Humboldt-Universität zu Berlin Topologie I Dr. Batu Güneysu SS 2016 Das Manuskript wurde erstellt von Christopher Braune 2 Contents 1 Mengentheoretische Topologie 1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Konstruktionsprinzipien für topologische Räume . 2.1 Teilräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Quotientenräume . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Produkttopologie . . . . . . . . . . . . . . 3 Abgeschlossene Mengen . . . . . . . . . . . . . . . 4 Konvergenz und Hausdorffräume . . . . . . . . . 5 Stetige Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Homöomorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Zusammenhängende Räume . . . . . . . . . . . . 8 Wegzusammenhängende Räume . . . . . . . . . . 9 Kompakte topolopologische Räume . . . . . . . . 10 Lokalkompakte Räume und Kompaktifizierungen 11 Abzählbarkeitsaxiome und Separabilitätsaxiome . 11.1 Abzählbarkeitsaxiome . . . . . . . . . . . 11.2 Separationsaxiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Homotopie, Fundamentalgruppen und Überlagerungen 1 Grundbegriffe zur Homotopietheorie und Fundamentalgruppen 2 Überlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Homotopietypen von topologischen Räumen . . . . . . . . . . 4 Die Fundamentalgruppe von S m mit m ≥ 2 . . . . . . . . . . . 5 Klassifikation von Überlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 11 11 12 13 15 20 22 28 29 32 34 42 48 48 51 . . . . . 61 61 67 74 77 79 4 CONTENTS Chapter 1 Mengentheoretische Topologie 1 Grundbegriffe Wir werden im Wesentlichen dem Buch ‘Topology’ von Munkres (second edition) folgen; im zweiten Teil der Vorlesung werden wir auch dem Buch ‘Algebraic Topology’ von Hatcher1 folgen. 18. April Sei im folgenden X eine beliebige Menge und P(X) die Potenzmenge von X, also die Menge aller Teilmengen von X. Definition 1.1 Ein Mengensystem T ⊂ P(X) heißt eine Topologie auf X, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind: (Top1) Es gilt ∅, X ∈ T . (Top2) Sind Ui ∈ T für alle i ∈ I (mit I einer beliebigen Indexmenge), so auch T (d.h., beliebige Vereinigungen von Mengen aus in T sind wieder in T .) S i∈I Ui ∈ (Top3) Sind U, V ∈ T , so auch U ∩ V ∈ T (d.h., endliche viele Schnitte von Mengen aus T sind wieder in T .) Die Mengen aus T heißen die offenen Teilmengen des topologischen Raumes (X, T ). Bemerkung 1.2 Wenn keine Gefahr der Verwechslung besteht, so unterdrückt man T in der Notation und spricht von einem “topologischen Raum X” und nennt die Elemente von T “die offenen Teilmengen von X”. 1 Dieses Buch ist frei online erhültlich. 5 6 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Beispiel 1.3 Topologien existieren auf jeder Menge: So ist etwa T := P(X) eine Topologie auf X, die sogenanntee diskrete Topologie auf X (in dieser Topologie ist also jede Teilmenge von X ist offen). Außerdem ist auch T := {∅, X} eine Topologie auf X, die sogenannte antidiskrete Topologie auf X. Definition 1.4 Eine Abbildung d : X × X → [0, ∞) heißt eine Metrik auf X, falls für alle x, y, z ∈ X gilt: (Met1) d(x, y) = 0 ⇔ x = y (d.h., d is nicht entartet) (Met2) d(x, y) = d(y, x) (Symmetrie) (Met3) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) (Dreiecksungleichung). Es gilt dann automatisch auch die umgekehrte Dreiecksungleichung, d.h. |d(x, y) − d(y, z)| ≤ d(x, y) für alle x, y, z ∈ X. In obiger Situation heißt für r > 0, x ∈ X die Teilmenge Bd (x, r) := {y ∈ X : d(x, y) < r} die offene Kugel um x mit Radius r. Dann ist Td := {U ⊂ X : für alle x ∈ U existiert ein ε > 0 mit Bd (x, ε) ⊂ U } eine Topologie auf X, denn: (Top1): Dies ist trivialerweise erfüllt. S (Top2): Sei Ui ∈ Td für alle i ∈ I (mit I einer beliebigen Indexmenge). Sei x ∈ i Ui , etwa in U1 . Dann gibt es ein ε > 0 mit [ Bd (x, ε) ⊂ U1 ⊂ Ui . i (Top3): Sei U, V ∈ Td . Sei x ∈ U ∩ V . Dann gibt es ε1 , ε2 > 0 mit Bd (x, ε1 ) ⊂ U und Bd (x, ε2 ) ⊂ V . Setzt man nun ε := min(ε1 , ε2 ), so gilt Bd (x, min(ε1 , ε2 )) ⊂ U1 ∩ U2 . Definition 1.5 Ein Paar (X, d) bestehend aus einer Menge X und einer Metrik d auf X heißt metrischer Raum. Bemerkung 1.6 Wie wir oben gesehen haben, induziert also jede Metrik d auf X kanonisch die Topologie Td auf X. Wenn nichts weiter gesagt wird, wird der gegebene metrische Raum mit der von der Metrik induzierten Topologie ausgestattet. In diesem Sinne sind metrische Räume immer topologische Räume. 1. GRUNDBEGRIFFE 7 Definition 1.7 Ein topologischer Raum (X, T ) metrisierbar, wenn die Topologie T von einer Metrik auf X erzeugt wird, d.h., wenn eine Metrik d auf X existiert mit T = Td . Zu bestimmen ob ein topologischer Raum metrisierbar ist, ist im Allgemeinen ein sehr schwieriges Problem. Wir werden später Kriterien dieser Art angeben. Beispiel 1.8 i) Auf jeder Menge existiert eine Metrik, etwa die diskrete Metrik ( 1 ,x = 6 x d(x, y) = . 0 ,x = y Diese Metrik induziert gerade die diskrete Topologie. ii) Die antidiskrete Topologie ist metrisierbar, genau dann wenn |X| ≤ 1. iii) Auf Rm wird durch deukl. (x, y) := m X ! 21 |xi − yi | i=1 eine Metrik erzeugt, die sogenannte Euklidische Metrik. Die Topologie Tdeukl. heißt die Standardtopologie auf Rm . Bemerkung 1.9 Wenn nichts weiter gesagt wird, wird Rm stets mit seiner Standardtopologie versehen. Definition 1.10 Seien T1 , T2 Topologien auf X. Dann heißt T1 feiner (bzw. T2 ⊂ T1 (bzw. T1 ⊂ T2 ) gilt. gröber) als T2 , wenn Beispiel 1.11 i) Die diskrete Topologie auf X ist feiner als jede andere Topologie auf X. ii) Die antidiskrete Topologie auf X ist gröber als jede andere Topologie auf X. iii) Im Allgemeinen besteht keine Beziehung dieser Art zwischen zwei beliebigen Topologien. Offene Kugeln scheinen metrische Topologien zu erzeugen, dies motiviert die folgende Definition: Definition 1.12 Sei B ⊂ P(X) ein Mengensystem. Dann heißt B eine Basis auf X, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: (B1) Zu jedem x ∈ X existiert ein B ∈ B mit x ∈ B. 8 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE (B2) Zu je zwei B1 , B2 ∈ B und x ∈ B1 ∩B2 existiert ein B3 ∈ B mit x ∈ B3 ⊂ B1 ∩B2 . In obiger Situation definieren wir weiters ein Mengensystem TB ⊂ P(X) durch U ∈ TB ⇔ zu jedem x ∈ U existiert ein B ∈ B mit x ∈ B ⊂ U . Dann ist TB eine Topologie auf X (Übung), die sogenannte von B erzeugte Topologie. Definition 1.13 Sei (X, T ) ein topologischer Raum und B ⊂ P(X). Dann heißt B eine Basis von T , wenn B eine Basis auf X ist mit T = TB . Bemerkung 1.14 Sei (X, d) ein metrischer Raum. Es ist leicht zu sehen, dass Bd := {offene d-Bälle} = {Bd (x, r) : x ∈ X, r > 0} eine Basis auf X ist, mit TBd = Td . Theorem 1.15 Sei B eine Basis auf X, U ⊂ X. Dann ist U ∈ TB genau dann, S wenn eine Indexmenge I sowie zu jedem i ∈ I eine Menge Ui ∈ B existiert mit U = Ui . i∈I 18. April Proof ⇒: Sei US∈ TB . Dann existiert für alle x ∈ U ein Bx ∈ B mit x ∈ Bx ⊂ U . D.h., U = x∈U Bx . S ⇐: Sei x ∈ U = i Ui mit Ui ∈ B. Dann gibt es ein j ∈ I mit x ∈ Uj ⊂ U . Also gilt U ∈ TB . S Alternativ: Wir wissen: Ui ∈ B ⊂ TB . Dann gilt auch i Ui ∈ TB , nach (Top2). Theorem 1.16 (Kriterum für eine Basis) Sei (X, T ) ein topologischer Raum, C ⊂ T ein Mengensystem mit der folgenden Eigenschaft: Für alle U ∈ T und alle x ∈ U existiert ein C ∈ C mit x ∈ C ⊂ U . Dann ist C eine Basis von T , also T = TC . Proof 1. C ist eine Basis auf X, denn: (B1) Wende Voraussetzung mit U = X ∈ T an. (B2) Seien C1 , C2 ∈ C, x ∈ C1 ∩ C2 . Dann gilt C1 ∩ C2 ∈ T , also existiert C ∈ C mit x ∈ C ⊂ C1 ∩ C2 . 1. GRUNDBEGRIFFE 9 2. T = TC , denn: i) U ∈ T , x ∈ U =⇒S∃C ∈ C mit x ∈ C ⊂ U =⇒ U ∈ TC . S ii) U ∈ TC =⇒ U = i Ui mit Ui ∈ C, da C eine Basis ist =⇒ U = i Ui ∈ T . Man kann Feinheit an Basen ablesen: Theorem 1.17 Sei Bj eine Basis der Topologie Tj auf X (j = 1, 2). Dann gilt: T1 ⊂ T2 , genau dann wenn für alle x ∈ X und alle B1 ∈ B1 mit x ∈ B1 ein B2 ∈ B2 existiert mit x ∈ B2 ⊂ B1 . Proof ⇒: Sei x ∈ B1 ∈ B1 . Da B1 ⊂ T1 ⊂ T2 , existiert ein B2 ∈ TB2 = T2 mit x ∈ B2 ⊂ B1 . ⇐: Sei U1 ∈ T1 , x ∈ U1 . Da T1 = TB1 , gibt es ein B1 ∈ B1 mit x ∈ B1 ⊂ U1 . Nach Voraussetzung gibt es ein B2 ∈ B2 mit x ∈ B2 ⊂ B1 ⊂ U1 . Also U1 ∈ TB2 = T2 . Theorem 1.18 Seien d, d0 Metriken auf X. Dann gilt Td ⊂ Td0 , genau dann wenn für alle x ∈ X und alle ε > 0 ein δ > 0 existiert mit Bd0 (x, δ) ⊂ Bd (x, ε). Proof Die jeweiligen offenen Bälle sind Basen. ⇒: Es existiert ein Ball Bd0 (x0 , ε0 ) mit Bd0 (x0 , ε0 ) ⊂ Bd (x, ε). Daraus folgt Bd0 (x, δ) ⊂ Bd0 (x0 , ε0 ), mit δ := ε0 − d(x, x0 ). ⇐: Sei y ∈ X, ε > 0, x ∈ X beliebig mit y ∈ Bd (x, ε). Zu zeigen ist die Existenz eines offenen d0 -Balles B 0 mit y ∈ B 0 ⊂ Bd (x, ε). Für ε̃ := ε − d(x, y) gilt jedenfalls y ∈ Bd (y, ε̃) ⊂ Bd (x, ε). Nach Voraussetzung existiert ein δ > 0 mit y ∈ Bd0 (y, δ) ⊂ Bd (y, ε̃) ⊂ Bd (y, ε), was zu zeigen war. Definition 1.19 S ⊂ P(X) heißt eine Subbasis auf X, falls [ X= S, S∈S d.h., falls jedes x ∈ X in einem S ∈ S liegt. In dieser Situation definieren wir TS ⊂ P(X) wie folgt: U ∈ TS ⇔ U lässt sich schreiben als Vereinigung von Mengen der Art T n i=1 Si , wobei n ∈ N, S1 , . . . , Sn ∈ S. Lemma 1.20 Sei S eine Subbasis auf X. Dann ist (n ) \ BS := Si : n ∈ N, S1 , . . . , Sn ∈ S i=1 eine Basis auf X mit TBS = TS . Insbesondere ist also TS eine Topologie auf X. 10 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Proof (B1) Folgt aus der Definition: X = (B2) Seien n T i=1 Si , ñ T S S∈S S̃i ∈ BS und x ∈ ( i=1 n T S. Si ) ∩ ( i=1 (B2) folgt dann direkt aus ( n T i=1 ñ T S̃i ). i=1 Si ) ∩ ( ñ T i=1 S̃i ) ∈ BS . 2. KONSTRUKTIONSPRINZIPIEN FÜR TOPOLOGISCHE RÄUME 2 11 Konstruktionsprinzipien für topologische Räume 2.1 Teilräume Definition und Satz 1.21 Sei (X, T ) ein Topologischer Raum und sei Y ⊂ X beliebig. Dann ist TY := {Y ∩ U : U ∈ T } eine Topologie auf Y , die sogenannte Teilraumtopologie auf Y (bezüglich T ). Proof (Top1) ∅ = ∅ ∩ Y, Y = X ∩ Y und ∅, X ∈ T nach Voraussetzung =⇒ ∅, Y ∈ TY . (Top2) Sind Ui ∈ TY für alle i ∈ I, so gibt es zu jedem i ∈ I ein Ũi ∈ T mit Ui = Ũi ∩ Y , S S also i Ui = i Ũi ∩ Y ∈ TY . (Top3) Ein analoges mengentheoretisches Argument wie für (Top2). Bemerkung 1.22 1. Mengen in TY können sehr wild relativ zu T sein. 2. Sei X ≡ (X, T ) ein topologischer Raum und Y ⊂ X. Dann sagen wir auch U ist offen in Y , falls U ∈ TY . Analog sagen wir U ist offen in X, falls U ∈ T . Wenn nichts anderes dazugesagt wird, statten wir alle Teilmengen des Rm mit der Teilraumtopologie bezüglich der Standardtopologie des Rm aus. Lemma 1.23 Sei (X, T ) ein topologischer Raum und Y ∈ T . Dann gilt für alle U ∈ TY auch U ∈ T (also in obiger Terminologie: Y offen in X und U offen in Y =⇒ U offen in X). Proof Sei U ∈ TY . Dann gibt es ein Ũ ∈ T mit Ũ ∩ Y = U . Da aber Ũ , Y ∈ T , ist dann auch U = Ũ ∩ Y ∈ T . Lemma 1.24 (Basen induzieren Teilbasen) Sei (X, T ) ein topologischer Raum, Y ⊂ X beliebig und B eine Basis von T . Dann ist BY = {Y ∩ B : B ∈ B} eine Basis von TY . Proof Trivial. 12 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE 2.2 Quotientenräume Definition und Satz 1.25 Sei (X, T ) ein topologischer Raum, A eine beliebige Menge und f : X → A eine beliebige Abbildung. Dann ist Tf = {U ⊂ A : f -1 (U ) ∈ T } eine Topologie auf A, die sogenannte von T und f erzeugte Topologie. Proof Der Beweis ist leicht und folgt sofort aus rein mengentheoretischen Argumenten: (Top1) f -1 (A) = X, f -1 (∅) = ∅. S S (Top2) f -1 ( i Ui ) = i f -1 (Ui ). (Top3) f -1 (U1 ∩ U2 ) = f -1 (U1 ) ∩ f -1 (U2 ). 25. April Beispiel 1.26 1. Sei ∼ eine Äquivalenzrelation auf X und X/∼ die Menge der zugehörigen Äquivalenzklassen, sowie π∼ : X → X/∼ , x 7→ [x]∼ die kanonische Projektion. Ist nun T eine Topologie auf X, so heißt die oben definierte Topologie Tπ∼ die Quotiententopologie auf X/∼ . 2. Sei die Sphäre S m ⊂ Rm+1 definiert durch ( S m := m+1 x∈R : m+1 X ) x2i =1 . i=1 m Auf S m sei x ∼ y definiert durch x ∼ y ⇔ x = ±y; dann ist RP m := S /∼ der m−dimensionale reell projektive Raum; er wird üblicherweise versehen mit der Quotiententopologie Tπ∼ . 3. Sei X := [0, 1] × [0, 1] ⊂ R2 ; auf X sei (x, y) ∼ (x0 , y 0 ) ⇔ (x, y) = (x0 , y 0 ) oder {x, x0 } = {0, 1} und y +y 0 = 1; dann ist X/∼ das Möbiusband; es wird üblichwerweise versehen mit der Quotiententopologie Tπ∼ . 2. KONSTRUKTIONSPRINZIPIEN FÜR TOPOLOGISCHE RÄUME 2.3 13 Produkttopologie Sei J eine beliebige Indexmenge und zu jedem α ∈ J sei (Xα , Tα ) ein topologischer Raum und Y πα : Xβ → Xα , (xβ )β∈J 7→ xα β∈J die kanonische Projektion. Satz und Definition 1.27 Mit SXβ := {πβ-1 (Uβ ) : Uβ ∈ Tβ } ist [ SQβ Xβ := SXβ β∈J Q eine Subbasis auf α XαQ. Die davon erzeugt Topologie TQα Xα auf α Xα heißt die Produkttopologie auf α Xα . Eine Basis dieser Topologie ist gegeben durch Q BQα Xα := ( ) Y Uβ : Uβ ∈ Tβ für alle β ∈ J, Uβ = Xβ für alle bis auf endlich viele β ∈ J . β∈J Proof 1. SQα Xα ist sicherlich eine Subbasis auf dem Produktraum. 2. Noch zu zeigen ist BQα Xα = BSQα Xα (∗). Hierzu stellen wir fest, dass BSQα Xα = {πβ-11 (Uβ1 )∩. . .∩πβ-1n (Uβn ) : n ∈ N, β1 , . . . , βn ∈ J, βi 6= βj für i 6= j, Uβj ∈ Tj ∀j = 1, . . . , n}. Daraus kann man (∗) ablesen, denn: BQα Xα ⊂ BSQα Xα : dies ist klar BSQα Xα ⊂ BQα Xα : die folgt, indem man setzt Uβ := {Uβj , falls β = βj für ein j = 1, . . . , n}. Bemerkung 1.28 1. Q Es gibt außer der Produkttopologie noch eine weitere kanonische Topologie auf α Xα : Sei hierzu ( ) Y Box BQ := Uβ : Uβ ∈ Tβ für alle β ∈ J . α Xα β∈J Es ist leicht zu sehen, dass dies eine Q Basis auf Box Q T Xα heißt Boxtopologie auf α Xα . Q α Xα ist. Die induzierte Topologie α 2. Falls J endlich ist, so gilt offensichtlich TQα Xα = TQBoxXα . α 3. Im Allgemeinen gilt TQBoxXα ⊃ TQα Xα . Tatsächlich hat die Boxtopologie so viele α offene Mengen, dass dies zu einigen pathologische Eigenschaften der Boxtopologie führt (so werden wir etwas später sehen dass unendliche Produkte kompakter topologischer Räume nicht einmal lokalkompakt sein brauchen in der Boxtopologie, aber sogar kompakt sind in der Produkttopologie). 14 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Beispiel 1.29 Es ist leicht zu sehen, dass die Standardtopologie auf Rm übereinstimmt mit der Produkttopologie auf Rm = R1 × . . . × R1 , wobei natürlich jeweils R1 mit der Standardtopologie versehen ist. Theorem 1.30 Sei (Xα , Tα ) ein topologischer Raum für jedes α ∈ J, und sei jeweils (Aα , (Tα )Aα ) ⊂ (Xα ,Q Tα ) ein Teilraum (insbesondere also selbst ein topologischer Q Raum). Q Dann stimmt auf Q α Aα die Produkttopologie mit der Teilraumtopologie α Aα ⊂ α Xα überein, wobei α Xα mit der Produkttopologie versehen ist. Proof Uebung. Beispiel 1.31 Sei T m := S 1 × . . . × S 1 ⊂ R2m der Standardtorus (wobei also S 1 ⊂ R2 mit der Teilraumtopologie ausgestattet wird). Es ist also nach den obigen Resultaten egal, ob man T m die Produkttopologie, oder die Teilraumtopologie ⊂ R2m gibt. 3. ABGESCHLOSSENE MENGEN 3 15 Abgeschlossene Mengen Definition 1.32 Sei X ≡ (X, T ) ein topologischer Raum. Dann heißt A ⊂ X abgeschlossen (bezüglich T ), wenn X\A offen (bezüglich T ) ist. Beispiel 1.33 1. Ist X ein topologischer Raum, so ist X selbst abgeschlossen in der zugrundeliegenden Topolgie. 2. Intervalle der Art [a, b] ⊂ R, a < b reell, sind abgeschlossen: X\[a, b] = (−∞, a) ∪ (b, ∞) ist offen. 3. Intervalle der Art [a, ∞) ⊂ R, a reell, sind abgeschlossen. 4. Intervalle der Art [a, b) ⊂ R, a, b reell sind weder offen noch abgeschlossen. 5. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann ist B̄d (x, r) := {y ∈ X : d(x, y) ≤ r} abgeschlossen. Theorem 1.34 Sei X ein topologischer Raum. Dann gilt: 1. ∅, X sind abgeschlossen. 2. Beliebige Schnitte abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen. 3. Endliche Vereinigungen abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen. Proof Für eine Teilmenge A ⊂ X bezeichne im Beweis Ac := X \ A stets das Komplement von A in X. 1. X, ∅ sind offen =⇒ ∅ = X\X, X = X\∅ sind abgeschlossen. 2. Sei I eine beliebige Indexmenge,SUi abgeschlossen für alle i ∈ I. Dann ist Uic offen, insbesondere ist also auch Uic offen. i∈I Nach den S De Morganschen Gesetzen also: T c c Ui = Ui , der Schnitt ist also abgeschlossen. i∈I i∈I 3. Seien U1 , U2 , ..., Un abgeschlossen. Dann gilt wieder nach den De Morganschen Gesetzen: c S T Ui = Uic , und endliche Schnitte offener Mengen sind offen. 