. Bei Reflux-Ösophagitis, also dem Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre, sollte der Mund regelmäßig mit klarem Wasser und Mundwasser gespült werden, um die Zähne vor Erosionen zu schützen. Hilfsmittel Kinderzahnbürste: Auch Kinderzahnbürsten sind in elektrischer Form erhältlich – sie haben den Vorteil kleinerer Bürstenköpfe und weicherer Borsten. Außerdem ist der Griff oft vergrößert. Zahnzwischenräume: Interdentalbürsten und Zahnseide-Sticks sind praktisch zum Reinigen der Zahnzwischenräume; wenn dies zu mühsam ist, kann auch eine Munddusche angewendet werden. Reinigungsstäbchen: Spezielle Reinigungsstäbchen (Denta­ swab) ermöglichen eine vereinfachte und gründliche Mundhygiene in Ergän­ zung zu der normalen Mundhygiene. Besonders bei offenen Stellen im Mund sind sie schonend. 57 Hautpflege Bei systemischer Sklerose verändert sich die Haut – durch die starke Vermehrung von Bindegewebe verdickt und verhärtet sie sich – zunächst besonders an Händen, Füßen und im Gesicht (siehe auch Kapitel Haut S. 30). Vor allem dort, wo eine dünnere Fettschicht unter der Haut liegt, also zum Beispiel an Ellenbogen, Fingergelenken, Füßen, Ohrmuscheln und Steißbein, erhöht sich damit die Verletzungsgefahr. Dem Fortschreiten der Verdickung und Verhärtung sowie der verminderten Durchblutung entgegenzuwirken, ist auch für jeden Patienten möglich: Es gilt, Trigger für das Raynaud-Syndrom (z. B. Kälteexposition) zu meiden, die Hautbarriere durch eine adäquate Pflege zu schützen und die Beweglichkeit der Gelenke durch Dehnübungen aufrechtzuerhalten. Es ist deshalb wichtig, die Haut vor allem an diesen Stellen, aber auch generell gut zu pflegen. Rückfettende Cremes und Duschgele helfen dabei, indem sie die Elastizität der Haut fördern. Besonders gefährdet sind die Hände. Diese sollten mehrmals täglich eingecremt werden, am besten mit Pflegeprodukten mit einem Fettanteil von 30 bis 40 % und einem Urea-Anteil von 4 bis 5 % (als Feuchtigkeitsspender). 58 >> Um meine Haut zu pflegen, creme ich mich mehrmals täglich ein. Rückfettende und ureahaltige Rezepturen helfen mir besonders gut. << 59 >> Gleich morgens nach dem Aufstehen sind meine Hände besonders steif. Nach kleinen Dehnübungen fühle ich mich schon viel besser. << 60 Beweglichkeit Einfache Dehnübungen können bequem zu Hause durchgeführt werden. Gerade bei Beweglichkeitseinschränkungen durch Hautverhärtungen können hier gute Erfolge erzielt werden, sodass die Beweglichkeit weitgehend erhalten bleibt. Dehnübungen für zwischendurch Beweglichkeit Einfache Dehnübungen können bequem zu Hause durchgeführt werden. Beispiele für weitere Übungen Übungen mit Hilfsmitteln zur Dehnung der Hände Beweglichkeit der Hände und der Ellenbogen • Warme Knetmasse mit den Fingern rollen • Hand über eine Plastikflasche rollen • Mit den unteren Fingergliedern auf ein Stück warme Knetmasse drücken • Plastikflaschen greifen • Ball kneten • Ball über die Handfläche zu sich hin rollen • In sitzender Position mit einem Tuch auf dem Tisch vor- und zurückwischen 61 Selbsthilfegruppen FESCA – Europäischer Verbund von Sklerodermie-Selbsthilfegruppen Internet: www.fesca-scleroderma.eu Initiative Sklerodermie (Graz) Barbara Tauscher [email protected] mobil: +43 (0) 664/442 71 37 Sklerodermie Oberösterreich Adolf Brandstätter [email protected] mobil: +43 (0) 699/1977 36 36 Initiative Lungenhochdruck [email protected] Tel.: +43 (0) 1/ 402 37 25 Wilhelmstraße 19 1120 Wien Patiententelefon: Eva Otter: +43 (0) 664/28 80 888 Gerald Fischer: +43 (0) 664/ 22 88 888 62 Die Kompetenzzentren für Österreich finden Sie unter www.ruhigatmen.at (Lungenhochdruck/Sklerodermie) Glossar 6-Minuten-Gehtest T est zur Ermittlung der individuellen körperlichen Leistungsfähigkeit (Länge der Strecke, die in 6 Minuten zurückgelegt wird). ACE-Hemmer E nglisch: Angiotensin-Converting-Enzyme (=Angiotensin-umwandelndes Enzym), blutdrucksenkendes Medikament. Alveolitis E rkrankung des Lungengewebes und der Lungenbläschen (Alveolen). Angiotensin- Rezeptor-Blocker Arzneistoffe, die zur Behandlung von Bluthochdruck oder Herz­insuffizienz eingesetzt werden. Antikörper Eiweißstoffe zur Immunabwehr im Blut. Antinukleäre Antikörper S og. ANA, eine bestimmte Art von Auto-Antikörpern, die mit bestimmten Strukturen des Kerns körpereigener Zellen (griechisch: nukleus) reagieren; kommen bei Autoimmunerkrankungen vor. Arterien om Herzen wegführende Blutgefäße, führen sauerstoffreiches Blut V zu den Organen. Auto-Antikörper ntikörper, die fälschlicherweise körpereigene Strukturen als A fremd erkennen und eine Immunantwort auslösen. Autoimmunerkrankung N ormalerweise gehen die von unserem Körper gebildeten Antikörper gegen körperfremde Stoffe wie z. B. Bakterien oder Viren vor. Bei Autoimmunerkrankungen greift das Immunsystem körpereigene Stoffe an und löst somit eine Entzündungsreaktion aus. Bindegewebe tütz- oder Gerüstgewebe, das in allen menschlichen Organen S vorkommt; es hält im Grunde die einzelnen Organe zusammen. Botenstoffe Chemische Substanzen, die bestimmte Signale im Körper übertragen. 63 Chronisch-progre- diente Erkrankung Dauerhafte (chronisch) und fortschreitende (progredient) Erkrankung. CREST-Syndrom nterform der limitierten systemischen Sklerose U (CREST = Calcinosis cutis, Raynaud-Syndrom, ösophageale (engl.: esophageal) Beschwerden, Sklerodaktylie, Teleangiektasie). Dialyse riechisch dialysis = „Auflösung“; Blutreinigungsverfahren, welches G bei Nierenversagen zum Einsatz kommt. Diffuse systemische Sklerose Diffuse Form der systemischen Sklerose; die Sklerose breitet sich über den ganzen Körper aus. Digitale Ulzerationen Geschwüre, die an den Fingern und Zehen auftreten. Dyspareunie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, die psychische oder körperliche Ursachen haben können. Dyspareunie kann bei Männern und Frauen auftreten. Echokardiographie Form der Ultraschalluntersuchung zur Untersuchung des Herzens. Elektrokardiogramm urz EKG; zeichnet die Summe der elektrischen Aktivitäten aller K Herzmuskelfasern auf. Aus dem EKG können Herzfrequenz, Herzrhythmus und weitere Herzparameter abgelesen werden. Endothelin Potente körpereigene, stark gefäßverengende Substanz. Endothelin- Medikamente, die den Rezeptor für Endothelin blockieren und somit Rezeptor-Antagonisten Endothelin hindern, seine stark gefäßverengende Wirkung zu entfalten. 