Worum geht es Relevante Infektionserreger bei Frauen im gebärfähigen Alter Was ist IGeL ? Infektionskrankheiten der Mutter während der Schwangerschaft können den Fötus oder das Neugeborene beeinträchtigen. Das Risiko für eine kindliche Schädigung ist davon abhängig, ob die schwangere Frau einen entsprechenden Immunschutz nach früher durchgemachter Infektion oder Impfung hat. Zu den laut Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen Maßnahmen zur Erkennung schwangerschaftsrelevanter Infektionen zählen in der Frühschwangerschaft die Blutuntersuchung auf Röteln und Syphilis (Lues) sowie (auf freiwilliger Basis und mit Einverständnis der Schwangeren) der Ausschluss einer HIV-Infektion. Das empfohlene Screening auf Chlamydien erfolgt im Urin. Der serologische Nachweis einer Toxoplasmose oder anderer Infektionserreger ist im Rahmen der gesetzlich geregelten Vorsorge nur bei begründetem Verdacht vorgesehen. Gegen Ende der Schwangerschaft (nach der 32. Schwangerschaftswoche) wird das HBsAg bestimmt (Hepatitis B), falls nicht bereits früher eine Immunität (z. B. nach Schutzimpfung) nachgewiesen wurde. Für Frauen im gebärfähigen Alter mit Kinderwunsch ist die Untersuchung weiterer relevanter Infektionserreger sinnvoll, da bei rechtzeitig festgestellter, fehlender Immunität gegenüber Röteln, Masern, Mumps, Windpocken oder ggf. Hepatitis B noch vor einer geplanten Schwangerschaft Schutzimpfungen gezielt nachgeholt und damit Erkrankungen von Mutter und Kind verhindert werden können. Liegt nachweislich kein Immunschutz gegenüber dem Cytomegalie-Virus, Ringelröteln oder Toxoplasmen vor, so sind in der Schwangerschaft bestimmte Vorsichtsmaßnahmen zu berücksichtigen und können zu einem späteren Zeitpunkt erhobene Befunde eindeutiger interpretiert werden. Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind Leistungen, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, dennoch von Patienten nachgefragt werden, ärztlich empfehlenswert oder aufgrund des Patientenwunsches ärztlich vertretbar sind. Neben den Leistungen, die generell von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgeschlossen sind, gibt es Leistungen, die zwar vertragsärztliche Leistungen sind, im konkreten Fall aber auf Wunsch als private Leistung erbracht werden. Im Folgenden werden für die Schwangerschaft bedeutsame Infektionserkrankungen einzeln erläutert: Bei Inanspruchnahme solch einer Wunschleistung besteht kein Erstattungsanspruch gegenüber Ihrer Krankenkasse. Die Kosten dieser Untersuchungen bzw. Behandlungen sind von Ihnen zu begleichen. Die Berechnung erfolgt nach der gültigen amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Zusätzliche Informationen finden Sie in weiteren Faltblättern: Beta-hämolysierende Streptokokken der Serogruppe B Chlamydia trachomatis Cytomegalie-Virusinfektion und Schwangerschaft Das Antiphospholipidsyndrom (APS) und seine Bedeutung für die Schwangerschaft Humane Papillomaviren (HPV) Informationen für Frauen am Beginn der Schwangerschaft Information für werdende Eltern Parvovirus B19-Infektion (Ringelröteln) und Schwangerschaft Schwangerschaftsdiabetes Prof. Dr. med. Lothar Röcker Dr. med. Hans-Ulrich Altenkirch, MBA Dr. med. Maryam Chahin Dagmar Emrich Dr. med. Antje Hohmann da Silva Dr. med. Andrea Kunz, MPH Martin Loeper Dr. med. Imme Maute Dr. med. Antje Beate Molz Dr. med. Michael Müller Dr. med. Anja-Britta Sundermann Dr. med. Andreas Warkenthin Dr. med. Edith Zill Fachärzte für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie, Virologie, Infektionsepidemiologie, Hygiene und Umweltmedizin Medizinisches