1≤i≤n 1≤i≤n 16 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Wir können Topologien also genauso gut durch die Angabe ihrer abgeschlossenen Mengen charakterisieren. Ist etwa T̃ ⊂ P(X) ein Mengensystem (”abgeschlossene Mengen”), das die Axiome 1,2 und 3 aus Theorem 1.34 erfüllt, dann existiert offensichtlich genau eine Topologie T auf X mit T̃ = {abgeschlossen Mengen bzgl. T }. 27. April Analog zu den offenen Mengen werden wir die folgende Terminologie verwenden: Bemerkung 1.35 Ist X ein topologischer Raum und Y ⊂ X eine beliebige Teimenge, so nennen wir A ⊂ Y abgeschlossen in Y , falls A abgeschlossen in der Teilraumtopologie von Y ist, und Y heißt abgeschlossen in X, falls A abgeschlossen in der Topologie von X ist. Theorem 1.36 Sei X ein topologischer Raum, Y ⊂ X ein Teilraum, A ⊂ Y . Dann ist A abgeschlossen in Y , genau dann wenn A = Y ∩ C für eine in X abgeschlossene Menge C ⊂ X gilt. Proof ⇒: Y \A ist offen in Y =⇒ Y \A = Y ∩ U mit U ⊂ X offen =⇒ A = Y ∩ (X\U ) wobei X\U =: C abgeschlossen in X ist. ⇐: X\C ist offen in X =⇒ (X\C) ∩ Y = Y \A ist offen in Y . Theorem 1.37 Sei X ein topologischer Raum, Y ⊂ X abgeschlossen. Dann ist A ⊂ Y abgeschlossen in Y , genau dann wenn A abgeschlossen in X ist. Proof Leicht. Definition 1.38 Sei X ein topologischer Raum, und A ⊂ X. S i) Das Innere Å von A ist definiert durch Å = U. U ⊂A U offen in X ii) Der Abschluss Ā von A ist definiert durch Ā = T F F ⊃A F abgeschl. in X Bemerkung 1.39 i) Å ist offen in X, Ā ist abgeschlossen in X und Å ⊂ A ⊂ Ā. ii) Å ist die größte offene Teilmenge von X, die in A enthalten ist, und Ā ist die kleinste Teilmenge von X, die A enthält. 3. ABGESCHLOSSENE MENGEN 17 iii) A ⊂ B =⇒ Ā ⊂ B̄ und Å ⊂ B̊. iv) A ist offen ⇔ A = Å A ist abgeschlossen ⇔ A = Ā. v) Sei (X, d) ein metrischer Raum, r > 0, x ∈ X. Es gilt im Allgemeinen nur Bd (x, r) ⊂ B̄d (x, r), was aus Bd (x, r) ⊂ B̄d (x, r) =⇒ Bd (x, r) ⊂ B̄d (x, r) folgt. Ist z.B. X eine Menge die mindestens die beiden voneinander verschiedenen Elemente x, y enthält, und ist d die diskrete Metrik auf X, so gilt B̄d (x, 1) = {y, x} = 6 {x} = Bd (x, 1). Oft ist auch folgende einfache Feststellung nützlich: Ist A ⊂ X ein Teilraum und Y ⊂ A, so ist der Abschluss von Y in A gerader der Abschluss von Y in X geschnitten mit A. Wie werden für diesen Sachverhalt oft Ȳ A = Ȳ X ∩ A. schreiben. Dies folgt leicht aus der Definition des Abschlusses und der Teilraumtopologie. Definition 1.40 Sei X ein topologischer Raum, x ∈ X. Dann heißt U ⊂ X eine Umgebung von x, falls x ∈ U gilt und U offen ist. Theorem 1.41 Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X, x ∈ A. Dann gelten folgende Aussagen: i) Es gilt x ∈ Ā, genau dann wenn jede Umgebung U von x einen nichtleeren Schnitt mit A hat. ii) Sei B eine Basis der Topologie auf X. Dann ist x ∈ Ā, genau dann wenn jede Umgebung U ∈ B von x einen nichtleeren Schnitt mit A hat. Proof 1. Wir zeigen: x ∈ / Ā ⇔ es existiert eine Umgebung U von x mit U ∩ A = ∅. ⇒: Man setze einfach U = X\Ā. ⇐: X\U abgeschlossen ist mit X\U ⊃ A; dies zeigt X\U = X\U ⊃ Ā, also x∈ / Ā. 2. ⇒: Diese Aussage folgt aus Teil i). ⇐: Sei U eine beliebige Umgebung von x. Dann gibt es ein B ∈ B mit x ∈ B ⊂ U . Nach Voraussetzung hat B nichtleeren Schnitt mit A, also hat auch U nichtleeren Schnitt mit A. Nutze nun Teil i). 18 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Theorem 1.42 Sei J eine beliebige Indexmenge, und Q zu jedem α Q ∈ J jeweils Xα Q ein topologischer A , wobei Raum, und sei Aα ⊂ Xα . Dann Q gilt: Ā = α Q α α∈J α∈J Xα mit der α∈J Produkttopologie versehen ist und α∈J Aα als Teilmenge von α∈J Xα betrachtet wird. Proof Q Q ⊂: Sei x ∈ α∈J Āα und sei U = α Uα ein Element der kanonischen Basis der Produkttopologie, mit x Q ∈ U =⇒ ∀α∃yα ∈ Uα ∩ Aα =⇒ y := (yα )α∈J ∈ Q U ∩ ( α∈J Aα ) =⇒ x ∈ α∈J Aα . Q ⊃: Sei x = (xα ) ∈ α∈J Aα . Q Zu jedem β ∈ J sei Vβ ⊂ Xβ eine beliebige Umgebung -1 von Q xβ =⇒-1 πβ (Vβ ) ⊂ α∈J Xα ist eine Umgebung von x =⇒ ∃y = (yα ) ∈ ( α Aα ) ∩ πβ (Vβ ) =⇒ yβ ∈ Aβ ∩ Vβ =⇒ xβ ∈ Āβ . Definition 1.43 Sei X ≡ (X, T ) ein topologischer Raum, A ⊂ X, x ∈ X. Dann heißt x ein Häufungspunkt von A, falls für jede Umgebung U von x die Menge U ∩ A einen von x verschiedenen Punkt enthält. Bemerkung 1.44 In obiger Situation ist x genau dann ein Häufungspunkt (HP) von A, wenn x ∈ A\{x} gilt. Beispiel 1.45 Sei A := [a, b) ⊂ R mit a, b reell. Dann ist {HP’e von A} = [a, b] . Theorem 1.46 Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X. Dann ist Ā = A ∪ {HP’e von A}. Proof Die Inklusion Ā ⊂ A ∪ {HP’e von A} sieht man wie folgt: Zum einen gilt A ⊂ Ā. Ist hingegen x ein HP von A, so enthält jede Umgebung U von x einen von x verschiednen Punkt aus A, d.h. U hat einen nichtleeren Schnitt mit A, also ist x ∈ Ā. Wir müssen noch Ā ⊂ A ∪ {HP’e vonA} zeigen: Sei x ∈ Ā. Falls x ∈ A, so ist nichts weiter zu tun. Also sei nun x ∈ / A. Dann hat jede Umgebung von x einen nichtleeren Schnitt mit A\{x}. Per Definition ist also x Häufungspunkt von A. Da eine Teilmenge A eines topologischen Raumes genau dann abgeschlossen ist, wenn A = Ā gilt, folgt: Korollar 1.47 Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X. Dann ist A abgeschlossen, genau dann wenn A all seine Häufungspunkte enthält. 3. ABGESCHLOSSENE MENGEN 19 Definition 1.48 Sei X ein topologische Raum, A ⊂ X. Dann ist der Rand ∂A von A definiert durch ∂A = Ā\Å. Theorem 1.49 Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X. Dann gilt: i) Ā = Å t ∂A ii) ∂A = ∅ ⇔ A ist offen und abgeschlossen iii) A ist offen ⇔ ∂A = Ā\A Proof i) Å ∪ ∂A = Å ∪ (Ā\Å) = Å ∪ Ā = Ā, da Å ⊂ Ā. ∂A ∩ Å = (Ā\Å) ∩ Å = ∅. ii) ∂A = ∅ ⇔ Ā = Å ⇔ Ā = A = Å, wegen (i) und Å ⊂ A ⊂ Ā. iii) A ist offen ⇔ A = Å ⇔ Ā\Å = Ā\A ⇔ ∂A = Ā\A, wegen Å, A ⊂ Ā. 20 4 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Konvergenz und Hausdorffräume Definition 1.50 Sei X ein topologischer Raum, (xn )n∈N ⊂ X eine Folge, und x ∈ X. Dann sagen wir xn konvergiert gegen x für n → ∞ (in Zeichen: xn → x für n → ∞), falls zu jeder Umgebung U von X ein N (U ) ∈ N existiert, so dass xn ∈ U für alle n ≥ N (U ). Bemerkung 1.51 Im Allgemeinen haben Folgen in topologischen Räumen mehr als nur einen Grenzwert. Die manchmal dennoch benutzte Notation lim xn = x ist dann sinnlos; am ehesten n→∞ würde vielleicht die Notation x ∈ lim xn Sinn machen. n→∞ Dies ist eine der Motivationen für die folgende Definition: Definition 1.52 Ein topologischer Raum X heißt ein Hausdorffraum, wenn zu allen x, y ∈ X mit x 6= y Umgebungen U von x und V von y existieren mit U ∩ V = ∅. 2.Mai Theorem 1.53 Sei X ein Hausdorffraum. Dann gelten folgende Aussagen: i) Alle einelementigen Teilmengen von X sind abgeschlossen. ii) Sei (xn )n∈N eine Folge in X, x, y ∈ X mit xn → x und xn → y. Dann gilt x = y. Proof i) Sei x ∈ X. Zu zeigen ist {x} ⊂ {x}, d.h. X\{x} ⊂ X\{x}. Sei hierzu y ∈ X\{x}. Es existiert eine Umgebung U von y und W von x mit U ∩ W = ∅ =⇒ y ∈ / {x}. ii) Angenommen y 6= x. Dann existieren Umgebungen U von x und W von y mit U ∩ W = ∅. Es gibt ein N (U ) ∈ N, so dass für alle n ≥ N (U ) gilt xn ∈ U . Analog gibt es ein N (W ) ∈ N, so dass für alle n ≥ N (W ) gilt xn ∈ W . Dann gilt aber für N := max(N (U ), N (V )), dass xN ∈ U und xN ∈ V , also xN ∈ U ∩ V = ∅. Widerspruch! Definition 1.54 Topologische Räume, in denen die Aussage i) des vorherigen Satzes stimmt (also in denen alle einelementigen Teilmengen abgeschlossen sind), nennt man T1 -Räume. Hausdorffräume nennt man auch T2 -Räume. So ist etwa R mit der aus der Übung bekannten kofinitien Topologie T1 , aber nicht T2 . 4. KONVERGENZ UND HAUSDORFFRÄUME 21 Lemma 1.55 Jeder metrisierbare topologische Raum ist ein Hausdorffraum. Proof Sei d Metrik auf X, so dass die Topologie auf X durch d erzeugt wird. Seien x, y ∈ X . Dann sind Bd (x, r) und Bd (y, r) Umgebungen von x beliebig, x 6= y. Setze r := d(x,y) 2 beziehungsweise y. Es gilt Bd (x, r) ∩ Bd (y, r) = ∅, denn für alle z ∈ Bd (x, r) gilt d(y, z) ≥ |d(y, x) − d(x, z)| = d(y, z) − d(x, z) > 2r − r = r nach der umgekehrten Dreiecksungleichung, also z ∈ / Bd (y, r). Theorem 1.56 Es gelten folgende Aussagen: i) Teilräume von Hausdorffräumen sind Hausdorffräume. ii) Sei X ein topologischer Raum. Dann ist X ein Hausdorffraum, genau dann wenn ∆X := {(x, x) : x ∈ X} ⊂ X × X in der Produkttopologie abgeschlossen ist. iii) Sei J eineQbeliebige Indexmenge und Xα (α ∈ J) jeweils ein topologischer Raum. Dann ist α∈J Xα ein Hausdorffraum in der Produkttopologie, genau dann wenn Xα für alle α ∈ J Hausdorffräume sind. Proof Teil i) ist trivial, der Rest wird in der Übung bewiesen. 22 5 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Stetige Funktionen Definition 1.57 Seien X, Y topologische Räume. Dann heißt eine Abbildung f : X → Y stetig, falls für alle offene Teilmengen V ⊂ Y die Menge f -1 (V ) ⊂ X offen ist. Lemma 1.58 Seien X, Y topologische Räume und sei S eine Subbasis der Topologie von Y . Dann ist f : X → Y stetig, genau dann wenn für alle S ∈ S die Menge f -1 (S) ⊂ X offen ist. Proof ⇒: trivial. ⇐: Sei V ⊂ Y . Dann existiert eine Indexmenge JSund T zu jedem α ∈ J eine Zahl α nα ∈ N, sowie Sα,1 , . . . , Sα,nα ∈ S mit V = α∈J nj=1 Sα,j =⇒ f -1 (V ) = S T -1 -1 α j f (Sα,j ) mit f (Sα,j ) offen. Theorem 1.59 Seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine beliebige Abbildung. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: i) f ist stetig. ii) Für jede Teilmenge A ⊂ X gilt f (A) ⊂ f (A). iii) Für jede abgeschlossene Teilmenge A ⊂ Y ist f -1 (A) ⊂ X abgeschlossen. iv) Für jedes x ∈ X und jede Umgebung V ⊂ Y von f (x) existiert eine Umgebung U ⊂ X von x mit f (U ) ⊂ V . Proof Wir zeigen i) =⇒ ii) =⇒ iii) =⇒ i), i)⇔iv) i)⇒ii): Sei x ∈ Ā. Zu zeigen: f (x) ∈ f (A). Dies ist äquivalent dazu, dass für jede Umgebung V ⊂ Y von f (x) die Menge V einen nichtleeren Schnitt mit f (A) hat (∗). Da f stetig ist, ist f -1 (V ) ist offen, also eine Umgebung von x. Wegen x ∈ Ā hat f -1 (V ) nichtleeren Schnitt mit A. Nimm y ∈ A ∩ f -1 (V ) =⇒ f (y) ∈ f (A) ∩ V =⇒ (∗). ii)⇒iii): Zu zeigen ist f -1 (A) ⊂ f -1 (A). Hierzu: n.V. f (f -1 (A)) ⊂ A =⇒ f (f -1 (A)) ⊂ f (f -1 (A)) ⊂ Ā = A =⇒ f -1 (A) ⊂ f -1 (A). 5. STETIGE FUNKTIONEN 23 iii)⇒i): Sei V ⊂ Y offen. Es gilt: f -1 (Y \V ) = f -1 (Y )\f -1 (V ) = X\f -1 (V ) =⇒ X\f -1 (V ) abgeschlossen | {z } abgeschlossen -1 =⇒ f (V ) offen =⇒ f stetig. i)⇒iv): Setze U := f -1 (V ). iv)⇒i): Sei V ⊂ Y offen. Für jedes x ∈ f -1 (V ), also f (x) ∈ V existiert U = Ux (Umgebung von x) mit f (Ux ) ⊂ V . Aus Ux ⊂ f -1 (V ) folgt [ f -1 (V ) = Ux , x∈f -1 (V ) d.h. f -1 (V ) ist offen, und somit f stetig. Theorem 1.60 Seien X, Y, Z topologische Räume. i) Konstante Funktionen f : X → Y sind stetig. ii) Sei A ⊂ X ein Teilraum. Dann ist die Inklusionsabbildung ιA : A ,→ X stetig. iii) Seien f : X → Y, g : Y → Z stetig. Dann ist g ◦ f : X → Z ist stetig. iv) Sei A ⊂ X ein Teilraum und f : X → Y stetig. Dann ist f |A : A → Y ist stetig. v) Sei f : X → Y stetig. 1) Ist Z ⊂ Y ein Teilraum mit f (X) ⊂ Z, so ist die Abbildung g : X → Z, g(x) := f (x) stetig. 2) Ist Y ⊂ Z ein Teilraum, so ist h : X → Z, h(x) := f (x) stetig, vi) Sei UαS(α ∈ J) ⊂ X offen und f : X → Y gegeben mit f |Uα : Uα → Y stetig und X= Uα . Dann ist f stetig. α∈J 4. Mai Proof i) Sei y0 ∈ Y mit( f (x) = y0 für alle x. Für beliebige V ⊂ Y (insbesondere für offene) X , falls y0 ∈ V gilt: f -1 (V ) = und diese beiden Mengen sind offen. ∅ , falls y0 ∈ /V ii) Ist U ⊂ X offen in X, so ist ι-1 A (U ) = U ∩ A per Definition der Teilraumtopologie offen in A. 24 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE iii) Sei V ⊂ Z offen =⇒ (g ◦ f )-1 (V ) = f -1 (g -1 (V )) offen (da f, g stetig) f |A iv) A / ιA =⇒ f |A stetig nach ii)+iii) (f |A = f ◦ ιA ) >Y f X v) 1) Sei B ⊂ Z offen in Z. =⇒ B = U ∩ Z mit U ⊂ Y offen in Y . Aus Z ⊃ f (X) folgt g -1 (B) = f -1 (U ) was offen in X ist, da f stetig ist. / h 2) X f Y / ?Z =⇒ h stetig nach ii)+iii) ιY vi) Sei V ⊂ Y offen. Die Mengen f -1 (V ) ∩ Uα = f -1 |S Uα (V ) sind offen in Uα , also offen in X. Daraus folgt, dass die Menge f -1 (V ) = f -1 (V ) ∩ Uα als Vereinigung α∈J offener Mengen offen in X ist. Theorem 1.61 Seien X, Y topologische Räume, A, B ⊂ X, fA : A → Y stetig, fB : B → Y stetig, X = A ∪ B, fA |A∩B = fB |A∩B . Sind dann entweder A und B beide abgeschlossen oder beide offen, so existiert genau eine stetige Funktion f : X → Y mit f |A = fA und f |B = fB . Proof Sei ( fA (x), x ∈ A f : X → Y, f (x) = fB (x), x ∈ B . Falls A, B beide offen sind, ist nach obigem Theorem (vi) die Abbildung f stetig. Seien nun A, B ⊂ X abgeschlossen und ⊂ Y abgeschlossen. Wir zeigen, dass f -1 (C) ⊂ X abgeschlossen in X ist. Es gilt f -1 (C) = fA-1 (C) ∪ fB-1 (C), wobei n.V. fA-1 (C) abgeschlossen in A, also auch abgeschlossen in X ist. Die Menge fB-1 (C) ist analog abgeschlossen in X, also folgt die Behauptung. Bemerkung 1.62 Sei J eine beliebige Indexmenge und jeweils Xα topologische Räume (α ∈ J), sowie Q α∈J Xα mit der Produkttopologie versehen. Es ist dann leicht zu sehen, dass die Projektionsabbildungen Y πα : X α → Xα α∈J stetig und offen sind. Hierbei heißt eine Abbildung zwischen topologischen Räumen offen, wenn sie offene Mengen auf offene Mengen abbildet). 5. STETIGE FUNKTIONEN 25 Theorem 1.63 Seien X, Xα topologische Räume (α ∈ J, mit J einer beliebigen Indexmenge),Qund sei Q X α mit der Produkttopologie versehen. Dann ist f = (fα )α∈J : X → α∈J α∈J Xα stetig, genau dann wenn fα : X → Xα stetig ist für alle α ∈ J. Proof S -1 Wie bemerken zunächst, dass S = {πβ (Uβ )|Uβ ⊂ Xβ offen} eine Subbasis der Proβ∈J dukttopologie ist. ⇒: Da f stetig ist, gilt dies auch für fα = πα ◦ f . ⇐: Es genügt zu zeigen, dass für alle U ∈ S die Menge f -1 (U ) ⊂ X offen ist. Hierbei ist V = πβ-1 (Uβ ) die allgemeine Form von U mit Uβ ∈ Xβ . Es gilt aber f -1 (U ) = f -1 (πβ-1 (Uβ )) = fβ-1 (Uβ ), was offen in X ist. Bemerkung 1.64 Das obige Theorem Allgemeinen nicht für die Boxtopologie: Qstimmt im N Nimm f : R → R =: R , fn = idR die Identitätsabbildung für alle n ∈ R. Die n∈N Q Menge n∈N (−1/n, 1/n) ist offen in RN in der Boxtopologie, aber die Menge ! Y \ \ −1 f (−1/n, 1/n) = fn−1 (−1/n, 1/n) = (−1/n, 1/n) = {0} n∈N n∈N n∈N ist nicht offen in R. Korollar 1.65 Sei X ein topologischer Raum und seien f1 , f2 : X → R stetige Funktionen. Dann sind f1 + f2 , f1 · f2 , ff21 (letzteres falls f2 (x) 6= 0 für alle x ∈ X) stetig. Proof Jede dieser Funktionen ist jeweils eine Verkettung der stetigen Abbildungen (f1 ,f2 ) Ψ X −−−−→ R × R − → R, wobei Ψ = +, ·, / usw. Hier ist natürlich R × R mit der Produkttopologie ausgestattet worden. Lemma 1.66 Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X, x ∈ X. Dann gelten folgende Aussagen: i) Existiert eine Folge (xn )n∈N ⊂ A mit xn → x für n → ∞, so ist x ∈ Ā. 26 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE ii) Sei X metrisierbar und x ∈ Ā. Dann existiert eine Folge (xn )n∈N ⊂ A mit xn → x für n → ∞. Proof i) Es gilt x ∈ Ā, genau dann wenn jede Umgebung von x einen nichtleeren Schnitt mit A hat. Sei also U eine beliebige Umgebung von x, und (xn )n∈N ⊂ A eine Folge mit xn → x. Dann existiert per Definition ein N := N (U ) ∈ N mit xN ∈ U . Also xN ∈ U ∩ A. ii) Sei d eine Metrik auf X, die die Topologie auf X induziert. Es gilt x ∈ Ā, genau dann wenn für alle y ∈ X, r > 0 mit x ∈ Bd (y, r) gilt Bd (y, r) ∩ A 6= ∅. Zu n ∈ N ist Bd (x, n1 ) ∩ A 6= ∅, also nehme ein xn ∈ Bd (x, n1 ) ∩ A. Für diese (xn )n∈N ⊂ A gilt dann xn → x, n → ∞, denn: Sei hierzu U eine beliebige Umgebung von x. Dann existieren y ∈ X, r̃ > 0 mit x ∈ Bd (y, r̃) ⊂ U . Mit r := r̃ − d(x, y) gilt dann sogar x ∈ Bd (x, r) ⊂ Bd (y, r̃) ⊂ U . Wähle N (U ) ∈ N 1 < r. Dann gilt für alle n ≥ N (U ) dass xn ∈ Bd (x, n1 ) ⊂ Bd (x, r) ⊂ U . mit N (U ) Theorem 1.67 Seien X, Y topologische Räume und f : X → Y . i) Ist f stetig, so gilt für alle x ∈ X und alle Folgen (xn )n∈N ⊂ X mit xn → x auch f (xn ) → f (x) für n → ∞ (Stetigkeit impliziert also immer folgenstetigkeit). ii) Sei X metrisierbar und f folgenstetig im obigen Sinne. Dann ist f auch stetig. Proof i) Sei V ⊂ Y eine Umgebung von f (x). Dann ist f -1 (V ) eine Umgebung von x. Wegen xn → x existiert dann ein N = N (V ) ∈ N so, dass für alle n ≥ N die Bedingung xn ∈ f -1 (V ) erfüllt ist. D.h. f (xn ) ∈ V , und somit f (xn ) → f (x). ii) Wir zeigen f (Ā) ⊂ f (A) für alle Teilmengen A ⊂ X: Sei hierzu x ∈ Ā. Dann existiert eine Folge (xn ) ⊂ A mit xn → x. Nach Voraussetzung gilt also f (xn ) → f (x), und somit f (x) ∈ f (A). Also ist f stetig. Theorem 1.68 Seien (X, dX ), (Y, dY ) metrische Räume und f : X → Y . Dann ist f stetig, genau dann wenn ∀x ∈ X ∀ε > 0 ∃ δ = δ(x, ) > 0 ∀ y ∈ X, dx (x, y) < δ : dy (f (x), f (y)) < ε. Proof ⇒: Die Menge f -1 (BdY (f (x), ε)) ⊂ X ist eine Umgebung von x. Daher existiert ein δ > 0 mit BdX (x, δ) ⊂ f -1 (BdY (f (x), ε)). Ist y ∈ BdX (x, δ), so gilt f (y) ∈ BdY (f (x), f (y)). 