Topologie I - Institut fuer Mathematik - Humboldt

Werbung
Humboldt-Universität zu Berlin
Topologie I
Dr. Batu Güneysu
SS 2016
Das Manuskript wurde erstellt von Christopher Braune
2
Contents
1 Mengentheoretische Topologie
1
Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Konstruktionsprinzipien für topologische Räume .
2.1
Teilräume . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2
Quotientenräume . . . . . . . . . . . . . .
2.3
Produkttopologie . . . . . . . . . . . . . .
3
Abgeschlossene Mengen . . . . . . . . . . . . . . .
4
Konvergenz und Hausdorffräume . . . . . . . . .
5
Stetige Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Homöomorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
Zusammenhängende Räume . . . . . . . . . . . .
8
Wegzusammenhängende Räume . . . . . . . . . .
9
Kompakte topolopologische Räume . . . . . . . .
10 Lokalkompakte Räume und Kompaktifizierungen
11 Abzählbarkeitsaxiome und Separabilitätsaxiome .
11.1 Abzählbarkeitsaxiome . . . . . . . . . . .
11.2 Separationsaxiome . . . . . . . . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
2 Homotopie, Fundamentalgruppen und Überlagerungen
1
Grundbegriffe zur Homotopietheorie und Fundamentalgruppen
2
Überlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Homotopietypen von topologischen Räumen . . . . . . . . . .
4
Die Fundamentalgruppe von S m mit m ≥ 2 . . . . . . . . . . .
5
Klassifikation von Überlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . .
3
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
5
5
11
11
12
13
15
20
22
28
29
32
34
42
48
48
51
.
.
.
.
.
61
61
67
74
77
79
4
CONTENTS
Chapter 1
Mengentheoretische Topologie
1
Grundbegriffe
Wir werden im Wesentlichen dem Buch ‘Topology’ von Munkres (second edition) folgen;
im zweiten Teil der Vorlesung werden wir auch dem Buch ‘Algebraic Topology’ von
Hatcher1 folgen.
18. April
Sei im folgenden X eine beliebige Menge und P(X) die Potenzmenge von X, also die
Menge aller Teilmengen von X.
Definition 1.1
Ein Mengensystem T ⊂ P(X) heißt eine Topologie auf X, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:
(Top1) Es gilt ∅, X ∈ T .
(Top2) Sind Ui ∈ T für alle i ∈ I (mit I einer beliebigen Indexmenge), so auch
T
(d.h., beliebige Vereinigungen von Mengen aus in T sind wieder in T .)
S
i∈I
Ui ∈
(Top3) Sind U, V ∈ T , so auch U ∩ V ∈ T (d.h., endliche viele Schnitte von Mengen aus
T sind wieder in T .)
Die Mengen aus T heißen die offenen Teilmengen des topologischen Raumes (X, T ).
Bemerkung 1.2
Wenn keine Gefahr der Verwechslung besteht, so unterdrückt man T in der Notation
und spricht von einem “topologischen Raum X” und nennt die Elemente von T “die
offenen Teilmengen von X”.
1
Dieses Buch ist frei online erhültlich.
5
6
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Beispiel 1.3
Topologien existieren auf jeder Menge: So ist etwa T := P(X) eine Topologie auf X, die
sogenanntee diskrete Topologie auf X (in dieser Topologie ist also jede Teilmenge
von X ist offen). Außerdem ist auch T := {∅, X} eine Topologie auf X, die sogenannte
antidiskrete Topologie auf X.
Definition 1.4
Eine Abbildung d : X × X → [0, ∞) heißt eine Metrik auf X, falls für alle x, y, z ∈ X
gilt:
(Met1) d(x, y) = 0 ⇔ x = y (d.h., d is nicht entartet)
(Met2) d(x, y) = d(y, x) (Symmetrie)
(Met3) d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) (Dreiecksungleichung).
Es gilt dann automatisch auch die umgekehrte Dreiecksungleichung, d.h.
|d(x, y) − d(y, z)| ≤ d(x, y) für alle x, y, z ∈ X.
In obiger Situation heißt für r > 0, x ∈ X die Teilmenge
Bd (x, r) := {y ∈ X : d(x, y) < r}
die offene Kugel um x mit Radius r. Dann ist
Td := {U ⊂ X : für alle x ∈ U existiert ein ε > 0 mit Bd (x, ε) ⊂ U }
eine Topologie auf X, denn:
(Top1): Dies ist trivialerweise erfüllt.
S
(Top2): Sei Ui ∈ Td für alle i ∈ I (mit I einer beliebigen Indexmenge). Sei x ∈ i Ui ,
etwa in U1 . Dann gibt es ein ε > 0 mit
[
Bd (x, ε) ⊂ U1 ⊂
Ui .
i
(Top3): Sei U, V ∈ Td . Sei x ∈ U ∩ V . Dann gibt es ε1 , ε2 > 0 mit Bd (x, ε1 ) ⊂ U und
Bd (x, ε2 ) ⊂ V . Setzt man nun ε := min(ε1 , ε2 ), so gilt
Bd (x, min(ε1 , ε2 )) ⊂ U1 ∩ U2 .
Definition 1.5
Ein Paar (X, d) bestehend aus einer Menge X und einer Metrik d auf X heißt metrischer
Raum.
Bemerkung 1.6
Wie wir oben gesehen haben, induziert also jede Metrik d auf X kanonisch die Topologie
Td auf X. Wenn nichts weiter gesagt wird, wird der gegebene metrische Raum mit der
von der Metrik induzierten Topologie ausgestattet. In diesem Sinne sind metrische
Räume immer topologische Räume.
1. GRUNDBEGRIFFE
7
Definition 1.7
Ein topologischer Raum (X, T ) metrisierbar, wenn die Topologie T von einer Metrik
auf X erzeugt wird, d.h., wenn eine Metrik d auf X existiert mit T = Td .
Zu bestimmen ob ein topologischer Raum metrisierbar ist, ist im Allgemeinen ein sehr
schwieriges Problem. Wir werden später Kriterien dieser Art angeben.
Beispiel 1.8
i) Auf jeder Menge existiert eine Metrik, etwa die diskrete Metrik
(
1 ,x =
6 x
d(x, y) =
.
0 ,x = y
Diese Metrik induziert gerade die diskrete Topologie.
ii) Die antidiskrete Topologie ist metrisierbar, genau dann wenn |X| ≤ 1.
iii) Auf Rm wird durch
deukl. (x, y) :=
m
X
! 21
|xi − yi |
i=1
eine Metrik erzeugt, die sogenannte Euklidische Metrik. Die Topologie Tdeukl.
heißt die Standardtopologie auf Rm .
Bemerkung 1.9
Wenn nichts weiter gesagt wird, wird Rm stets mit seiner Standardtopologie versehen.
Definition 1.10
Seien T1 , T2 Topologien auf X. Dann heißt T1 feiner (bzw.
T2 ⊂ T1 (bzw. T1 ⊂ T2 ) gilt.
gröber) als T2 , wenn
Beispiel 1.11
i) Die diskrete Topologie auf X ist feiner als jede andere Topologie auf X.
ii) Die antidiskrete Topologie auf X ist gröber als jede andere Topologie auf X.
iii) Im Allgemeinen besteht keine Beziehung dieser Art zwischen zwei beliebigen Topologien.
Offene Kugeln scheinen metrische Topologien zu erzeugen, dies motiviert die folgende
Definition:
Definition 1.12
Sei B ⊂ P(X) ein Mengensystem. Dann heißt B eine Basis auf X, wenn folgende
Bedingungen erfüllt sind:
(B1) Zu jedem x ∈ X existiert ein B ∈ B mit x ∈ B.
8
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
(B2) Zu je zwei B1 , B2 ∈ B und x ∈ B1 ∩B2 existiert ein B3 ∈ B mit x ∈ B3 ⊂ B1 ∩B2 .
In obiger Situation definieren wir weiters ein Mengensystem TB ⊂ P(X) durch U ∈
TB ⇔ zu jedem x ∈ U existiert ein B ∈ B mit x ∈ B ⊂ U . Dann ist TB eine Topologie
auf X (Übung), die sogenannte von B erzeugte Topologie.
Definition 1.13
Sei (X, T ) ein topologischer Raum und B ⊂ P(X). Dann heißt B eine Basis von T ,
wenn B eine Basis auf X ist mit T = TB .
Bemerkung 1.14
Sei (X, d) ein metrischer Raum. Es ist leicht zu sehen, dass
Bd := {offene d-Bälle} = {Bd (x, r) : x ∈ X, r > 0}
eine Basis auf X ist, mit TBd = Td .
Theorem 1.15
Sei B eine Basis auf X, U ⊂ X. Dann ist U ∈ TB genau dann,
S wenn eine Indexmenge
I sowie zu jedem i ∈ I eine Menge Ui ∈ B existiert mit U =
Ui .
i∈I
18. April
Proof
⇒: Sei US∈ TB . Dann existiert für alle x ∈ U ein Bx ∈ B mit x ∈ Bx ⊂ U . D.h.,
U = x∈U Bx .
S
⇐: Sei x ∈ U = i Ui mit Ui ∈ B. Dann gibt es ein j ∈ I mit x ∈ Uj ⊂ U . Also gilt
U ∈ TB .
S
Alternativ: Wir wissen: Ui ∈ B ⊂ TB . Dann gilt auch i Ui ∈ TB , nach (Top2).
Theorem 1.16 (Kriterum für eine Basis)
Sei (X, T ) ein topologischer Raum, C ⊂ T ein Mengensystem mit der folgenden Eigenschaft: Für alle U ∈ T und alle x ∈ U existiert ein C ∈ C mit x ∈ C ⊂ U . Dann ist C
eine Basis von T , also T = TC .
Proof
1. C ist eine Basis auf X, denn:
(B1) Wende Voraussetzung mit U = X ∈ T an.
(B2) Seien C1 , C2 ∈ C, x ∈ C1 ∩ C2 . Dann gilt C1 ∩ C2 ∈ T , also existiert C ∈ C mit
x ∈ C ⊂ C1 ∩ C2 .
1. GRUNDBEGRIFFE
9
2. T = TC , denn:
i) U ∈ T , x ∈ U =⇒S∃C ∈ C mit x ∈ C ⊂ U =⇒ U ∈ TC .
S
ii) U ∈ TC =⇒ U = i Ui mit Ui ∈ C, da C eine Basis ist =⇒ U = i Ui ∈ T . Man kann Feinheit an Basen ablesen:
Theorem 1.17
Sei Bj eine Basis der Topologie Tj auf X (j = 1, 2). Dann gilt:
T1 ⊂ T2 , genau dann wenn für alle x ∈ X und alle B1 ∈ B1 mit x ∈ B1 ein B2 ∈ B2
existiert mit x ∈ B2 ⊂ B1 .
Proof
⇒: Sei x ∈ B1 ∈ B1 . Da B1 ⊂ T1 ⊂ T2 , existiert ein B2 ∈ TB2 = T2 mit x ∈ B2 ⊂ B1 .
⇐: Sei U1 ∈ T1 , x ∈ U1 . Da T1 = TB1 , gibt es ein B1 ∈ B1 mit x ∈ B1 ⊂ U1 . Nach
Voraussetzung gibt es ein B2 ∈ B2 mit x ∈ B2 ⊂ B1 ⊂ U1 . Also U1 ∈ TB2 = T2 . Theorem 1.18
Seien d, d0 Metriken auf X. Dann gilt Td ⊂ Td0 , genau dann wenn für alle x ∈ X und
alle ε > 0 ein δ > 0 existiert mit Bd0 (x, δ) ⊂ Bd (x, ε).
Proof
Die jeweiligen offenen Bälle sind Basen.
⇒: Es existiert ein Ball Bd0 (x0 , ε0 ) mit Bd0 (x0 , ε0 ) ⊂ Bd (x, ε). Daraus folgt Bd0 (x, δ) ⊂
Bd0 (x0 , ε0 ), mit δ := ε0 − d(x, x0 ).
⇐: Sei y ∈ X, ε > 0, x ∈ X beliebig mit y ∈ Bd (x, ε). Zu zeigen ist die Existenz
eines offenen d0 -Balles B 0 mit y ∈ B 0 ⊂ Bd (x, ε). Für ε̃ := ε − d(x, y) gilt
jedenfalls y ∈ Bd (y, ε̃) ⊂ Bd (x, ε). Nach Voraussetzung existiert ein δ > 0 mit
y ∈ Bd0 (y, δ) ⊂ Bd (y, ε̃) ⊂ Bd (y, ε), was zu zeigen war.
Definition 1.19
S ⊂ P(X) heißt eine Subbasis auf X, falls
[
X=
S,
S∈S
d.h., falls jedes x ∈ X in einem S ∈ S liegt. In dieser Situation definieren wir TS ⊂
P(X) wie folgt: U ∈ TS ⇔ U lässt sich schreiben als Vereinigung von Mengen der Art
T
n
i=1 Si , wobei n ∈ N, S1 , . . . , Sn ∈ S.
Lemma 1.20
Sei S eine Subbasis auf X. Dann ist
(n
)
\
BS :=
Si : n ∈ N, S1 , . . . , Sn ∈ S
i=1
eine Basis auf X mit TBS = TS . Insbesondere ist also TS eine Topologie auf X.
10
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Proof
(B1) Folgt aus der Definition: X =
(B2) Seien
n
T
i=1
Si ,
ñ
T
S
S∈S
S̃i ∈ BS und x ∈ (
i=1
n
T
S.
Si ) ∩ (
i=1
(B2) folgt dann direkt aus (
n
T
i=1
ñ
T
S̃i ).
i=1
Si ) ∩ (
ñ
T
i=1
S̃i ) ∈ BS .
2. KONSTRUKTIONSPRINZIPIEN FÜR TOPOLOGISCHE RÄUME
2
11
Konstruktionsprinzipien für topologische Räume
2.1
Teilräume
Definition und Satz 1.21
Sei (X, T ) ein Topologischer Raum und sei Y ⊂ X beliebig. Dann ist
TY := {Y ∩ U : U ∈ T }
eine Topologie auf Y , die sogenannte Teilraumtopologie auf Y (bezüglich T ).
