DERMATOLOGISCHE ZEITREISE u In den vergangenen 10 Jahren wurden pathogene Mutationen in über 500 verschiedenen Genen bei hereditären Hauterkrankungen neu identifiziert. u Das Verständnis der molekularen Basis verschiedener Genodermatosen ermöglicht zunehmend den Übergang von symptom- zu ursachenorientierter Medizin. u Fortschritte umfassen die hochspezifische und beschleunigte Diagnostik, gesteigerte V ­ ersorgungsqualität (d. h. individualisierte Patientenbetreuung in spezialisierten Zentren) und Anwendung neuer molekularer zielgerichteter Therapien. Gestern – heute – morgen Genodermatosen G Meilensteine der letzten Jahre Gleichwohl gelangen, insbesondere in den vergangenen beiden Jahrzehnten, einschneidende Erkenntnisse und Fortschritte. Nicht zuletzt konnte mit dem Abschluss des menschlichen Genomprojekts 2003 als Impulsgeber eine rasante Weiterentwicklung innovativer Technologien und Analyseverfahren beobachtet werden, welche die Molekulardiagnostik heute zum effektiven Standard bei Genodermatosen (auch ob ihrer häufig wenig spezifischen klinischen/mikro- und ultrastrukturellen Befunde) machen. Weiterhin konnten in den letzten 10 Jahren pathogene Mutationen in über 500 verschiedenen Genen bei hereditären Haut­erkrankungen neu identifiziert und durch Folgeanalysen auf mRNA bzw. Protein­ebene korreliert werden, womit heute detailliertere Klassifikationssysteme und Stratifikationssysteme für Erkrankungen von teils erheblicher klinischer Relevanz zur Verfügung stehen. 32 SPECTRUM DERMATOLOGIE 1/2017 Ass. Dr. Christine Prodinger, Univ.-Prof. Dr. Johann W. Bauer, Assoz. Prof. Dr. Martin Laimer Universitätsklinik für Dermatologie der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, ­Universitätsklinikum Salzburg, Landeskrankenhaus Mit (differenzierendem) diagnostischem Schwerpunkt wurden im Speziellen unmittelbare Fortschritte im Bereich der genetischen Beratung (Erbmusteranalytik), Träger-Diagnostik oder Entwicklung präsymptomatischer Tests offenkundig. Molekulare Technologien ermöglichen es nunmehr beispielhaft, auch schwierige PhänotypGenotyp-Korrelationen durchzuführen, komplexe und bisher nicht klassifizierte Syndrome einzuordnen, Mosaike zu identifizieren und Faktoren der individuellen, inter- und intrafamiliären (phänotypischen) Variabilität zu bestimmen. Neue, nichtinvasive pränatale Testverfahren (z. B. über mütterliches Blut für die Diagnostik fetaler Chromosomenanomalien und monogener Erkrankungen, gezielte Sequenzierung von Haplotypen oder Amplifikation von zirkulierenden fetalen Zellen und Resequenzierungstechnologien) sowie für die klinische Anwendung akkreditierte Maßnahmen zur aktiven Krankheitsprävention (z. B. assistierte Reproduktionsdiagnostik und die – zuletzt wieder mit politischer Resonanz bedachte – Präimplantationsdiagnostik) ergänzen, ebenso wie die Generierung innovativer Modellsysteme für präklinische Evaluationen, das Handlungsspektrum. Bewältigung der Datenflut In den letzten Jahren hat sich die analytische Herangehensweise an Genodermatosen dramatisch verändert. Die Entwicklung, die ihren Anfang mit genetischen Kopplungsund Kandidaten-Gen-Assoziationsstudien nahm, dann von DNA-Methoden (wie Sanger-Sequenzierung, optimiert mit Fluoreszenzmarkierung und Kapillarelektrophorese) geprägt wurde und schließlich mit Einführung der Next-Generation-Sequencing(NGS-)Technologien im Jahr 2009 einen vorläufigen neuen Höhepunkt der Datengenerierung erreichte, revolutionierte unsere Möglichkeiten. Wir konnten diese Krankheiten (pathophysiologisch) besser verstehen, (frühzeitig) diagnostizieren (verkürzte Diag- FOTOS: PRIVAT (2), R.HAMETNER, BEIGESTELLT (2) enodermatosen weisen als hereditäre, vielfach monogenetisch begründete Hauterkrankungen ein bemerkenswert breites Spektrum an phänotypischen und genotypischen Variationen auf. Dieser Umstand stellt ebenso wie Seltenheit, häufig vorliegende Multisystembeteiligung, Chronizität bzw. progressiver, oft nur begrenzt medizinisch beeinflussbarer Verlauf und damit einhergehend erhöhte Morbidität und Mortalität eine große Herausforderung in Bezug auf die pathophysiologische Charakterisierung, Diagnostik und Behandlung dieser Erkrankungen dar.