5. STETIGE FUNKTIONEN 27 ⇐: Sei die ε-δ Bedingung erfüllt, V ⊂ Y offen. Es ist zu zeigen, dass f -1 (V ) ⊂ X offen ist. Sei hierzu x ∈ f -1 (V ). Dann ist f (x) ∈ V und es gibt ein ε > 0 mit BdY (f (x), ε) ⊂ V . Es existiert also n.V. ein δ > 0 mit f (BdX (x, δ)) ⊂ BdY (f (x), ε). Somit gilt BdX (x, δ) ⊂ f -1 (BdY (f (y), ε)) ⊂ f -1 (V ), und f -1 (V ) ist offen. 9.Mai Definition 1.69 Sei X eine beliebige Menge, (Y, d) ein metrischer Raum und f : X → Y, fn : X → Y (∀n ∈ N). Dann heißt fn gleichmäßig konvergent gegen f für n → ∞, wenn ∀ ε > 0 ∃ N = N (ε) ∈ N ∀ n ≥ N ∀ x ∈ X : d(fn (x), f (x)) < ε. Stetigkeit bleibt unter gleichmäßiger Konvergenz erhalten: Theorem 1.70 Sei X ein topologischer Raum, (Y, d) ein metrischer Raum, f, fn : X → Y mit fn stetig für alle n ∈ N und fn gleichmäßig konvergent gegen f für n → ∞. Dann ist f ebenfalls stetig. Proof Sei x0 ∈ X, V ⊂ Y Umgebung von f (x0 ). Zu zeigen: Es existiert eine Umgebung U von x0 mit f (U ) ⊂ V . Sei hierzu ε > 0 mit Bd (f (x0 ), ε) ⊂ V (∗). Aufgrund der gleichmäßigen Konvergenz existiert ein N ∈ N mit d(fN (x), f (x)) < 3ε für alle x ∈ X. Wähle eine Umgebung U von x0 mit fN (U ) ⊂ Bd (fN (x0 ), 3ε ). Ist nun x ∈ U , so gilt d(f (x), f (x0 )) ≤ d(f (x), fN (x)) + d(fN (x), fN (x0 )) + d(fN (x0 ), f (x0 )) < ε, was wegen (∗) nun f (U ) ⊂ B(f (x0 ), ε) ⊂ V impliziert. 28 6 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Homöomorphismen Definition 1.71 Seien X, Y topologische Räume. Dann heißt f : X → Y ein Homöomorphismus, wenn f stetig und bijektiv ist und außerdem f -1 stetig ist. Bemerkung 1.72 Genau dann ist eine bijektive Abbildung f : X → Y zwischen den topologischen Räumen X, Y ein Homöomorphismus, wenn Folgendes gilt: U ⊂ X ist offen ⇔ f (U ) ⊂ Y offen. Analog: Genau dann ist eine bijektive stetige Abbildung f : X → Y zwischen den topologischen Räumen X, Y ein Homöomorphismus, wenn für alle offenen Mengen U ⊂ X die Menge f (U ) ⊂ Y ebenfalls offen ist. Beispiel 1.73 1. x 7→ x 1−x2 ist Homöomorphismus von (−1, 1) nach R cos(2πt) 1 2 2. f : [0, 1) → S ⊂ R , f (t) = ist bijektiv und stetig, f -1 ist nicht stetig. sin(2πt) 3. Je zwei offene (halboffene) [abgeschlossene] Intervalle ⊂ R sind homöomorph. Bemerkung 1.74 Homöomorphismen erhalten offensichtlich alle topologischen Eigenschaften, welche sich vollständig durch offene Mengen charakterisieren lassen. 7. ZUSAMMENHÄNGENDE RÄUME 7 29 Zusammenhängende Räume Definition 1.75 Sei X ein topologischer Raum. Eine Trennung von X ist ein Paar von offenen Teilmengen U, V mit i) U, V beide nicht leer ii) U und V sind disjunkt iii) X = U ∪ V . X heißt zusammenhängend, wenn keine Trennung von X existiert. Bemerkung 1.76 Für einen topologischen Raum X gelten folgende Äquivalenzen: X ist zusammenhängend. ⇔ Für alle nichtleeren offenen Teilmengen U, V ⊂ X mit X = U ∪ V gilt U ∩ V 6= ∅. ⇔ Die einzigen Teilmengen von X, die sowohl offen als auch abgeschlossen sind, sind ∅ und X selbst. Beispiel 1.77 1. ∅ und einelementige Teilräume eines topologischen Raums sind stets zusammenhängend. 2. Intervalle in R sind stets zusammenhängend. Umgekehrt: Ist A ⊂ R zusammenhängend mit |A| ≥ 2, so ist A ein Intervall. 3. [a, b) ∪ (b, c] ist nicht zusammenhängend. 4. Q ⊂ R ist nicht zusammenhängend. Lemma 1.78 i) Sei X ein topologischer Raum, Y ⊂ X ein Teilraum und seien A, B ⊂ Y Teilmengen mit A, B 6= ∅, A ∩ B = ∅, Y = A ∪ B. Dann ist Y = A ∪ B eine Trennung genau dann, wenn A keine Häufungspunkte (in der X-Topologie) von B enthält und B keine Häufungspunkte von A (in der X-Topologie) enthält. F ii) Sei X ein topologischer Raum, X = C D eine Trennung, Y ⊂ X ein zusammenhängender Teilraum. Dann ist Y ⊂ C oder Y ⊂ D. Proof Übung. 30 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Theorem 1.79 Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X ein zusammenhängender Teilraum, B eine Menge mit A ⊂ B ⊂ Ā. Dann ist B ebenfalls zusammenhängend. Proof F Sei B = C D eine Trennung. Dann gilt A ⊂ C oder A ⊂ D. Sei oBdA A ⊂ C. Dann ist Ā ⊂ C̄ und Lemma 1.78 i) impliziert, dass C̄ und D disjunkt sind. Dann sind auch D und B disjunkt, was ein Widerspruch dazu ist, dass D eine nichtleere Teilmenge von B ist. Das letzte Resultat impliziert unmittelbar: Korollar 1.80 Ist A ein zusammenhängender Teilraum eines topologischen Raumes X, so ist auch Ā ein zusammenhängender Teilraum von X. Theorem 1.81 Seien X, Y topologische Räume mit X zusammenhängend, und sei f : X → Y stetig. Dann ist f (X) ⊂ Y ein zusammenhängender Teilraum. Proof OBdA sei f surjektiv (wenn nicht: ersetze f durch die von f induzierte Abbildung F f˜ : : X → f (X); f˜ ist dann stetig und surjektiv). Sei f (X) = A B eine Trennung. Dann sind f -1 (A), f -1 (B) disjunkt und offen in X. F Außerdem sind f -1 (A), f -1 (B) -1 beide nicht leer (da f surjektiv ist). D.h., X = f (A) f -1 (B) ist Trennung, was ein Widerspruch ist. Theorem 1.82 Seien Xα , α ∈ J topologische Räume, mit J einer beliebigen Indexmenge. Dann ist Q α∈J Xα zusammenhängend in der Produkttopologie, genau dann wenn jedes Xα zusammenhängend ist. Proof Übung. Bemerkung 1.83 i) Die Richtung ‘⇒’ von Theorem 1.82 gilt auch für die Boxtopologie, da da Projektionsabbildungen insbesondere auch in dieser Topologie stetig sind. ii) Die Richtung ‘⇐’ von Theorem 1.82 gilt nicht für die Boxtopologie: Sei etwa X := R×R× F . . . . Dann ist X ist nicht zusammenhängend in der Boxtopologie, denn X = U V , mit U := (xn )n∈N : sup |xn | = ∞ n∈N und V := (xn )n∈N : sup |xn | < ∞ n∈N ist eine Trennung von X bezüglich der Boxtopologie. 7. ZUSAMMENHÄNGENDE RÄUME 31 11. Mai Theorem 1.84 (Zwischenwertsatz) Sei X ein zusammenhängender topologischer Raum, f : X → R (ST) stetig, a, b ∈ X, r ∈ [f (a), f (b)]. Dann existiert ein c ∈ X mit f (c) = r. Proof Die Mengen A := f (X) ∩ (-∞, r), B := f (X) ∩ (r, ∞) sind disjunkt, nicht leer (n.V.), F und offen in f (X). Angenommen, es existiert kein solches c. Dann ist f (X) = A B eine Trennung, im Widersprich dazu, dass f (X) zusammenhängend ist. Lemma 1.85 Sei X ein topologischer Raum, A, Aα (α ∈ J) ⊂ X zusammenhängende Teilräume mit S A∩Aα 6= ∅ für alle α ∈ J (mit J einer beliebigen Indexmenge). Dann ist ( α∈J Aα )∪A wieder ein zusammenhängender Teilraum. Proof Angenommen, es gibt eine Trennung A∪( [ Aα ) = U ∪ V. α∈J Dann sind entweder A sowie alle Aα in U enthalten, oder es sind A sowie alle Aα in V enthalten. Sei oBdA A, sowie alle Aα in U enthalten. Daraus folgt Aα ⊂ U für alle α, also V = ∅, ein Widerspruch. Definition 1.86 Sei X ein topologischer Raum und x, y ∈ X. Dann sei x ∼ y :⇔ es existiert ein zusammenhängender Teilraum A ⊂ X mit x, y ∈ A. Dies ist Äquivalenzrelation auf X, und [x]∼ ⊂ X heißt die Zusammenhangskomponente von x. Bemerkung 1.87 ∼ ist tatsächlich Äquivalenzrelation: Symmetrie und Reflexivität offensichtlich. Die Transitivität folgt aus Lemma 1.85. Theorem 1.88 Sei X ein topologischer Raum. Dann lässt sich X als disjunkte Vereinigung von Zusammenhangskomponenten schreiben. Außerdem gelten folgende Aussagen: i) Für nichtleere zusammenhängende Teilräume A ⊂ X gilt: #{[x] : x ∈ X : [x] ∩ A 6= ∅} = 1. ii) [x]∼ ist zusammenhängend für alle x ∈ X. Proof Die erste Aussage folgt aus allgemeinen Eigenschaften von Äquivalenzrelationen. 32 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE i) Angenommen [x] ∩ A 6= ∅ und [y] ∩ A 6= ∅. Für a ∈ [x] ∩ A und b ∈ [y] ∩ A gilt dann a ∼ b, aufgrund der Äquivalenzrelation demnach auch [x] = [y]. ii) Sei x0 ∈ [x]. Dann gilt also gilt für alle y ∈ [x] die Aquivalenz y ∼ x0 . Daher i) existiert ein zusammenhaengender Teilraum Ay ⊂ X mit x0 , y ∈ Ay =⇒ Ay ⊂ S [x] =⇒ [x] = y∈[x] Ay =⇒ [x] ist zusammenhängend, nach Lemma 1.85. 8 Wegzusammenhängende Räume Definition 1.89 Sei X ein topologischer Raum, x, y ∈ X. Ein Weg von x nach y ist eine stetige Abbildung γ : [a, b] → X mit γ(a) = x und γ(b) = y. X heißt wegzusammenhängend, falls für alle x, y ∈ X ein Weg von x nach y existiert. Lemma 1.90 Jeder wegzusammenhängende Raum X ist auch zusammenhängend. Proof F Angenommen X = A B ist eine Trennung und γ : [a, b] → X ist stetig. Dann gilt γ([a, b]) ⊂ A oder γ([a, b]) ⊂ B, ein Widerspruch zum Wegzusammenhang von X. Bemerkung 1.91 i) Bilder wegzusammenhängender Räume unter stetigen Abbildungen sind wegzusammenhängend. ii) Seien Xα Q topologischer Räume für alle α ∈ J, mit J einer beliebigen Indexmenge. Dann ist α∈J Xα wegzusammenhängend in der Produkttopologie ⇔ alle Xα sind wegzusammenhängend. iii) Sei A := Graph(f ) ⊂ R2 , f : (0, 1] → R, f (t) := sin( 1t ). Dann ist A wegzusammenhängend und Ā ⊂ R2 ist nicht wegzusammenhängend, wohingegen Ā zusammenhängend ist. iv) Sind Aα , A ⊂ X wegzusammenhängende Teilräume mit S A ∩ Aα 6= ∅ für alle α ∈ J (mit J einer beliebigen Indexmenge), so ist =⇒ ( α Aα ) ∪ A wegzusammenhängend. Satz und Definition 1.92 Sei X ein topologischer Raum, x, y ∈ X. Dann ist x∼y :⇔ x und y können durch einen Weg verbunden werden eine Äquivalenzrelation auf X. Die Äquivalenzklasse [x]∼w ⊂ X heißt die Wegzusammenhangskomponente von x. 8. WEGZUSAMMENHÄNGENDE RÄUME 33 Proof Refl.: x ∼w x, denn man kann den konstanten Weg γ(t) = x für alle t ∈ [0, 1] wählen. Symm.: x ∼w y =⇒ y ∼w x, denn sei γ : [a, b] → X mit γ(a) = x, γ(b) = y. Dann ist γ̃ : [a, b] → X, γ̃(t) := γ(b − t + a) ein Weg von y nach x. Trans.: x ∼w y und y ∼w z =⇒ x ∼w z, denn x ∼w y =⇒ ∃ Weg γ1 : [a, b] → X von x nach y =⇒ ∃ Weg γ̃1 : [0, 1] → X. Analog: ∃ Weg φ : [1, 2] → X von y nach z =⇒ ∃ Weg ψ : [0, 2] → X von x nach z. Theorem 1.93 Sei X ein topologischer Raum. Dann lässt sich X als disjunkte Vereinigung von Wegzusammenhangskomponente schreiben. Außerdem gelten folgende Aussagen: i) jeder nichtleere wegzusammenhängende Teilraum von X hat mit genau einer Wegzusammenhangskomponente einen nichtleeren Schnitt. ii) Wegzusammenhangskomponenten sind wegzusammenhängend. Proof Genau wie bei “zusammenhängend”. Bemerkung 1.94 i) Zusammenhangskomponenten sind stets abgeschlossene Teilmengen. Insbesondere sind in einem topologischem Raum, der nur endlich viele Zusammenhangskomponenten, die Zusammenhangskomponenten auch auch offene Teilmengen. ii) Über Wegzusammenhangskomponenten lässt sich im Allgemeinen nicht sagen, ob sie offen oder abgeschlossen sind. iii) Im Allgemeinen sind Schnitte von wegzusammenhängenden Teilräumen nicht einmal zusammenhängend: Betrachte hierzu S 1 : Dann sind S 1 \{(0, 1)} und S 1 \{(0, −1)} wegzusammenhängend, aber (S 1 \{(0, 1)}) ∩ (S 1 \{(0, −1)}) = S 1 \{(0, −1), (0, 1)} ist nicht zusammenhängend. 34 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE 18.Mai 9 Kompakte topolopologische Räume Definition 1.95 Sei X ein topologischer Raum und sei S A ⊂ P(X) ein Mengensystem. Dann heißt A eine Überdeckung von X, falls X = A gilt, und A heißt eine offene Überdeckung A∈A von X, wenn zusätzlich alle A ∈ A offene Teilmengen von X sind. Definition 1.96 Ein topologischer Raum X heißt kompakt, wenn es zu jeder offenen Überdeckung A von X ein endliches Teilsystem A0 ⊂ A gibt, sodass A0 immer noch eine Überdeckung von X ist. Beispiel 1.97 1. Auf Rm , betrachte A = {ε-Kugeln um die Null} =⇒ Rm ist nicht kompakt. 2. (0, 1] ⊂ R ist ebenfalls nicht kompakt: A := n1 , 1 : n ∈ N . 3. [0, 1]n ⊂ Rn ist kompakt: Wir werden später sehen, dass [0, 1] kompakt ist und dass beliebige Produkte von kompakten Räumen in der Produkttopologie ebenfalls kompakt sind. Definition 1.98 Sei X ein topologischer Raum, Y ⊂ X. Dann heißt A ⊂ P(X) eine Überdeckung von S Y , falls Y ⊂ A. A∈A Theorem 1.99 Sei X ein topologischer Raum, Y ⊂ X ein Teilraum. Dann ist Y genau dann kompakt, wenn für jede Überdeckung A ⊂ P(X) von Y mit offenen Teilmengen von X ein endliches Mengensystem A0 ⊂ A existiert, so dass A0 eine Überdeckung von Y bleibt. Proof Übung. Theorem 1.100 i) Sei X ein kompakter Raum und Y ⊂ X abgeschlossen. Dann ist Y ein kompakter Teilraum. ii) Sei X ein Hausdorffraum, Y ⊂ X ein kompakter Teilraum. Dann ist Y eine abgeschlossene Teilmenge von X. Proof 9. KOMPAKTE TOPOLOPOLOGISCHE RÄUME 35 i) Sei A = {Ui : i ∈ J} eine beliebige Überdeckung von Y mit offenen Teilmengen von X. Dann ist ! [ X= Uj ∪ (X\Y ) j∈J eine offene Überdeckung von X. Da X kompakt ist gilt X = Ui1 ∪ . . . ∪ Uil ∪ (X\Y ) für endlich viele i1 , . . . , il ∈ J, d.h. Y ⊂ Ui1 ∪ . . . ∪ Uil , was die Kompaktheit von Y zeigt. ii) Wir zeigen: Zu jedem x0 ∈ X\Y existiert eine Umgebung U von x0 mit U ∩ Y = ∅ (was also impliziert, dass X\Y offen in X ist). Zu jedem y ∈ Y existiert jedenfalls eine Umgebung Uy von x0 und Vy von y mit Uy ∩ Vy = ∅ (da X Hausdorff ist); dann S ist Y ⊂ y∈Y Vy eine Überdeckung von Y mit offenen Teilmengen von X, und es S gilt lj=1 Vyj =: V für geeignete y1 , . . . , yl ∈ Y , da X kompakt ist. Wir setzen U := Uy1 ∩ . . . ∩ UYl . Dann ist U eine offene zu V disjunkte Teimengen von X und es gilt U ∩ Y = ∅.. Theorem 1.101 Sei X ein kompakter Raum, Y ein topologischer Raum und f : X → Y stetig. Dann ist f (X) ⊂ Y ein kompakter Teilraum. Proof Sei A ⊂ P(Y ) eine Überdeckung von f (X) mit offenen Teilmengen vonS Y . Dann ist {f -1 (A) : A ∈ A} eine offene Überdeckung von X, und es gilt X = li=1 f -1 (Ai ) S für geeignete A1 , . . . , Al ⊂ A, da X kompakt ist. Damit ist f (X) ⊂ li=1 Ai eine Überdeckung von f (X) mit offenen Teilmengen von Y , und f (X) ist also kompakt. Theorem 1.102 Sei X ein kompakter topologischer Raum, Y ein Hausdorffraum und f : X → Y stetig und bijektiv. Dann ist f bereits ein Homöomorphismus. Proof Zu zeigen ist, dass f -1 : Y → X stetig ist. Dies ist äquivalent dazu, dass für alle abgeschlossener Mengen A ⊂ X die Menge f (A) abgeschlossen ist. Die Menge A ist nach Voraussetzung kompakt, also ist f (A) ⊂ Y ein kompakter Teilraum. Aber X ist Hausdorff, und somit ist f (A) abgeschlossen. 36 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Bemerkung 1.103 Offensichtlich ist ein topologischer Raum X genau dann kompakt, wenn für eine (und dann jede) Basis B der Topologie folgende Aussage gilt: Für jede Überdeckung A ⊂ B von X existiert ein endliches Teilsystem A0 ⊂ A, so dass A0 eine Überdeckung von X bleibt. Weniger offensichtlich: Theorem 1.104 (Alexander’s Subbasis Lemma) Man kann in der Bemerkung 1.103 ”Basis” durch ”Subbasis” ersetzen. Proof Der Beweis benutzt das Auswahlaxion und wird hier nicht gegeben. Damit kann man nun in drei Zeilen beweisen: Lemma 1.105 Intervalle der Art [a, b] ⊂ R mit a < b reell sind kompakte Teilräume. Proof Übung. 