64 Erektile Dysfunktion exuelle Funktionsstörung, bei der es einem Mann über einen länS geren Zeitraum hinweg in der Mehrzahl der Versuche nicht gelingt, eine für ein befriedigendes Sexualleben ausreichende Erektion des Penis zu erzielen oder beizubehalten. Erosion aut- oder Schleimhautveränderung, die durch einen Verlust H der Oberhaut bzw. bei Schleimhäuten des Epithels bei intakter Lederhaut bzw. Schleimhaut-Eigenschicht gekennzeichnet ist. Fibroblasten Zellen, die ein Hauptbestandteil des Bindegewebes sind. Die Fibroblasten bilden das Kollagen, das mit anderen Substanzen für die Festigkeit und Elastizität des Bindegewebes verantwortlich ist. Fibrose rankhafte Vermehrung des Bindegewebes in Geweben und K Organen, dessen Hauptbestandteil Kollagenfasern sind. Dabei wird das Gewebe des betroffenen Organs verhärtet, es entstehen narbige Veränderungen, die im fortgeschrittenen Stadium zur Einschränkung der jeweiligen Organfunktion führen. ImmunsuppressionSchwächung des Immunsystems, die u. a. durch Medikamente hervorgerufen werden kann. KalzinoseKrankhafte Ablagerung von Kalziumsalzen in der Haut und in Körperorganen. Kalziumantagonisten ruppe von Arzneistoffen, die hauptsächlich zur Behandlung G von Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit und Herzrhythmus­ störungen eingesetzt werden. Kapillare Haarfeine Blutgefäße, z. B. in den Fingerspitzen. Kapillarmikroskopie ideogestützte Mikroskoptechnik zur Beurteilung der Mikro­ V zirkulation der Haut. 65 KollagenStrukturprotein des Bindegewebes, bildet stützende Strukturen in allen Organen. Kollagenosen Störungen des Bindegewebes, denen Autoimmunerkrankungen zugrunde liegen. Zu den Kollagenosen gehören systemischer Lupus erythematodes (SLE), Polymyositis und Dermatomyositis, Sjögren-Syndrom, systemische Sklerose und Sharp-Syndrom. Kontrakturen F unktions- und Bewegungseinschränkung von Gelenken, die durch Verkürzung umliegender Weichteile wie Muskeln, Sehnen, Bänder und Faszien entsteht. Limitierte systemische Form der systemischen Sklerose, betrifft aber nur die vorstehenden Sklerose Körperteile (Hände oder Füße bzw. die Extremitäten unterhalb der Ellenbogen- oder der Kniegelenke, aber auch Nase oder Kinn). Lungenfibrose E rkrankung des Lungengewebes durch verstärkte Einlagerung von Bindegewebe zwischen den Lungenbläschen und Blutgefäßen. Lungenfunktionstest erschiedene Untersuchungsverfahren für die Bestimmung von V Lungenvolumina und anderen Kennzahlen der Lungenfunktion. Lungenhochdruck / pulmonal-arterielle Hypertonie Lungenbeteiligung bei systemischer Sklerose, bei der die Lungengefäße betroffen sind, führt zu einem Druckanstieg in den Lungen- arterien und unbehandelt zu Herzversagen. Lymphdrainage hysikalische Therapie, dient vor allem als Ödem- und EntstauungsP therapie ödematöser Körperregionen. MadonnenfingerBezeichnet bei systemischer Sklerose ein Symptombild, das durch auffallend dünne und spitz zulaufende Finger gekennzeichnet ist. Madonnenfinger treten oft gleichzeitig mit einer Sklerodaktylie auf. 66 Mikrostomie us dem Griechischen stoma = Mund. Mundverengung, Kleinheit A des Mundes. Nekrose us dem Griechischen nékrosis = Tod, Absterben; Absterben A einzelner oder mehrerer