Proof
(Top1) ∅ = ∅ ∩ Y, Y = X ∩ Y und ∅, X ∈ T nach Voraussetzung =⇒ ∅, Y ∈ TY .
(Top2) Sind Ui ∈ TY für alle
i ∈ I, so gibt es zu jedem i ∈ I ein Ũi ∈ T mit Ui = Ũi ∩ Y ,
S S
also i Ui =
i Ũi ∩ Y ∈ TY .
(Top3) Ein analoges mengentheoretisches Argument wie für (Top2).
Bemerkung 1.22
1. Mengen in TY können sehr wild relativ zu T sein.
2. Sei X ≡ (X, T ) ein topologischer Raum und Y ⊂ X. Dann sagen wir auch U ist
offen in Y , falls U ∈ TY . Analog sagen wir U ist offen in X, falls U ∈ T .
Wenn nichts anderes dazugesagt wird, statten wir alle Teilmengen des Rm mit der
Teilraumtopologie bezüglich der Standardtopologie des Rm aus.
Lemma 1.23
Sei (X, T ) ein topologischer Raum und Y ∈ T . Dann gilt für alle U ∈ TY auch U ∈ T
(also in obiger Terminologie: Y offen in X und U offen in Y =⇒ U offen in X).
Proof
Sei U ∈ TY . Dann gibt es ein Ũ ∈ T mit Ũ ∩ Y = U . Da aber Ũ , Y ∈ T , ist dann auch
U = Ũ ∩ Y ∈ T .
Lemma 1.24 (Basen induzieren Teilbasen)
Sei (X, T ) ein topologischer Raum, Y ⊂ X beliebig und B eine Basis von T .
Dann ist BY = {Y ∩ B : B ∈ B} eine Basis von TY .
Proof Trivial.
12
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
2.2
Quotientenräume
Definition und Satz 1.25
Sei (X, T ) ein topologischer Raum, A eine beliebige Menge und f : X → A eine beliebige
Abbildung. Dann ist
Tf = {U ⊂ A : f -1 (U ) ∈ T }
eine Topologie auf A, die sogenannte von T und f erzeugte Topologie.
Proof
Der Beweis ist leicht und folgt sofort aus rein mengentheoretischen Argumenten:
(Top1) f -1 (A) = X, f -1 (∅) = ∅.
S
S
(Top2) f -1 ( i Ui ) = i f -1 (Ui ).
(Top3) f -1 (U1 ∩ U2 ) = f -1 (U1 ) ∩ f -1 (U2 ).
25. April
Beispiel 1.26
1. Sei ∼ eine Äquivalenzrelation auf X und X/∼ die Menge der zugehörigen Äquivalenzklassen,
sowie
π∼ : X → X/∼ , x 7→ [x]∼
die kanonische Projektion. Ist nun T eine Topologie auf X, so heißt die oben
definierte Topologie Tπ∼ die Quotiententopologie auf X/∼ .
2. Sei die Sphäre S m ⊂ Rm+1 definiert durch
(
S
m
:=
m+1
x∈R
:
m+1
X
)
x2i
=1 .
i=1
m
Auf S m sei x ∼ y definiert durch x ∼ y ⇔ x = ±y; dann ist RP m := S /∼
der m−dimensionale reell projektive Raum; er wird üblicherweise versehen mit der
Quotiententopologie Tπ∼ .
3. Sei X := [0, 1] × [0, 1] ⊂ R2 ; auf X sei (x, y) ∼ (x0 , y 0 ) ⇔ (x, y) = (x0 , y 0 ) oder
{x, x0 } = {0, 1} und y +y 0 = 1; dann ist X/∼ das Möbiusband; es wird üblichwerweise
versehen mit der Quotiententopologie Tπ∼ .
2. KONSTRUKTIONSPRINZIPIEN FÜR TOPOLOGISCHE RÄUME
2.3
13
Produkttopologie
Sei J eine beliebige Indexmenge und zu jedem α ∈ J sei (Xα , Tα ) ein topologischer
Raum und
Y
πα :
Xβ → Xα , (xβ )β∈J 7→ xα
β∈J
die kanonische Projektion.
Satz und Definition 1.27 Mit SXβ := {πβ-1 (Uβ ) : Uβ ∈ Tβ } ist
[
SQβ Xβ :=
SXβ
β∈J
Q
eine Subbasis auf α XαQ. Die davon erzeugt Topologie TQα Xα auf α Xα heißt die
Produkttopologie auf α Xα . Eine Basis dieser Topologie ist gegeben durch
Q
BQα Xα :=
(
)
Y
Uβ : Uβ ∈ Tβ für alle β ∈ J, Uβ = Xβ für alle bis auf endlich viele β ∈ J .
β∈J
Proof 1. SQα Xα ist sicherlich eine Subbasis auf dem Produktraum.
2. Noch zu zeigen ist BQα Xα = BSQα Xα (∗).
Hierzu stellen wir fest, dass BSQα Xα = {πβ-11 (Uβ1 )∩. . .∩πβ-1n (Uβn ) : n ∈ N, β1 , . . . , βn ∈
J, βi 6= βj für i 6= j, Uβj ∈ Tj ∀j = 1, . . . , n}. Daraus kann man (∗) ablesen, denn:
BQα Xα ⊂ BSQα Xα : dies ist klar
BSQα Xα ⊂ BQα Xα : die folgt, indem man setzt Uβ := {Uβj , falls β = βj für ein j =
1, . . . , n}.
Bemerkung 1.28
1. Q
Es gibt außer der Produkttopologie noch eine weitere kanonische Topologie auf
α Xα : Sei hierzu
(
)
Y
Box
BQ
:=
Uβ : Uβ ∈ Tβ für alle β ∈ J .
α Xα
β∈J
Es ist leicht zu sehen, dass dies eine
Q Basis auf
Box
Q
T Xα heißt Boxtopologie auf α Xα .
Q
α
Xα ist. Die induzierte Topologie
α
2. Falls J endlich ist, so gilt offensichtlich TQα Xα = TQBoxXα .
α
3. Im Allgemeinen gilt TQBoxXα ⊃ TQα Xα . Tatsächlich hat die Boxtopologie so viele
α
offene Mengen, dass dies zu einigen pathologische Eigenschaften der Boxtopologie führt (so werden wir etwas später sehen dass unendliche Produkte kompakter
topologischer Räume nicht einmal lokalkompakt sein brauchen in der Boxtopologie,
aber sogar kompakt sind in der Produkttopologie).
14
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Beispiel 1.29
Es ist leicht zu sehen, dass die Standardtopologie auf Rm übereinstimmt mit der Produkttopologie auf Rm = R1 × . . . × R1 , wobei natürlich jeweils R1 mit der Standardtopologie
versehen ist.
Theorem 1.30
Sei (Xα , Tα ) ein topologischer Raum für jedes α ∈ J, und sei jeweils (Aα , (Tα )Aα ) ⊂
(Xα ,Q
Tα ) ein Teilraum (insbesondere also selbst ein topologischer
Q Raum).
Q Dann stimmt
auf Q
α Aα die Produkttopologie mit der Teilraumtopologie
α Aα ⊂
α Xα überein,
wobei α Xα mit der Produkttopologie versehen ist.
Proof
Uebung.
Beispiel 1.31
Sei T m := S 1 × . . . × S 1 ⊂ R2m der Standardtorus (wobei also S 1 ⊂ R2 mit der
Teilraumtopologie ausgestattet wird). Es ist also nach den obigen Resultaten egal, ob
man T m die Produkttopologie, oder die Teilraumtopologie ⊂ R2m gibt.
3. ABGESCHLOSSENE MENGEN
3
15
Abgeschlossene Mengen
Definition 1.32
Sei X ≡ (X, T ) ein topologischer Raum. Dann heißt A ⊂ X abgeschlossen (bezüglich
T ), wenn X\A offen (bezüglich T ) ist.
Beispiel 1.33
1. Ist X ein topologischer Raum, so ist X selbst abgeschlossen in der zugrundeliegenden
Topolgie.
2. Intervalle der Art [a, b] ⊂ R, a < b reell, sind abgeschlossen: X\[a, b] = (−∞, a) ∪
(b, ∞) ist offen.
3. Intervalle der Art [a, ∞) ⊂ R, a reell, sind abgeschlossen.
4. Intervalle der Art [a, b) ⊂ R, a, b reell sind weder offen noch abgeschlossen.
5. Sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann ist B̄d (x, r) := {y ∈ X : d(x, y) ≤ r}
abgeschlossen.
Theorem 1.34
Sei X ein topologischer Raum. Dann gilt:
1. ∅, X sind abgeschlossen.
2. Beliebige Schnitte abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen.
3. Endliche Vereinigungen abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen.
Proof
Für eine Teilmenge A ⊂ X bezeichne im Beweis Ac := X \ A stets das Komplement
von A in X.
1. X, ∅ sind offen =⇒ ∅ = X\X, X = X\∅ sind abgeschlossen.
2. Sei I eine beliebige Indexmenge,SUi abgeschlossen für alle i ∈ I. Dann ist Uic
offen, insbesondere ist also auch
Uic offen.
i∈I
Nach
den S
De Morganschen
Gesetzen also:
T
c c
Ui =
Ui , der Schnitt ist also abgeschlossen.
i∈I
i∈I
3. Seien U1 , U2 , ..., Un abgeschlossen. Dann gilt wieder nach den De Morganschen
Gesetzen:
c
S
T
Ui =
Uic , und endliche Schnitte offener Mengen sind offen.
1≤i≤n
1≤i≤n
16
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Wir können Topologien also genauso gut durch die Angabe ihrer abgeschlossenen Mengen charakterisieren. Ist etwa T̃ ⊂ P(X) ein Mengensystem (”abgeschlossene Mengen”), das die Axiome 1,2 und 3 aus Theorem 1.34 erfüllt, dann existiert offensichtlich
genau eine Topologie T auf X mit T̃ = {abgeschlossen Mengen bzgl. T }.
27. April
Analog zu den offenen Mengen werden wir die folgende Terminologie verwenden:
Bemerkung 1.35
Ist X ein topologischer Raum und Y ⊂ X eine beliebige Teimenge, so nennen wir
A ⊂ Y abgeschlossen in Y , falls A abgeschlossen in der Teilraumtopologie von Y
ist, und Y heißt abgeschlossen in X, falls A abgeschlossen in der Topologie von X
ist.
Theorem 1.36
Sei X ein topologischer Raum, Y ⊂ X ein Teilraum, A ⊂ Y . Dann ist A abgeschlossen
in Y , genau dann wenn A = Y ∩ C für eine in X abgeschlossene Menge C ⊂ X gilt.
Proof
⇒: Y \A ist offen in Y =⇒ Y \A = Y ∩ U mit U ⊂ X offen =⇒ A = Y ∩ (X\U )
wobei X\U =: C abgeschlossen in X ist.
⇐: X\C ist offen in X =⇒ (X\C) ∩ Y = Y \A ist offen in Y .
Theorem 1.37
Sei X ein topologischer Raum, Y ⊂ X abgeschlossen. Dann ist A ⊂ Y abgeschlossen
in Y , genau dann wenn A abgeschlossen in X ist.
Proof Leicht.
Definition 1.38 Sei X ein topologischer Raum, und A ⊂ X.
S
i) Das Innere Å von A ist definiert durch Å =
U.
U ⊂A
U offen in X
ii) Der Abschluss Ā von A ist definiert durch Ā =
T
F
F ⊃A
F abgeschl. in X
Bemerkung 1.39
i) Å ist offen in X, Ā ist abgeschlossen in X und Å ⊂ A ⊂ Ā.
ii) Å ist die größte offene Teilmenge von X, die in A enthalten ist, und Ā ist die
kleinste Teilmenge von X, die A enthält.
3. ABGESCHLOSSENE MENGEN
17
iii) A ⊂ B =⇒ Ā ⊂ B̄ und Å ⊂ B̊.
iv) A ist offen ⇔ A = Å
A ist abgeschlossen ⇔ A = Ā.
v) Sei (X, d) ein metrischer Raum, r > 0, x ∈ X. Es gilt im Allgemeinen nur
Bd (x, r) ⊂ B̄d (x, r), was aus Bd (x, r) ⊂ B̄d (x, r) =⇒ Bd (x, r) ⊂ B̄d (x, r) folgt. Ist
z.B. X eine Menge die mindestens die beiden voneinander verschiedenen Elemente
x, y enthält, und ist d die diskrete Metrik auf X, so gilt B̄d (x, 1) = {y, x} =
6 {x} =
Bd (x, 1).
Oft ist auch folgende einfache Feststellung nützlich: Ist A ⊂ X ein Teilraum und Y ⊂ A,
so ist der Abschluss von Y in A gerader der Abschluss von Y in X geschnitten mit A.
Wie werden für diesen Sachverhalt oft
Ȳ A = Ȳ X ∩ A.
schreiben. Dies folgt leicht aus der Definition des Abschlusses und der Teilraumtopologie.
Definition 1.40
Sei X ein topologischer Raum, x ∈ X. Dann heißt U ⊂ X eine Umgebung von x, falls
x ∈ U gilt und U offen ist.
Theorem 1.41
Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X, x ∈ A. Dann gelten folgende Aussagen:
i) Es gilt x ∈ Ā, genau dann wenn jede Umgebung U von x einen nichtleeren Schnitt
mit A hat.
ii) Sei B eine Basis der Topologie auf X. Dann ist x ∈ Ā, genau dann wenn jede
Umgebung U ∈ B von x einen nichtleeren Schnitt mit A hat.
Proof
1. Wir zeigen: x ∈
/ Ā ⇔ es existiert eine Umgebung U von x mit U ∩ A = ∅.
⇒: Man setze einfach U = X\Ā.
⇐: X\U abgeschlossen ist mit X\U ⊃ A; dies zeigt X\U = X\U ⊃ Ā, also
x∈
/ Ā.
2. ⇒: Diese Aussage folgt aus Teil i).