23.Mai Theorem 1.106 (Satz vom Minimum und Maximum) Sei X ein kompakter topologischer Raum, f : X → R stetig. Dann hat f (X) ein Minimum und ein Maximum, d.h. es existieren x1 , x2 ∈ X mit f (x1 ) ≤ f (x) ≤ f (x2 ) für alle x ∈ X. Proof Angenommen f (X) hätte kein Maximum. Dann ist {(−∞, a) | a ∈ fS(X)} eine offene Überdeckung von f (X). Aber f (X) ist kompakt, d.h. es gilt f (X) ⊂ `j=1 (−∞, aj ) für S gewisse a1 , . . . , al ∈ f (X). Dies impliziert nun max aj ∈ / `j=1 (−∞, aj ), ein Widerj=1,...,` spruch. Für die Existenz des Minimums verfährt man analog, mit den Mengen (a, ∞), bzw. (aj , ∞). Theorem 1.107 (Tychonow) Seien Xα , α ∈ J, topologische Räume (mit J einer beliebigen Indexmenge). Dann ist Q α∈J Xα kompakt in der Produkttopologie genau dann, wenn jedes Xα kompakt ist. Proof Der Fall |J| endlich ist halbwegs anschaulich. Alle Beweise für den Fall |J| unendlich brauchen das Auswahlaxiom auf irgendeine Art. Man kann etwa einen kurzen Beweis mittels Alexander’s Subbasis Lemma geben. Die Richtung ⇒ in Tychonow’s Theorem gilt auch für die Boxtopologie, wohingegen die Richtung ⇐ im Allgemeinen falsch ist für die Boxtopologie. Es gibt weitere Kompaktheitsbegriffe: 9. KOMPAKTE TOPOLOPOLOGISCHE RÄUME 37 Definition 1.108 Sei X ein topologischer Raum. Dann heißt X i) folgenkompakt, wenn jede Folge in X eine konvergente Teilfolge besitzt. ii) Bolzano-Weierstrass-kompakt (BW), falls jede unendliche Teilmenge von X einen Häufungspunkt besitzt. Die einzige allgemeingültige Implikation ist: Lemma 1.109 Ist X kompakt, so ist X BW-kompakt. Proof Sei A ⊂ X eine beliebige Teilmenge. Wir zeigen: Hat A keinen Häufungspunkt, so ist A endlich.Habe A also keinen Häufungspunkt. Dann gilt A = Ā. D.h. für alle a ∈ A existiert eine offene Umgebung Ua von a mit Ua ∩ A = {a} (∗). Dies macht [ X = (X \ A) ∪ Ua a∈A zu einer offenen Überdeckung. Da X kompakt ist, gilt X = (X \ A) ∪ Ua1 ∪ · · · ∪ Ua` für gewisse a1 , . . . , a` ∈ A, also A ⊂ Ua1 ∪ ... ∪ Ua` und A = (Ua1 ∩ A) ∪ ... ∪ (Ua` ∩ A). Somit gilt A = {a1 , ..., a` }, wegen (∗). Im metrischen Fall fallen alle Kompaktheitsbegriffe zusammen und es gilt ein abstrakter Satz von Heine-Borel: Definition 1.110 Sei (X, d) ein metrischer Raum. i) Eine Teilmenge K ⊂ (X, d) heißt beschränkt, wenn ein r > 0, sowie ein x ∈ X existieren mit : K ⊂ Bd (x, r) 38 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE ii) Eine Teilmenge K ⊂ (X, d) heißt total beschränkt, falls es zu jedem ε > 0 endlich viele Punkte x1 , ..., x` ∈ K gibt mit: K⊂ ` [ Bd (xj , ε). j=1 Bemerkung 1.111 i) Total beschränkt ⇒ beschränkt; im Allgemeinen gilt die Umkehrung nicht (Übung). ii) Teilmengen von (total) beschränkten Teilmengen sind wieder (total) beschränkt (Übung). Lemma 1.112 Sei (X, d) ein metrischer Raum, A ⊂ X eine beliebige Teilmenge. Dann stimmt die Teilraumtopolgie von A mit der metrischen Topologie von dA×A überein. Proof Sehr leicht, wenn man sich passende Basen der Topologien ansieht. Bemerkung 1.113 Es gilt in obiger Situation B d (x, r) = Bd (x, r) ∩ A. A×A Theorem 1.114 (Heine-Borel) Sei (X, d) ein metrischer Raum, K ⊂ X ein Teilraum. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: i) K ist kompakt. ii) K ist BW-kompakt. iii) K ist folgenkompakt. iv) K ist totalbeschränkt (bzgl. d) und vollständig (bzgl. d|K×K ). Proof Heine-Borel i) ⇒ ii): Bereits erledigt. ii) ⇒ iii): Sei (xn )n∈N ⊂ K eine beliebige Folge, A = {xn : n ∈ N}. Falls A endlich ist, ist die Aussage offensichtlich. K ist BW Sei nun A unendlich =⇒ A hat einen Häufungspunkt x ∈ X. Wähle xn1 beliebig aus Bd|K×K (x, 1). Sei zu gegebenen j ∈ N die natürliche Zahl nj−1 bereits gewählt. In Bd|K×K (x, 1j ) liegen unendlich viele Eemente von A. =⇒ ∃nj > nj−1 mit xnj ∈ Bd|K×K (x, 1j ) =⇒ xn konvertiert gegen x =⇒ X ist folgenkompakt. 9. KOMPAKTE TOPOLOPOLOGISCHE RÄUME 39 iii) ⇒ iv): K ist vollständig, denn: Sei (xn ) ⊂ K Cauchy-Folge =⇒ ∃ Teilfolge (xnj ) von j→∞ (xn ) sowie x ∈ K mit d(xnj , x) −−−→ 0 =⇒ d(xn , x) ≤ (xn , xnj ) + d(xnj , x) < ε für n groß =⇒ K ist vollständig. K ist totalbeschränkt, denn: Angenommen nicht. Dann existiert ein r > 0, so dass K nicht durch endlich viele d|K×K -Bälle mit Radus r und Zahlen in K überdeckt werden kann. Wähle x1 ∈ K beliebig. Da K 6⊂ Bd|K×K (x1 , r) existiert ein x2 ∈ K\Bd (x1 , r). Induktiv: Seien x1 , . . . , xn bereits gewählt. n S =⇒ ∃xn+1 ∈ K\ Bd|K×K (xj , r) =⇒ d(xn , xl ) ≥ r für alle l, n ∈ N j=1 =⇒ offensichtlich kann (xn ) keine konvergente Teilfolge enthalten, da alle xn mindestens den Abstand r voneinander haben =⇒ Widerspruch zur Folgenkompaktheit. S iv) ⇒ i): Sei also K vollständig und totalbeschränkt und sei K ⊂ Ui eine Überdeckung i∈I von K mit offenen Teilmengen von X. Angenommen, es existiert kein endliches Teilsystem von (Ui )i∈I , welches K immer noch überdeckt. Da K totalbeschränkt ist, existieren endlich viele Bälle B10 := B̄d|K×K (y10 , 1/21 ), . . . , Bn00 := B̄d|K×K (yn0 0 , 1/21 ) mit yj0 ∈ K für alle j = 1, . . . , n0 und K ⊂ n0 S Br0 . Es existiert dann ein j0 ∈ j=1 {1, . . . , n0 } mit der Eigenschaft, dass K ∩ Bj00 nicht durch ein endliches Teilsystem von (Ui ) überdeckt werden kann. Setze K1 := K ∩ Bj00 . Dann ist K1 ⊂ K totalbeschränkt, und es existierten endlich viele Bälle B11 := B̄d|K×K (y11 , 1/22 ), . . . , Bn11 = B̄d|K×K (yn1 1 , 1/22 ) mit yj1 ∈ K1 für alle J = 1, . . . , n1 sowie K1 ⊂ n1 S Bj1 . Es existiert dann ein j=1 j1 ∈ {1, . . . , n1 } mit der analogen Eigenschaft wie j0 oben. Sei nun K2 := K1 ∩Bj11 usw.. Induktiv kann man nun eine Folge (Kl )l∈N mit . . . ⊂ . . . ⊂ Kl ⊂ Kl−1 ⊂ . . . ⊂ K1 für alle l ∈ N und jedes Kl ist abgeschlossen (K selbst ist vollständig, also abgeschlossen) sowie kein Kl kann durch ein endliches Teilsystem von (Ui ) überdeckt werden. Per Konstruktion gilt für alle l ∈ N, sowie x, y ∈ Kl die Ungleichung 1 1 1 l−1 l−1 d x, y ≤ d x, yjl−1 + d yjl−1 , y ≤ l + l = l−1 (∗). 2 2 2 Wähle zu jedem l ein xl ∈ Kl . Dann ist (xl ) eine Cauchy-Folge, denn es gilt d(xn , xm ) ≤ 1 2j−1 für n, m ≥ j. 40 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE n→∞ Da K vollständig ist, gilt also d(xn , x) −−−→ 0 für ein x ∈ K. Aber K ⊂ S Ui , i∈I also x ∈ Uj für ein j ∈ J. Es gibt dann ein ε > 0 mit Bd (x, ε) ⊂ Uj (∗∗). Sei 1 n ∈ N beliebig, y ∈ Km . Dann gilt d(x, y) ≤ 2m−1 wegen (∗). Da x ∈ Km für alle m ∈ N gilt (dies folgt daraus, dass (xl )l≥m ⊂ Km gilt und dass Km abgeschlossen ist), haben wir es nun geschafft, dass für große m die Bedingung (∗∗) Km ⊂ B(x, ε) ⊂ Uj erfüllt ist, im Widerspruch zur Konstruktion der Km . Lemma 1.115 Sei X ein T1 Raum (z.B. kann also X Hausdorff oder spezieller X metrisierbar sein), und sei A ⊂ X eine Teilmenge, sowie x ∈ X. Dann ist x ein Häufungspunkt von A genau dann, wenn jede Umgebung von x unendlich viele Elemente von A enthält. Proof ⇐: Klar. ⇒: Sei U eine beliebige Umgebung. Angenommen U ∩ A ist endlich. Dann ist U ∩ (A\{x}) endlich, etwa U ∩ (A\{x}) = {x1 , ..., x` }. Da X\{x1 , ..., x` } offen ist, ist U ∩ (X\{x1 , ..., x` }) eine Umgebung von x mit U ∩ (X\{x1 , ..., x` }) ∩ (A \ {x}) = ∅, im Widerspruch dazu, dass x ein Häufungspunkt von A ist. 25.Mai Korollar 1.116 Sei K ⊂ (Rm , deukl. ). Dann ist K genau dann kompakt, wenn K beschränkt und abgeschlossen ist. Proof ⇒: K kompakt =⇒ K totalbeschränkt ( =⇒ beschränkt) und vollständig ( =⇒ abgeschlossen, da (R, deukl. ) vollständig ist) ⇐: Zum einen ist die Menge K vollständig, da (Rn , deukl. ) vollständig ist. Zum anderen ist in (Rn , deukl. ) jede beschränkte Menge automatisch totalbeschränkt: Am leichtesten sieht man letzteres, indem man die Äquivalenz der Metriken deukl (x, y) ∼ d∞ (x, y) = max |xi − yi | feststellt. In der letzteren Metrik sehen 1≤i≤n die Bälle wie Quader aus. 9. KOMPAKTE TOPOLOPOLOGISCHE RÄUME 41 30.Mai Erinnerung Definition 1.117 Seien (X, dX ) und (Y, dY ) metrische Räume. Dann heißt f : X → Y gleichmäßig stetig (bzgl. dX , dY ), falls ∀ε > 0 ∃δ = δ() > 0 ∀x, y ∈ X : dX (x, y) < δ =⇒ dY (f (x), f (y)) < ε. Gleichmäßig stetige Funktionen sind offensichtlich stetig. Theorem 1.118 Seien (X, dX ) und (Y, dY ) metrische Räume, sei (X, dX ) kompakt und sei f : X → Y stetig. Dann ist f bereits gleichmäßig stetig. Proof Sei ε > 0. Da f stetig ist, existiert zu jedem x ∈ X ein δx > 0, so dass für alle y ∈ X folgende Implikation gilt: d(x, y) < δx =⇒ d(f (x), f (y)) < 2ε . Da (X, dX ) kompakt ist, gibt es x1 , . . . , xl ∈ X mit X= l [ j=1 Wähle 0 < δ < min j=1,...,l δ xj 2 BdX δx xj , j 2 . . Sei nun x, y ∈ X beliebig mit dX (x, y) < δ. Es existiert ein j ∈ {1, . . . , l} mit δx j . x ∈ BdX xj , 2 Dies impliziert dX (y, xj ) ≤ dX (y, x) + dX (x, xj ) < δ + δx j < δxj , 2 also dX (f (x), f (y)) ≤ dY (f (x), f (xj )) + dY (f (xj ), f (y)) < ε ε + = ε. 2 2 42 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE 10 Lokalkompakte Räume und Kompaktifizierungen Definition 1.119 Sei X ein topologischer Raum. Dann heißt X lokalkompakt, wenn für alle x ∈ X ein kompakter Teilraum C ⊂ X sowie eine offene Menge U ⊂ X existiert mit x ∈ U ⊂ C. Bemerkung 1.120 1. Rm ist lokalkompakt: x ∈ (a1 , b1 ) × . . . × (am , bm ) ⊂ [a1 , b1 ] × . . . × [am , bm ]. 2. Kompakte Räume sind lokalkompakt. 3. R × R × . . . ist nicht lokalkompakt (weder in der Box-, noch in der Produkttopologie). 4. [0, 1] × [0, 1] × . . . ist kompakt in der Produkttopologie aber nicht einmal lokalkompakt in der Boxtopologie. 5. Q ⊂ R ist nicht lokalkompakt. 6. Seien Xα ,Qα ∈ J, topologische Räume (mit J einer beliebigen Indexmenge). Dann ist Xα lokalkompakt in der Produkttopologie genau dann, wenn alle Xα α∈J lokalkompakt sind und fast alle Xα kompakt sind (Übung). Definition 1.121 Sei X ein topologischer Raum. Dann heißt ein Paar (ϕ, Y ) bestehend aus einem kompakten Hausdorffraum Y und einer stetigen Abbildung ϕ : X → Y eine Kompaktifizierung von X, falls folgende Bedingungen erfüllt sind: 1. Die induzierte Abbildung X → ϕ(X), x 7→ ϕ(x) ist ein Homöomorphismus. Y 2. Es gilt ϕ(X) = Y . Zwei Kompaktifizierungen (ϕ, Y ) und (ϕ0 , Y 0 ) heißen äquivalent, wenn es einen Homömorphismus ψ gibt, der das Diagramm ϕ /Y X O ϕ0 ∼ = Ψ ) Y0 kommutieren lässt. Beispiel 1.122 Die Umkehrabbildung der stereographischen Projektion ist eine Kompaktifizierung Rm → S m des Rm . 10. LOKALKOMPAKTE RÄUME UND KOMPAKTIFIZIERUNGEN 43 Theorem 1.123 (Alexandroff ) Sei X ein topologischer Raum. Dann ist X ein lokalkompakter Hausdorffraum, genau dann wenn ein kompakter Hausdorffraum Y existiert mit folgenden Eigenschaften: i) X ⊂ Y ist ein Teilraum. ii) #(Y \X) = 1. Es gilt dann folgende Eindeutigkeitsaussage: Ist Y 0 ein weiterer kompaker Hausdorffraum mit i),(ii), dann ist die kanonische AbbilF F x , x∈X dung h : Y = X {p} → Y 0 = X {q} mit h(x) := ein Homöomorphismus. q , x=p Man bemerke, dass in der obigen Situation X offen in Y ist (denn Y ist T1 ). Beweis von Theorem 1.123 1. Eindeutigkeit: Zu zeigen ist, dass h ein Homöomorphismus ist. Jedenfalls ist h bijektiv, d.h. h ist Homöomorphismus genau dann, wenn gilt: ∀U ⊂ Y : U ist offen ⇔ h(U ) ⊂ Y 0 ist offen. Fall p ∈ /U: Da Y, Y 0 Hausdorffräume sind, ist X = Y \{p} offen in Y , bzw. X = Y 0 \{q} offen in Y 0 . Es gilt h(U ) = U ⊂ X, also gelten folgende Äquivalenzen: U ist offen in Y ⇔ U ist offen in X (da X offen ist in Y, Y 0 ) ⇔ U ist offen in Y ’. Fall p ∈ U : Beachte, dass in diesem Fall für C := Y \U gilt: U ⊂ X. Wir haben folgende Äquivalenzen: U ist offen in Y . ⇔ C = Y \U ist abgeschlossen in Y . Y Hausdorff, kompakt ⇔ X Teilraum von Y 0 ⇔ X Teilraum von Y 0 ⇔ 0 Y Hausdorff, kompakt ⇔ ⇔ C ist kompakter Teilraum von Y . C ⊂ X ist kompakter Teilraum in X. C ⊂ Y 0 ist kompakter Teilraum C abgeschlossen in Y 0 h(U ) = Y 0 \C offen . Also ist h ein Homöomorphismus. 2. Existenz von Y mit den gewünschten Eigenschaften, wenn X lokalkompakt und Hausdorffraum ist: 44 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Wir nehmen hierzu einen Punkt ∞ ∈ / X und setzen Y := X ∪{∞}. Wir definieren die Topologie auf Y über: U ⊂ Y ”offen”, falls entweder (Typ1) U ⊂ X und U ist offen in X oder (Typ2) C := Y \U ⊂ X und C ist kompakter Teilraum von X. Dies definiert tatsächlich eine Topologie auf Y : (a) ∅ ⊂ X offen in X =⇒ ∅ ”offen” in Y (Typ 1) (b) Y = Y \∅ und ∅ ⊂ X ist kompakter Teilraum von X =⇒ Y ”offen” in Y (Typ 2) (c) Sind etwa U1 , U2 ⊂ Y ”offen” in Y , so gilt Typ 1 falls beide Uj vom Typ 1 sind U1 ∩U2 = (Y \C1 ) ∩ (Y \C2 ) = Y \(C1 ∪ C2 ) falls beide Uj vom Typ 2 sind U1 ∩ (Y \C2 ) = U1 ∩ (X\C2 ) falls U1 Typ 1, U2 Typ 2. (d) Analog zeigt man: Beliebige Vereinigungen ”offener” Mengen sind wieder ”offen”. Wir zeigen nun, dass die Topologie auf X gerade die Teilraumtopologie X ⊂ Y ist: Sei hierzu U ⊂ Y offen. Dann ist U ∩ X ⊂ X offen in X, denn: Fall U ist Typ 1: Dieser Fall ist klar. Fall U ist Typ 2: Dann gilt U = Y \C mit C ⊂ X einem kompakten Teilraum, und U ∩ X = (Y \C) ∩ X = X\C was offen in X ist. Ist umgekehrt U ⊂ X offen in X, so ist U ist offen in Y (da Typ 1). Als nächstes zeigen wir, dass Y kompakt ist: Sei hierzu A ⊂ P(X) eine offene Überdeckung von Y . =⇒ ∃ offene Teilmenge Y \C ∈ A vom Typ 2. Sei nun à := {A ∩ X : A ∈ A}. =⇒ à ist Überdeckung von C mit offenen Teilmenge von X. =⇒ ∃Ã0 ⊂ A endliches Teilsystem, sodass C immer noch von Ã0 überdeckt wird. =⇒ A0 := Ã0 ∪ (Y \C) ⊂ A ist endliche Teilüberdeckung von Y . =⇒ Y ist kompakt. Es verbleibt zu zeigen: Y ist ein Hausdorffraum. Seien hierzu x, y ∈ Y beliebig. Fall: x, y ∈ X: Klar, da X Hausdorffraum ist, X ⊂ Y offen ist und die Topologie auf X der Teilraumtopologie entspricht. Fall: x ∈ X, y = ∞: Wähle C ⊂ X kompakten Teilraum, so dass C eine 10. LOKALKOMPAKTE RÄUME UND KOMPAKTIFIZIERUNGEN 45 Umgebung U von x in X enthält. Dann ist U eine Umgebung von x in Y und Y \C ist eine offene Umgebung von ∞ in Y (Typ 2). Es gilt U ∩(Y \C) ⊂ C∩(Y \C) = ∅. Also ist Y Hausdorff. 3. Existiert zum topologischen Raum X ein topologischer Raum Y mit den besagten Eigenschaften, dann ist X lokalkompakt und Hausdorff: X ist Hausdorff, da X ein Teilraum des Hausdorffraums Y ist. X ist lokalkompakt: Sei hierzu x ∈ X und Y \X =: {p}. Wähle disjunkte Umgebungen U ⊂ Y von x und V von p. Dann ist C := Y \V ein kompakter Teilraum von X der die Umgebung U von x enthält. Korollar 1.124 Sei X ein lokalkompakter Hausdorffraum, der nicht kompakt ist. Dann ist für jedes Y wie in Theorem 1.123 die Inklusionsabbildung ιX,Y : X ,→ Y eine Kompaktifizierung. Ist Y 0 ein weiterer Raum der die gleichen Eigenschaften wie Y in Theorem 1.123 hat, so sind die Kompaktifizierungen (ιX,Y , Y ) und (ιX,Y 0 , Y 0 ) äquivalent. Definition 1.125 Der Raum X̂ := Y aus Theorem 1.123 heißt die Alexandroff-Kompaktifizierung des lokalkompakten und nicht kompakten Hausdorffraums X; X̂ wird aus offensichtlichen Gründen auch die Einpunktkompaktifizierung von X genannt. Diese Definition ist sinnvoll, da X̂ im Wesentlichen eindeutig bestimmt ist (ebenfalls nach Theorem 1.123). 1.Juni Lemma 1.126 Sei X ein Hausdorffraum, Y ⊂ X ein kompakter Teilraum und x0 ∈ X\Y . Dann existieren offene Mengen U, V ⊂ X mit U ∩ V = ∅ und x0 ∈ U , Y ⊂ V . Proof Dies ist enthalten im Beweis von Theorem 1.100 ii). Theorem 1.127 Sei X ein Hausdorffraum. Dann ist X lokalkompakt, genau dann wenn zu jedem x ∈ X und zu jeder Umgebung U von x eine Umgebung V von x existiert so dass V̄ ⊂ X ein kompakter Teilraum ist mit V̄ ⊂ U . Proof ⇐: Zu x ∈ X kann man nach Voraussetzung eine Umgebung V von x wählen mit V̄ kompakt, also x ∈ V ⊂ V̄ und somit ist X lokalkompakt. 46 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE ⇒ Sei nun X lokalkompakt, x ∈ U mit U ⊂ X offen in X. Sei Y wie in Alexandroff’s Theorem und C := Y \U. =⇒ C ist kompakter Teilraum von Y (da U wegen der Konstruktion von Y auch offen in Y ist, ist C abgeschlossen in Y ). =⇒ ∃Ũ , Ṽ ⊂ Y offen in Y mit x ∈ Ũ , C ⊂ Ṽ , Ũ ∩ Ṽ = ∅ (diese Mengen existieren nach Lemma 1.126). =⇒ Ũ ⊂ Y \Ṽ =⇒ Ũ¯ Y ⊂ Y \Ṽ ⊂ Y \C = U und Ũ¯ Y ist kompakt =⇒ Behauptung mit V := Ũ (man beachte Ũ¯ X ⊂ Ṽ¯ Y ). 