Zellen an lebenden Organismen. Ödem chwellung des Gewebes aufgrund einer Einlagerung von S Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem. Ösophagus Speiseröhre. Ösophagus- motilitätsstörung Bewegungsstörung der Speiseröhre. Phosphodiesterase-5- Hemmer Arzneimittel, die Enzyme aus der Gruppe der Phosphodiesterasen hemmen. Sie werden u. a. bei erektiler Dysfunktion und bei pulmonal-arterieller Hypertonie eingesetzt. Portsystem irekter Venenzugang zur Verabreichung von Nahrungs- und D Nahrungsergänzungsmitteln sowie von Medikamenten. Prokinetika edikamente, welche die Muskeltätigkeit der Speiseröhre, des M Magens und des Darms anregen. Prostazyklin örpereigene Substanz, die wegen ihrer gefäßerweiternden, K wachstumshemmenden und zellschützenden Eigenschaften auch als Medikament verabreicht wird. Protonenpumpen- hemmer Medikamente, welche die Freisetzung von Magensäure blockieren. Sie werden u.a. bei der Refluxerkrankung eingesetzt. 67 Puffy fingersBezeichnung für die im frühen Stadium der systemischen Sklerose zunächst geschwollenen und geröteten Finger. Raynaud-Syndrom orübergehende Gefäßspasmen (Krämpfe), treten meistens an den V Fingern und Zehen auf. Die Blutzufuhr des betroffenen Gebietes wird vermindert, und es treten nacheinander Blässe, Blauverfärbung und Rötung der Finger oder Zehen auf. Größenzunahme des rechten Herzens aufgrund von Zellvergrößerung. Rechtsherzhypertrophie RefluxSodbrennen. 68 Renale Krise efährliche Komplikation bei systemischer Sklerose, unter der G man eine sich sehr schnell verschlechternde Nierenfunktion bis hin zum Nierenversagen versteht. Warnzeichen hierfür ist ein starker Anstieg des Blutdrucks. (Modified) Rodnan Skin Score (mRSS) Standardisiertes Verfahren zur Untersuchung von Änderungen der Hautdicke und -festigkeit im Krankheitsverlauf. Sklerodaktylie ezeichnung für die im weiteren Verlauf der systemischen Sklerose B durch die Sklerose der Fingerhaut immer schmaler werdenden, zunehmend versteifenden und ggf. kontrakturbedingt gebeugten Finger (Krallenhand). Stammzell- transplantation Übertragung von Stammzellen von einem Spender an einen Empfänger. Als Stammzellen werden allgemein Körperzellen bezeichnet, die sich in verschiedene Zelltypen oder Gewebe entwickeln können. Systemische Sklerose sine scleroderma Unterform der systemischen Sklerose, bei der nur innere Organe betroffen sind, während die typischen äußeren Merkmale (Haut­ sklerose) fehlen. Teleangiektasien Dauerhafte Erweiterung kleiner Blutgefäße direkt unter der Haut. TENSTranskutane elektrische Nerven-Stimulation, eine elektromedizinische Reizstromtherapie, die vor allem zur Behandlung von Schmerzen und zur Muskelstimulation eingesetzt wird. Vaskulopathie rimär nicht entzündliche Gefäßerkrankung unterschiedlicher P Ursache, die zu einem teilweisen oder vollständigen Verschluss eines Gefäßes führt. Vasodilatation Weitstellung der Blutgefäße. Vasokonstriktion Engstellung der Blutgefäße. Vasospasmen Verkrampfung der Blutgefäße. Wassermelonenmagen B estimmte Form der Gefäßerweiterungen der Magenschleimhaut. Der Begriff Wassermelonenmagen leitet sich von dem Wassermelonen ähnlichen rot-streifigen Bild ab, das bei der Magenspiegelung