Fokus Ernährung STEVIA REBAUDIANA BERTONI DIE STEVIAPFLANZE Besonderer Strauch Die subtropische Pflanze stammt ursprünglich aus Paraguay. Bereits vor Jahrhunderten tauchten die Guarani-Indianer die Blätter der Stevia-Pflanze in ihre Heilgetränke, um sie schmackhafter zu machen. Somit ist Stevia eine seit Jahrhunderten bekannte Pflanzenart. Sie wächst strauchförmig und wird in ihrer Wildform ca. 30 bis 60 cm hoch. In Gegenden mit moderatem Klima ohne Frost wird Stevia ca. vier bis sechs Jahre alt und kann mehrmals pro Jahr geerntet werden. Die begehrten Steviolglykoside befinden sich in den Blättern. Hierbei sind die zwei wichtigsten Verbindungen Steviosid (lakritzartiger und bitterer Beigeschmack) und Rebaudiosid A (angenehm süß). Vor allem in Asien werden die Inhaltsstoffe als Zuckerersatz zum Süßen von Tees und Nahrungsmitteln verwendet. Korea produziert schon seit 1973 Stevia für den japanischen Markt, wo der Stevia-Süßstoff bereits 40 % des Zuckerersatzstoffmarktes ausmacht. Die Süßmacher in der Stevia-Pflanze Steviolglykosid nennt sich der Wirkstoff der Pflanze und dieser Süßstoff ist seit Dezember 2011 unter der ENummer E960 in der EU zugelassen. Auch hier gilt es ähnlich wie bei Aspartam Höchstaufnahmemengen zu beachten. Diese maximal zulässige Dosis wurde mit 4 mg Stevioläquivalente pro Kilogramm Körpergewicht und Tag festgelegt. Das entspricht in etwa 11 mg Steviolglykosiden (je nach Zusammensetzung). Diesbezüglich ein Beispiel: Jemand mit einem Körpergewicht von etwa 70 kg kann jeden Tag 770 mg Steviolglykoside zu sich nehmen. Das entspricht umgerechnet ca. 231 g Zucker. Da dieser Wert nach Ansicht der EFSA (europäische Lebensmittelbehörde) von Erwachsenen und Kindern leicht überschritten werden kann, sollten mit Steviolglykosiden gesüßte Produkte nur sparsam verwendet werden. Um aus der Stevia-Pflanze den Süßstoff zu gewinnen, sind mehrere Verarbeitungsschritte notwendig: Die Blätter werden getrocknet, eingeweicht und mittels chemischer Stoffe und Lösungsmittel entfärbt. Letztendlich werden über Ionenaustausch und Kristallisation die Pflanzenextrakte gewonnen. Also nicht so Natur belassen, wie uns die Werbung immer weißmachen möchte. Der Stoff muss entfärbt, entsalzt und kristallisiert werden. Anders als die Steviolglykoside ist die Stevia-Pflanze in der EU nach wie vor nicht zugelassen, jedoch erhältlich in Blumenfachgeschäften, mit dem Hinweis „nicht zum Verzehr geeignet“. Somit sichern sich Händler ab. Viele Konsumenten/innen ist es ein Rätsel, warum es hierzulande für die Pflanze derartige Beschränkungen gibt, diese jedoch in anderen Ländern seit langer Zeit traditionell verwendet wird. Hierzu einige Infos: Niemand weiß genau, inwiefern sich heutige Züchtungen in den Inhaltsstoffen zur Wildpflanze unterscheiden. Fokus Ernährung Die Ernährungsgewohnheiten und der Lebensstil sind in fernen Ländern definitiv andere als bei uns, wo Limonaden in Großpackungen aus dem Kühlschrank kommen und süße Snacks täglicher Begleiter sind. Selbst in Paraguay waren bis 2005 die Blätter der Stevia-Pflanze nicht als Lebens-, sondern nur als Arzneimittel zugelassen. Natur pur? Gerade in Bezug auf Stevia gilt der Werbetrick „Natürlichkeit als Verkaufsargument“. In der heutigen Überflussgesellschaft sehnen sich Konsumenten/innen nach natürlichen Produkten. Auf den ersten Blick erfüllt Stevia diese Wunschvorstellung: Die Süße stammt aus den Blättern und ist fast kalorienfrei. Da aber nur die Steviolglykoside als Süßungsmittel zugelassen sind, relativiert sich das ganze wieder. Wie oben kurz beschrieben, werden diese in einem aufwendigen Verfahren aus der Pflanze gewonnen. Im Prinzip bedeutet dies, dass die Steviolglykoside vom Stevia genauso weit weg sind wie der Haushaltszucker von der Zuckerrübe. Hinzu kommt, dass Stevia in Pulver- oder Tablettenform zusätzlich mit Konservierungsmittel wie Kaliumsorbat oder Sorbinsäure, Stabilisatoren wie Alkohol oder Trennmittel in Form von Siliciumdioxid versehen werden. Bedingt empfehlenswert Die Produktion der Steviolglykoside birgt einen hohen Energieeinsatz. Der Großteil der Süßstoffe wird aus China in die EU importiert. Meist werden Lebensmittel die mit Steviolglykosiden gesüßt wurden mit den Argumenten „Natürliche Süße“, „ohne Kalorien“, zahnschonend“ und „für Diabetiker geeignet“ versehen. Steviolglykoside liefern tatsächlich keine Energie und sie haben keine kariesfördernde Wirkung. Da sie insulin-unabhängig verstoffwechselt werden, erhöhen sie – anders als Haushaltszucker – den Blutzuckerspiegel nicht. Eine echte Alternative sind sie nur für Diabetiker-Typ-1, die Insulin zuführen müssen. Erstaunlich ist, dass dort, wo Stevia drauf steht und angepriesen wird, sehr oft auch andere Stoffe für die Süße zu finden sind. Häufig schummelt sich der Zuckeralkohol Erythrit (Erythritol) auf die Zutatenliste. Echt „süß“ ist jedoch ein ganz anderer Zusatz. Die meisten Kunden/innen greifen zu Stevia-Produkten, um Zucker zu vermeiden. Und was findet man in vielen dieser Produkte: Zucker! Meistens verpackt in Begriffen wie Fruktose (Fruchtzucker), Laktose (Milchzucker), Apfelsaft oder Apfelsüße, usw. Resümee Generell gilt: Mit Steviolglykosiden gesüßte Lebensmittel nur sparsam verzehren. Bislang weiß niemand, welche Auswirkungen eine chronische Überdosierung des Süßstoffs beherbergen. Studien dazu fehlen noch. Anders als Zucker hat Stevia keine konservierenden Eigenschaften und eignet sich somit nur bedingt zum Einkochen. Beim Backen bräunt es nicht und es fehlt ihm auch das für Teige nötige Volumen. Geschmacklich sind Steviolglykoside auch nichts für jedermann.