6.Juni Korollar 1.128 Sei X ein lokalkompakter Hausdorffraum, A ⊂ X ein Teilraum. abgeschlossen oder offen in X, so ist A ebenfalls lokalkompakt. Ist A entweder Proof Sei A abgeschlossen in X und sei x ∈ A. Es existiert jedenfalls ein C ⊂ X kompakter Teilraum, welcher eine Umgebung U von x in X enthält: x ∈ U ⊂ C. Die Menge C ∩ A ist abgeschlossen in C, also auch ein kompakter Teilraum, und U ∩ A ist eine Umgebung von x in der Teilraumtopologie von A, und es gilt x ∈ U ∩ A ⊂ C ∩ A =⇒ A ist lokalkompakt. Theorem 1.127 Sei A nun offen in X und x ∈ A. Dann ist A eine Umgebung in X von x =⇒ ∃ Umgebung V in X von x mit V̄ X kompakt und V̄ X ⊂ A. Setze nun C := V̄ X . Dann ist C kompakt und enthält die Umgebung V von x in A. Korollar 1.129 Sei X ein topologischer Raum X. Dann ist X lokalkompakt und Hausdorff, genau dann wenn X homöomorph ist zu einer offenen Teilmenge eines kompakten Hausdorffraums. Proof Korollar 1.128 liefert die eine Richtung, Alexandroff’s Theorem die andere Richtung. Die folgende Bemerkung ist nicht klausurrelevant, aber man sollte sie im Hinterkopf behalten: Bemerkung 1.130 i) R hat auch eine Kompaktifizierung ι : R → Y mit #(Y \ι(R)) = ∼ 2. Man kann einfach R = (−1, 1) ,→ [−1, 1] betrachten ii) Magi hat in 1965 bewiesen, dass es keine Kompaktifizierung ι : Y → R von R gibt mit #(Y \ι(R)) ∈ N≥3 . iii) Ist m ≥ 2, so hat Magi auch bewiesen, dass keine Kompaktifizierung ι : Y → Rm von Rm mit #(Y \ι(Rm )) ∈ N≥2 existiert. Es gibt weitere sinnvolle Kompaktifizierungen von lokalkompakten Hausdorffräumen (nicht klausurrelevant): 10. LOKALKOMPAKTE RÄUME UND KOMPAKTIFIZIERUNGEN 47 Theorem 1.131 (Stone-Cech-Kompaktifizierung, 1957) Sei X ein lokalkompakter Hausdorffraum (man könnte hier etwas allgemeiner Räume zulassen). Dann existiert bis auf Äquivalenz genau eine Kompaktifizierung (Y, ϕ) von Y mit folgender universeller Eigenschaft: Ist Z ein kompakter Hausdorffraum und f : X → Z stetig, so existiert genau eine stetige Abbildung f ϕ : Y → Z mit ϕ X f x / Y ∃!f ϕ Z kommutiert. Proof Ein vollständiger Beweis lässt sich im Buch “Topology” von Munkres finden (§ 38 in der second edition) finden. Der wesentliche Punkt für die Existenz von Y ist, dass sich Räume wie X in einen Raum der Art Y [0, 1]J = Xα , Xα := [0, 1], α∈J topologisch einbetten2 lassen, wobei J eine Indexmenge ist mit {stetige Funktionen X → [0, 1]} = {ϕα : X → [0, 1] | α ∈ J}. Ist ϕ0 : X → [0, 1]J so eine Einbettung, so leistet die induzierte Abbildung ϕ : X → ¯ das gewünschte. Y := ι(X) Die Eindeutigkeit folgt aus einem abstrakten kategorientheoretischen Argument. Etwas spezieller, kann man wie folgt vorgehen: Angenommen, es existierte eine weitere Kompaktifizierung ϕ0 : X → Y 0 mit der gleichen universellen Eigenschaft. Dann gibt es die gestrichelten stetigen Abbildungen Φ, Φ0 : 8Y ϕ Φ X ϕ0 ϕ / Y 0 idY Φ0 & Y Da beide Dreiecke kommutieren gilt Φ0 ◦ Φ ◦ ϕ = ϕ und idY ◦ ϕ = ϕ, wegen der Eindeutigkeitsaussage der universellen Eigenschft muss dann aber Φ0 ◦ Φ = idY . Analog zeigt man Φ ◦ Φ0 = idY 0 . Dies zeigt, dass Φ ein Hömo ist und ϕ äquivalent zu ϕ0 ist. 2 Eine Abbildung zwischen topologischen T : A → B heißt eine topologische Einbettung, falls T stetig und injektiv ist und die von T induzierte Abbildung A → T (B), x 7→ T (x), ein Homöomorphismus ist. 48 11 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Abzählbarkeitsaxiome und Separabilitätsaxiome Wir beschäftigen uns nun mit der folgenden Frage: Unter welchen Bedindingen ist ein topologischer Raum X metrisierbar (d.h., wann gibt es eine Metrik auf X die die gegebene Topologie induziert)? Es stellt sich heraus, dass man eine geeignete topologische Abzählbedingung und geeignete Trennungsbedingung an X stellen muss. 11.1 Abzählbarkeitsaxiome Definition 1.132 Ein topologischer Raum erfüllt das erste Abzählbarkeitsaxiom, falls für alle x ∈ X eine abzählbare Kollektion Bx von Umgebungen von x existiert, so dass für jede Umgebung U von x ein B ∈ Bx existiert mit x ∈ B ⊂ U (d.h., falls jedes x hat eine abzählbare Umgebungsbasis hat). Wir werden dann auch einfach sagen, dass X erstabzählbar sei. Beispiel 1.133 Metrische erfüllen das erste Abzählbarkeitsaxiom, denn zu x ∈ (X, d) kann man Räume 1 Bx = Bd x, n : n ∈ N betrachten. Theorem 1.134 Es erfülle X das erste Abzählbarkeitsaxiom. Dann gelten folgende Aussagen: i) Für alle Teilmengen A ⊂ X und alle x ∈ Ā existiert eine Folge (xn ) ⊂ A mit xn → x. ii) Ist Y ein topologischer Raum und hat eine Abbildung f : X → Y die Eigenschaft, dass für alle x ∈ X und alle Folgen (xn ) ⊂ X die Implikation xn → x =⇒ f (xn ) → f (x) erfüllt ist (n → ∞), so ist f stetig. Proof Genau wie für X metrisierbar. 8.Juni Definition 1.135 Ein topologischer Raum erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom, falls es eine abzählbare Basis der Topologie auf X gibt. Wir werden dann X auch einfach zweitabzählbar nennen. Bemerkung 1.136 i) Das zweite Abzählbarkeitsaxiom impliziert das erste: Sei B eine abzählbare Basis. Zu x ∈ X wähle dann Bx := {B ∈ B : x ∈ B}. 11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME 49 ii) Es gibt metrische Räume, die nicht das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllen: Nehme zum Beispiel den unendlichen Produktraum (R × R × . . . , d∞ ) mit d∞ ((xn )n∈N , (yn )n∈N ) := sup min(|xn − yn | , 1). n∈N iii) Kompakte metrische Räume sind immer zweitabzählbar: Für jedes n ∈ N wähle eine endliche offene Überdeckung des kompakten Raums X von n1 -Bällen. Die Menge all dieser Bälle ist abzählbar und eine Basis der Topologie von X. Theorem 1.137 i) Sei X ein zweitabzählbarer Raum und sei A ⊂ X ein Teilraum. Dann ist A auch zweitabzählbar. ii) Seien Xα , α ∈ J topologische Räume mit J einer Q abzählbaren Indexmenge. Dann sind alle Xα zweitabzählbar genau dann, wenn α∈J Xα zweitabzählbar ist in der Produkttopologie. Beide Aussagen stimmen auch für ”erstabzählbar”. Proof i) Etwa für zweitabzählbar: Ist B eine abzählbare Basis der Topologie auf X, so ist BA := {A ∩ B : B ∈ B} eine abzählbare Basis der Teilraumtopologie auf A. Analog für ’erstabzählbar’. ii) Übung. . Theorem 1.138 Sei X ein zweitabzählbarer topologischer Raum. Dann gelten folgende Aussagen: i) Jede offene Überdeckung A ⊂ P(X) von X enthält ein abzählbares Teilsystem A0 ⊂ A, welches X immer noch überdeckt. ii) Es existiert eine abzählbare dichte Teilmenge D von X (d.h. D ist abzählbar mit D̄ = X). Proof Sei im Folgenden B = {Bn : n ∈ N} eine abzählbare Basis der Topologie auf X. i) Setze J := {n ∈ N : ∃A ∈ A mit Bn ⊂ A}. Zu jedem n ∈ J sei An ∈ A mit Bn ⊂ An beliebig, aber fest gewählt. Dann ist A0 = {An : n ∈ J} ⊂ A abzählbar, aber auch eine Überdeckung von X, denn: Zu jedem x ∈ X existiert ein A ∈ A mit x ∈ A =⇒ ∃n ∈ N mit x ∈ Bn ⊂ A =⇒ n ∈ J =⇒ x ∈ Bn ⊂ An . ii) Setze J := {n : Bn 6= ∅}. Zu jedem n ∈ J sei xn ∈ Bn . Setze D := {xn : n ∈ J}. Dann ist D abzählbar und dicht in X. Definition 1.139 50 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE i) Ein topologischer Raum, der die Eigenschaft i) von Theorem 1.138 erfüllt, heißt Lindelöf-Raum. ii) Ein topologischer Raum, der die Eigenschaft ii) von Theorem 1.138 erfüllt, heißt separabel. Theorem 1.140 Sei X ein metrisierbarer topologischer Raum. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: i) X ist separabel. ii) X ist Lindelöf. iii) X ist zweitabzählbar. 11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME 51 Proof Noch zu zeigen: i) ⇒ iii) und ii) ⇒ iii). i) ⇒ iii): Sei D abzählbar mit D̄ = X. Dann ist S = {Bd (y, n1 ) : y ∈ D, n ∈ N} eine abzählbare Basis der metrischen Topologie auf X, denn: Sei x ∈ X und U ⊂ X offene Umgebung von x. Wähle r > 0 mit Bd (x,r) ⊂ U . Wähle n > 2r und y ∈ D mit y ∈ Bd (x, n1 ). Es gilt nun x ∈ Bd y, n1 ⊂ Bd (x, r) ⊂ U , wegen der Dreiecksungleichung und n > 2r . S ii) ⇒iii): Zu jedem n ∈ N sei (xj )j∈N so gewählt, dass X = j∈N B xj , n1 (X ist Lindelöf). Dann ist B := Bd xj , n1 : n ∈ N, j ∈ N eine abzählbare Basis. 11.2 Separationsaxiome Definition 1.141 Sei X ein T1 -Raum. i) X heißt regulär, falls für alle x ∈ X und alle abgeschlossenen Teilmengen A ⊂ X\{x} offene Mengen U, V ⊂ X existieren mit U ∩V = ∅ und x ∈ U sowie A ⊂ V . ii) X heißt normal, falls zu beliebigen disjunkten abgeschlossenen Teilmengen A, B ⊂ X offen Mengen U, V ⊂ X existieren mit U ∩ V = ∅ und A ⊂ U sowie B ⊂ V . Bemerkung 1.142 i) Regulär =⇒ Hausdorff. ii) Normal =⇒ Regulär. iii) R mit der Topologie zur Basis Bsorg := {[a, b) : a < b} ist normal ( =⇒ regulär); hier steht ’sorg’ für ’Sorgenfrey’. Hingegen ist der Produktraum R, TBsorg × R, TBsorg regulär, aber nicht normal. iv) Wir setzen Y := n1 : n ∈ N ⊂ R und definieren eine Basis B auf R durch A ∈ B, genau dann wenn es reelle Zahlen a < b gibt mit A = (a, b) oder wenn es reelle Zahlen a < b gibt mit A = (a, b) \ Y . Dann ist (R, TB ) ist Hausdorff, aber nicht regulär (Übung). 15.Juni Lemma 1.143 Sei X ein T1 -Raum. Dann gelten folgende Aussagen: i) X regulär, genau dann wenn für alle x ∈ X ein Umgebung V von x existiert mit V̄ ⊂ U . 52 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE ii) X ist normal, genau dann wenn für alle abgeschlossenen Mengen A ⊂ X und alle offenen Mengen U ⊂ X mit A ⊂ U eine offene Menge V ⊂ X existiert mit A ⊂ V und V̄ ⊂ U . Proof i) ⇒: Sei X regulär. Setze B := X\U . Dann ist B abgeschlossen und x ∈ / B, es gibt also ∃V, W ⊂ X offen mit V ∩ W = ∅ und x ∈ V, B ⊂ W . Aus V ⊂ X\W folgt V̄ ⊂ X\W = X\W ⊂ X\B = U. ⇐: Sei nun x ∈ X, B ⊂ X abgeschlossen und x 6= B. Dann ist also x ∈ U := X\B, und es gibt V ⊂ X offen mit x ∈ V und V ⊂ V̄ ⊂ U . Also gilt x ∈ V und B ⊂ X\V̄ , sowie V ∩ X\V̄ = ∅. ii) Völlig analog. Theorem 1.144 i) Sei X regulär und Y ⊂ X ein Teilraum. Dann ist Y regulär. ii) Sei Q Xα , α ∈ J topologische Räume (mit J einer beliebigen Indexmenge). Dann ist Xα regulär in der Produkttopologie genau dann, wenn alle Xα regulär sind. α∈J Proof Y X i) Y ist ein T1 -Raum, denn {y} = {y} ∩Y = {y}∩Y = {y}. Sei nun x ∈ Y, B ⊂ Y abgeschlossen in Y , x ∈ / B =⇒ B = B̄ Y = B̄ X ∩Y =⇒ x ∈ / B̄ X =⇒ ∃U, V ⊂ X offen in X, disjunkt mit x ∈ U, B̄ X ⊂ V =⇒ U ∩ Y, V ∩ Y offen in Y , disjunkt und x ∈ U ∩ V, B ⊂ V ∩ Y =⇒ Y regulär. ii) ⇒: Xα ist homöomorph zu einem Teilraum von Q i) Xα =⇒ Xα ist regulär (wir α∈J nehmen wie bei allen unendlichen Produkten an, dass alle Faktoren nichtleer sind). Q ⇐: Xα ist jedenfalls T1 , weil dies ein Hausdorff ist. Wir werden nun das obige α∈J Q Q Lemma benutzen: Sei x = (xα ) ∈ Xα und U ⊂ Xα offen mit x ∈ U . α∈J α∈J Q Q Wähle Basiselement Uα mit x ∈ Uα ⊂ U und setze α ( Vα := α Xα , falls Uα = Xα Umgebung von xα in Xα deren Abschluss in Xα enthalten ist, sonst 11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME =⇒ V := Q 53 Vα ist Umgebung von x und α V̄ = Y V¯α ⊂ α∈J Das heißt, Q Y Uα ⊂ U. α∈J Xα ist regulär. α∈J Theorem 1.145 Jeder reguläre zweitabzählbare Raum ist normal. Proof Seien A, B ⊂ X abgeschlossen mit A ∩ B = ∅. Nimm eine abzählbare Basis B der Topologie auf X. Zu jedem x ∈ A existiert eine Umgebung U von x mit U ∩ B = ∅. Wähle Umgebung V von x mit V̄ ⊂ US sowie W ∈ B mit x ∈ W ⊂ V . Wähle nun für jedes x ∈ A so ein W =⇒ A ⊂ Wn mit Wn offen und W̄n ∩ B = ∅. Analog n∈N n n S S Yn mit Yn offen und Y¯n ∩ A = ∅. Setze Wn0 := Wn \ Ȳi und Yn0 := Yn \ W̄i n=1 i=1 n∈N S S Yn0 . Dann sind W 0 , Y 0 offen und es gilt A ⊂ W und sowie W 0 := Wn0 und Y 0 := B⊂ S n∈N n∈N B ⊂ Y 0 . Noch zu zeigen: W 0 ∩ Y 0 = ∅. Dies sieht man wie folgt: Aus x ∈ W 0 ∩ Y 0 folgt / W̄j , Existenz von j, k ∈ N mit x ∈ Wj0 ∩ Yk0 . Sei etwa j ≤ k =⇒ x ∈ Wj , aber x ∈ k S da x ∈ Yk0 = Yk \ W̄i =⇒ Widerspruch. Der Fall j > k geht analog. Damit ist X i=1 normal. Theorem 1.146 Jeder metrisierbare Raum X ist normal. Proof Sei d eine die Topologie auf X induzierende Metrik auf X. Seien A, B ⊂ X abgeschlossen mit A ∩ B = ∅. Wähle zu jedem x ∈ A ein εx > 0 mit Bd (x, εx ) ∩ B wähle S = ∅ und εa zu jedem y ∈ B ein εy > 0 mit Bd (y, εy ) ∩ A = ∅. Setze U = Bd a, 2 und a∈A S V = Bd b, ε2b . Daraus folgt U ∩ V = ∅ mit A ⊂ U und B ⊂ Y , und U sowie V b∈B sind offensichtlich offen. Theorem 1.147 i) Sei X normal und A ⊂ X ein abgeschlossener Teilraum. Dann ist A normal. ii) X ist regulär und Lindelöf. Dann ist X normal. Proof Übungsaufgabe. 54 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Theorem 1.148 (Urysohn’s Lemma) i) Ist X ein T1 -Raum mit der Eigenschaft, dass für alle A, B ⊂ X abgeschlossen mit A ∩ B = ∅ eine stetige Funktion f : X → [0, 1] existiert mit f (x) = 0 für alle x ∈ A und f (x) = 1 für alle x ∈ B, so ist X normal. ii) Sei X ein normaler Raum, A, B ⊂ X abgeschlossen mit A ∩ B = ∅. Dann existiert eine stetige Funktion f : X → [0, 1] mit f (x) = 0 für alle x ∈ A und f (x) = 1 für alle x ∈ B. Da es für alle reellen Zahlen a < b einen Homöomorphismus φ : [a, b] → [0, 1] mit φ(a) = 0, φ(b) = 1 gibt, kann man überall im Urysohn-Lemma [0, 1] durch [a, b] ersetzen, wobei dann f (x) = a für alle x ∈ A und f (x) = b für alle x ∈ B gilt. 20.Juni Proof of Urysohn’s Lemma. i) Die Mengen A und B werden durch die offenen Mengen f -1 [0, 21 ) und f -1 ( 12 , 1] getrennt, d.h. X ist normal. ii) Wir erklären zunächst die Beweisidee zur Konstruktion von f mit den gewünschten Eigenschaften: Die Normalität von X wird benutzt, um zu jedem p ∈ Q eine offene Menge Up ⊂ X zu konstruieren, so dass A ⊂ U0 , U1 = X\B und p < q =⇒ Ūp ⊂ Uq , sowie Up = ∅ für alle p < 0 und Up = X für alle p > 0. Wenn man diese Konstruktion hinbekommen hat, kann man einfach f : X → [0, 1], f (x) := inf Q(x) := inf {p ∈ Q : x ∈ Up } setzen. Dieses f ist dann stetig (wenn man die Up wie oben hat, wird für die Stetigkeit von f wird die Normalität von X nicht mehr gebraucht). Konstruktion von {Up ⊂ X : p ∈ Q}: Sei zunächst P := [0, 1] ∩ Q. Wir setzen U1 := X\B. Da abgeschlossen in X ist mit A ⊂ U1 , und U1 offen in X ist, impliziert die Normalität von X die Existenz von U0 ⊂ X offen mit A ⊂ U0 und Ū0 ⊂ U1 . Sei nun P = {xn : n ∈ N} (also eine Abzählung von Q), wobei wir x1 = 1 und x2 = 0 setzen. Setze außerdem Pn := {x1 , x2 , . . . , xn } und sei n ≥ 3. Angenommen, Up ist bereits definiert für alle p ∈ Pn , so dass gilt p, q ∈ Pn , q < p =⇒ Ūp ⊂ Uq . Wir wollen nun Up konstruieren für alle p ∈ Pn+1 , so dass für alle p, q ∈ Pn+1 mit p < q gilt Ūp ⊂ Uq . Sei hierzu r := xn+1 ∈ / {0, 1}. Die Menge Pn+1 = Pn ∪ {r} ist endlich und einfach geordnet bezüglich <, d.h. r hat einen direkten Voränger p0 ∈ Pn+1 und einen direkten Nachfolger s ∈ Pn+1 , insbesondere gilt also p0 < r < s, was p0 , s ∈ Pn zur Folge hat. Die Mengen Up0 und Us sind also bereits definiert. Aus der Normalität folgt die Existenz von Ur offen in X mit U¯p0 ⊂ Ur ⊂ Ūr ⊂ Us . 11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME 55 Diese Konstruktion liefert das Gewünschte: Sind nämlich p, q ∈ Pn+1 mit p < q, so gibt es zwei Fälle. Im ersten Fall sind p, q ∈ Pn , was nach Induktionsvoraussetzung Ūp ⊂ Uq impliziert. Im anderen Fall ist p = r und q ∈ Pn . Dann gilt entweder q ≤ p0 , was Ūq ⊂ Ūp0 ⊂ Ur impliziert, oder es gilt q ≥ s, was Ūr ⊂ Ūs ⊂ Uq impliziert. S Wir haben also bis jetzt Uj definiert für alle j ∈ P = n Pn , so dass p, q ∈ P, q < p =⇒ Ūp ⊂ Ūq . Nun setzen wir ( ∅ Up := X ,p < 0 ,p > 1 für alle p ∈ Q \ P . Erneut gilt p, q ∈ Q, q < p =⇒ Ūp ⊂ Ūq . Ist f wie oben definiert, so hat f alle gewünschte Eigenschaften: Falls x ∈ A, so gilt x ∈ Up für alle p > 0, also Q(x) = Q≥0 , und f (x) = 0. Falls x ∈ B, so liegt x in keinem Up mit p ≤ 1, d.h. Q(x) = Q≥1 und f (x) = 1. Wir müssen nur noch zeigen, dass f stetig ist. Hierzu bemerken wir folgende beiden Hilfsaussagen: A1: r ∈ Q, x ∈ Ūr =⇒ f (x) ≤ r. Dies sieht man wie folgt: Es gilt x ∈ Us für alle s > r, also Q(x) ⊃ Q≥r und f (x) ≤ r. A2: r ∈ Q, x ∈ / Ur =⇒ f (x) ≥ r. Dies sieht man wie folgt: Q(x) ∩ Q≤r = ∅ =⇒ f (x) ≥ r. Sei nun x0 ∈ X beliebig und f (x0 ) ∈ (c, d) mit c < d. Gesucht ist eine Umgebung U von x0 mit f (U ) ⊂ (c, d). Wähle hierzu p, q ∈ Q mit c < p < f (x0 ) < q < A2 d =⇒ U := Uq \Ūp ist offen und x0 ∈ U , denn: f (x0 ) < q =⇒ x0 ∈ Uq und A1 f (x0 ) > p =⇒ x0 ∈ / Ūp =⇒ x0 ∈ U und f (U ) ⊂ (c, d), da für alle x ∈ U gilt: A1 x ∈ Uq ⊂ Ūq =⇒ f (x) ≤ q < d. Analog folgt mit A2, dass f (x) ≥ p > c. Wir haben also beweisen, dass f stetig ist. Theorem 1.149 (Tietzescher Fortsetzungssatz) Sei X normal, A ⊂ X ein abgeschlossener Teilraum und f : A → R stetig. Dann existiert eine stetige Fortsetzung von F : X → R von f . 56 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Proof Behauptung 1: Gilt f (x) ∈ [−r, r] für alle x ∈ A und einem r > 0, so existiert ein g : X → R stetig mit |g(x)| ≤ 3r für alle x ∈ X und |g(a) − f (a)| ≤ 2r für alle a ∈ A. 3 Beweis: Setze I1 := −r, − 13 r , I2 := − 13 r, 13 r , I3 := 31 r, r , B := f -1 (I1 ), C := f -1 (I3 ). Nach dem Lemma von Uryson gibt es dann eine stetige Funktion g : X → − 31 r, 13 r mit g|B ≡ − 13 r, g|C ≡ 13 r. Diese Funktion g hat die gewünschte Eigenschaften. Behauptung 2: Ist f (x) ∈ [−1, 1], so existiert eine stetige Fortsetzung F : X → [−1, 1] von f . Beweis: Wegen Behauptung 1 existiert g1 : X → R stetig mit |g1 (x)| ≤ und 2 |f (a) − g1 (a)| ≤ für alle a ∈ A. 3 Betrachte nun 2 2 f − g1 : A → − , . 