vorgefunden wird. Zirkumskripte Sklerodermie Bei der zirkumskripten Sklerodermie ist die Verhärtung auf die Haut beschränkt, auch wenn benachbarte Strukturen wie Fettgewebe, Muskeln und selten auch Gelenke mitbetroffen sein können; eine Beteiligung innerer Organe tritt nicht auf. 69 Merkliste für den Arztbesuch Meine Medikamente Nebenwirkungen von einem Medikament, die Sie beobachtet haben Sie haben Schwierigkeiten mit den Einnahmezeiten eines Medikamentes Sonstiges Symptome (Krankheitszeichen) Haben Sie Beschwerden, die neu aufgetreten sind oder sich verschlechtert haben? ¡¡ Finger ¡¡ Niere (Schmerzen, veränderter Urin) ¡¡ Raynaud Syndrom (Weißwerdende Finger) ¡¡ Verdauungstrakt (Schmerzen, Verstopfung,Durchfall) ¡¡ Fingergeschwüre ¡¡ Haut (Flecken, Schmerzen) ¡¡ Herzbeteiligung (Herzschmerzen/stechen, Atemnot) ¡¡ Lungenbeteiligung (Atemnot) ¡¡ Muskeln und Gelenke (Schmerzen, heiß und dick) ¡¡ Sonstiges Probleme im Alltag Haben Sie Probleme bei der Arbeit wie Schichtdienst, besonderer Stress, Probleme mit dem Arbeitgeber wegen der Erkrankung? Haben Sie Probleme bei der regelmäßigen Medikamenteneinnahme? 70 Haben Sie seelische Probleme wie extreme Traurigkeit, Antriebslosigkeit oder Ängste? Haben Sie Veränderungen Ihres Sexuallebens feststellen können? Haben Sie Fragen zur Ernährung? Haben Sie Fragen zur Bewegung, Sport? Haben Sie Fragen zur Hautpflege? Haben Sie Fragen zur Zahnpflege? Sonstiges Vorsorgeuntersuchungen Welche Vorsorgeuntersuchungen müssen Sie bei anderen Ärzten machen? Fragen an meinen Arzt 1. 2. 3. 71 Was sonst noch wichtig ist: 1. Weisen Sie das Praxis-/Krankenhauspersonal darauf hin, dass Sie • leicht frieren (dass z.B. kalte Kabinen oder kalte Stühle einen Raynaud-Schub auslösen können); • ev. beim An-/Ausziehen Hilfe benötigen; • bei Glatteis und Sturmwetter den Termin nicht wahrnehmen können – rechtzeitig absagen; • ev. immunsupprimiert sind und übervolle Wartezimmer ein Problem sein könnten; • die Blutabnahme / Infusion ev. bei verhärteter Haut schwierig sein könnte. 2. Während des Arztbesuches • Denken Sie daran: jeder Patient wird anders, aber alle gleich gut behandelt – auch Sie. • Respekt und ein höflicher, freundlicher Umgang ist für Sie selbstverständlich. • Kommen Sie ohne Umschweife zur Sache – so verschwenden Sie keine wertvolle Zeit. • Nehmen Sie ruhig Ihre Aufzeichnungen zur Hand oder legen Sie sie dem Arzt vor. • Beantworten Sie die Fragen präzise – auch über familiäre Erkrankungen oder über ihr eigenes Suchtverhalten (z.B. Nikotinkonsum). • Peinlichkeiten gibt es nicht. • Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. • Äußern Sie Ihre Bedenken, wenn Sie Diagnostikmaßnahmen, Therapien oder Medikamente in Frage stellen oder deren Nutzen und Sinn nicht verstanden haben. • Haben Sie keine Hemmung den Arzt oder die Praxis darauf hinzuweisen, wenn Sie glauben, dass ein Fehler (z.B. falsches Medikament verordnet) unterlaufen ist. Denken Sie daran: gegenseitiges Vertrauen fällt nicht vom Himmel und muss gepflegt werden. 72 www.actelion.at www.ruhigatmen.at Notizen 73 078 / 08 2016 Impressum Herausgeber: Actelion Pharmaceuticals Austria GmbH, Wien Layout: Jungbluth Digital+Print, Freiburg