Versorgungszentrum Labor 28 GmbH Mecklenburgische Str. 28 • 14197 Berlin • Telefon 030.820 93-0 Fax 030.820 93-301 • [email protected] • www.labor28.de Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung, Labor 28 12/2015 Relevante Infektionserreger bei Frauen im gebärfähigen Alter Relevante Infektionserreger Röteln Windpocken (Varizella-Zoster-Virus) Toxoplasmose Die durch Tröpfcheninfektion übertragenen Rötelnviren verursachen meist eine harmlose Kinderkrankheit mit Hautausschlag und Lymphdrüsenschwellung. In der Schwangerschaft sind Röteln allerdings sehr gefürchtet, da insbesondere eine mütterliche Erstinfektion in den ersten 11 Schwangerschaftswochen (SSW) zu kindlichen Schädigungen an Herz, Augen, Gehör, Hirn etc. führen kann. Nach Infektion zwischen der 13. und 20. SSW können noch Einzeldefekte, wie z. B. Hörminderung auftreten. Bei allen Frauen mit Kinderwunsch sollte daher der Röteln-Immunstatus ermittelt werden. Bei fehlendem Immunschutz (dies betrifft bis zu 7 % der erwachsenen Frauen) wird die Röteln-Schutzimpfung vor der Schwangerschaft dringend angeraten. Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut sollte vorzugsweise mit Masern-Mumps-Röteln-Kombinationsimpfstoff geimpft und nachfolgend der Impferfolg kontrolliert werden. Eine Windpockeninfektion in der Schwangerschaft kann zu schwerwiegenden Erkrankungen von Mutter und Kind führen. Die Varizellen-bedingte Lungenentzündung ist eine gefürchtete mütterliche Komplikation. Beim Kind besteht insbesondere bei mütterlicher Infektion zwischen der 5. und 20. SSW die Gefahr des sog. fetalen Varizellensyndroms mit Hautveränderungen, Schädigungen an Hirn, Rückenmark, Augen und Skelett. Mütterliche Windpocken um den Zeitpunkt der Geburt können beim Neugeborenen zu lebensbedrohlich verlaufenden, angeborenen Varizellen führen. Die Übertragung von Windpocken erfolgt als Tröpfcheninfektion oder selten durch den virusreichen Bläscheninhalt des Hautausschlags. Etwa 96 % der Frauen im gebärfähigen Alter sind gegen Windpocken immun. Bei zweifelhaft durchgemachter Windpockeninfektion ist vor einer geplanten Schwangerschaft jedoch die Überprüfung der Varizellen-Immunität ratsam. Nichtimmune Frauen mit Kinderwunsch sollten sich vor der Schwangerschaft gegen Varizellen impfen lassen. Bei der Toxoplasmose können Fieber, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen, kurz-zeitiger Durchfall und Lymphknotenschwellung auftreten, wobei diese klassischen Symptome nur bei etwa 10 % der Erkrankten vorliegen. Lediglich die Hälfte der Frauen im gebärfähigen Alter hat bereits eine Toxoplasmose durchgemacht, was mittels einer Blutuntersuchung festgestellt werden kann. Diese immunen Frauen sind in einer späteren Schwangerschaft nicht gefährdet. Da sich der Mensch über rohes sowie ungenügend gegartes Fleisch oder Katzenkot mit dem Parasiten Toxoplasma gondii infiziert, sollten Schwangere ohne ToxoplasmoseImmunität bestimmte Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigen (z. B. Gartenarbeit nur mit Handschuhen, nur ausreichend erhitztes Fleisch essen) und sich in jedem Schwangerschaftsdrittel erneut auf Toxoplasmose untersuchen lassen, um rechtzeitig eine frische Infektion festzustellen. Eine mütterliche Toxoplasmose-Infektion in der Schwangerschaft kann unbehandelt zu Fehlgeburt oder Augen- und Hirnschäden des Neugeborenen führen. Wird sie rechtzeitig erkannt, kann noch in der Schwangerschaft eine spezifische Therapie eingeleitet werden, die das fetale Infektionsrisiko und das Risiko einer angeborenen Toxoplasmose deutlich senkt. Eine Impfung gegen Toxoplasmose ist nicht