3 3 1 3 für alle x ∈ X Dann gibt es wegen Behauptung 1 eine stetige Funktion g2 : X → R mit |g2 (x)| ≤ 13 23 und 22 für alle a ∈ A. |f (a) − g1 (a) − g2 (a)| ≤ 33 Induktiv sieht man nun, dass es für alle n ∈ N eine stetige Funktion gn : X → R gibt (∗) n−1 mit |gn (x)| ≤ 13 23 für alle x ∈ X und n (∗∗) 2 n X für alle a ∈ A. gi (a) ≤ f (a) − 3 i=1 D.h., die Funktionenreihe F : X → R, F (x) := ∞ X gn (x) n=1 konvergiert wegen (∗) gleichmäßig (F ist also stetig), und (∗) impliziert auch F ∈ [−1, 1]. Wegen (∗∗) gilt F |A ≡ f . Behauptung 3: Es gilt der Fortsetzungssatz von Tietze. Beweis: OBdA sei f : A → (−1, 1) (wegen (−1, 1) ∼ = R). Wegen Behauptung 2 gibt es dann eine stetige Fortsetzung F̃ : X → [−1, 1] von f . Setzte D := F̃ -1 ({−1})∪ F̃ -1 ({1}). Aus F̃ (A) = f (A) ⊂ (−1, 1) folgt dann D ∩ A = ∅. Nach dem Lemma von Urysohn gibt es dann φ : X → [0, 1] stetig mit φ(D) = {0} und φ(A) = {1}. Dann hat F : X → (−1, 1), F (x) := φ(x)F̃ (x) alle gewünschten Eigenschaften. 22. Juni 11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME 57 Theorem 1.150 (Urysohnscher Metrisierungssatz) Jeder reguläre zweitabzählbare Raum X ist metrisierbar. Bemerkung 1.151 Reguläre zweitabzählbare Räume sind normal. Für den Beweis des Urysohnschen Metrisierungssatzes benötigen wir die folgenden drei Hilfsaussagen: Lemma 1.152 R × R × . . . mit der Produkttopologie ist metrisierbar. Proof Übungsaufgabe. Lemma 1.153 Sei X ein zweitabzählbarer, regulärer Raum. Dann existiert eine abzählbare Familie von stetigen Funktionen fn : X → [0, 1], n ∈ N, mit der folgenden Eigenschaft: Zu jedem x0 ∈ X und jeder Umgebung U von x0 existiert ein n ∈ N mit fn (x0 ) > 0 und fn |X\U ≡ 0. Proof Übungsaufgabe. Lemma 1.154 Sei X ein T1 -Raum und sei fα : X → [0, 1], α ∈ J (mit J einer beliebigen Indexmenge), eine Familie von stetigen Funktionen mit der folgenden Eigenschaft: Zu jedem x0 ∈ X und jeder Umgebung U von x0 existiert ein α ∈ J mit fα |X\U ≡ 0. Dann ist die Abbildung F : X → [0, 1]J F (x)α := fα (x), α ∈ J, eine topologische Einbettung, d.h. F ist injektiv, stetig und die von F induzierte Abbildung X → F (X) ist ein Homöomorphismus. Hierbei bezeichnet [0, 1]J das Produkt Y [0, 1]J := Xα , Xα := [0, 1] für alle α ∈ J, α∈J und ist mit der Produkttopologie versehen. Proof In der Übung. Proof of Urysohnscher Metrisierungssatz. Wähle {fn : n ∈ N} wie in Lemma 1.153. Dann ist nach Lemma 1.154 die Abbildung F : X → [0, 1]N , F (x)n := fn (x), n ∈ N, ∼ ist eine topologische Einbettung, d.h. X = F (X), aber F (X) ist metrisierbar nach Lemma 1.152. 58 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Ohne Beweis geben wir noch die Metrisierungscharakterisierung von Nagata-Smirnov an. Hierzu brauchen wir eine Definition, die auch an einer anderen Strelle nützlich sein wird: Definition 1.155 Sei X ein topologischer Raum und A ⊂ P(X) ein Mengensystem. Dann heißt A... i) lokalendlich, falls zu jedem x ∈ X eine Umgebung U von x existiert mit # {A ∈ A : A ∩ U 6= ∅} < ∞ ii) abzählbar lokal endlich, falls zu S jedem n ∈ N ein lokalendliches Mengensystem An ⊂ P(X) existiert mit A = An . n∈N Theorem 1.156 (Nagata-Smirnov) Ein topologischer Raum X ist metrisierbar genau dann, wenn X regulär ist mit einer abzählbar lokalendlichen Basis der Topologie. Da Zweitabzählbarkeit offensichtlich die Existenz einer abzählbar lokal endlichen Basis impliziert, ist also sogar die ⇐-Richtung von Nagata-Smirnov allgemeiner als der Urysohnsche Metrisierungssatz. Definition 1.157 Sei X ein topologischer Raum, {Aα : α ∈ J} eine indizierte Familie von Teilmengen von X. Dann heißt {Aα : α ∈ J} lokal endlich indiziert (l.e.i.), falls zu jedem x ∈ X eine Umgebung U von x existiert mit # {α ∈ J : U ∩ Aα 6= ∅} < ∞. Bemerkung 1.158 Eine indizierte Familie {Aα : α ∈ J} von Teilmengen des topologischen Raums X ist lokal endlich indiziert, genau dann wenn {Aα : α ∈ J} ein lokal endliches Mengensystem ist und die Bedingung # {α ∈ J : Aα = A} < ∞ für alle A ⊂ X mit A 6= ∅ erfüllt ist. Definition 1.159 Sei X ein topologischer Raum und sei {Uα : α ∈ J} eine indizierte offene Überdeckung von X. Eine mit der gleichen Indexmenge J indizierte Familie {φα : α ∈ J} von stetigen Funktionen φα : X → [0, 1] heißt eine der Überdeckung {Uα : α ∈ J} untergeordnete stetige Teilung der Eins, falls folgende Voraussetzungen erfüllt sind: i) supp(φα ) := {x ∈ X : φα (x) 6= 0} ⊂ Uα für alle α ∈ J 11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME 59 ii) {supp(φα ) : α ∈ J} ist lokalendlich indiziert iii) P φα (x) = 1 für alle x ∈ X. α∈J Wir wollen nun zeigen, es auf metrisierbaren topologischen Räumen zu jeder indizierten offenen Überdeckung eine untergeordnete stetige Teilung der Eins gibt. Für den Beweis beötigen wir das folgende Schrumpfungslemma: Lemma 1.160 Ist X metrisierbar, so existiert zu jeder indizierten offenen Überdeckung {Uα : α ∈ J} von X eine offene lokal endlich indizierte Überdeckung {Vα : α ∈ J} von X mit V̄α ⊂ Uα für alle α ∈ J. Proof Wir benutzen den Parakompaktheitssatz von Stone. Dieser besagt, dass jeder metrisierbare topologische Raum X folgende Parakompaktheitseigenschaft hat: Zu jeder offenen Überdeckung A ⊂ P(X) existiert eine lokalendliche offene Überdeckung B ⊂ P(X) von X, mit der Eigenschaft dass für alle B ∈ B ein A ∈ A mit B ⊂ A existiert. Ein Beweis lässt sich Munkres finden (Theorem 41.4 in der second edition). Wir setzen nun A := A ⊂ X offen : ∃α ∈ J mit Ā ⊂ Uα . Da X regulär ist, ist A eine offene Überdeckung von X. Wähle B wie in obigen Satz von Stone und schreibe B = {Bβ : β ∈ K} für eine Indexmenge K. Dann ist B ist lokal endlich indiziert. Sei f : K → J eine Abbildung mit B̄β ⊂ Uf (β) für alle β ∈ K. Zu α ∈ J sei [ Vα := {Bβ : β ∈ K und α = f (β)} . Da {Bβ : β ∈ K und α = f (β)} lokalendlich ist, folgt die erste Inklusion in (∗) V̄α ⊂ [ B̄β : β ∈ K und α ∈ f (β) ⊂ Uα . Noch zu zeigen: {Vα : α ∈ J} ist lokal endlich indiziert: Ist x0 ∈ X, so existiert (da B lokal endlich indiziert ist), eine Umgebung U von x0 mit U ∩ Bβ 6= ∅ für höchstens endlich viele β = β1 , . . . , βl ∈ K =⇒ Vα ∩ U 6= 0 nur für α = f (β1 ), . . . , f (βl ). 27. Juni Theorem 1.161 Sei X ein metrisierbarer topologischer Raum. Dann existiert zu jeder indizierten offenen Überdeckung {Uα : α ∈ J} von X eine untergeordnete stetige Teilung der Eins {φα : α ∈ J}. 60 CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE Proof Nach dem Schrumpfungslemma gibt es eine lokal endlich indizierte offene Überdeckung {Vα : α ∈ J} von X mit V̄α ⊂ Uα für alle α ∈ J. Analog gibt es eine lokal endlich indiziert offene Überdeckung {Wα : α ∈ J} von X mit W̄α ⊂ Vα für alle α ∈ J. Da X ist normal ist, finden wir nach dem Lemma von Urysohn für alle α ∈ J eine stetige Funktion ψα : X → [0, 1] mit ψα (W̄α ) = {1} und ψα (X\Vα ) = {0}. Daraus folgt direkt supp(ψα ) ⊂ V̄α ⊂ Uα für alle α ∈ J. Da {V̄α : α ∈ J} lokal endlich indiziert ist, gilt dies auch für {supp(ψα ) : α ∈ J}. Setze X ψ : X → R, ψ(x) = ψα (x). α∈J Da {supp(ψα ) : α ∈ J} lokal endlich indiziert ist, ist ψ ist stetig mit ψ(x) > 0 für alle x ∈ X (letzteres, da jedes x ∈ X in einem Wα liegen muss). Nun sieht man leicht, dass φα : X → [0, 1], φα (x) := alle gewünschten Eigenschaften hat. ψα (x) ψ(x) Chapter 2 Homotopie, Fundamentalgruppen und Überlagerungen 1 Grundbegriffe zur Homotopietheorie und Fundamentalgruppen Mit den bisher behandelten topologischen Invarianten (Kompaktheit, Wegzusammen∼ hang, usw.) kann man nicht einmal beweisen, dass R2 = 6 R3 . Dafür braucht man feinere topologische Invarianten, etwa Fundamentalgruppen. Im Folgenden bezeichne I := [0, 1] stets das Einheitsinterval (welches also mit der Teilraumtopologie ⊂ R versehen wird). Definition 2.1 Seien f, f 0 : X → Y stetige Abbildungen zwischen den topologischen Räumen X und Y . Dann heißen f und f 0 homotop, fall eine stetige Abbildung F : X × I → Y existiert mit F (·, 0) = f und F (·, 1) = f 0 . So ein F heißt Homotopie zwischen f und f 0 . Sind f und f 0 homotop, so schreibt man f ' f 0 . Ist f homotop zu einer konstanten Abbildung, so heißt f nullhomotop. Von nun an sei X ein beliebiger topologischer Raum. Bemerkung 2.2 Für einen Weg γ : I → X heißt γ(0) der Anfangspunkt von γ und γ(1) der Endpunkt von γ. Es sei außerdem daran erinnert, dass Wege für uns per Definition stetig sind. Wege γ : I → X der Anfangspunkt γ(0) mit dem Endpunkt γ(1) übereinstimmt, werden wir auch Schleifen nennen. Der Punkt x0 := γ(0) = γ(1) heißt dann die Basis der Schleife γ. Definition 2.3 Seien f, f 0 : I → X Wege. Dann heißen f und f 0 weghomotop, falls sie den gleichen 61 62CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN Anfangspunkt x0 , den gleichen Endpunkt x1 haben und außerdem eine Homotopie F : I× I → X zwischen f und f 0 existiert mit F (0, ·) ≡ x0 und F (1, ·) ≡ x1 . So eine Abbildung F heißt dann eine Weghomotopie zwischen f und f 0 . Sind f und f 0 weghomotop, so schreibt man f 'P f 0 . Lemma 2.4 ' und 'P sind Äquivalenzrelationen. Proof Wir geben den Beweis für Weghomotopien (für Homotopien geht alles analog). Reflexivität: f 'P f ,denn F : I × I → X, F (s, t) := F (s) ist eine Weghomotopie zwischen f und f . Symmetrie: f 'P f 0 =⇒ f 0 'P f ,denn ist F : I × I → X ein Weghomotopie zwischen f und f 0 , so ist F̄ (s, t) := F (s, 1 − t) ist dann eine Weghomotopie zwischen f 0 und f . Transitivität: f 'P f 0 und f 0 'P f 00 =⇒ f 'P f 00 , denn mit den entsprechenden Weghomotopien F , F 0 ist ( F (s, 2t) , t ≤ 12 G(s, t) = F 0 (s, 2t − 1) , t ≥ 21 eine Weghomotopie von f nach f 00 . Beispiel 2.5 i) Sei A ⊂ Rm ein konvexer Teilraum (d.h. zu je zwei Punkten in A verläuft ihre gradlinige Verbindung vollständig in A). Dann sind je zwei Wege f, f 0 : I → A mit f (0) = f 0 (0) und f (1) = f 0 (1) weghomotop: In der Tat, F (s, t) = (1 − t)f (s) + tf 0 (s) ist eine Weghomotopie zwischen f und f 0 , die so genannte gradlinige Weghomotopie zwischen f und f 00 . ii) Auf X = R2 \ {0} sei f der Weg von (1, 0) nach (−1, 0) der entlang der oberen Hälfte von S 1 verläuft, und sei f 0 der Weg von (1, 0) nach (−1, 0) der entlang der unteren Hälfte von S 1 verläuft. Dann sind f und f 0 nicht weghomotop bezüglich X, wohl aber bezüglich R2 . Weghomotopieäquivalenzklassen von Wegen werden im Folgenden mit [f ] bezeichnet. D.h., für Wege f, f 0 : I → X gilt [f ] = [f 0 ], genau dann wenn f 'P f 0 . Definition 2.6 Sind f, g : I → X Wege mit f (1) = g(0), so ist der Weg f ∗ g : I → X definiert durch ( f (2s) , s ≤ 12 . f ∗ g(s) = g(2s − 1) , s ≥ 12 1. GRUNDBEGRIFFE ZUR HOMOTOPIETHEORIE UND FUNDAMENTALGRUPPEN63 Im obiger Situation ist [f ] ∗ [g] := [f ∗ g] wohldefiniert: Aus f0 'P f1 mittels der Weghomotopie F und g0 'P g1 mittels der Weghomotopie G, folgt f0 ∗ g0 ' f1 ∗ g1 mittels der Weghomotopie H(s, t) := (F (·, t) ∗ G(·, t))(s). 29. Juni Theorem 2.7 Sei x0 ∈ X und bezeichne π1 (X, x0 ) := {[f ] : f (0) = x0 = f (1)} die Menge der Weghomotopieklassen von Schleifen auf Xmit Basis x0 . Dann ist (π1 (X, x0 ), ∗, [ex0 ]) eine Gruppe, wobei ex0 : I → X, s 7→ x0 , die Konstante Schleife bezeichnet. Gruppeninverse sind wie folgt gegeben: Für [f ] ∈ π1 (X, x0 ) ist [f ]-1 := [f¯] mit f¯: I → X, f¯(s) = f (1 − s) der rückwärts durchlaufenen Schleife. Für den Beweis benötigen wir: Definition 2.8 Sei f : I → X ein Weg und ϕ : I → I stetig mit ϕ(0) = 0 und ϕ(1) = 1. Dann heißt ϕ eine Parametertransformation und f ◦ ϕ die Umparametrisierung des Weges f bezüglich ϕ. Bemerkung 2.9 Alle Parametertransformationen ϕ : I → I erhalten die Weghomotopieklassen, d.h. für alle Wege f : I → X gilt [f ] = [f ◦ ϕ]. Eine kanonische Weghomotopie zwischen f und f ◦ ϕ und ist durch F (s, t) = f t · ϕ(s) + (1 − t)s gegeben. Außerdem folgt wegen ϕ(0) = 0 und ϕ(1) = 1 noch, dass für [f ] ∈ π1 (X, x0 ) auch [f ◦ ϕ] ∈ π1 (X, x0 ) gilt. Proof of Theorem 2.7 64CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN Assoziativität des Produkts: Zu zeigen ist, dass für je drei Schleifen f, g, h : I → X mit Basis x0 gilt (f ∗g)∗h 'P f ∗(g∗h). Dies gilt, da f ∗(g∗h) = ((f ∗g)∗h)◦ϕ mit ϕ : I → I der eindeutig bestimmten stückweise linearen Parametertransformation, die ϕ(0) = 0, ϕ(1/2) = 1/4, ϕ(3/4) = 1/2, ϕ(1) = 1 erfüllt. [ex0 ] ist das neutrale Element: Zu zeigen ist, dass für jede Schleife f : I → X mit Basis x0 die Identitäten f ∗ ex0 'P f 'P ex0 ∗ f erfüllt sind. Dies gilt, da zum einen f ∗ ex0 = f ◦ ϕ mit ϕ : I → I der eindeutig bestimmten stückweise linearen Parametertransformation, die ϕ(0) = 0, ϕ(1/4) = 1/2, ϕ(1/2) = 1, ϕ(1) = 1 erfüllt. Zum anderen gilt ex0 ∗ f = f ◦ ϕ0 mit ϕ0 : I → I der eindeutig bestimmten stückweise linearen Parametertransformation, die ϕ0 (0) = 0, ϕ0 (1/2) = 0, ϕ0 (1) = 1 erfüllt. Inverse Elemente: Zu zeigen ist f ∗ f¯ 'P ex0 'P f¯ ∗ f für jede Schleife f : I → X mit Basis x0 . Wegen f¯ = f reicht es f ∗ f¯ 'P ex0 zu zeigen. Der Weg f ∗ f¯ ist aber weghomotop zur konstanten Schleife ex0 mittels der Weghomotopie F (s, t) := F1 (s, t) ∗ F1 (1 − s, t), wobei F1 : I × I → X gegeben ist durch ( f (s), F1 (s, t) := f (1 − t), s ∈ [0, 1 − t] s ∈ [1 − t, 1]. Wir sind im Beweis dem Buch “Algebraic Topology” von Hatcher gefolgt (welches frei im Internet erhältlich ist). Definition 2.10 Sei x0 ∈ X. Dann heißt π1 (X, x0 ) die Fundamentalgruppe des topologischen Raum X bei x0 . Die Gruppe π1 (X, x0 ) wird auch die erste Homotopiegruppe von X bei x0 genannt (es gibt also auch höhere Fundamentalgruppen πn (X, x0 ); siehe etwa Hatcher). Es gilt stets π1 (X, x0 ) = π1 (C, x0 ) mit C der Wegzusammenhangskomponente von x0 . Hierbei wird C als Teilraum von X angesehen. Beispiel 2.11 Sei A ein konvexer Teilraum des Rm . Dann gilt π1 (A, x0 ) = {[ex0 ]} für alle x0 ∈ X. Dies folgt unmittelbar aus dem ersten Teil von Bemerkung 2.5. 1. GRUNDBEGRIFFE ZUR HOMOTOPIETHEORIE UND FUNDAMENTALGRUPPEN65 Definition 2.12 Seien x0 , x1 ∈ X und α : I → X ein Weg von x0 nach x1 . Wir definieren α̂ : π1 (X, x0 ) → π1 (X, x1 ), [f ] 7→ [ᾱ] ∗ [f ] ∗ [α]. Bemerkung 2.13 i) α̂ ist wohldefiniert und hängt nur von [α] ab. ii) Wenn X nicht wegzusammenhängend ist, wird es natürlich i.A. für beliebige x0 , x1 ∈ X keinen Weg α von x0 nach x0 geben. Theorem 2.14 Seien x0 , x1 ∈ X und α : I → X ein Weg von x0 nach x1 . Dann ist α̂ ein Gruppenisomorphismus. Proof α̂ ist jedenfalls ein (Gruppen-)Homomorphismus, denn α̂([f ]) ∗ α̂([g]) = ([α̂] ∗ [f ] ∗ [α]) ∗ ([α̂] ∗ [g] ∗ [α]) = α̂([f ] ∗ [g]). ˆ. Außerdem ist α̂ bijektiv mit (α̂)-1 = ᾱ Korollar 2.15 Ist X wegzusammenhängend, so gilt π1 (X, x0 ) ∼ = π1 (X, x1 ) für alle x0 , x1 ∈ X. Der Isomorphismus aus dem Korollar 2.15 ist im Allgemeinen nicht kanonisch. Es gilt aber: Theorem 2.16 Sei X wegszusammenhängend und x0 , x1 ∈ X. Dann ist π1 (X, x0 ) kommutativ, genau dann wenn für alle Wege α, β : I → X von x0 nach x1 die Bedingung α̂ = β̂ erfüllt ist. Proof Übungsaufgabe. Definition 2.17 X heißt einfach wegzusammenhängend, falls X wegzusammenhängend ist und π1 (X, x0 ) trivial ist für ein x0 ∈ X, d.h. π1 (X, x0 ) = {[ex0 ]}. Dann ist π1 (X, x) trivial für alle x ∈ X, wegen Korollar 2.15. Für die Trivialität von π1 (X, x0 ) schreibt man oft auch π1 (X, x0 ) = 0. Lemma 2.18 Sei X wegzusammenhängend. Dann ist X genau dann einfach wegzusammenhängend, wenn für alle Wege α, β : I → X mit gleichem Anfangspunkt und gleichem Endpunkt die Bedingung α 'P β erfüllt ist. 66CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN Proof ⇒: Sei x0 der Anfangspunkt von α und β und x1 ihr gemeinsamer Endpunkt. Dann ist α ∗ β̄ eine Schleife mit Basispunkt x0 . Da X einfach wegzusammenhängend ist, folgt α ∗ β̄ 'P ex0 , also [α ∗ β̄] ∗ [β] = [ex0 ] ∗ [β], und schließlich [α] = [β]. ⇐: Das ist trivial. Wir wollen nun zeigen, dass stetige Abbildungen zwischen punktierten topologischen Räumen kanonisch Gruppenhomomorphismen induzieren. Hierzu führen wir folgende Notation ein: Wir schreiben h : (X, x0 ) → (Y, y0 ), falls x0 ∈ X, y0 ∈ Y und falls h : X → Y eine Abbildung mit h(x0 ) = y0 ist. Definition 2.19 Für eine stetige Abbildung h(X, x0 ) → (Y, y0 ) zwischen den topologischen Räumen X und Y sei h∗ definiert durch h∗ : π1 (X, x0 ) → π1 (Y, y0 ), [f ] 7→ [h ◦ f ]. Dann heißt h∗ der von h induzierte Gruppenhomomorphismus. Bemerkung 2.20 i) Die Abbildung h∗ ist wohldefiniert. ii) Es gilt, (h ◦ g)∗ = h∗ ◦ g∗ , wann immer es sinnvoll ist. Außerdem gilt (idX,x0 )∗ = idπ1 (X,x0 ) , falls idX,x0 : (X, x0 ) → (X, x0 ) die Identität ist. 4. Juli Theorem 2.21 Ist h : (X, x0 ) → (Y, y0 ) ein Homöomorphismus, so ist h∗ : π1 (X, x0 ) → π1 (Y, y0 ) ein Gruppenisomorphismus. Proof Es gilt (h∗ )-1 = (h-1 )∗ . Das heißt, π1 (X, x0 ) ist also eine topologische Invariante in dem Sinne, das homöomorphe punktierte topologische Räume isomorphe Fundamentalgruppen haben. Insbesondere ist die Isomorphie der Fundamentalgruppen notwendig für die Homöomorphie. 