⇐: Sei U eine beliebige Umgebung von x. Dann gibt es ein B ∈ B mit x ∈ B ⊂
U . Nach Voraussetzung hat B nichtleeren Schnitt mit A, also hat auch U
nichtleeren Schnitt mit A. Nutze nun Teil i).
18
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Theorem 1.42
Sei J eine beliebige Indexmenge, und Q
zu jedem α Q
∈ J jeweils Xα Q
ein topologischer
A
,
wobei
Raum, und sei Aα ⊂ Xα . Dann Q
gilt:
Ā
=
α Q
α
α∈J
α∈J Xα mit der
α∈J
Produkttopologie versehen ist und α∈J Aα als Teilmenge von α∈J Xα betrachtet wird.
Proof
Q
Q
⊂: Sei x ∈ α∈J Āα und sei U = α Uα ein Element der kanonischen Basis der
Produkttopologie,
mit x Q
∈ U =⇒ ∀α∃yα ∈ Uα ∩ Aα =⇒ y := (yα )α∈J ∈
Q
U ∩ ( α∈J Aα ) =⇒ x ∈ α∈J Aα .
Q
⊃: Sei x = (xα ) ∈ α∈J Aα . Q
Zu jedem β ∈ J sei Vβ ⊂ Xβ eine beliebige Umgebung
-1
von
Q xβ =⇒-1 πβ (Vβ ) ⊂ α∈J Xα ist eine Umgebung von x =⇒ ∃y = (yα ) ∈
( α Aα ) ∩ πβ (Vβ ) =⇒ yβ ∈ Aβ ∩ Vβ =⇒ xβ ∈ Āβ .
Definition 1.43
Sei X ≡ (X, T ) ein topologischer Raum, A ⊂ X, x ∈ X. Dann heißt x ein Häufungspunkt
von A, falls für jede Umgebung U von x die Menge U ∩ A einen von x verschiedenen
Punkt enthält.
Bemerkung 1.44
In obiger Situation ist x genau dann ein Häufungspunkt (HP) von A, wenn x ∈ A\{x}
gilt.
Beispiel 1.45
Sei A := [a, b) ⊂ R mit a, b reell. Dann ist {HP’e von A} = [a, b] .
Theorem 1.46
Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X. Dann ist Ā = A ∪ {HP’e von A}.
Proof
Die Inklusion Ā ⊂ A ∪ {HP’e von A} sieht man wie folgt: Zum einen gilt A ⊂ Ā. Ist
hingegen x ein HP von A, so enthält jede Umgebung U von x einen von x verschiednen
Punkt aus A, d.h. U hat einen nichtleeren Schnitt mit A, also ist x ∈ Ā.
Wir müssen noch Ā ⊂ A ∪ {HP’e vonA} zeigen: Sei x ∈ Ā. Falls x ∈ A, so ist nichts
weiter zu tun. Also sei nun x ∈
/ A. Dann hat jede Umgebung von x einen nichtleeren
Schnitt mit A\{x}. Per Definition ist also x Häufungspunkt von A.
Da eine Teilmenge A eines topologischen Raumes genau dann abgeschlossen ist, wenn
A = Ā gilt, folgt:
Korollar 1.47
Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X. Dann ist A abgeschlossen, genau dann wenn A
all seine Häufungspunkte enthält.
3. ABGESCHLOSSENE MENGEN
19
Definition 1.48
Sei X ein topologische Raum, A ⊂ X. Dann ist der Rand ∂A von A definiert durch
∂A = Ā\Å.
Theorem 1.49
Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X. Dann gilt:
i) Ā = Å t ∂A
ii) ∂A = ∅ ⇔ A ist offen und abgeschlossen
iii) A ist offen ⇔ ∂A = Ā\A
Proof
i) Å ∪ ∂A = Å ∪ (Ā\Å) = Å ∪ Ā = Ā, da Å ⊂ Ā.
∂A ∩ Å = (Ā\Å) ∩ Å = ∅.
ii) ∂A = ∅ ⇔ Ā = Å ⇔ Ā = A = Å, wegen (i) und Å ⊂ A ⊂ Ā.
iii) A ist offen ⇔ A = Å ⇔ Ā\Å = Ā\A ⇔ ∂A = Ā\A, wegen Å, A ⊂ Ā.
20
4
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Konvergenz und Hausdorffräume
Definition 1.50
Sei X ein topologischer Raum, (xn )n∈N ⊂ X eine Folge, und x ∈ X. Dann sagen wir
xn konvergiert gegen x für n → ∞ (in Zeichen: xn → x für n → ∞), falls zu
jeder Umgebung U von X ein N (U ) ∈ N existiert, so dass xn ∈ U für alle n ≥ N (U ).
Bemerkung 1.51
Im Allgemeinen haben Folgen in topologischen Räumen mehr als nur einen Grenzwert.
Die manchmal dennoch benutzte Notation lim xn = x ist dann sinnlos; am ehesten
n→∞
würde vielleicht die Notation x ∈ lim xn Sinn machen.
n→∞
Dies ist eine der Motivationen für die folgende Definition:
Definition 1.52
Ein topologischer Raum X heißt ein Hausdorffraum, wenn zu allen x, y ∈ X mit x 6= y
Umgebungen U von x und V von y existieren mit U ∩ V = ∅.
2.Mai
Theorem 1.53
Sei X ein Hausdorffraum. Dann gelten folgende Aussagen:
i) Alle einelementigen Teilmengen von X sind abgeschlossen.
ii) Sei (xn )n∈N eine Folge in X, x, y ∈ X mit xn → x und xn → y. Dann gilt x = y.
Proof
i) Sei x ∈ X. Zu zeigen ist {x} ⊂ {x}, d.h. X\{x} ⊂ X\{x}. Sei hierzu y ∈ X\{x}.
Es existiert eine Umgebung U von y und W von x mit U ∩ W = ∅ =⇒ y ∈
/ {x}.
ii) Angenommen y 6= x. Dann existieren Umgebungen U von x und W von y mit
U ∩ W = ∅. Es gibt ein N (U ) ∈ N, so dass für alle n ≥ N (U ) gilt xn ∈ U . Analog
gibt es ein N (W ) ∈ N, so dass für alle n ≥ N (W ) gilt xn ∈ W . Dann gilt aber
für N := max(N (U ), N (V )), dass xN ∈ U und xN ∈ V , also xN ∈ U ∩ V = ∅.
Widerspruch!
Definition 1.54
Topologische Räume, in denen die Aussage i) des vorherigen Satzes stimmt (also in denen alle einelementigen Teilmengen abgeschlossen sind), nennt man T1 -Räume. Hausdorffräume nennt man auch T2 -Räume.
So ist etwa R mit der aus der Übung bekannten kofinitien Topologie T1 , aber nicht T2 .
4. KONVERGENZ UND HAUSDORFFRÄUME
21
Lemma 1.55
Jeder metrisierbare topologische Raum ist ein Hausdorffraum.
Proof
Sei d Metrik auf X, so dass die Topologie auf X durch d erzeugt wird. Seien x, y ∈ X
. Dann sind Bd (x, r) und Bd (y, r) Umgebungen von x
beliebig, x 6= y. Setze r := d(x,y)
2
beziehungsweise y. Es gilt Bd (x, r) ∩ Bd (y, r) = ∅, denn für alle z ∈ Bd (x, r) gilt
d(y, z) ≥ |d(y, x) − d(x, z)| = d(y, z) − d(x, z) > 2r − r = r
nach der umgekehrten Dreiecksungleichung, also z ∈
/ Bd (y, r).
Theorem 1.56 Es gelten folgende Aussagen:
i) Teilräume von Hausdorffräumen sind Hausdorffräume.
ii) Sei X ein topologischer Raum. Dann ist X ein Hausdorffraum, genau dann wenn
∆X := {(x, x) : x ∈ X} ⊂ X × X in der Produkttopologie abgeschlossen ist.
iii) Sei J eineQbeliebige Indexmenge und Xα (α ∈ J) jeweils ein topologischer Raum.
Dann ist α∈J Xα ein Hausdorffraum in der Produkttopologie, genau dann wenn
Xα für alle α ∈ J Hausdorffräume sind.
Proof
Teil i) ist trivial, der Rest wird in der Übung bewiesen.
22
5
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Stetige Funktionen
Definition 1.57
Seien X, Y topologische Räume. Dann heißt eine Abbildung f : X → Y stetig, falls
für alle offene Teilmengen V ⊂ Y die Menge f -1 (V ) ⊂ X offen ist.
Lemma 1.58
Seien X, Y topologische Räume und sei S eine Subbasis der Topologie von Y . Dann ist
f : X → Y stetig, genau dann wenn für alle S ∈ S die Menge f -1 (S) ⊂ X offen ist.
Proof
⇒: trivial.
⇐: Sei V ⊂ Y . Dann existiert eine Indexmenge JSund T
zu jedem α ∈ J eine Zahl
α
nα ∈ N, sowie Sα,1 , . . . , Sα,nα ∈ S mit V = α∈J nj=1
Sα,j =⇒ f -1 (V ) =
S T -1
-1
α
j f (Sα,j ) mit f (Sα,j ) offen.
Theorem 1.59
Seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine beliebige Abbildung. Dann sind
folgende Aussagen äquivalent:
i) f ist stetig.
ii) Für jede Teilmenge A ⊂ X gilt f (A) ⊂ f (A).
iii) Für jede abgeschlossene Teilmenge A ⊂ Y ist f -1 (A) ⊂ X abgeschlossen.
iv) Für jedes x ∈ X und jede Umgebung V ⊂ Y von f (x) existiert eine Umgebung
U ⊂ X von x mit f (U ) ⊂ V .
Proof
Wir zeigen i) =⇒ ii) =⇒ iii) =⇒ i), i)⇔iv)
i)⇒ii): Sei x ∈ Ā. Zu zeigen: f (x) ∈ f (A). Dies ist äquivalent dazu, dass für jede
Umgebung V ⊂ Y von f (x) die Menge V einen nichtleeren Schnitt mit f (A) hat
(∗).
Da f stetig ist, ist f -1 (V ) ist offen, also eine Umgebung von x. Wegen x ∈ Ā
hat f -1 (V ) nichtleeren Schnitt mit A. Nimm y ∈ A ∩ f -1 (V ) =⇒ f (y) ∈
f (A) ∩ V =⇒ (∗).
ii)⇒iii): Zu zeigen ist f -1 (A) ⊂ f -1 (A).
Hierzu:
n.V.
f (f -1 (A)) ⊂ A =⇒ f (f -1 (A)) ⊂ f (f -1 (A)) ⊂ Ā = A =⇒ f -1 (A) ⊂ f -1 (A).
5. STETIGE FUNKTIONEN
23
iii)⇒i): Sei V ⊂ Y offen. Es gilt:
f -1 (Y \V ) = f -1 (Y )\f -1 (V ) = X\f -1 (V ) =⇒ X\f -1 (V ) abgeschlossen
| {z }
abgeschlossen
-1
=⇒ f (V ) offen =⇒ f stetig.
i)⇒iv): Setze U := f -1 (V ).
iv)⇒i): Sei V ⊂ Y offen. Für jedes x ∈ f -1 (V ), also f (x) ∈ V existiert U = Ux (Umgebung von x) mit f (Ux ) ⊂ V . Aus Ux ⊂ f -1 (V ) folgt
[
f -1 (V ) =
Ux ,
x∈f -1 (V )
d.h. f -1 (V ) ist offen, und somit f stetig.
Theorem 1.60
Seien X, Y, Z topologische Räume.
i) Konstante Funktionen f : X → Y sind stetig.
ii) Sei A ⊂ X ein Teilraum. Dann ist die Inklusionsabbildung ιA : A ,→ X stetig.
iii) Seien f : X → Y, g : Y → Z stetig. Dann ist g ◦ f : X → Z ist stetig.
iv) Sei A ⊂ X ein Teilraum und f : X → Y stetig. Dann ist f |A : A → Y ist stetig.
v) Sei f : X → Y stetig.
1) Ist Z ⊂ Y ein Teilraum mit f (X) ⊂ Z, so ist die Abbildung g : X → Z, g(x) :=
f (x) stetig.
2) Ist Y ⊂ Z ein Teilraum, so ist h : X → Z, h(x) := f (x) stetig,
vi) Sei UαS(α ∈ J) ⊂ X offen und f : X → Y gegeben mit f |Uα : Uα → Y stetig und
X=
Uα . Dann ist f stetig.
α∈J
4. Mai
Proof
i) Sei y0 ∈ Y mit(
f (x) = y0 für alle x. Für beliebige V ⊂ Y (insbesondere für offene)
X , falls y0 ∈ V
gilt: f -1 (V ) =
und diese beiden Mengen sind offen.
∅ , falls y0 ∈
/V
ii) Ist U ⊂ X offen in X, so ist ι-1
A (U ) = U ∩ A per Definition der Teilraumtopologie
offen in A.
24
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
iii) Sei V ⊂ Z offen =⇒ (g ◦ f )-1 (V ) = f -1 (g -1 (V )) offen (da f, g stetig)
f |A
iv) A
/
ιA
=⇒ f |A stetig nach ii)+iii) (f |A = f ◦ ιA )
>Y
f
X
v) 1) Sei B ⊂ Z offen in Z.
=⇒ B = U ∩ Z mit U ⊂ Y offen in Y . Aus Z ⊃ f (X) folgt g -1 (B) = f -1 (U )
was offen in X ist, da f stetig ist.
/
h
2) X
f
Y
/
?Z
=⇒ h stetig nach ii)+iii)
ιY
vi) Sei V ⊂ Y offen. Die Mengen f -1 (V ) ∩ Uα = f -1 |S
Uα (V ) sind offen in Uα , also offen
in X. Daraus folgt, dass die Menge f -1 (V ) =
f -1 (V ) ∩ Uα als Vereinigung
α∈J
offener Mengen offen in X ist.
Theorem 1.61
Seien X, Y topologische Räume, A, B ⊂ X, fA : A → Y stetig, fB : B → Y stetig,
X = A ∪ B, fA |A∩B = fB |A∩B . Sind dann entweder A und B beide abgeschlossen
oder beide offen, so existiert genau eine stetige Funktion f : X → Y mit f |A = fA und
f |B = fB .