möglich. Cytomegalie Infektionen mit dem Cytomegalie-Virus (CMV) stellen die häufigste Ursache vorgeburtlicher Infektionen dar. Etwa 40 % aller Frauen im gebärfähigen Alter haben diese Erkrankung früher noch nicht durchgemacht. Das CMV gelangt insbesondere über virushaltige Körperflüssigkeiten, wie z. B. Speichel, Urin, Tränenflüssigkeit oder Genitalsekrete in den menschlichen Organismus. Die mütterliche Erstinfektion verläuft häufig unbemerkt. Selten kann es vorübergehend zu Fieber, Halsschmerzen, leichter Leberentzündung und Lymphknotenschwellungen kommen. Eine Übertragung des Erregers über den Mutterkuchen auf das ungeborene Kind erfolgt in etwa der Hälfte der Fälle. Bei Geburt zeigen 10 % dieser Kinder Auffälligkeiten (Hirnschäden, Schwerhörigkeit, etc.). Weitere 10 % erleiden Spätfolgen (z. B. Hördefekte). Mit dem CMV-Immunstatus lässt sich fest-stellen, ob bereits eine Cytomegalie durchgemacht wurde (das ungeborene Kind ist in der Regel nur bei Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft gefährdet). Liegt kein Immunschutz vor, so sind in der Schwangerschaft ggf. entsprechende Hygienemaßnahmen zu berücksichtigen. Eine vorbeugende Impfung ist nicht möglich. Ringelröteln (Parvovirus B19) Ringelröteln gehen im Kindesalter meist mit grippalen Symptomen und Hautausschlag einher. Bei Erwachsenen fehlen häufig diese typischen Symptome, und es treten manchmal lediglich Gelenkbeschwerden auf. Etwa 35 % der Erwachsenen haben noch keine Ringelröteln durchgemacht und sind ansteckungsgefährdet. Die Übertragung erfolgt als Tröpfcheninfektion, wobei das Ansteckungsrisiko vor Beginn des (nicht immer vorhandenen) Hautausschlags am höchsten ist. Infiziert sich eine werdende Mutter mit dem Parvovirus B19, so kann die Infektion zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft auf das ungeborene Kind übergehen. Infektionen bis zur 20. SSW können einen Spontanabort auslösen. Das Virus kann beim ungeborenen Kind zu einer schweren Anämie (Blutarmut) mit Wassereinlagerungen in verschiedenen Organen führen. Dieses Krankheitsbild entwickelt sich überwiegend zwischen der 14. und 28. SSW und muss bei schweren Fällen mittels Bluttransfusion über die Nabelschnurvene behandelt werden. Die Bestimmung des Parvovirus B19-Immunstatus bei Frauen mit erhöhtem Infektionsrisiko (z. B. durch beruflichen oder privaten Kontakt zu Kindern unter 6 Jahren) ist vor einer geplanten Schwangerschaft oder zu Schwangerschaftsbeginn sinnvoll. Bei fehlendem Immunschutz sind entsprechende Hygienemaßnahmen einzuhalten. Ein Impfstoff ist bislang nicht verfügbar. Sinnvolle zusätzliche Untersuchungen vor oder in der Schwangerschaft Der Lebensanfang ist eine besonders sensible Lebensphase. Da die genannten Infektionen in der Schwangerschaft meist nur uncharakteristische oder sogar keine mütterlichen Symptome verursachen, werden diese häufig gar nicht erkannt. Trotz des möglicherweise harmlosen Verlaufs bei der Schwangeren, können die jeweiligen Infektionserreger im Mutterleib auf das werdende Kind bzw. bei der Geburt auf das Neugeborene übertragen werden und teilweise schwerwiegende Erkrankungen oder sogar bleibende Schäden hervorrufen. Daher ist über die in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen Maßnahmen hinaus möglichst noch vor Eintritt einer Schwangerschaft die Untersuchung bestimmter Infektionserreger empfehlenswert. Verunsicherungen während der Schwangerschaft kann somit vorgebeugt werden, wenn Frauen im gebärfähigen Alter mit Kinderwunsch ihren individuellen Immunstatus gegenüber den häufigsten schwangerschaftsrelevanten Infektionserregern kennen.