2. ÜBERLAGERUNGEN 2 67 Überlagerungen Für den Moment werden Überlagerungen ein technisches Hilfsmittel für uns sein, um Fundamentalgruppen auszurechnen. Oft sind Überlagerungen mit gewissen Zusatzeigenschaften aber auch für sich interessant, etwa in der Differentialgeomtrie (Spin-Gruppen, die orientierbare Überlagerung einer Mannigfaltigkeit usw.). Definition 2.22 Sei p : E → B ein stetige surjektive Abbildung zwischen topologischen Räumen. i) Eine offene Menge U ⊂ B heißt eine Überlagerunsmenge von p, falls eine disjunkte Familie {Vα : α ∈ J} offener disjunkter Teilmengen von E existiert (mit J F -1 einer beliebigen Indexmenge), so dass p (U ) = Vα und so dass p|Vα : Vα → U α∈J ein Homöomorphismus ist. Dann nennt man {Vα : α ∈ J} auch eine Zerlegung von p-1 (U ) in Scheiben. ii) p heißt eine Überlagerung, falls es zu jedem b ∈ B eine Umgebung U von b gibt, so dass U zugleich eine Überlagerungsmenge von p ist. iii) Sind E 0 , B 0 topologische Räume, so heißt E 0 ein Überlagerungsraum von B 0 , falls eine Überlagerung p0 : E 0 → B 0 exisiert. Lemma 2.23 Sei p : E → B eine Überlagerung. Dann gelten folgende Aussagen: i) Für alle b ∈ B trägt der Teilraum p-1 (b) ⊂ E die diskrete Topologie. ii) p ist offen. Proof Übung. Beispiel 2.24 1. Sei X ein topologischer Raum und n ∈ N. Dann ist p : X × {1, . . . , n} → X, (x, j) 7→ X eine Überlagerung. Hierbei wird {1, . . . , n} mit der diskreten Topologie versehen, so dass X × {1, . . . , n} als n-fache disjunkte Kopie von sich selbst gelesen werden kann. 2. Die Abbildung p : R1 → S 1 , x 7→ (cos(2πx), sin(2πx)) ist eine Überlagerung: Sei etwa Urechts :=”rechter offener Halbkreis des Einheitskreises”. Dann gilt G p-1 (Urechts ) = Vn n∈N 1 ,n 4 1 4 + , und Urechts wird zu einer Überlagerungsmenge von p. mit Vn := n − Analog für Ulinks , Uoben , Uunten , und diese Mengen überdecken S 1 . 68CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN Bemerkung 2.25 i) Überlagerungen sind lokale Homöomorphismen. Es gibt aber viele sogar surjektive lokale Homöomorphismen, die aber dennoch keine Überlagerungen sind: Etwa R+ → S 1 , x 7→ (cos(2πx), sin(2πx)). ii) Topologische Räume haben i. A. viele recht unterschiedliche Überlagerungsräume: So ist etwa für alle natürlichen Zahlen n die Abbildung p : C ⊃ S 1 → S 1 ⊂ C, z 7→ z n eine weitere Überlagerung. Gibt es für eine Überlagerung p : E → B eine Kardinalzahl κ mit #p−1 (b) = κ, so nennt man p eine κ-fache Überlagerung. Die obige Überlagerung p : R → S 1 etwa ist eine N -fache Überlagerung, mit N der Kardinalität der natürlichen Zahlen. Die Überlagerung p : S 1 → S 1 , z 7→ z n hingegen ist eine n-fache Überlagerung. Dieser Begriff soll uns aber im Folgenden nicht weiter beschäftigen. Lemma 2.26 Ist p : E → B eine Überlagerung und B0 ⊂ B ein Teilraum, so ist p0 := p|p-1 (B0 ) : p-1 (B0 ) → B0 eine Überlagerung. Proof Ist U eine Überlagerungsmenge von p mit zugehörigen Scheiben Vα , α ∈ J, so gilt G p-1 Vα ∩ p-1 (B0 ) 0 (U ∩ B0 ) = α∈J und U ∩ B0 wird zu einer Überlagerungsmenge von p0 mit Scheiben Vα ∩ p-1 (B0 ). Lemma 2.27 Sind p : E → B, p0 : E 0 → B 0 Überlagerungen, so auch (p, p0 ) : E × E 0 → B × B 0 . Proof Ist U eine Überlagerungsmenge von p mit zugehörigen Scheiben Vα , α ∈ J, und U 0 eine Überlagerungsmenge von p0 mit zugehörigen Scheiben Vα0 0 , α0 ∈ J 0 , so gilt G (p, p0 )−1 (U × U 0 ) = Vα × Vα0 0 (α,α0 )∈J×J 0 und U ×U 0 wird zu einer Überlagerungsmenge von (p, p0 ) mit Scheiben Vα ×Vα0 0 , (α, α0 ) ∈ J × J0 . 2. ÜBERLAGERUNGEN 69 Beispiel 2.28 Mit p : R1 → S 1 wie oben ist (p, p) : R2 → S 1 × S 1 = T 1 eine Überlagerung des Einheitstorus. Theorem 2.29 Sei p : E → B stetig und surjektiv und sei U ⊂ B eine zusammenhängende Überlagerungsmenge von p. Dann ist die Zerlegung von U in Scheiben eindeutig bestimmt. Proof Übungsaufgabe. Definition 2.30 Sei p : E → B stetig und sei f : X → B stetig. Eine stetige Abbildung f˜: X → E heißt ein p-Lift von f , falls 8E f˜ X f p /B kommutiert. Lemma 2.31 (Lemma von Lebesgue) Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum und sei {Ũi : i ∈ I} eine offene Überdeckung von X. Dann existiert ein δ > 0 mit folgender Eigenschaft: Ist A ⊂ X eine Teilmenge mit sup d(a1 , a2 ) < δ, a1 ,a2 ∈A so gibt es ein i ∈ I mit A ⊂ Ũi . Proof Übung. 6. Juli Lemma 2.32 Sei p : E → B eine Überlagerung und sei b0 ∈ B. Dann existiert zu jedem e0 ∈ E mit p(e0 ) = b0 und jedem Weg f : I → B mit Startpunkt b genau ein p-Lift f˜: I → E von f mit Schnittpunkt e0 . Proof S Sei B = i∈I Ui eine Überdeckung von B mit p-Überlagerungsmengen. Es existiert eine Unterteilung 0 = s0 < . . . < sn = 1, sodass zu jedem i ∈ {0, . . . , n − 1} ein j(i) ∈ I existiert mit f [si , si+1 ] ⊂ Uj(i) . Die folgt leicht aus dem Lebesgueschen Lemma, wenn man dieses mit X = [0, 1] und Ũi = f -1 (Ui ) benutzt. Existenz von f˜: Setze f˜(0) = e0 . Sei f˜(s) bereits definiert auf einem Intervall [0, sj ] so, dass f˜|[0,sj ] ein p-Lift von f |[0,sj ] ist. Dann setzen wir f˜ auf [0, si+1 ] wie folgt fort: 70CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN F Wir wählen eine Zerlegung p-1 Uj(i) = α∈J Vα,i in Scheiben. Wähle αi ∈ Ji mit -1 f˜(si ) ∈ Vαi ,i und setze f˜(s) := p|Vαi ,i (f (s)) für alle s ∈ [si , si+1 ]. Dann ist f˜ stetig auf [0, si+1 ] und lifted auf dieser Menge die Einschränkung f auf die gleiche Menge. Usw...Letztendlich ist f˜ definiert auf ganz [0, 1] und lifted f . Eindeutigkeit von f˜: Seien f˜, f˜˜ beide p-Lifts von f mit Startpunkt e0 . Angenommen es gilt f˜˜(s) = f˜(s) für alle s ∈ [0, si ]. Seien αi ∈ Ji wie oben. Es gilt G f˜˜[si , si+1 ] ⊂ p-1 Uj(i) = Vα,i α und G f˜[si , si+1 ] ⊂ p-1 Uj(i) = Vα,i . α Da f˜[si , si+1 ] zusammenhängend ist und f˜(si ) ∈ Vαi ,i , gilt f˜[si , si+1 ] ⊂ Vαi ,i . ∼ = → Uj(i) , d.h Analog folgt aus f˜(si ) = f˜˜(si ) auch f˜˜[si , si+1 ] ⊂ Vαi ,i . Aber p|Vαi ,i : Vα,i − aus p ◦ f˜ = p ◦ f˜˜ folgt f˜ = f˜˜ auf [si , si+1 ], also auf [0, si+1 ]. Usw. Lemma 2.33 Sei A ein Teilraum eines topologischen Raums mit diskreter Topologie. Dann ist A genau dann zusammenhängend, falls |A| ∈ {0, 1} Definition 2.34 F : I × I → X heißt eine Weghomotopie, falls F eine Weghomotopie zwischen den Wegen F (·, 1) und F (·, 0) ist. Eine stetige Abbildung F : I × I → X ist genau dann eine Weghomotopie, wenn die Mengen F ({1} × I) und F ({0} × I) einelementig sind. Theorem 2.35 Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 ∈ B und F : I × I → B eine Weghomotopie mit F (0, 0) = b0 . Dann existiert für alle e0 ∈ p-1 (b0 ) genau ein p-Lift F̃ : I × I → E von F mit F̃ (0, 0) = e0 . Dieser p-Lift ist automatisch eine Weghomotopie. Proof Existenz von F̃ als p-Lift von F mit Startpunkt e0 : Sei F̃ (0, ·) definiert als der p-Lift von F (0, ·) mit Startpunkt e0 (mittels Lemma 2.32). Wähle nach dem Lebesgue Lemma eine Unterteilung 0 = s0 < s1 < . . . < sm = 1 und 0 = t0 < t1 < . . . < tn = 1, so dass jedes Rechteck Ii × Jj := [si , si+1 ] × [tj , tj+1 ] für i = 1, . . . , m, j = 1, . . . , n von F in einer Überlagerungsmenge von p liegt. Sei (i0 , j0 ) ∈ {1, . . . , m} × {1, . . . , n} 2. ÜBERLAGERUNGEN 71 beliebig gegeben und sei A ⊂ I × I definiert als Vereinigung von I × {0}, {0} × I, sowie von allen Ii × Jj mit i < i0 und j beliebig, sowie i = i0 und j < j0 . Angenommen, wir haben F̃ |A bereits definiert als p-Lift von F |A . Wir wollen F̃ |A nun auf (Ii0 × Jj0 ) ∪ A fortsetzen zu einem p-Lift von F |A∪(Ii ×Jj ) . Sei hierzu U ⊂ B eine Überlagerungsmenge 0 0 F von p mit F (Ii0 × Jj0 ) ⊂ U (∗) und sei p-1 (U ) = α Vα eine Zerlegung in Scheiben. Die Menge F̃ |A (A ∩ (Ii0 × Jj0 )) ist zusammenhängend und in p-1 (U ) enthalten (p-Lift Eigenschaft). Es existiert dann ein α0 mit F̃ |A (A ∩ (Ii0 × Jj0 )) ⊂ Vα0 . ∼ = Aber p|Vα0 : Vα0 − → U , d.h. wegen (∗) können wir ( F |A (x) , x∈A -1 F̃ |A∪(Ii ×Jj ) (x) = 0 0 p|Vα0 ◦ F (x) , x ∈ Ii0 × Jj0 setzen. Usw... Also existiert ein p-Lift F̃ von F . Jeder p-Lift F̃ von F mit Startpunkt e0 ist automatisch eine Weghomotopie: Es gilt F ({0} × I) = {b0 } . Da F̃ ein p-Lift von F ist, folgt F̃ ({0} × I) ⊂ p-1 (b0 ). Aber p-1 (b0 ) ist diskret und F̃ ({0} × I) ist zusammenhängend. Daraus folgt mit Lemma 2.33, dass F̃ ({0} × I) einelementig ist. Völlig analog gilt: F̃ ({1} × I) ist einelementig. Damit ist F̃ eine Weghomotopie. 11. Juli Eindeutigkeit von F̃ als p-Lift von F mit Startpunkt e0 : Sei F̃˜ ein weiterer p-Lift mit Startpunkt e0 . Wir wissen bereits, dass F̃ , F̃˜ beide Weghomotopien sind. Für beliebiges aber festes t ∈ I sind dann F̃ (·, t) und F̃˜ (·, t) p-Lifts des Weges F (·, t). Außerdem gilt F̃ (0, t) = F̃ (0, 0) = e0 = F̃˜ (0, 0) = F̃˜ (0, t), da F̃ , F̃˜ Weghomotopien sind. Damit folgt F̃˜ (s, t) = F̃ (s, t) für alle t ∈ I aufgrund der Eindeutigkeitsaussage für p-Lifts von Wegen. Korollar 2.36 (Monodromielemma) Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 , b1 ∈ B, e0 ∈ p-1 ({b0 }) und Wege f, g : I → B von b0 nach b1 . Mit f˜, g̃ : I → E die zugehörigen p-Lifts mit f˜(0) = e0 = g̃(0) gilt folgende Implikation: f 'P g =⇒ f˜(1) = g̃(1) und f˜ 'P g̃. Proof Sei F : I ×I → B die Weghomotopie zwischen f und g, also F (0, 0) = b0 . Sei F̃ : I ×I → E die zugehörige p-geliftete Weghomotopie mit F̃ (0, 0) = e0 . Es gilt (Eindeutigkeit von Lifts) f˜ = F̃ (·, 0) und g̃ = F̃ (·, 1). Aber F̃ ({1} × I) ist einelementig. Daraus folgt f˜(1) = F̃ (1, 1) = F̃ (1, 0) = g̃(1). 72CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN Definition 2.37 Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 ∈ B, e0 ∈ p-1 ({b0 }). Dann heißt φp,b0 ,e0 : π1 (B, b0 ) → p-1 (b0 ) [f ] 7→ f˜(1), wobei f˜ der p-Lift von f mit Startpunkt e0 ist, die von p, b0 , e0 induzierte Liftkorrespondenz. In dieser Situation ist φp,b0 ,e0 wohldefiniert. Das ist gerade die Aussage des Monodromielemmas. Theorem 2.38 Sei p : E → B eine Überlagerung, E wegzusammenhängend, b0 ∈ B, e0 ∈ p-1 ({b0 }). Dann ist φp,b0 ,e0 surjektiv, und sogar bijektiv, falls E einfach zusammenhängend ist. Proof Surjektivität: Sei e1 ∈ p-1 ({b0 }) beliebig. Also existiert ein Weg f˜: I → E von e0 nach e1 . Damit gilt: p ◦ f˜: I → B ist Schleife mit Basis b0 und φp,b0 ,e0 ([p ◦ f˜]) = e1 . Injektivität fuer E einfach zusammenhängend: Seien [f ], [g] ∈ π1 (B, b0 ) mit φp,b0 ,e0 ([f ]) = φp,b0 ,e0 ([g]). Seien f˜, g̃ : I → E die zugehörigen p-Lifts mit Startpunkt e0 . Daraus folgt f˜(1) = g̃(1). Da E einfach zusammenhängend ist, existiert eine Weghomotopie F̃ : I × I → E zwischen f˜ und g̃. Dann ist p ◦ F : I × I → B eine Weghomotopie zwischen f und g, und somit [f ] = [g]. Theorem 2.39 Es gilt π1 (S 1 , b0 ) ∼ =Z für alle b0 ∈ S 1 . Genauer: Ist p : R → S 1 die übliche Überlagerung, so ist die Liftkorrespondenz φp,(1,0),0 : π1 (S 1 , (1, 0)) → p-1 ((1, 0)) = Z ein Gruppenisomorphismus. Proof Sei b0 := p(0) = (1, 0). Damit ist tatsächlich p-1 (b0 ) = Z. Also ist φp,b0 ,0 → Z ist bijektiv. Es ist noch zu zeigen, dass φ := φp,b0 ,0 ein Gruppenhomomorphismus ist. Sei hierzu [f ], [g] ∈ π1 (S 1 , b0 ) und sei f˜, g̃ : I → R die zugehörigen p-Lifts mit Startpunkt e0 = 0, sowie n := f˜(1) und m := g̃(1). Damit ist φp,b0 ,e0 [f ] = n und φp,b0 ,e0 [g] = m. Betrachte g̃˜ : I → R, s 7→ g̃(s) + n. Wegen p(x + n) = p(x) für alle x ∈ R ist g̃˜ ein p-Lift von g. Der Weg f˜ ∗ g̃˜ ist wohldefiniert und gerade der Lift von f ∗ g mit Startpunkt 0. ˜ Es gilt g̃(1) = m + n. Damit ist φp,b0 ,0 ([f ] ∗ [g]) = φp,b0 ,0 ([f ∗ g]) = m + n = φp,b0 ,0 ([f ]) + φp,b0 ,0 ([g]). 2. ÜBERLAGERUNGEN 73 Theorem 2.40 Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 ∈ B, e0 ∈ p-1 ({b0 }). Dann gelten folgende Aussagen: i) p∗ : π1 (E, e0 ) → π1 (B, b0 ) ist ein injektiver Gruppenhomomorphismus. ii) Sei Hp,e0 := p∗ (π1 (E, e0 )). Dann induziert φp,b0 ,e0 die wohldefinierte injektive Abbildung1 ψp,b0 ,e0 : Hp,e0 \π1 (B, b0 ) → p-1 ({b0 }) Hp,e0 ∗ [f ] 7→ φp,b0 ,e0 [f ], die sogar bijektiv ist, falls E wegzusammenhängend ist. iii) Ist f : I → B eine Schleife mit Basis b0 , so gilt [f ] ∈ Hp,e0 genau dann, falls sich f bezüglich p liften lässt zu einer Schleife auf E mit Startpunkt e0 . Proof i) Ist h̃ : I → E eine Schleife mit Basis e0 so, dass p ◦ h̃ mittels der Weghomotopie F weghomotop zur konstanten Schleife eb0 ist, so ist der p-Lift F̃ mit Startpunkt e0 von F eine Weghomotopie zwischen h̃ und der konstanten Schleife ee0 . In anderen Worten: p∗ hat einen trivial Kern und ist somit injektiv. ii) Ein Beweis dieser Aussage lässt sich im Buch “Topology” von Munkres finden (Theorem 54.6 (b) in der second edition). iii) Aus dem Injektivitätsteil der Aussage ii) folgt, dass die Identität φp,b0 ,e0 ([f ]) = e0 äquivalent zu [f ] ∈ Hp,e0 ist. Aber genau dann gilt φp,b0 ,e0 ([f ]) = e0 , wenn der p-Lift von f mit Startpunkt e0 auch in e0 endet. 13. Juli 1 Hp,e0 ist eine Untergruppe von π1 (B, b0 ) und Hp,e0 \π1 (B, b0 ) steht für die Menge der Rechtsnebenklassen {Hp,e0 ∗ [f ] : [f ] ∈ π1 (B, b0 )}. Munkres schreibt an dieser Stelle einfach π1 (B,b0 )/Hp,e0 , was normalerweise für die Linksnebenklassen steht. Da Hp,e0 im Allgemeinen kein Normalteiler ist, scheint Munkres notation etwas seltsam zu sein. Oder ich habe etwas übersehen. 74CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN 3 Homotopietypen von topologischen Räumen Wir wissen bisher, dass Überlagerungen Informationen über Fundamentalgruppen liefern. Eine weitere Möglichkeit um Informationen über Fundamentalgruppen zu erhalten, ist durch Homotopieäquivalenzen gegeben: Definition 2.41 Eine stetige Abbildung f : X → Y heißt eine Homotopieäquivalenz, falls eine stetige Abbildung g : Y → X existiert mit f ◦ g ' idY und g ◦ f ' idX . Dann heißt g eine Homotopieinverse von f . Definition 2.42 X und Y heißen homotopieäquivalent, falls es eine Homotopieäquivalenz f : X → Y gibt. Falls f : X → Y, f 0 : Y → Z Homotopieäquivalenzen sind, so auch f 0 ◦ f : X → Z. Daraus folgt, dass Homotopieäquivalenz eine Äquivalenzrelation auf der Menge der topologischen Räume ist. Definition 2.43 Man sagt X und Y habe den gleichen Homotopietyp, falls sie homotopieäquivalent sind. Lemma 2.44 Seien h, k : X → Y stetig, x0 ∈ X, y0 := h(x0 ), y1 := k(x0 ). Gilt h ' k, so existiert ein Weg α : I → Y von y0 nach y1 , sodass folgendes Diagramm gilt: π1 (X, x0 ) (hx0 )∗ (kx0 )∗ / π1 (Y, y0 ) ) α̂ π1 (Y, y1 ) Die obige Notation ist wie folgt zu verstehen: Das Symbol hx0 steht für die Abbildung hx0 : (X, x0 ) → (Y, h(x0 )), y 7→ h(x) zwischen punktierten Räumen (analog für k usw.). Proof Sei H : X × I → Y eine Homotopie zwischen h und k. Dann erfüllt α(s) := H(x0 , s) den Job. Korollar 2.45 Ist unter den Voraussetzung von Lemma 2.44 die Abbildung (hx0 )∗ injektiv (surjektiv) [trivial], so ist auch (kx0 )∗ injektiv (surjektiv) [trivial]. 