Proof
Sei
(
fA (x), x ∈ A
f : X → Y, f (x) =
fB (x), x ∈ B
.
Falls A, B beide offen sind, ist nach obigem Theorem (vi) die Abbildung f stetig.
Seien nun A, B ⊂ X abgeschlossen und ⊂ Y abgeschlossen. Wir zeigen, dass f -1 (C) ⊂
X abgeschlossen in X ist.
Es gilt f -1 (C) = fA-1 (C) ∪ fB-1 (C), wobei n.V. fA-1 (C) abgeschlossen in A, also auch
abgeschlossen in X ist. Die Menge fB-1 (C) ist analog abgeschlossen in X, also folgt die
Behauptung.
Bemerkung 1.62
Sei J eine beliebige Indexmenge und jeweils Xα topologische Räume (α ∈ J), sowie
Q
α∈J Xα mit der Produkttopologie versehen. Es ist dann leicht zu sehen, dass die
Projektionsabbildungen
Y
πα :
X α → Xα
α∈J
stetig und offen sind. Hierbei heißt eine Abbildung zwischen topologischen Räumen
offen, wenn sie offene Mengen auf offene Mengen abbildet).
5. STETIGE FUNKTIONEN
25
Theorem 1.63
Seien
X, Xα topologische Räume (α ∈ J, mit J einer beliebigen Indexmenge),Qund sei
Q
X
α mit der Produkttopologie versehen. Dann ist f = (fα )α∈J : X →
α∈J
α∈J Xα
stetig, genau dann wenn fα : X → Xα stetig ist für alle α ∈ J.
Proof
S -1
Wie bemerken zunächst, dass S =
{πβ (Uβ )|Uβ ⊂ Xβ offen} eine Subbasis der Proβ∈J
dukttopologie ist.
⇒: Da f stetig ist, gilt dies auch für fα = πα ◦ f .
⇐: Es genügt zu zeigen, dass für alle U ∈ S die Menge f -1 (U ) ⊂ X offen ist. Hierbei
ist V = πβ-1 (Uβ ) die allgemeine Form von U mit Uβ ∈ Xβ . Es gilt aber
f -1 (U ) = f -1 (πβ-1 (Uβ )) = fβ-1 (Uβ ),
was offen in X ist.
Bemerkung 1.64
Das obige Theorem
Allgemeinen nicht für die Boxtopologie:
Qstimmt im
N
Nimm f : R →
R =: R , fn = idR die Identitätsabbildung für alle n ∈ R. Die
n∈N
Q
Menge n∈N (−1/n, 1/n) ist offen in RN in der Boxtopologie, aber die Menge
!
Y
\
\
−1
f
(−1/n, 1/n) =
fn−1 (−1/n, 1/n) =
(−1/n, 1/n) = {0}
n∈N
n∈N
n∈N
ist nicht offen in R.
Korollar 1.65
Sei X ein topologischer Raum und seien f1 , f2 : X → R stetige Funktionen. Dann sind
f1 + f2 , f1 · f2 , ff21 (letzteres falls f2 (x) 6= 0 für alle x ∈ X) stetig.
Proof
Jede dieser Funktionen ist jeweils eine Verkettung der stetigen Abbildungen
(f1 ,f2 )
Ψ
X −−−−→ R × R −
→ R,
wobei Ψ = +, ·, / usw. Hier ist natürlich R × R mit der Produkttopologie ausgestattet
worden.
Lemma 1.66
Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X, x ∈ X. Dann gelten folgende Aussagen:
i) Existiert eine Folge (xn )n∈N ⊂ A mit xn → x für n → ∞, so ist x ∈ Ā.
26
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
ii) Sei X metrisierbar und x ∈ Ā. Dann existiert eine Folge (xn )n∈N ⊂ A mit xn → x
für n → ∞.
Proof
i) Es gilt x ∈ Ā, genau dann wenn jede Umgebung von x einen nichtleeren Schnitt
mit A hat.
Sei also U eine beliebige Umgebung von x, und (xn )n∈N ⊂ A eine Folge mit xn → x.
Dann existiert per Definition ein N := N (U ) ∈ N mit xN ∈ U . Also xN ∈ U ∩ A.
ii) Sei d eine Metrik auf X, die die Topologie auf X induziert. Es gilt x ∈ Ā, genau
dann wenn für alle y ∈ X, r > 0 mit x ∈ Bd (y, r) gilt Bd (y, r) ∩ A 6= ∅.
Zu n ∈ N ist Bd (x, n1 ) ∩ A 6= ∅, also nehme ein xn ∈ Bd (x, n1 ) ∩ A.
Für diese (xn )n∈N ⊂ A gilt dann xn → x, n → ∞, denn: Sei hierzu U eine beliebige
Umgebung von x. Dann existieren y ∈ X, r̃ > 0 mit x ∈ Bd (y, r̃) ⊂ U . Mit
r := r̃ − d(x, y) gilt dann sogar x ∈ Bd (x, r) ⊂ Bd (y, r̃) ⊂ U . Wähle N (U ) ∈ N
1
< r. Dann gilt für alle n ≥ N (U ) dass xn ∈ Bd (x, n1 ) ⊂ Bd (x, r) ⊂ U . mit N (U
)
Theorem 1.67
Seien X, Y topologische Räume und f : X → Y .
i) Ist f stetig, so gilt für alle x ∈ X und alle Folgen (xn )n∈N ⊂ X mit xn → x auch
f (xn ) → f (x) für n → ∞ (Stetigkeit impliziert also immer folgenstetigkeit).
ii) Sei X metrisierbar und f folgenstetig im obigen Sinne. Dann ist f auch stetig.
Proof
i) Sei V ⊂ Y eine Umgebung von f (x). Dann ist f -1 (V ) eine Umgebung von x.
Wegen xn → x existiert dann ein N = N (V ) ∈ N so, dass für alle n ≥ N die
Bedingung xn ∈ f -1 (V ) erfüllt ist. D.h. f (xn ) ∈ V , und somit f (xn ) → f (x).
ii) Wir zeigen f (Ā) ⊂ f (A) für alle Teilmengen A ⊂ X: Sei hierzu x ∈ Ā. Dann
existiert eine Folge (xn ) ⊂ A mit xn → x. Nach Voraussetzung gilt also f (xn ) →
f (x), und somit f (x) ∈ f (A). Also ist f stetig.
Theorem 1.68
Seien (X, dX ), (Y, dY ) metrische Räume und f : X → Y . Dann ist f stetig, genau dann
wenn
∀x ∈ X ∀ε > 0 ∃ δ = δ(x, ) > 0 ∀ y ∈ X, dx (x, y) < δ : dy (f (x), f (y)) < ε.
Proof
⇒: Die Menge f -1 (BdY (f (x), ε)) ⊂ X ist eine Umgebung von x. Daher existiert
ein δ > 0 mit BdX (x, δ) ⊂ f -1 (BdY (f (x), ε)). Ist y ∈ BdX (x, δ), so gilt f (y) ∈
BdY (f (x), f (y)).
5. STETIGE FUNKTIONEN
27
⇐: Sei die ε-δ Bedingung erfüllt, V ⊂ Y offen. Es ist zu zeigen, dass f -1 (V ) ⊂ X
offen ist. Sei hierzu x ∈ f -1 (V ). Dann ist f (x) ∈ V und es gibt ein ε > 0
mit BdY (f (x), ε) ⊂ V . Es existiert also n.V. ein δ > 0 mit f (BdX (x, δ)) ⊂
BdY (f (x), ε). Somit gilt
BdX (x, δ) ⊂ f -1 (BdY (f (y), ε)) ⊂ f -1 (V ),
und f -1 (V ) ist offen.
9.Mai
Definition 1.69
Sei X eine beliebige Menge, (Y, d) ein metrischer Raum und f : X → Y, fn : X →
Y (∀n ∈ N). Dann heißt fn gleichmäßig konvergent gegen f für n → ∞, wenn
∀ ε > 0 ∃ N = N (ε) ∈ N ∀ n ≥ N ∀ x ∈ X : d(fn (x), f (x)) < ε.
Stetigkeit bleibt unter gleichmäßiger Konvergenz erhalten:
Theorem 1.70
Sei X ein topologischer Raum, (Y, d) ein metrischer Raum, f, fn : X → Y mit fn stetig
für alle n ∈ N und fn gleichmäßig konvergent gegen f für n → ∞. Dann ist f ebenfalls
stetig.
Proof
Sei x0 ∈ X, V ⊂ Y Umgebung von f (x0 ). Zu zeigen: Es existiert eine Umgebung
U von x0 mit f (U ) ⊂ V . Sei hierzu ε > 0 mit Bd (f (x0 ), ε) ⊂ V (∗). Aufgrund der
gleichmäßigen Konvergenz existiert ein N ∈ N mit d(fN (x), f (x)) < 3ε für alle x ∈ X.
Wähle eine Umgebung U von x0 mit fN (U ) ⊂ Bd (fN (x0 ), 3ε ). Ist nun x ∈ U , so gilt
d(f (x), f (x0 )) ≤ d(f (x), fN (x)) + d(fN (x), fN (x0 )) + d(fN (x0 ), f (x0 )) < ε,
was wegen (∗) nun
f (U ) ⊂ B(f (x0 ), ε) ⊂ V
impliziert.
28
6
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Homöomorphismen
Definition 1.71
Seien X, Y topologische Räume. Dann heißt f : X → Y ein Homöomorphismus, wenn
f stetig und bijektiv ist und außerdem f -1 stetig ist.
Bemerkung 1.72
Genau dann ist eine bijektive Abbildung f : X → Y zwischen den topologischen Räumen
X, Y ein Homöomorphismus, wenn Folgendes gilt: U ⊂ X ist offen ⇔ f (U ) ⊂ Y offen.
Analog: Genau dann ist eine bijektive stetige Abbildung f : X → Y zwischen den topologischen Räumen X, Y ein Homöomorphismus, wenn für alle offenen Mengen U ⊂ X
die Menge f (U ) ⊂ Y ebenfalls offen ist.
Beispiel 1.73
1. x 7→
x
1−x2
ist Homöomorphismus von (−1, 1) nach R
cos(2πt)
1
2
2. f : [0, 1) → S ⊂ R , f (t) =
ist bijektiv und stetig, f -1 ist nicht stetig.
sin(2πt)
3. Je zwei offene (halboffene) [abgeschlossene] Intervalle ⊂ R sind homöomorph.
Bemerkung 1.74
Homöomorphismen erhalten offensichtlich alle topologischen Eigenschaften, welche sich
vollständig durch offene Mengen charakterisieren lassen.
7. ZUSAMMENHÄNGENDE RÄUME
7
29
Zusammenhängende Räume
Definition 1.75
Sei X ein topologischer Raum. Eine Trennung von X ist ein Paar von offenen Teilmengen U, V mit
i) U, V beide nicht leer
ii) U und V sind disjunkt
iii) X = U ∪ V .
X heißt zusammenhängend, wenn keine Trennung von X existiert.
Bemerkung 1.76
Für einen topologischen Raum X gelten folgende Äquivalenzen:
X ist zusammenhängend.
⇔ Für alle nichtleeren offenen Teilmengen U, V ⊂ X mit X = U ∪ V gilt U ∩ V 6= ∅.
⇔ Die einzigen Teilmengen von X, die sowohl offen als auch abgeschlossen sind, sind
∅ und X selbst.
Beispiel 1.77
1. ∅ und einelementige Teilräume eines topologischen Raums sind stets zusammenhängend.
2. Intervalle in R sind stets zusammenhängend. Umgekehrt: Ist A ⊂ R zusammenhängend
mit |A| ≥ 2, so ist A ein Intervall.
3. [a, b) ∪ (b, c] ist nicht zusammenhängend.
4. Q ⊂ R ist nicht zusammenhängend.
Lemma 1.78
i) Sei X ein topologischer Raum, Y ⊂ X ein Teilraum und seien A, B ⊂ Y Teilmengen mit
A, B 6= ∅, A ∩ B = ∅, Y = A ∪ B.
Dann ist Y = A ∪ B eine Trennung genau dann, wenn A keine Häufungspunkte
(in der X-Topologie) von B enthält und B keine Häufungspunkte von A (in der
X-Topologie) enthält.
F
ii) Sei X ein topologischer Raum, X = C D eine Trennung, Y ⊂ X ein zusammenhängender Teilraum. Dann ist Y ⊂ C oder Y ⊂ D.
Proof
Übung.
30
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Theorem 1.79
Sei X ein topologischer Raum, A ⊂ X ein zusammenhängender Teilraum, B eine
Menge mit A ⊂ B ⊂ Ā. Dann ist B ebenfalls zusammenhängend.
Proof
F
Sei B = C D eine Trennung. Dann gilt A ⊂ C oder A ⊂ D. Sei oBdA A ⊂ C. Dann
ist Ā ⊂ C̄ und Lemma 1.78 i) impliziert, dass C̄ und D disjunkt sind. Dann sind auch
D und B disjunkt, was ein Widerspruch dazu ist, dass D eine nichtleere Teilmenge von
B ist.
Das letzte Resultat impliziert unmittelbar:
Korollar 1.80
Ist A ein zusammenhängender Teilraum eines topologischen Raumes X, so ist auch Ā
ein zusammenhängender Teilraum von X.
Theorem 1.81
Seien X, Y topologische Räume mit X zusammenhängend, und sei f : X → Y stetig.
Dann ist f (X) ⊂ Y ein zusammenhängender Teilraum.
Proof
OBdA sei f surjektiv (wenn nicht: ersetze f durch die von f induzierte
Abbildung
F
f˜ : : X → f (X); f˜ ist dann stetig und surjektiv). Sei f (X) = A B eine Trennung.
Dann sind f -1 (A), f -1 (B) disjunkt und offen in X. F
Außerdem sind f -1 (A), f -1 (B)
-1
beide nicht leer (da f surjektiv ist). D.h., X = f (A) f -1 (B) ist Trennung, was ein
Widerspruch ist.
