Quelle: www.bild.de, 27.05.2015 WELT-MULTIPLE-SKLEROSE-TAG | Wann wird ein Finger-Kribbeln zur Diagnose MS? Oft fängt es mit einem leichten Kribbeln in den Fingern an... Aber die Krankheit Multiple Sklerose muss für Betroffene nicht immer im Rollstuhl enden, sagen Mediziner. Foto: Blend Images/Getty Images Sie ist nicht ansteckend, nicht tödlich, nicht erblich. Kein Muskelschwund und keine psychische Erkrankung. Auch die häufig in den Medien verbreiteten Vorurteile, dass die Krankheit Multiple Sklerose (kurz: MS) zwangsläufig zu einem Leben im Rollstuhl führe, sind so nicht richtig. Noch immer herrscht viel Unwissen über die Krankheit an der weltweit etwa 2,5 Millionen Menschen leiden – davon 130 000 in Deutschland. Jährlich wird bei ca. 2500 Menschen die chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems neu diagnostiziert. Frauen erkranken dabei etwa doppelt so häufig wie Männer, wie Mediziner zum Welt-MultipleSklerose-Tag am 27. Mai berichten. Was die Krankheit so geheimnisvoll macht, ist die Tatsache, dass die Symptome der Krankheit sehr vielfältig, ja diffus sind. Die durch MS bedingten Symptome sind sehr vielfältig: Für multiple Sklerose ist weder ein bestimmtes Anzeichen noch ein bestimmter Verlauf typisch. Allerdings treten manche Frühsymptome besonders oft auf. Als häufigste frühe Multiple-Sklerose-Symptome gelten Gefühlsstörungen, Sehstörungen und Lähmungen der Muskulatur! ► Empfindungsstörungen: Die Multiple-Sklerose-Symptome umfassen fast immer ein Taubheitsgefühl oder ein Kribbeln (Ameisenlaufen) an Armen und Beinen, Spannungsgefühle um die Gelenk- und Hüftregion (wie ein eiserner Handschuh oder Gürtel), Schmerzen oder auch eine verminderte Empfindlichkeit (z.B. bei der Temperaturwahrnehmung). Quelle: www.bild.de, 27.05.2015 Oft beginnen die Missempfindungen in den Fingerspitzen oder in den Füßen und breiten sich dann auf Arme beziehungsweise Beine aus. ► Sehstörungen: Etwa drei Viertel aller Menschen mit multipler Sklerose haben solche Beschwerden – allerdings in unterschiedlicher Ausprägung. Häufigster Grund für diese Multiple-Sklerose-Symptome ist ein entzündeter Sehnerv (eine sog. Optikusneuritis). Die Sehstörung beginnt oft mit Augenschmerzen, die sich bei einer Bewegung der Augäpfel verstärken. Die Betroffenen sehen ihr Umfeld auf einem Auge plötzlich wie durch einen Schleier oder Nebel. Je nachdem, wie stark die Entzündung ausgeprägt ist, kann auch das Farbensehen beeinträchtigt sein. Außerdem kann es zu Lichtblitzen oder zu Ausfällen des Gesichtsfelds kommen. In manchen Fällen ist das sogenannte zentrale Sehen beeinträchtigt, sodass es plötzlich schwierig ist, eine kleine Druckschrift zu lesen. Meist bilden sich die Symptome innerhalb von wenigen Wochen bis sechs Monaten nach Abklingen der Entzündung wieder zurück. Bei einer anderen Form der Sehstörung sehen die Betroffenen Doppelbilder. Dies ist auf eine Lähmung der Augenmuskulatur zurückzuführen. ► Muskellähmungen: Multiple Sklerose führt häufig dazu, dass die Muskeln kraftlos sind, schnell ermüden, angespannt (spastisch) und steif sind. Weitere mögliche Multiple-Sklerose-Symptome sind Lähmungserscheinungen in den Armen und Beinen. Oft setzt die Lähmung nur in einem Bein ein. Die Muskulatur kann neben der Spastik zusätzlich eine Schwäche zeigen – die Symptome können Arme und Beine sowie auch eine Körperseite betreffen. Wann wird aus diesen Symptomen die Diagnose MS? Ein Multiple-Sklerose-Schub liegt vor, wenn die genannten Symptome: ► mindestens 24 Stunden lang anhalten, ► mindestens 30 Tage nach Beginn des letzten Schubs aufgetreten sind, ► nicht durch eine veränderte Körpertemperatur oder durch Infektionen erklärbar sind. Was sind die Ursachen? Worin MS seine Ursachen hat, ist nicht bekannt: Zwar entsteht die Erkrankung nachweislich durch Entzündungen in Gehirn und Rückenmark, die die Markscheiden der Nervenfasern zerstören. Wie es dazu kommt, ist jedoch (noch) nicht geklärt. Die Krankheit kann in Schüben verlaufen. Ursachen für einen akuten Schub können seelische und körperliche Belastungen sein: Sie gelten deshalb als Risikofaktoren für MSSchübe, weil sie das Immunsystem aktivieren können. Landet man mit MS zwangsläufig im Rollstuhl? Nein. Etwa ein Drittel kann ein normales Leben führen, ein Drittel hat neurologische Defizite und ein Drittel braucht irgendwann wirklich den Rollstuhl. Wer zu welcher Gruppe gehört, lässt sich schlecht vorhersagen. Selbst wer am Anfang aggressive Schübe hat, kann am Ende relativ glimpflich davonkommen. Quelle: www.bild.de, 27.05.2015 Keine Heilung, aber Kontrolle möglich Für die Patienten der als unheilbar geltenden Nervenkrankheit Multiple Sklerose gibt es nach Einschätzung des Münsteraner Experten Heinz Wiendl gute Therapiechancen. Bei den meisten Patienten werde eine weitgehende Kontrolle der Erkrankung möglich sein, „so dass der Patient ohne wesentliche Beeinträchtigungen leben kann“, sagte der Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Münster. „Das wird uns nicht bei allen Patienten gelingen, aber doch bei den allermeisten.“ Stand der Forschung Die genetische Empfänglichkeit für die Autoimmunerkrankung könne die Medizin zwar nach wie vor nicht beeinflussen, erläuterte Wiendl, der auch Vorstand der Stiftung Neuromedizin ist. Inzwischen gebe es jedoch Medikamente, die das Immunsystem sehr wirksam beeinflussen könnten. „So können wir die Entzündung bei einem Großteil der Patienten nahezu komplett stoppen.“ Nun müssten die richtigen Medikamente für den jeweiligen Patienten gefunden werden. Dafür müssten die Krankheitsaktivität eingeschätzt und die Therapie überwacht werden: „Dann ist bei den meisten Patienten die Krankheit bestmöglich kontrolliert.“ Medikamente, die stark in das Immunsystem eingreifen, seien jedoch auch mit Risiken verbunden, räumt Wiendl ein, der bundesweit als einer der führenden Wissenschaftler der MS-Forschung gilt. Die Medikamente könnten auch die schützende Funktion des Immunsystems schwächen. „Diese Risiken wollen wir beherrschen“, betonte der Experte. Die Erkrankung wird in der Regel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr festgestellt – mit geringerer Häufigkeit tritt sie aber auch schon im Kindes- und Jugendalter auf. Erstdiagnosen nach dem 60. Lebensjahr sind selten. Quellen: Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (Bundesverband e.V.), Onmeda.de, epd, dpa