3. HOMOTOPIETYPEN VON TOPOLOGISCHEN RÄUMEN 75 Korollar 2.46 Unter den Voraussetzungen des Lemmas 2.44 gilt: Wenn k konstant ist, dann ist (hx0 )∗ trivial. Proof Aus k konstant folgt, dass (kx0 ) trivial ist. Damit gilt (hx0 )∗ = (α̂)-1 ◦ (kx0 )∗ . Nun können wir zeigen, dass Räume mit dem gleichem Homotopietyp isomorphe Fundamentalgruppen haben: Theorem 2.47 Sei f : X → Y stetig, x0 ∈ X und y0 := f (x0 ). Ist f eine Homotopoieäquivalenz, so ist (fx0 )∗ : π1 (X, x0 ) → π1 (Y, y0 ) ein Gruppenisomorphismus. Proof Sei g : Y → X eine Homotopieinverse von f uns sei x1 := g(y0 ), y1 := f (x1 ). Nach Voraussetzung ist g ◦ f ' idX . Damit gilt (gy0 ) ◦ (fx0 )∗ = ((g ◦ f )x0 )∗ = α̂ ◦ (idX,x0 ) mit einem geeignet α wie in Lemma 2.44. Dann ist (gy0 )∗ ◦ (fx0 )∗ ein Isomorphismus und damit (gy0 )∗ surjektiv. Analog folgt: (fx1 )∗ ◦ (gy0 )∗ ist ein Isomorphismus und (gy0 )∗ injektiv. Insgesamt ist (gy0 )∗ ein Isomorphismus und (fx0 )∗ = (gy0 )-1 ∗ ◦ α̂ ist ein Isomorphismus. Wichtig Beispiele von Homotopieäquivalenzen sind durch die Inklusionsabbildung von Deformationsretrakten gegeben: Definition 2.48 Sei A ⊂ X ein Teilraum. Dann heißt A ein Deformationsretrakt von X, falls es eine stetige Abildung H : X × I → X gibt mit: i) H(x, 0) = x für alle x ∈ X ii) H(x, 1) ∈ A für alle x ∈ X iii) H(a, t) = a für alle t ∈ I und a ∈ A. In anderen Worten: Ist A ⊂ X ein Teilraum, so ist A ein Deformationsretrakt von X genau dann, wenn idX homotop ist zu einer Abbildung r̃ : X → X mit r̃(X) ⊂ A mittels einer Homotopie, die alle Punkte aus A während der Deformation fix lässt. Definition 2.49 In obiger Situation heißt r : X → A, x 7→ r̃(x) eine Retraktionsabbildung für A ⊂ X. 76CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN Beispiel 2.50 Die Abbildung H : Rm+1 \{0} × I → Rm+1 \{0}, tx (x, t) 7→ (1 − t)x + 12 m P 2 xi i=1 macht S m zu einem Deformationsretrakt von Rm+1 \{0}. Lemma 2.51 Sei A ⊂ X ein Deformationsretrakt von X. Dann ist die Inklusionsabbildung ι : A ,→ X eine Homotopiäquivalenz. Insbesondere ist für alle x0 ∈ A die Abbildung (ιx0 )∗ : π1 (A, x0 ) → π1 (X, x0 ) ein Gruppenisomorphismus. Proof Sei r : X → A eine Retraktionabbildung. Dann ist r ◦ ι = idA und ι ◦ r ' idX . Korollar 2.52 Für alle x0 ∈ S m ist, mit ι : S m ,→ Rm+1 \{0} der Inklusionsabbildung, die Abbildung (ιx0 )∗ : π1 (S m , x0 ) → π1 Rm+1 \{0}, x0 ein Gruppenisomorphismus. 4. DIE FUNDAMENTALGRUPPE VON S M MIT M ≥ 2 4 77 Die Fundamentalgruppe von S m mit m ≥ 2 Die folgende Aussage kann auch aus einem abstrakten Satz der algebraischen Topologie (Satz von Seifert/von Kampen) abgeleitet werden: Theorem 2.53 Seien U, V ⊂ X offen mit X = U ∪V , x0 ∈ U ∩V und sei U ∩V wegzusammenhängend. Mit ιU : U → X und ιV : V → X den Inklusionsabbildungen gilt dann folgende Aussage: Die Vereinigung der Bilder von (ιU,x0 )∗ : π1 (U, x0 ) → π1 (X, x0 ) und (ιV,x0 )∗ : π1 (V, x0 ) → π1 (X, x0 ) erzeugt die Gruppe π1 (X, x0 ). Proof Die Aussage des Theorems bedeutet nichts anderes als das Folgende: Jede Schleife f : I → X mit der Basis x0 ist weghomotop zu einer Schleife der Art g1 ∗ . . . ∗ gn , n ∈ N, wobei jedes g : I → X eine Schleife mit Basis x0 ist, die entweder vollständig in U oder vollständig in V verläuft. Das Lebesgue-Lemma und ein einfaches Umnummerierungsargument liefert eine Unterteilung 0 = a0 < a1 < . . . < an = 1, so dass f (ai ) ∈ U ∩ V und f [ai−1 , ai ] ⊂ U oder f [ai−1 , ai ] ⊂ V . Sei ϕi : I → [ai−1 , ai ] gegeben als die eindeutig bestimmte stetige Funktion mit linearem Graphen die ϕi (0) = ai−1 und ϕi (1) = ai erfüllt, und sei fi : I → X, fi (s) := f (ϕi (s)). Dann verläuft fi vollständig in U oder vollstänig in V und es gilt [f ] = [f1 ∗ . . . ∗ fn ]. Wir sind fast fertig, aber die fi sind keine Schleifen. Um dies zu beheben, sei αi : I → U ∩ V ein Weg von x0 nach f (ai ). Dann erfüllen gi := (αi−1 ∗ fi ) ∗ ᾱi für i = 1, . . . , m den Job (es gilt [g1 ∗ . . . gn ] = [f1 ∗ . . . ∗ fn ]). 18.Juli Korollar 2.54 Sei U, V ⊂ X offen und U ∩ V 6= und wegzusammenhängend, und X = U ∪ V . Dann gilt folgende Implikation: Sind U und V einfach zusammenhängend, so gilt dies auch für X. Theorem 2.55 S m ist einfach zusammenhängend für alle m ≥ 2. Proof Sei p := (0, . . . , 0, 1) ∈ S m ⊂ Rm+1 und q := (0, . . . , 0, −1) ∈ S m . Dann ist 78CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN f : S m \{q} → Rm (x1 , . . . , xm+1 ) 7→ 1 (x1 , . . . .xm ) 1 − xm+1 ein Homöomorphismus (stereographische Projektion) und S m \{p} ist homöomorph zu S m \{q} etwa mittels der Reflektion (x1 , . . . , xm+1 ) 7→ (x1 , . . . , xm , −xm+1 ). Daraus folgt U := S m \{p} ∼ = Rm , V := S m \{q} ∼ = Rm (d.h. U und V sind wegzusamm menhängend) und U ∩V = S \{p, q} = 6 ∅. Außerdem ist U ∩V = S m \{p, q} ∼ = Rm \{0} mittels f |S m \{p,q} . Aber Rm \{0} ist wegzusammenhängend, genau dann wenn m ≥ 2 gilt. 5. KLASSIFIKATION VON ÜBERLAGERUNGEN 5 79 Klassifikation von Überlagerungen Bis jetzt haben uns Überlagerungen Informationen über Fundamentalgruppen geliefert. Nun wollen wir umgekehrt Fundamentagruppen nutzen, um Informationen über Überlagerungen zu gewinnen. Definition 2.56 Ein topologischer Raum X heißt lokal wegzusammenhängend, wenn für alle Umgebungen U von x eine wegzusammenhängende Umgebung V von x existiert mit V ⊂ U . Im Allgemeinen sind wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend voneinander disjunkte Eigenschaften, was anschaulich recht klar sein sollte. Konkrete Gegenbeispiele zu konstruieren ist allerdings halbwegs kompliziert. Lemma 2.57 (Liftsatz) Sei p : E → B eine Überlagerung mit E, B wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend. Sei Y wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend, f : Y → B setig und b0 ∈ B, y0 ∈ Y, e0 ∈ E mit p(e0 ) = b0 , f (y0 ) = b0 . Dann existiert ein p-Lift f˜: Y → E von f mit f˜(y0 ) = e0 , genau dann wenn f∗ (π1 (Y, y0 )) ⊂ p∗ (π1 (E, e0 )). Falls dies der Fall ist, so ist f˜ eindeutig bestimmt. Proof i) ⇒: Dies folgt aus f∗ = p∗ ◦ f˜∗ . ii) Eindeutigkeit des Lifts f˜: Sei y1 ∈ Y beliebig und sei α : I → Y ein Weg von y0 nach y1 und γ der p-Lift von f ◦ α mit Startpunkt e0 . Dann ist f ◦ α ein p-Lift von f ◦ α mit Startpunkt e0 , also γ = f˜ ◦ α. Damit folgt f˜(α(1)) = γ(1). iii) ⇐: (also Existenz von f˜) Sei y1 ∈ Y beliebig. Wähle nun α und γ wie in ii). Setze ˜(y1 ) := γ(1). Dann ist f˜(y1 ) wohldefiniert, denn: Sei hierzu β : I → Y ein weiterer Weg von y0 nach y1 und γ 0 der p-Lift von f ◦ β mit Startpunkt e0 . Wir müssen also zeigen, dass γ 0 (1) = γ(1) gilt. Sei hierzu δ der p-Lift von f ◦ β̄ mit Startpunkt γ(1). Also ist γ ∗ δ ein p-Lift von f ◦(α∗ β̄), was eine Schleife ist. Nach Voraussetzung ist [f ◦(α∗ β̄)] ∈ p∗ (π1 (E, e0 )) und damit ist γ ∗ δ eine Schleife (dies folgt aus Theorem 2.40 iii)), also gilt e0 = γ(0) = γ ∗ δ(0) = γ ∗ δ(1) = γ(1). Außerdem ist δ̄ ein p-Lift von f ◦ β, wie wir nun wissen mit Startpunkt δ̄(0) = δ(1) = e0 . Also δ̄ = γ 0 , und damit δ̄(1) = γ 0 (1) = δ(0) = γ(1). Damit ist f˜ wohldefiniert. Sicherlich ist f˜ nach Konstruktion p-Lift von f mit f˜(y0 ) = e0 . 80CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN Wir müssen noch zeigen, dass f˜ stetig ist: Sei hierzu y1 ∈ Y und eine Umgebung N von f (y1 ) gegeben. Wir zeigen, dass eine Umbegung W von y1 existiert mit f˜(W ) ⊂ N . Wähle eine wegzusammenhängende Umgebung U von f (y1 ) die zugleich eine Überlagerungsmenge von p ist. Sei V0 ⊂ E die Scheibe von p-1 (U ), die f˜(y1 ) enthält. OBdA gilt V0 ⊂ N . Damit ist p0 := |V0 : V0 → U eine Homöomorphismus. Wähle eine eine wegzusammenhängende Umgebung W von y1 mit f (W ) ⊂ U (f ist stetig). Wir zeigen nun, dass f˜(W ) ⊂ V0 gilt. Sei dazu y ∈ W und β ein Weg in W von y1 nach y. Sei desweiteren α ein Weg von y0 nach y und γ der p-Lift von f ◦ α mit Startpunkt e0 . Damit ist α ∗ β ein Weg von y0 nach y und γ ∗ (p-1 0 ◦ f ◦ β) ist der p-Lift von α ∗ β mit Startpunkt e0 (beachte, dass der Ausdruck p-1 0 ◦ f ◦ β Sinn macht), wobei γ der p-Lift von f ◦ α mit Startpunkt e0 sei. Beachtet man die wohldefinierte Konstruktionsvorschrift für f˜, so findet man die erste Gleichheit in -1 f˜(y) = γ ∗ (p-1 0 ◦ f ◦ β) = p0 ◦ f ◦ β(1) ∈ V0 . Der Beweis ist komplett. Definition 2.58 Seiein p : E → B und p0 : E 0 → B Überlagerungen. Dann heißt ein Homöomorphismus h : E → E 0 eine Überlagerungsäquivalenz zwischen p und p0 , falls / h E p B ~ E0 p0 kommutiert. Zwei Überlagerungen p : E → B und p0 : E 0 → B werden dann überlagerungsäquivalent genannt, falls es eine Überlagerungsäquivalenz zwischen ihnen gibt. Dies ist eine Äquivalenzrelation. Eine Überlagerung p : E → B induziert die Untergruppe p∗ (π1 (E, e0 )) ⊂ π1 (B, b0 ). Tatsächlich gilt p∗ (π1 (E, e0 )) ∼ = π1 (E; e0 ), da p∗ injektiv ist. Es wird sich herausstellen, dass p bis auf Überlagerungsäquivalenz eindeutig durch die Untergruppe p∗ (π1 (E, e0 )) bestimmt ist (zumindest unter schwachen zusätzlichen Voraussetzungen an E, B). Theorem 2.59 Seien p : E → B, p0 : E 0 → B mit E, B, E 0 wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend. Seien b0 ∈ B, e0 ∈ E, e0o ∈ E 0 mit p(e0 ) = p(e00 ) = b0 . Dann existiert eine Überlagerungsäquivalenz h : E → E 0 zwischen p und p0 mit h(e0 ) = e00 genau dann, wenn H0 := p∗ (π1 (E, e0 )) = H00 := p0∗ (π(E 0 , e00 )). Proof 5. KLASSIFIKATION VON ÜBERLAGERUNGEN 81 ⇒: Da h ein Homöomorphismus ist, gilt h∗ (π1 (E, e0 )) = π1 (E 0 , e00 ), also p∗ (π1 (E, e0 )) = (p0∗ ◦ h∗ )(π1 (E, e0 )) = p0∗ (π1 (E 0 , e00 )). ⇐: Wegen dem Liftsatz 2.57 existiert h : E → E 0 stetig mit h(e0 ) = e00 und p0 ◦ h = p. Analog existiert k : E 0 → E stetig mit k(e00 ) = e0 und p ◦ k = p0 . Die Abbildung k ◦ h : E → E erfüllt p ◦ k ◦ h = p0 ◦ h = p. Außerdem erfüllt idE die Bedingung p ◦ idE = p. Der Eindeutigkeitsteil des Liftsatzes gibt sofort k ◦ h = idE . Analog zeigt man: h ◦ k = idE 0 . Was passiert, wenn im obigen Satz nicht h(e0 ) = e00 gefordert wird? Hierzu erinnern wir an das folgende einfache Konzept aus der Gruppentheorie: Sei G eine Gruppe und H1 , H2 ⊂ G Untergruppen. Dann heißt H1 konjugiert zu H2 , falls es ein g ∈ G gibt mit H2 = gH1 g -1 . Dies ist eine Äquivalenzrelation. Theorem 2.60 Seien p : E → B, p : E 0 → B Überlagerungen mit E, B, E 0 wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend, und seien b0 ∈ B, e0 ∈ E, e00 ∈ E 0 . Dann existiert genau dann eine Überlagerungsäquivalenz h : E → E 0 zwischen p und p0 , wenn die Untergruppen H0 := p∗ (π1 (E, e0 )) und H00 := p0∗ (π1 (E 0 , e00 )) von π1 (B, b0 ) konjugiert zueinander sind. Lemma 2.61 Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 ∈ B. Dann gelten folgende Aussagen: i) Ist e0 , e1 ∈ p-1 (b0 ) und ist γ : I → E ein Weg von e0 nach e1 , so gilt für die Schleife α := p ◦ γ : I → B mit Basis b0 die Identität [α] ∗ H1 ∗ [α]-1 = H0 mit Hi := p∗ (π1 (E, ei )) ii) Ist e0 ∈ p-1 (b0 ) und ist H ⊂ π1 (B, b0 ) eine Untergruppe die zu H0 konjugiert ist, so existiert e1 ∈ p-1 (b0 ) mit H1 = H, wobei erneut Hi := p∗ (π1 (E, e1 )). Proof i) Es reicht zu zeigen, dass für alle γ, α, e0 , e1 wie in der Annahme die Inklusion [α] ∗ H1 ∗ [α]-1 ⊂ H0 gilt (denn daraus folgt [ᾱ] ∗ h0 ∗ [ᾱ]-1 ⊂ H1 ). Sei hierzu [h] ∈ H1 und wähle die Schleife h̃ : I → E mit Basis e1 mit p∗ ([h̃]) = [h]. Dann ist k̃ := (γ ∗ h̃)γ̄ eine Schleife mit Basis e0 und p∗ ([k̃]) = [α] ∗ [h] ∗ [α]-1 . Damit folgt [α] ∗ H1 ∗ [α]-1 ⊂ H0 . ii) Nach Voraussetzung existiert eine Schleife α : I → B mit Basis b0 mit H0 = [α] ∗ H1 ∗ [α]-1 . Sei γ der p-Lift von α mit γ(0) = e0 . Aus i) folgt H0 = [α] ∗ p∗ (π1 (E, γ(1))) ∗ [α]-1 . Damit folgt die Aussage mit e1 := γ(1), also H = H1 . 82CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN 20. Juli Beweis von Theorem 2.60 ⇒ Setze e01 := h(e0 ) und H10 := p∗ (π1 (E 0 , e01 )). Also ist H0 = h01 nach dem vorherigen Theorem 2.59. Teil i) des Lemmas 2.61 liefert dann, dass H10 konjugiert ist zu H00 . ⇐ Teil i) des Lemmas 2.61 zeigt die Existienz von e01 ∈ p0 (b0 ) mit H10 := p0∗ (π1 (E 0 , e01 )) = H0 . Das Theorem 2.59 liefert dann die Existenz von h. Definition 2.62 Eine Überlagerung p : E → B heißt universell, falls E einfach zusammenhängend ist. Die Wichtigkeit von universellen Überlagerungen beruht auf folgenden beiden Tatsachen, die wir gleich beweisen werden: Universelle Überlagerungen von B sind bis auf Äquivalenz eindeutig bestimmt, und die Überlagerungsräume von universellen Überlagerungen von B überlagern alle anderen Überlagerungsräume von B. Theorem 2.63 Seien p : E → B und p0 : E 0 → B universelle Überlagerungen mit E, B, E 0 wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend. Dann gibt es eine Überlagerungsäquivalenz h : E → E 0 zwischen p und p0 . Proof Es gilt p∗ (π1 (E, e0 )) = {[e0 ]} = p0∗ (π1 (E 0 , e00 )) für alle b0 ∈ B und e0 ∈ E, e00 ∈ E 0 , also können wir Theorem 2.60 benutzen. Lemma 2.64 Sei X, Y, Z wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend und sei das kommutative Diagramm stetiger Abbildungen q X p Z /Y r gegeben (also p = r ◦ q). Sind p und r Überlagerungen, so gilt dies auch für q. Proof q ist surjektiv: Sei x0 ∈ X, y0 ∈ Y und z0 ∈ Z. Sei weiterhin y ∈ Y beliebig und sei α̃ : I → Y ein Weg von y0 nach y. Dann ist α = r ◦ α̃ ein Weg mit Startpunkt z0 . ˜ der q-Lift von α mit Startpunkt x0 . Dann sind q ◦ α̃ ˜ sowie α̃ r-Lifts von α mit Sei α̃ ˜ Aber q α̃(1) ˜ Startpunkt y0 , also α̃ = q ◦ α̃. = α̃(1) = y. 5. KLASSIFIKATION VON ÜBERLAGERUNGEN 83 Jeder Punkt y ∈ Y liegt in einer Überlagerungsmenge V ⊂ Y von q: Sei z := r(y). Es existiert dann eine wegzusammenhängende Umgebung von z, die für p undF r eine Überlagerungsmenge ist. Sei V die Scheibe von r-1 (U ) mit y ∈ V . Sei p-1 (U ) = α∈J Uα eine Zerlegung in Scheiben. Die Abbildung q bildet jedes Uα nach r-1 (U ) ab. Die Uα sind zusammenhängend und disjunkt und q ist stetig, also ist q(Uα ) zusammenhängend, d.h. q bildet Uα komplett in genau eine Scheibe von r-1 (U ) ab. Daraus folgt, G q -1 (V ) = Uα . J 0 :={α∈J:q(Uα )⊂V } Mit p0 := p|Uα , q0 := q|Uα und r0 := r|V erhält man das kommutative Diagramm q0 Uα p0 /V U , r0 also ist q0 = r0−1 ◦ p0 ein Homöomorphimus. Theorem 2.65 Sei p : E → B eine universelle Überlagerung und r : Y → B eine Überlagerung mit E, B, Y wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend. Dann existiert eine Überlagerung q : E → Y die das Diagramm q E p B ~ / Y r kommutieren lässt. Proof Sei b0 ∈ B, e0 ∈ E und y0 ∈ Y mit p(e0 ) = r(y0 ) = b0 . Da E einfach zusammenhängend ist, gilt p∗ (π1 (E, e0 )) = {[eb0 ]} ⊂ r∗ (π1 (Y, y0 )). Der Liftsatz 2.57 liefert nun einen r-Lift q : E → Y von p. Nach Lemma 2.64 ist q eine Überlagerung. Wir wissen bereits, dass sich gutartige Überlagerungen p : E → B durch Untergruppen von π1 (B, b0 ) charakterisieren lassen. Unter einer weiteren topologischen Voraussetzung an B gilt auch die Umkehrung, d.h. Untergruppen von π1 (B, b0 ) lassen sich durch Überlagerungen p : E → B charakterisieren. Hierzu: 84CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN Definition 2.66 Der topologische Raum X heißt semilokal einfach zusammenhängend, wenn für alle x ∈ X eine Umgebung U von X existiert, so dass die durch die Inklusionsabbildung ι : U ,→ X induzierte Abbildung ι∗ : π1 (U, x) → π1 (X, x) der triviale Gruppenhomomorphismus ist. Bemerkung 2.67 Aus einfach zusammenhängend folgt semilokal einfach zusammenhängend. Definition 2.68 Wir nennen eine Überlagerung p : E → B gut, falls E lokal wegzusammenhängend und wegzusammenhängend ist. Wir bezeichnen mit [p : E → B]Ü die Menge aller zu p überlagerungsäquivalenten Überlagerungen p0 : E 0 → B. Außerdem sei [H]π1 (B,b0 ) die Menge aller zur Untergruppe H ⊂ π1 (B, b0 ) konjugierten Untergruppen von π1 (B, b0 ). Dies sind also Äquivalenzklassen. Theorem 2.69 Sei B lokal wegzusammenhängend und wegzusammenhängend und b0 ∈ B. Dann ist die Abbildung n o [p : E → B]Ü p : E → B ist eine gute Überlagerung n o −→ [H]π1 (B,b0 ) H ist eine Untergruppe von π1 (B, b0 ) , [p : E → B]Ü 7−→ [p∗ (π1 (E, e0 ))]π1 (B,b0 ) , für irgendein e0 ∈ p-1 (b0 ), wohldefiniert (insbesondere unabhängig von der Wahl von e0 ) und injektiv und sogar bijektiv, falls B zusätzlich semilokal einfach zusammenhängend. Proof Die Wohldefiniertheit und Injektivität dieser Abbildung folgt, indem man Theorem 2.60 (mehrfach) benutzt. Noch zu zeigen: Ist B lokal wegzusammenhängend, wegzusammenhängend und semilokal einfach zusammenhängend, so existiert zu gegebener Untergruppe H ⊂ π1 (B, b0 ) eine gute Überlagerung p : E → B und ein e0 ∈ p-1 (b0 ) mit p∗ (π1 (E, e0 )) = H. Ein Beweis dieser Surjektivitätsaussage lässt sich im Buch ’Topology’ von Munkres, §§77, finden. Der Beweis ist wohl nicht so sehr wichtig für die algebraische Topologie, aber auf jeden Fall sehr typisch für die Flächen der komplexen Analysis. Ich bedanke mich bei allen Zuhörern: Sie sind alle sehr lieb gewesen!