Theorem 1.82
Seien
Xα , α ∈ J topologische Räume, mit J einer beliebigen Indexmenge. Dann ist
Q
α∈J Xα zusammenhängend in der Produkttopologie, genau dann wenn jedes Xα zusammenhängend ist.
Proof Übung.
Bemerkung 1.83
i) Die Richtung ‘⇒’ von Theorem 1.82 gilt auch für die Boxtopologie, da da Projektionsabbildungen insbesondere auch in dieser Topologie stetig sind.
ii) Die Richtung ‘⇐’ von Theorem 1.82 gilt nicht für die Boxtopologie: Sei etwa X :=
R×R×
F . . . . Dann ist X ist nicht zusammenhängend in der Boxtopologie, denn
X = U V , mit
U :=
(xn )n∈N : sup |xn | = ∞
n∈N
und
V := (xn )n∈N : sup |xn | < ∞
n∈N
ist eine Trennung von X bezüglich der Boxtopologie.
7. ZUSAMMENHÄNGENDE RÄUME
31
11. Mai
Theorem 1.84 (Zwischenwertsatz)
Sei X ein zusammenhängender topologischer Raum, f : X → R (ST) stetig, a, b ∈ X,
r ∈ [f (a), f (b)]. Dann existiert ein c ∈ X mit f (c) = r.
Proof
Die Mengen A := f (X) ∩ (-∞, r), B := f (X) ∩ (r, ∞) sind disjunkt, nicht leer (n.V.),
F
und offen in f (X). Angenommen, es existiert kein solches c. Dann ist f (X) = A B
eine Trennung, im Widersprich dazu, dass f (X) zusammenhängend ist.
Lemma 1.85
Sei X ein topologischer Raum, A, Aα (α ∈ J) ⊂ X zusammenhängende Teilräume
mit
S
A∩Aα 6= ∅ für alle α ∈ J (mit J einer beliebigen Indexmenge). Dann ist ( α∈J Aα )∪A
wieder ein zusammenhängender Teilraum.
Proof
Angenommen, es gibt eine Trennung
A∪(
[
Aα ) = U ∪ V.
α∈J
Dann sind entweder A sowie alle Aα in U enthalten, oder es sind A sowie alle Aα in V
enthalten. Sei oBdA A, sowie alle Aα in U enthalten. Daraus folgt Aα ⊂ U für alle α,
also V = ∅, ein Widerspruch.
Definition 1.86
Sei X ein topologischer Raum und x, y ∈ X. Dann sei x ∼ y :⇔ es existiert ein
zusammenhängender Teilraum A ⊂ X mit x, y ∈ A. Dies ist Äquivalenzrelation auf X,
und [x]∼ ⊂ X heißt die Zusammenhangskomponente von x.
Bemerkung 1.87
∼ ist tatsächlich Äquivalenzrelation: Symmetrie und Reflexivität offensichtlich. Die
Transitivität folgt aus Lemma 1.85.
Theorem 1.88
Sei X ein topologischer Raum. Dann lässt sich X als disjunkte Vereinigung von Zusammenhangskomponenten schreiben. Außerdem gelten folgende Aussagen:
i) Für nichtleere zusammenhängende Teilräume A ⊂ X gilt:
#{[x] : x ∈ X : [x] ∩ A 6= ∅} = 1.
ii) [x]∼ ist zusammenhängend für alle x ∈ X.
Proof Die erste Aussage folgt aus allgemeinen Eigenschaften von Äquivalenzrelationen.
32
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
i) Angenommen [x] ∩ A 6= ∅ und [y] ∩ A 6= ∅. Für a ∈ [x] ∩ A und b ∈ [y] ∩ A gilt
dann a ∼ b, aufgrund der Äquivalenzrelation demnach auch [x] = [y].
ii) Sei x0 ∈ [x]. Dann gilt also gilt für alle y ∈ [x] die Aquivalenz y ∼ x0 . Daher
i)
existiert ein zusammenhaengender
Teilraum Ay ⊂ X mit x0 , y ∈ Ay =⇒ Ay ⊂
S
[x] =⇒ [x] = y∈[x] Ay =⇒ [x] ist zusammenhängend, nach Lemma 1.85.
8
Wegzusammenhängende Räume
Definition 1.89
Sei X ein topologischer Raum, x, y ∈ X. Ein Weg von x nach y ist eine stetige
Abbildung γ : [a, b] → X mit γ(a) = x und γ(b) = y.
X heißt wegzusammenhängend, falls für alle x, y ∈ X ein Weg von x nach y existiert.
Lemma 1.90
Jeder wegzusammenhängende Raum X ist auch zusammenhängend.
Proof
F
Angenommen X = A B ist eine Trennung und γ : [a, b] → X ist stetig. Dann gilt
γ([a, b]) ⊂ A oder γ([a, b]) ⊂ B, ein Widerspruch zum Wegzusammenhang von X. Bemerkung 1.91
i) Bilder wegzusammenhängender Räume unter stetigen Abbildungen sind wegzusammenhängend.
ii) Seien Xα Q
topologischer Räume für alle α ∈ J, mit J einer beliebigen Indexmenge.
Dann ist α∈J Xα wegzusammenhängend in der Produkttopologie ⇔ alle Xα sind
wegzusammenhängend.
iii) Sei A := Graph(f ) ⊂ R2 , f : (0, 1] → R, f (t) := sin( 1t ). Dann ist A wegzusammenhängend und Ā ⊂ R2 ist nicht wegzusammenhängend, wohingegen Ā zusammenhängend ist.
iv) Sind Aα , A ⊂ X wegzusammenhängende Teilräume mit S
A ∩ Aα 6= ∅ für alle
α ∈ J (mit J einer beliebigen Indexmenge), so ist =⇒ ( α Aα ) ∪ A wegzusammenhängend.
Satz und Definition 1.92
Sei X ein topologischer Raum, x, y ∈ X. Dann ist
x∼y :⇔
x und y können durch einen Weg verbunden werden
eine Äquivalenzrelation auf X.
Die Äquivalenzklasse [x]∼w ⊂ X heißt die Wegzusammenhangskomponente von x.
8. WEGZUSAMMENHÄNGENDE RÄUME
33
Proof
Refl.: x ∼w x, denn man kann den konstanten Weg γ(t) = x für alle t ∈ [0, 1] wählen.
Symm.: x ∼w y =⇒ y ∼w x, denn sei γ : [a, b] → X mit γ(a) = x, γ(b) = y. Dann ist
γ̃ : [a, b] → X, γ̃(t) := γ(b − t + a) ein Weg von y nach x.
Trans.: x ∼w y und y ∼w z =⇒ x ∼w z, denn x ∼w y =⇒ ∃ Weg γ1 : [a, b] → X von
x nach y =⇒ ∃ Weg γ̃1 : [0, 1] → X. Analog: ∃ Weg φ : [1, 2] → X von y nach
z =⇒ ∃ Weg ψ : [0, 2] → X von x nach z.
Theorem 1.93
Sei X ein topologischer Raum. Dann lässt sich X als disjunkte Vereinigung von Wegzusammenhangskomponente schreiben. Außerdem gelten folgende Aussagen:
i) jeder nichtleere wegzusammenhängende Teilraum von X hat mit genau einer Wegzusammenhangskomponente einen nichtleeren Schnitt.
ii) Wegzusammenhangskomponenten sind wegzusammenhängend.
Proof
Genau wie bei “zusammenhängend”.
Bemerkung 1.94
i) Zusammenhangskomponenten sind stets abgeschlossene Teilmengen. Insbesondere
sind in einem topologischem Raum, der nur endlich viele Zusammenhangskomponenten, die Zusammenhangskomponenten auch auch offene Teilmengen.
ii) Über Wegzusammenhangskomponenten lässt sich im Allgemeinen nicht sagen, ob
sie offen oder abgeschlossen sind.
iii) Im Allgemeinen sind Schnitte von wegzusammenhängenden Teilräumen nicht einmal zusammenhängend: Betrachte hierzu S 1 : Dann sind S 1 \{(0, 1)} und S 1 \{(0, −1)}
wegzusammenhängend, aber (S 1 \{(0, 1)}) ∩ (S 1 \{(0, −1)}) = S 1 \{(0, −1), (0, 1)}
ist nicht zusammenhängend.
34
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
18.Mai
9
Kompakte topolopologische Räume
Definition 1.95
Sei X ein topologischer Raum und sei
S A ⊂ P(X) ein Mengensystem. Dann heißt A
eine Überdeckung von X, falls X =
A gilt, und A heißt eine offene Überdeckung
A∈A
von X, wenn zusätzlich alle A ∈ A offene Teilmengen von X sind.
Definition 1.96
Ein topologischer Raum X heißt kompakt, wenn es zu jeder offenen Überdeckung A von
X ein endliches Teilsystem A0 ⊂ A gibt, sodass A0 immer noch eine Überdeckung von
X ist.
Beispiel 1.97
1. Auf Rm , betrachte A = {ε-Kugeln um die Null} =⇒ Rm ist nicht kompakt.
2. (0, 1] ⊂ R ist ebenfalls nicht kompakt: A := n1 , 1 : n ∈ N .
3. [0, 1]n ⊂ Rn ist kompakt: Wir werden später sehen, dass [0, 1] kompakt ist und dass
beliebige Produkte von kompakten Räumen in der Produkttopologie ebenfalls kompakt
sind.
Definition 1.98
Sei X ein topologischer
Raum, Y ⊂ X. Dann heißt A ⊂ P(X) eine Überdeckung von
S
Y , falls Y ⊂
A.
A∈A
Theorem 1.99
Sei X ein topologischer Raum, Y ⊂ X ein Teilraum. Dann ist Y genau dann kompakt, wenn für jede Überdeckung A ⊂ P(X) von Y mit offenen Teilmengen von X ein
endliches Mengensystem A0 ⊂ A existiert, so dass A0 eine Überdeckung von Y bleibt.
Proof Übung.
Theorem 1.100
i) Sei X ein kompakter Raum und Y ⊂ X abgeschlossen. Dann ist Y ein kompakter
Teilraum.
ii) Sei X ein Hausdorffraum, Y ⊂ X ein kompakter Teilraum. Dann ist Y eine
abgeschlossene Teilmenge von X.
Proof
9. KOMPAKTE TOPOLOPOLOGISCHE RÄUME
35
i) Sei
A = {Ui : i ∈ J}
eine beliebige Überdeckung von Y mit offenen Teilmengen von X. Dann ist
!
[
X=
Uj ∪ (X\Y )
j∈J
eine offene Überdeckung von X. Da X kompakt ist gilt
X = Ui1 ∪ . . . ∪ Uil ∪ (X\Y )
für endlich viele i1 , . . . , il ∈ J, d.h. Y ⊂ Ui1 ∪ . . . ∪ Uil , was die Kompaktheit von
Y zeigt.
ii) Wir zeigen: Zu jedem x0 ∈ X\Y existiert eine Umgebung U von x0 mit U ∩ Y = ∅
(was also impliziert, dass X\Y offen in X ist). Zu jedem y ∈ Y existiert jedenfalls
eine Umgebung
Uy von x0 und Vy von y mit Uy ∩ Vy = ∅ (da X Hausdorff ist); dann
S
ist Y ⊂ y∈Y Vy eine Überdeckung von Y mit offenen Teilmengen von X, und es
S
gilt lj=1 Vyj =: V für geeignete y1 , . . . , yl ∈ Y , da X kompakt ist. Wir setzen
U := Uy1 ∩ . . . ∩ UYl .
Dann ist U eine offene zu V disjunkte Teimengen von X und es gilt U ∩ Y = ∅..
Theorem 1.101
Sei X ein kompakter Raum, Y ein topologischer Raum und f : X → Y stetig. Dann ist
f (X) ⊂ Y ein kompakter Teilraum.
Proof
Sei A ⊂ P(Y ) eine Überdeckung von f (X) mit offenen Teilmengen vonS Y . Dann
ist {f -1 (A) : A ∈ A} eine offene Überdeckung von X, und es gilt X = li=1 f -1 (Ai )
S
für geeignete A1 , . . . , Al ⊂ A, da X kompakt ist. Damit ist f (X) ⊂ li=1 Ai eine
Überdeckung von f (X) mit offenen Teilmengen von Y , und f (X) ist also kompakt. Theorem 1.102
Sei X ein kompakter topologischer Raum, Y ein Hausdorffraum und f : X → Y stetig
und bijektiv. Dann ist f bereits ein Homöomorphismus.
Proof Zu zeigen ist, dass f -1 : Y → X stetig ist. Dies ist äquivalent dazu, dass für alle
abgeschlossener Mengen A ⊂ X die Menge f (A) abgeschlossen ist. Die Menge A ist
nach Voraussetzung kompakt, also ist f (A) ⊂ Y ein kompakter Teilraum. Aber X ist
Hausdorff, und somit ist f (A) abgeschlossen.
36
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Bemerkung 1.103 Offensichtlich ist ein topologischer Raum X genau dann kompakt,
wenn für eine (und dann jede) Basis B der Topologie folgende Aussage gilt:
Für jede Überdeckung A ⊂ B von X existiert ein endliches Teilsystem A0 ⊂ A, so dass
A0 eine Überdeckung von X bleibt.
Weniger offensichtlich:
Theorem 1.104 (Alexander’s Subbasis Lemma)
Man kann in der Bemerkung 1.103 ”Basis” durch ”Subbasis” ersetzen.
Proof
Der Beweis benutzt das Auswahlaxion und wird hier nicht gegeben.
Damit kann man nun in drei Zeilen beweisen:
Lemma 1.105
Intervalle der Art [a, b] ⊂ R mit a < b reell sind kompakte Teilräume.
Proof Übung.
23.Mai
Theorem 1.106 (Satz vom Minimum und Maximum)
Sei X ein kompakter topologischer Raum, f : X → R stetig. Dann hat f (X) ein
Minimum und ein Maximum, d.h. es existieren x1 , x2 ∈ X mit f (x1 ) ≤ f (x) ≤ f (x2 )
für alle x ∈ X.
Proof
Angenommen f (X) hätte kein Maximum. Dann ist {(−∞, a) | a ∈ fS(X)} eine offene
Überdeckung von f (X). Aber f (X) ist kompakt, d.h. es gilt f (X) ⊂ `j=1 (−∞, aj ) für
S
gewisse a1 , . . . , al ∈ f (X). Dies impliziert nun max aj ∈
/ `j=1 (−∞, aj ), ein Widerj=1,...,`
spruch. Für die Existenz des Minimums verfährt man analog, mit den Mengen (a, ∞),
bzw. (aj , ∞).
Theorem 1.107 (Tychonow)
Seien Xα , α ∈ J, topologische Räume (mit J einer beliebigen Indexmenge). Dann ist
Q
α∈J Xα kompakt in der Produkttopologie genau dann, wenn jedes Xα kompakt ist.
Proof
Der Fall |J| endlich ist halbwegs anschaulich. Alle Beweise für den Fall |J| unendlich
brauchen das Auswahlaxiom auf irgendeine Art. Man kann etwa einen kurzen Beweis
mittels Alexander’s Subbasis Lemma geben.
Die Richtung ⇒ in Tychonow’s Theorem gilt auch für die Boxtopologie, wohingegen
die Richtung ⇐ im Allgemeinen falsch ist für die Boxtopologie.
Es gibt weitere Kompaktheitsbegriffe:
9. KOMPAKTE TOPOLOPOLOGISCHE RÄUME
37
Definition 1.108
Sei X ein topologischer Raum. Dann heißt X
i) folgenkompakt, wenn jede Folge in X eine konvergente Teilfolge besitzt.
ii) Bolzano-Weierstrass-kompakt (BW), falls jede unendliche Teilmenge von X
einen Häufungspunkt besitzt.
Die einzige allgemeingültige Implikation ist:
Lemma 1.109
Ist X kompakt, so ist X BW-kompakt.
Proof
Sei A ⊂ X eine beliebige Teilmenge. Wir zeigen: Hat A keinen Häufungspunkt, so ist
A endlich.Habe A also keinen Häufungspunkt. Dann gilt A = Ā. D.h. für alle a ∈ A
existiert eine offene Umgebung Ua von a mit Ua ∩ A = {a} (∗). Dies macht
[
X = (X \ A) ∪
Ua
a∈A
zu einer offenen Überdeckung. Da X kompakt ist, gilt
X = (X \ A) ∪ Ua1 ∪ · · · ∪ Ua`
für gewisse a1 , . . . , a` ∈ A, also
A ⊂ Ua1 ∪ ... ∪ Ua`
und
A = (Ua1 ∩ A) ∪ ... ∪ (Ua` ∩ A).
Somit gilt
A = {a1 , ..., a` },
wegen (∗).
Im metrischen Fall fallen alle Kompaktheitsbegriffe zusammen und es gilt ein abstrakter
Satz von Heine-Borel:
Definition 1.110
Sei (X, d) ein metrischer Raum.
i) Eine Teilmenge K ⊂ (X, d) heißt beschränkt, wenn ein r > 0, sowie ein x ∈ X
existieren mit :
K ⊂ Bd (x, r)
38
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
ii) Eine Teilmenge K ⊂ (X, d) heißt total beschränkt, falls es zu jedem ε > 0
endlich viele Punkte x1 , ..., x` ∈ K gibt mit:
K⊂
`
[
Bd (xj , ε).
j=1
Bemerkung 1.111
i) Total beschränkt ⇒ beschränkt; im Allgemeinen gilt die Umkehrung nicht (Übung).
ii) Teilmengen von (total) beschränkten Teilmengen sind wieder (total) beschränkt (Übung).
Lemma 1.112
Sei (X, d) ein metrischer Raum, A ⊂ X eine beliebige Teilmenge.
Dann stimmt die
Teilraumtopolgie von A mit der metrischen Topologie von dA×A überein.
Proof
Sehr leicht, wenn man sich passende Basen der Topologien ansieht.
Bemerkung 1.113
Es gilt in obiger Situation B d
(x, r) = Bd (x, r) ∩ A.
A×A
Theorem 1.114 (Heine-Borel)
Sei (X, d) ein metrischer Raum, K ⊂ X ein Teilraum. Dann sind folgende Aussagen
äquivalent:
i) K ist kompakt.
ii) K ist BW-kompakt.
iii) K ist folgenkompakt.
iv) K ist totalbeschränkt (bzgl. d) und vollständig (bzgl. d|K×K ).
Proof Heine-Borel
i) ⇒ ii): Bereits erledigt.
ii) ⇒ iii): Sei (xn )n∈N ⊂ K eine beliebige Folge, A = {xn : n ∈ N}.
Falls A endlich ist, ist die Aussage offensichtlich.
K ist BW
Sei nun A unendlich =⇒ A hat einen Häufungspunkt x ∈ X. Wähle xn1
beliebig aus Bd|K×K (x, 1). Sei zu gegebenen j ∈ N die natürliche Zahl nj−1 bereits
gewählt. In Bd|K×K (x, 1j ) liegen unendlich viele Eemente von A. =⇒ ∃nj > nj−1
mit xnj ∈ Bd|K×K (x, 1j )
=⇒ xn konvertiert gegen x =⇒ X ist folgenkompakt.
9. KOMPAKTE TOPOLOPOLOGISCHE RÄUME
39
iii) ⇒ iv): K ist vollständig, denn: Sei (xn ) ⊂ K Cauchy-Folge =⇒ ∃ Teilfolge (xnj ) von
j→∞
(xn ) sowie x ∈ K mit d(xnj , x) −−−→ 0 =⇒ d(xn , x) ≤ (xn , xnj ) + d(xnj , x) < ε
für n groß =⇒ K ist vollständig.
K ist totalbeschränkt, denn: Angenommen nicht.
Dann existiert ein r > 0, so dass K nicht durch endlich viele d|K×K -Bälle mit
Radus r und Zahlen in K überdeckt werden kann. Wähle x1 ∈ K beliebig. Da
K 6⊂ Bd|K×K (x1 , r) existiert ein x2 ∈ K\Bd (x1 , r).
Induktiv: Seien x1 , . . . , xn bereits gewählt.
n
S
=⇒ ∃xn+1 ∈ K\
Bd|K×K (xj , r) =⇒ d(xn , xl ) ≥ r für alle l, n ∈ N
j=1
=⇒ offensichtlich kann (xn ) keine konvergente Teilfolge enthalten, da alle xn
mindestens den Abstand r voneinander haben =⇒ Widerspruch zur Folgenkompaktheit.
S
iv) ⇒ i): Sei also K vollständig und totalbeschränkt und sei K ⊂
Ui eine Überdeckung
i∈I
von K mit offenen Teilmengen von X. Angenommen, es existiert kein endliches
Teilsystem von (Ui )i∈I , welches K immer noch überdeckt. Da K totalbeschränkt
ist, existieren endlich viele Bälle
B10 := B̄d|K×K (y10 , 1/21 ), . . . , Bn00 := B̄d|K×K (yn0 0 , 1/21 )
mit yj0 ∈ K für alle j = 1, . . . , n0 und K ⊂
n0
S
Br0 . Es existiert dann ein j0 ∈
j=1
{1, . . . , n0 } mit der Eigenschaft, dass K ∩ Bj00 nicht durch ein endliches Teilsystem
von (Ui ) überdeckt werden kann. Setze K1 := K ∩ Bj00 . Dann ist K1 ⊂ K
totalbeschränkt, und es existierten endlich viele Bälle
B11 := B̄d|K×K (y11 , 1/22 ), . . . , Bn11 = B̄d|K×K (yn1 1 , 1/22 )
mit yj1 ∈ K1 für alle J = 1, . . . , n1 sowie K1 ⊂
n1
S
Bj1 . Es existiert dann ein
j=1
j1 ∈ {1, . . . , n1 } mit der analogen Eigenschaft wie j0 oben. Sei nun K2 := K1 ∩Bj11
usw.. Induktiv kann man nun eine Folge (Kl )l∈N mit . . . ⊂ . . . ⊂ Kl ⊂ Kl−1 ⊂
. . . ⊂ K1 für alle l ∈ N und jedes Kl ist abgeschlossen (K selbst ist vollständig,
also abgeschlossen) sowie kein Kl kann durch ein endliches Teilsystem von (Ui )
überdeckt werden. Per Konstruktion gilt für alle l ∈ N, sowie x, y ∈ Kl die
Ungleichung
1
1
1
l−1
l−1
d x, y ≤ d x, yjl−1 + d yjl−1 , y ≤ l + l = l−1 (∗).
2
2
2
Wähle zu jedem l ein xl ∈ Kl . Dann ist (xl ) eine Cauchy-Folge, denn es gilt
d(xn , xm ) ≤
1
2j−1
für n, m ≥ j.
40
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
n→∞
Da K vollständig ist, gilt also d(xn , x) −−−→ 0 für ein x ∈ K. Aber K ⊂
S
Ui ,
i∈I
also x ∈ Uj für ein j ∈ J. Es gibt dann ein ε > 0 mit Bd (x, ε) ⊂ Uj (∗∗). Sei
1
n ∈ N beliebig, y ∈ Km . Dann gilt d(x, y) ≤ 2m−1
wegen (∗). Da x ∈ Km für alle
m ∈ N gilt (dies folgt daraus, dass (xl )l≥m ⊂ Km gilt und dass Km abgeschlossen
ist), haben wir es nun geschafft, dass für große m die Bedingung
(∗∗)
Km ⊂ B(x, ε) ⊂ Uj
erfüllt ist, im Widerspruch zur Konstruktion der Km .
Lemma 1.115
Sei X ein T1 Raum (z.B. kann also X Hausdorff oder spezieller X metrisierbar sein),
und sei A ⊂ X eine Teilmenge, sowie x ∈ X. Dann ist x ein Häufungspunkt von A
genau dann, wenn jede Umgebung von x unendlich viele Elemente von A enthält.
Proof
⇐: Klar.
⇒: Sei U eine beliebige Umgebung. Angenommen U ∩ A ist endlich. Dann ist U ∩
(A\{x}) endlich, etwa
U ∩ (A\{x}) = {x1 , ..., x` }.
Da X\{x1 , ..., x` } offen ist, ist U ∩ (X\{x1 , ..., x` }) eine Umgebung von x mit
U ∩ (X\{x1 , ..., x` }) ∩ (A \ {x}) = ∅,
im Widerspruch dazu, dass x ein Häufungspunkt von A ist.
25.Mai
Korollar 1.116
Sei K ⊂ (Rm , deukl. ). Dann ist K genau dann kompakt, wenn K beschränkt und
abgeschlossen ist.
Proof
⇒: K kompakt =⇒ K totalbeschränkt ( =⇒ beschränkt) und vollständig ( =⇒
abgeschlossen, da (R, deukl. ) vollständig ist)
⇐: Zum einen ist die Menge K vollständig, da (Rn , deukl. ) vollständig ist. Zum anderen ist in (Rn , deukl. ) jede beschränkte Menge automatisch totalbeschränkt:
Am leichtesten sieht man letzteres, indem man die Äquivalenz der Metriken
deukl (x, y) ∼ d∞ (x, y) = max |xi − yi | feststellt. In der letzteren Metrik sehen
1≤i≤n
die Bälle wie Quader aus.
9. KOMPAKTE TOPOLOPOLOGISCHE RÄUME
41
30.Mai
Erinnerung
Definition 1.117
Seien (X, dX ) und (Y, dY ) metrische Räume. Dann heißt f : X → Y gleichmäßig
stetig (bzgl. dX , dY ), falls
∀ε > 0 ∃δ = δ() > 0 ∀x, y ∈ X : dX (x, y) < δ =⇒ dY (f (x), f (y)) < ε.
Gleichmäßig stetige Funktionen sind offensichtlich stetig.
Theorem 1.118
Seien (X, dX ) und (Y, dY ) metrische Räume, sei (X, dX ) kompakt und sei f : X → Y
stetig. Dann ist f bereits gleichmäßig stetig.
Proof
Sei ε > 0. Da f stetig ist, existiert zu jedem x ∈ X ein δx > 0, so dass für alle y ∈ X
folgende Implikation gilt: d(x, y) < δx =⇒ d(f (x), f (y)) < 2ε . Da (X, dX ) kompakt
ist, gibt es x1 , . . . , xl ∈ X mit
X=
l
[
j=1
Wähle 0 < δ < min
j=1,...,l
δ xj
2
BdX
δx
xj , j
2
.
. Sei nun x, y ∈ X beliebig mit dX (x, y) < δ. Es existiert
ein j ∈ {1, . . . , l} mit
δx j
.
x ∈ BdX xj ,
2
Dies impliziert
dX (y, xj ) ≤ dX (y, x) + dX (x, xj ) < δ +
δx j
< δxj ,
2
also
dX (f (x), f (y)) ≤ dY (f (x), f (xj )) + dY (f (xj ), f (y)) <
ε ε
+ = ε.
2 2
42
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
10
Lokalkompakte Räume und Kompaktifizierungen
Definition 1.119
Sei X ein topologischer Raum. Dann heißt X lokalkompakt, wenn für alle x ∈ X ein
kompakter Teilraum C ⊂ X sowie eine offene Menge U ⊂ X existiert mit x ∈ U ⊂ C.
Bemerkung 1.120
1. Rm ist lokalkompakt: x ∈ (a1 , b1 ) × . . . × (am , bm ) ⊂ [a1 , b1 ] × . . . × [am , bm ].
2. Kompakte Räume sind lokalkompakt.
3. R × R × . . . ist nicht lokalkompakt (weder in der Box-, noch in der Produkttopologie).
4. [0, 1] × [0, 1] × . . . ist kompakt in der Produkttopologie aber nicht einmal lokalkompakt in der Boxtopologie.
5. Q ⊂ R ist nicht lokalkompakt.
6. Seien Xα ,Qα ∈ J, topologische Räume (mit J einer beliebigen Indexmenge).
Dann ist
Xα lokalkompakt in der Produkttopologie genau dann, wenn alle Xα
α∈J
lokalkompakt sind und fast alle Xα kompakt sind (Übung).
Definition 1.121
Sei X ein topologischer Raum. Dann heißt ein Paar (ϕ, Y ) bestehend aus einem kompakten Hausdorffraum Y und einer stetigen Abbildung ϕ : X → Y eine Kompaktifizierung
von X, falls folgende Bedingungen erfüllt sind:
1. Die induzierte Abbildung X → ϕ(X), x 7→ ϕ(x) ist ein Homöomorphismus.
Y
2. Es gilt ϕ(X) = Y .
Zwei Kompaktifizierungen (ϕ, Y ) und (ϕ0 , Y 0 ) heißen äquivalent, wenn es einen Homömorphismus
ψ gibt, der das Diagramm
ϕ
/Y
X
O
ϕ0
∼
= Ψ
)
Y0
kommutieren lässt.
Beispiel 1.122 Die Umkehrabbildung der stereographischen Projektion ist eine Kompaktifizierung Rm → S m des Rm .
10. LOKALKOMPAKTE RÄUME UND KOMPAKTIFIZIERUNGEN
43
Theorem 1.123 (Alexandroff )
Sei X ein topologischer Raum. Dann ist X ein lokalkompakter Hausdorffraum, genau
dann wenn ein kompakter Hausdorffraum Y existiert mit folgenden Eigenschaften:
i) X ⊂ Y ist ein Teilraum.
ii) #(Y \X) = 1.
Es gilt dann folgende Eindeutigkeitsaussage:
Ist Y 0 ein weiterer kompaker Hausdorffraum mit i),(ii), dann ist die kanonische AbbilF
F
x , x∈X
dung h : Y = X {p} → Y 0 = X {q} mit h(x) :=
ein Homöomorphismus.
q , x=p
Man bemerke, dass in der obigen Situation X offen in Y ist (denn Y ist T1 ).
Beweis von Theorem 1.123
1. Eindeutigkeit:
Zu zeigen ist, dass h ein Homöomorphismus ist. Jedenfalls ist h bijektiv, d.h. h
ist Homöomorphismus genau dann, wenn gilt:
∀U ⊂ Y : U ist offen ⇔ h(U ) ⊂ Y 0 ist offen.
Fall p ∈
/U:
Da Y, Y 0 Hausdorffräume sind, ist X = Y \{p} offen in Y , bzw. X = Y 0 \{q} offen
in Y 0 . Es gilt h(U ) = U ⊂ X, also gelten folgende Äquivalenzen:
U ist offen in Y
⇔ U ist offen in X (da X offen ist in Y, Y 0 )
⇔ U ist offen in Y ’.
Fall p ∈ U :
Beachte, dass in diesem Fall für C := Y \U gilt: U ⊂ X. Wir haben folgende
Äquivalenzen:
U ist offen in Y .
⇔
C = Y \U ist abgeschlossen in Y .
Y Hausdorff, kompakt
⇔
X Teilraum von Y 0
⇔
X Teilraum von Y 0
⇔
0
Y Hausdorff, kompakt
⇔
⇔
C ist kompakter Teilraum von Y .
C ⊂ X ist kompakter Teilraum in X.
C ⊂ Y 0 ist kompakter Teilraum
C abgeschlossen in Y 0
h(U ) = Y 0 \C offen .
Also ist h ein Homöomorphismus.
2. Existenz von Y mit den gewünschten Eigenschaften, wenn X lokalkompakt und
Hausdorffraum ist:
44
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Wir nehmen hierzu einen Punkt ∞ ∈
/ X und setzen Y := X ∪{∞}. Wir definieren
die Topologie auf Y über:
U ⊂ Y ”offen”, falls entweder
(Typ1) U ⊂ X und U ist offen in X oder
(Typ2) C := Y \U ⊂ X und C ist kompakter Teilraum von X.
Dies definiert tatsächlich eine Topologie auf Y :
(a) ∅ ⊂ X offen in X =⇒ ∅ ”offen” in Y (Typ 1)
(b) Y = Y \∅ und ∅ ⊂ X ist kompakter Teilraum von X =⇒ Y ”offen” in Y
(Typ 2)
(c) Sind etwa U1 , U2 ⊂ Y ”offen” in Y , so gilt


 Typ 1 falls beide Uj vom Typ 1 sind
U1 ∩U2 =
(Y \C1 ) ∩ (Y \C2 ) = Y \(C1 ∪ C2 ) falls beide Uj vom Typ 2 sind


U1 ∩ (Y \C2 ) = U1 ∩ (X\C2 ) falls U1 Typ 1, U2 Typ 2.
(d) Analog zeigt man: Beliebige Vereinigungen ”offener” Mengen sind wieder
”offen”.
Wir zeigen nun, dass die Topologie auf X gerade die Teilraumtopologie X ⊂ Y
ist: Sei hierzu U ⊂ Y offen. Dann ist U ∩ X ⊂ X offen in X, denn:
Fall U ist Typ 1: Dieser Fall ist klar.
Fall U ist Typ 2: Dann gilt U = Y \C mit C ⊂ X einem kompakten Teilraum,
und
U ∩ X = (Y \C) ∩ X = X\C
was offen in X ist.
Ist umgekehrt U ⊂ X offen in X, so ist U ist offen in Y (da Typ 1).
Als nächstes zeigen wir, dass Y kompakt ist:
Sei hierzu A ⊂ P(X) eine offene Überdeckung von Y .
=⇒ ∃ offene Teilmenge Y \C ∈ A vom Typ 2. Sei nun à := {A ∩ X : A ∈ A}.
=⇒ Ã ist Überdeckung von C mit offenen Teilmenge von X.
=⇒ ∃Ã0 ⊂ A endliches Teilsystem, sodass C immer noch von Ã0 überdeckt wird.
=⇒ A0 := Ã0 ∪ (Y \C) ⊂ A ist endliche Teilüberdeckung von Y .
=⇒ Y ist kompakt.
Es verbleibt zu zeigen: Y ist ein Hausdorffraum.
Seien hierzu x, y ∈ Y beliebig.
Fall: x, y ∈ X: Klar, da X Hausdorffraum ist, X ⊂ Y offen ist und die Topologie
auf X der Teilraumtopologie entspricht.
Fall: x ∈ X, y = ∞: Wähle C ⊂ X kompakten Teilraum, so dass C eine
10. LOKALKOMPAKTE RÄUME UND KOMPAKTIFIZIERUNGEN
45
Umgebung U von x in X enthält. Dann ist U eine Umgebung von x in Y und Y \C
ist eine offene Umgebung von ∞ in Y (Typ 2). Es gilt U ∩(Y \C) ⊂ C∩(Y \C) = ∅.
Also ist Y Hausdorff.
3. Existiert zum topologischen Raum X ein topologischer Raum Y mit den besagten
Eigenschaften, dann ist X lokalkompakt und Hausdorff:
X ist Hausdorff, da X ein Teilraum des Hausdorffraums Y ist.
X ist lokalkompakt: Sei hierzu x ∈ X und Y \X =: {p}. Wähle disjunkte Umgebungen U ⊂ Y von x und V von p. Dann ist C := Y \V ein kompakter Teilraum
von X der die Umgebung U von x enthält.
Korollar 1.124
Sei X ein lokalkompakter Hausdorffraum, der nicht kompakt ist. Dann ist für jedes Y
wie in Theorem 1.123 die Inklusionsabbildung ιX,Y : X ,→ Y eine Kompaktifizierung.
Ist Y 0 ein weiterer Raum der die gleichen Eigenschaften wie Y in Theorem 1.123 hat,
so sind die Kompaktifizierungen (ιX,Y , Y ) und (ιX,Y 0 , Y 0 ) äquivalent.
Definition 1.125
Der Raum X̂ := Y aus Theorem 1.123 heißt die Alexandroff-Kompaktifizierung
des lokalkompakten und nicht kompakten Hausdorffraums X; X̂ wird aus offensichtlichen
Gründen auch die Einpunktkompaktifizierung von X genannt.
Diese Definition ist sinnvoll, da X̂ im Wesentlichen eindeutig bestimmt ist (ebenfalls
nach Theorem 1.123).
1.Juni
Lemma 1.126
Sei X ein Hausdorffraum, Y ⊂ X ein kompakter Teilraum und x0 ∈ X\Y . Dann
existieren offene Mengen U, V ⊂ X mit U ∩ V = ∅ und x0 ∈ U , Y ⊂ V .
Proof
Dies ist enthalten im Beweis von Theorem 1.100 ii).
Theorem 1.127
Sei X ein Hausdorffraum. Dann ist X lokalkompakt, genau dann wenn zu jedem x ∈ X
und zu jeder Umgebung U von x eine Umgebung V von x existiert so dass V̄ ⊂ X ein
kompakter Teilraum ist mit V̄ ⊂ U .
Proof
⇐: Zu x ∈ X kann man nach Voraussetzung eine Umgebung V von x wählen mit V̄
kompakt, also x ∈ V ⊂ V̄ und somit ist X lokalkompakt.
46
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
⇒ Sei nun X lokalkompakt, x ∈ U mit U ⊂ X offen in X. Sei Y wie in Alexandroff’s
Theorem und C := Y \U.
=⇒ C ist kompakter Teilraum von Y (da U wegen der Konstruktion von Y auch
offen in Y ist, ist C abgeschlossen in Y ).
=⇒ ∃Ũ , Ṽ ⊂ Y offen in Y mit x ∈ Ũ , C ⊂ Ṽ , Ũ ∩ Ṽ = ∅ (diese Mengen existieren
nach Lemma 1.126).
=⇒ Ũ ⊂ Y \Ṽ =⇒ Ũ¯ Y ⊂ Y \Ṽ ⊂ Y \C = U und Ũ¯ Y ist kompakt
=⇒ Behauptung mit V := Ũ (man beachte Ũ¯ X ⊂ Ṽ¯ Y ).
6.Juni
Korollar 1.128
Sei X ein lokalkompakter Hausdorffraum, A ⊂ X ein Teilraum.
abgeschlossen oder offen in X, so ist A ebenfalls lokalkompakt.
Ist A entweder
Proof
Sei A abgeschlossen in X und sei x ∈ A. Es existiert jedenfalls ein C ⊂ X kompakter
Teilraum, welcher eine Umgebung U von x in X enthält: x ∈ U ⊂ C. Die Menge
C ∩ A ist abgeschlossen in C, also auch ein kompakter Teilraum, und U ∩ A ist eine
Umgebung von x in der Teilraumtopologie von A, und es gilt x ∈ U ∩ A ⊂ C ∩ A =⇒
A ist lokalkompakt.
Theorem 1.127
Sei A nun offen in X und x ∈ A. Dann ist A eine Umgebung in X von x
=⇒
∃
Umgebung V in X von x mit V̄ X kompakt und V̄ X ⊂ A. Setze nun C := V̄ X . Dann
ist C kompakt und enthält die Umgebung V von x in A.
Korollar 1.129
Sei X ein topologischer Raum X. Dann ist X lokalkompakt und Hausdorff, genau dann
wenn X homöomorph ist zu einer offenen Teilmenge eines kompakten Hausdorffraums.
Proof
Korollar 1.128 liefert die eine Richtung, Alexandroff’s Theorem die andere Richtung.
Die folgende Bemerkung ist nicht klausurrelevant, aber man sollte sie im Hinterkopf
behalten:
Bemerkung 1.130 i) R hat auch eine Kompaktifizierung ι : R → Y mit #(Y \ι(R)) =
∼
2. Man kann einfach R = (−1, 1) ,→ [−1, 1] betrachten
ii) Magi hat in 1965 bewiesen, dass es keine Kompaktifizierung ι : Y → R von R gibt
mit #(Y \ι(R)) ∈ N≥3 .
iii) Ist m ≥ 2, so hat Magi auch bewiesen, dass keine Kompaktifizierung ι : Y → Rm
von Rm mit #(Y \ι(Rm )) ∈ N≥2 existiert.
Es gibt weitere sinnvolle Kompaktifizierungen von lokalkompakten Hausdorffräumen
(nicht klausurrelevant):
10. LOKALKOMPAKTE RÄUME UND KOMPAKTIFIZIERUNGEN
47
Theorem 1.131 (Stone-Cech-Kompaktifizierung, 1957)
Sei X ein lokalkompakter Hausdorffraum (man könnte hier etwas allgemeiner Räume
zulassen). Dann existiert bis auf Äquivalenz genau eine Kompaktifizierung (Y, ϕ) von
Y mit folgender universeller Eigenschaft: Ist Z ein kompakter Hausdorffraum und
f : X → Z stetig, so existiert genau eine stetige Abbildung f ϕ : Y → Z mit
ϕ
X
f
x
/
Y
∃!f ϕ
Z
kommutiert.
Proof Ein vollständiger Beweis lässt sich im Buch “Topology” von Munkres finden (§
38 in der second edition) finden. Der wesentliche Punkt für die Existenz von Y ist, dass
sich Räume wie X in einen Raum der Art
Y
[0, 1]J =
Xα , Xα := [0, 1],
α∈J
topologisch einbetten2 lassen, wobei J eine Indexmenge ist mit
{stetige Funktionen X → [0, 1]} = {ϕα : X → [0, 1] | α ∈ J}.
Ist ϕ0 : X → [0, 1]J so eine Einbettung, so leistet die induzierte Abbildung ϕ : X →
¯ das gewünschte.
Y := ι(X)
Die Eindeutigkeit folgt aus einem abstrakten kategorientheoretischen Argument. Etwas spezieller, kann man wie folgt vorgehen: Angenommen, es existierte eine weitere
Kompaktifizierung ϕ0 : X → Y 0 mit der gleichen universellen Eigenschaft. Dann gibt es
die gestrichelten stetigen Abbildungen Φ, Φ0 :
8Y
ϕ
Φ
X
ϕ0
ϕ
/
Y 0 idY
Φ0
& Y
Da beide Dreiecke kommutieren gilt Φ0 ◦ Φ ◦ ϕ = ϕ und idY ◦ ϕ = ϕ, wegen der
Eindeutigkeitsaussage der universellen Eigenschft muss dann aber Φ0 ◦ Φ = idY . Analog
zeigt man Φ ◦ Φ0 = idY 0 . Dies zeigt, dass Φ ein Hömo ist und ϕ äquivalent zu ϕ0 ist. 2
Eine Abbildung zwischen topologischen T : A → B heißt eine topologische Einbettung,
falls T stetig und injektiv ist und die von T induzierte Abbildung A → T (B), x 7→ T (x), ein
Homöomorphismus ist.
48
11
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Abzählbarkeitsaxiome und Separabilitätsaxiome
Wir beschäftigen uns nun mit der folgenden Frage: Unter welchen Bedindingen ist
ein topologischer Raum X metrisierbar (d.h., wann gibt es eine Metrik auf X die die
gegebene Topologie induziert)? Es stellt sich heraus, dass man eine geeignete topologische Abzählbedingung und geeignete Trennungsbedingung an X stellen muss.
11.1
Abzählbarkeitsaxiome
Definition 1.132
Ein topologischer Raum erfüllt das erste Abzählbarkeitsaxiom, falls für alle x ∈
X eine abzählbare Kollektion Bx von Umgebungen von x existiert, so dass für jede
Umgebung U von x ein B ∈ Bx existiert mit x ∈ B ⊂ U (d.h., falls jedes x hat eine
abzählbare Umgebungsbasis hat).
Wir werden dann auch einfach sagen, dass X erstabzählbar sei.
Beispiel 1.133
Metrische
erfüllen
das erste Abzählbarkeitsaxiom, denn zu x ∈ (X, d) kann man
Räume
1
Bx = Bd x, n : n ∈ N betrachten.
Theorem 1.134
Es erfülle X das erste Abzählbarkeitsaxiom. Dann gelten folgende Aussagen:
i) Für alle Teilmengen A ⊂ X und alle x ∈ Ā existiert eine Folge (xn ) ⊂ A mit
xn → x.
ii) Ist Y ein topologischer Raum und hat eine Abbildung f : X → Y die Eigenschaft,
dass für alle x ∈ X und alle Folgen (xn ) ⊂ X die Implikation xn → x =⇒
f (xn ) → f (x) erfüllt ist (n → ∞), so ist f stetig.
Proof
Genau wie für X metrisierbar.
8.Juni
Definition 1.135
Ein topologischer Raum erfüllt das zweite Abzählbarkeitsaxiom, falls es eine abzählbare
Basis der Topologie auf X gibt.
Wir werden dann X auch einfach zweitabzählbar nennen.
Bemerkung 1.136
i) Das zweite Abzählbarkeitsaxiom impliziert das erste:
Sei B eine abzählbare Basis. Zu x ∈ X wähle dann Bx := {B ∈ B : x ∈ B}.
11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME
49
ii) Es gibt metrische Räume, die nicht das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllen: Nehme
zum Beispiel den unendlichen Produktraum (R × R × . . . , d∞ ) mit
d∞ ((xn )n∈N , (yn )n∈N ) := sup min(|xn − yn | , 1).
n∈N
iii) Kompakte metrische Räume sind immer zweitabzählbar: Für jedes n ∈ N wähle
eine endliche offene Überdeckung des kompakten Raums X von n1 -Bällen. Die
Menge all dieser Bälle ist abzählbar und eine Basis der Topologie von X.
Theorem 1.137
i) Sei X ein zweitabzählbarer Raum und sei A ⊂ X ein Teilraum. Dann ist A auch
zweitabzählbar.
ii) Seien Xα , α ∈ J topologische Räume mit J einer
Q abzählbaren Indexmenge. Dann
sind alle Xα zweitabzählbar genau dann, wenn α∈J Xα zweitabzählbar ist in der
Produkttopologie.
Beide Aussagen stimmen auch für ”erstabzählbar”.
Proof i) Etwa für zweitabzählbar: Ist B eine abzählbare Basis der Topologie auf
X, so ist BA := {A ∩ B : B ∈ B} eine abzählbare Basis der Teilraumtopologie auf A.
Analog für ’erstabzählbar’.
ii) Übung.
.
Theorem 1.138
Sei X ein zweitabzählbarer topologischer Raum. Dann gelten folgende Aussagen:
i) Jede offene Überdeckung A ⊂ P(X) von X enthält ein abzählbares Teilsystem
A0 ⊂ A, welches X immer noch überdeckt.
ii) Es existiert eine abzählbare dichte Teilmenge D von X (d.h. D ist abzählbar mit
D̄ = X).
Proof
Sei im Folgenden B = {Bn : n ∈ N} eine abzählbare Basis der Topologie auf X.
i) Setze J := {n ∈ N : ∃A ∈ A mit Bn ⊂ A}. Zu jedem n ∈ J sei An ∈ A mit
Bn ⊂ An beliebig, aber fest gewählt. Dann ist A0 = {An : n ∈ J} ⊂ A abzählbar,
aber auch eine Überdeckung von X, denn: Zu jedem x ∈ X existiert ein A ∈ A
mit x ∈ A =⇒ ∃n ∈ N mit x ∈ Bn ⊂ A =⇒ n ∈ J =⇒ x ∈ Bn ⊂ An .
ii) Setze J := {n : Bn 6= ∅}. Zu jedem n ∈ J sei xn ∈ Bn . Setze D := {xn : n ∈ J}.
Dann ist D abzählbar und dicht in X.
Definition 1.139
50
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
i) Ein topologischer Raum, der die Eigenschaft i) von Theorem 1.138 erfüllt, heißt
Lindelöf-Raum.
ii) Ein topologischer Raum, der die Eigenschaft ii) von Theorem 1.138 erfüllt, heißt
separabel.
Theorem 1.140
Sei X ein metrisierbarer topologischer Raum. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
i) X ist separabel.
ii) X ist Lindelöf.
iii) X ist zweitabzählbar.
11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME
51
Proof
Noch zu zeigen: i) ⇒ iii) und ii) ⇒ iii).
i) ⇒ iii): Sei D abzählbar mit D̄ = X. Dann ist S = {Bd (y, n1 ) : y ∈ D, n ∈ N} eine
abzählbare Basis der metrischen Topologie auf X, denn: Sei x ∈ X und U ⊂ X
offene Umgebung von x. Wähle r > 0 mit Bd (x,r) ⊂ U . Wähle n > 2r und
y ∈ D mit y ∈ Bd (x, n1 ). Es gilt nun x ∈ Bd y, n1 ⊂ Bd (x, r) ⊂ U , wegen der
Dreiecksungleichung und n > 2r .
S
ii) ⇒iii): Zu jedem n ∈ N sei (xj )j∈N so gewählt, dass X = j∈N B xj , n1 (X ist Lindelöf).
Dann ist B := Bd xj , n1 : n ∈ N, j ∈ N eine abzählbare Basis.
11.2
Separationsaxiome
Definition 1.141
Sei X ein T1 -Raum.
i) X heißt regulär, falls für alle x ∈ X und alle abgeschlossenen Teilmengen A ⊂
X\{x} offene Mengen U, V ⊂ X existieren mit U ∩V = ∅ und x ∈ U sowie A ⊂ V .
ii) X heißt normal, falls zu beliebigen disjunkten abgeschlossenen Teilmengen A, B ⊂
X offen Mengen U, V ⊂ X existieren mit U ∩ V = ∅ und A ⊂ U sowie B ⊂ V .
Bemerkung 1.142
i) Regulär =⇒ Hausdorff.
ii) Normal =⇒ Regulär.
iii) R mit der Topologie zur Basis Bsorg := {[a, b) : a < b} ist normal ( =⇒ regulär);
hier steht ’sorg’ für ’Sorgenfrey’. Hingegen ist der Produktraum R, TBsorg ×
R, TBsorg regulär, aber nicht normal.
iv) Wir setzen Y := n1 : n ∈ N ⊂ R und definieren eine Basis B auf R durch A ∈ B,
genau dann wenn es reelle Zahlen a < b gibt mit A = (a, b) oder wenn es reelle
Zahlen a < b gibt mit A = (a, b) \ Y . Dann ist (R, TB ) ist Hausdorff, aber nicht
regulär (Übung).
15.Juni
Lemma 1.143
Sei X ein T1 -Raum. Dann gelten folgende Aussagen:
i) X regulär, genau dann wenn für alle x ∈ X ein Umgebung V von x existiert mit
V̄ ⊂ U .
52
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
ii) X ist normal, genau dann wenn für alle abgeschlossenen Mengen A ⊂ X und alle
offenen Mengen U ⊂ X mit A ⊂ U eine offene Menge V ⊂ X existiert mit A ⊂ V
und V̄ ⊂ U .
Proof
i) ⇒: Sei X regulär. Setze B := X\U . Dann ist B abgeschlossen und x ∈
/ B, es gibt
also ∃V, W ⊂ X offen mit V ∩ W = ∅ und x ∈ V, B ⊂ W . Aus V ⊂ X\W
folgt
V̄ ⊂ X\W = X\W ⊂ X\B = U.
⇐: Sei nun x ∈ X, B ⊂ X abgeschlossen und x 6= B. Dann ist also x ∈ U :=
X\B, und es gibt V ⊂ X offen mit
x ∈ V und V ⊂ V̄ ⊂ U . Also gilt x ∈ V
und B ⊂ X\V̄ , sowie V ∩ X\V̄ = ∅.
ii) Völlig analog.
Theorem 1.144
i) Sei X regulär und Y ⊂ X ein Teilraum. Dann ist Y regulär.
ii) Sei
Q Xα , α ∈ J topologische Räume (mit J einer beliebigen Indexmenge). Dann ist
Xα regulär in der Produkttopologie genau dann, wenn alle Xα regulär sind.
α∈J
Proof
Y
X
i) Y ist ein T1 -Raum, denn {y} = {y} ∩Y = {y}∩Y = {y}. Sei nun x ∈ Y, B ⊂ Y
abgeschlossen in Y , x ∈
/ B =⇒ B = B̄ Y = B̄ X ∩Y =⇒ x ∈
/ B̄ X =⇒ ∃U, V ⊂ X
offen in X,
disjunkt mit x ∈ U, B̄ X ⊂ V =⇒ U ∩ Y, V ∩ Y offen in Y , disjunkt und
x ∈ U ∩ V, B ⊂ V ∩ Y =⇒ Y regulär.
ii) ⇒: Xα ist homöomorph zu einem Teilraum von
Q
i)
Xα =⇒ Xα ist regulär (wir
α∈J
nehmen wie bei allen unendlichen Produkten an, dass alle Faktoren nichtleer
sind).
Q
⇐:
Xα ist jedenfalls T1 , weil dies ein Hausdorff ist. Wir werden nun das obige
α∈J
Q
Q
Lemma benutzen: Sei x = (xα ) ∈
Xα und U ⊂
Xα offen mit x ∈ U .
α∈J
α∈J
Q
Q
Wähle Basiselement Uα mit x ∈ Uα ⊂ U und setze
α
(
Vα :=
α
Xα , falls Uα = Xα
Umgebung von xα in Xα deren Abschluss in Xα enthalten ist, sonst
11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME
=⇒ V :=
Q
53
Vα ist Umgebung von x und
α
V̄ =
Y
V¯α ⊂
α∈J
Das heißt,
Q
Y
Uα ⊂ U.
α∈J
Xα ist regulär.
α∈J
Theorem 1.145
Jeder reguläre zweitabzählbare Raum ist normal.
Proof
Seien A, B ⊂ X abgeschlossen mit A ∩ B = ∅. Nimm eine abzählbare Basis B der
Topologie auf X. Zu jedem x ∈ A existiert eine Umgebung U von x mit U ∩ B = ∅.
Wähle Umgebung V von x mit V̄ ⊂ US sowie W ∈ B mit x ∈ W ⊂ V . Wähle nun
für jedes x ∈ A so ein W =⇒ A ⊂
Wn mit Wn offen und W̄n ∩ B = ∅. Analog
n∈N
n
n
S
S
Yn mit Yn offen und Y¯n ∩ A = ∅. Setze Wn0 := Wn \ Ȳi und Yn0 := Yn \
W̄i
n=1
i=1
n∈N
S
S
Yn0 . Dann sind W 0 , Y 0 offen und es gilt A ⊂ W und
sowie W 0 :=
Wn0 und Y 0 :=
B⊂
S
n∈N
n∈N
B ⊂ Y 0 . Noch zu zeigen: W 0 ∩ Y 0 = ∅. Dies sieht man wie folgt: Aus x ∈ W 0 ∩ Y 0 folgt
/ W̄j ,
Existenz von j, k ∈ N mit x ∈ Wj0 ∩ Yk0 . Sei etwa j ≤ k =⇒ x ∈ Wj , aber x ∈
k
S
da x ∈ Yk0 = Yk \ W̄i =⇒ Widerspruch. Der Fall j > k geht analog. Damit ist X
i=1
normal.
Theorem 1.146
Jeder metrisierbare Raum X ist normal.
Proof
Sei d eine die Topologie auf X induzierende Metrik auf X. Seien A, B ⊂ X abgeschlossen
mit A ∩ B = ∅. Wähle zu jedem x ∈ A ein εx > 0 mit Bd (x, εx ) ∩ B
wähle
S = ∅ und
εa
zu jedem y ∈ B ein εy > 0 mit Bd (y, εy ) ∩ A = ∅. Setze U =
Bd a, 2 und
a∈A
S
V =
Bd b, ε2b . Daraus folgt U ∩ V = ∅ mit A ⊂ U und B ⊂ Y , und U sowie V
b∈B
sind offensichtlich offen.
Theorem 1.147
i) Sei X normal und A ⊂ X ein abgeschlossener Teilraum. Dann ist A normal.
ii) X ist regulär und Lindelöf. Dann ist X normal.
Proof
Übungsaufgabe.
54
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Theorem 1.148 (Urysohn’s Lemma)
i) Ist X ein T1 -Raum mit der Eigenschaft, dass für alle A, B ⊂ X abgeschlossen mit
A ∩ B = ∅ eine stetige Funktion f : X → [0, 1] existiert mit f (x) = 0 für alle x ∈ A
und f (x) = 1 für alle x ∈ B, so ist X normal.
ii) Sei X ein normaler Raum, A, B ⊂ X abgeschlossen mit A ∩ B = ