Das Geheimnis des Apostels - Evangelisches Sonntagsblatt

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Das Geheimnis des Apostels
Papst Benedikt XVI. will das vermutete Grab des Paulus in Rom zur Pilgerstätte machen
Paulus ruht in Frieden – jedenfalls bis auf weiteres. Vatikan-Archäologen haben in der römischen Basilika Sankt Paul nach
vierjährigen Grabungen einen
Sarkophag freigelegt, der seit
dem vierten Jahrhundert dem
Apostel Paulus zugeschrieben
wird. Im Deckel des Sarkophags
befindet sich eine mit Mörtel verschmierte Öffnung. Die Genehmigung zur Sichtung des Sarginhaltes obliegt allein dem Papst.
Paulus war der herausragende Theologe der frühen Christenheit. Er
war Jude und römischer Bürger, er
wandelte sich vom überzeugten
Pharisäer und Christenverfolger
zum glühenden Nachfolger Christi,
er wurde zum Missionar Europas
und nannte sich dabei den „geringsten der Apostel“. Paulus formulierte
den Glauben für seine Gemeinden
– und fundierte damit die christliche
Theologie insgesamt.
Die Apostelgeschichte erzählt
sein bewegtes Leben – doch sein
Tod liegt im historischen Dunkel.
Starb Paulus im Jahr 67 als Märtyrer unter Nero, wie eine Legende erzählt? Begegnete er kurz vor seinem Tod in Rom seinem zeitweiligen Kontrahenten Petrus? Wurde
er wie Petrus mit dem Kopf nach unten gekreuzigt? Oder starb er durch
das Schwert? Und was passierte
mit seinen irdischen Überresten?
Bereits vor einem Jahr hatte
der italienische Vatikan-Archäologe
Giorgio Filippi in der römischen Basilika Sankt Paul einen Sarkophag
lokalisiert, der seit dem vierten Jahrhundert dem Apostel Paulus zugeschrieben wird. Geöffnet hat er den
Steinsarg allerdings nicht.
Im Deckel des Sarkophags fand
Filippi eine etwa zehn Zentimeter
große, vermörtelte Öffnung – ein sicherer Hinweis auf ein Heiligengrab. Durch solche Öffnungen wurden Stoffstreifen eingeführt, denen
durch die Berührung mit den sterblichen Überresten Wunderkraft zugesprochen wurde.
Filippi gräbt seit dem Jahr 2003
nach dem Apostelgrab. Mit einer so
genannten Tast-Grabung hat er sich
durch ein tonnenschweres Fundament aus dem 19. Jahrhundert bis
zu dem Sarkophag vorgearbeitet.
Er liegt in der Mittelachse der Basilika in der gleichen Position, wo er
Paulus wurde als römischer Bürger in Rom nicht wie Petrus gekreuzigt, sondern
wahrscheinlich enthauptet. Das Schwert gehört neben dem Buch daher zu den Attri buten des Apostels.
Bild: AKG
vermutlich im Jahr 390 auf dem Fußboden aufgestellt wurde.
Heute liegt diese Stelle einen
halben Meter tief unter dem Boden,
von allen Seiten eingebacken vom
Füllmaterial eines Altarsockels, der
über dem Sarg gebaut wurde. Wenige Meter vor dem Sarkophag legte Filippi offenbar Mauerreste einer
Apsis der ersten Paulus-Gedächtniskirche frei, die Kaiser Konstantin in den ersten Jahrzehnten des
4. Jahrhunderts über dem Grab des
Paulus errichtet hatte – doch damals noch einmal drei bis vier Meter
tiefer. Die ständigen Hochwasser
des Tiber hatten die Baumeister des
Kaisers Theodosius um das Jahr
384 veranlasst, das Niveau einer
neuen und viel größeren Basilika
insgesamt anzuheben.
Die Apostelgeschichte erzählt
nichts über den Tod des Paulus, um
seine Hinrichtung in Rom im Jahr 67
unter Kaiser Nero ranken sich jedoch zahlreiche Legenden. Erzählt
wird Paulus' Abschied von Petrus
sowie ihr gemeinsames Auftreten
vor Nero mit dem tödlichen Flugversuch des Magiers Simon. Immerhin
Nach einem Brand im 19. Jahrhundert neu erbaut: die Basilika San Paolo fuori le Mu ra in Rom beherbergt das Grab des Paulus.
Foto: Bek-Baier
Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern · Nr. 4 vom 28. 1. 2007
berichtet der christliche Geschichtsschreiber Euseb in seiner um das
Jahr 200 verfassten Kirchengeschichte: „So ließ sich Nero zu den
Morden an den Aposteln hinreißen.“
Die Kreuzigung blieb Paulus aufgrund seines Bürgerrechts erspart,
er wurde enthauptet. Das Schwert
gehört deshalb neben dem Buch zu
den Attributen des Apostels. Die
Hinrichtungsstelle befindet sich
nach einer ins dritte Jahrhundert zurückreichenden Tradition fünf Kilometer weiter südlich der Paulskirche, an der Via Laurentina. An dieser Stelle wurde später die Kirche
San Paolo alle Tre Fontane errichtet. Die drei Quellen sollen nach der
Legende beim dreimaligen Aufschlagen des Hauptes auf den Boden entsprungen sein.
Plantilla, eine fromme Frau, die
Paulus vor der Hinrichtung ihren
Schleier gegeben hatte, damit dieser sich die Augen verbinden könne, erhielt ihn als Reliquie zurück
und sah in einer Vision Petrus und
Paulus mit Siegeskronen in Rom
einziehen. Ein Hirte fand den Kopf
des Paulus, der nun mit dem Leichnam feierlich vereint wurde.
Im Jahr 258 – wird überliefert –
wurden die Gebeine des Paulus in
die Katakombe San Sebastiano an
der Via Appia verlegt, vermutlich um
sie während der valerianischen Verfolgung vor der Konfiszierung durch
die Staatsmacht zu schützen.
Erst 384 erhielt Paulus eine monumentale Grabkirche. Der Name
„Sankt Paul vor den Mauern“ (italienisch: San Paolo fuori le Mura) leitet
sich von ihrem Standort außerhalb
der noch erhaltenen antiken aurelianischen Stadtmauer ab. Bis zum
Bau des Petersdoms war sie die
größte Kirche der Welt.
Nachdem diese einzige noch intakte antike Großkirche Roms 1823
durch ein Feuer vernichtet worden
war, hatte man sie Mitte des 19.
Jahrhunderts wieder aufgebaut. Die
dabei errichteten Fundamente hatten den angeblichen Sarkophag des
Paulus jedoch unzugänglich gemacht – bis Giorgio Filippi mit dem
Graben begann.
Über den Inhalt des Sarkophags
kann man nur spekulieren – der Vatikan baut die Kirche aber schon
mal so um, dass Pilger und Touristen einen Blick auf den Sargdeckel
werfen können.
Helmut Frank
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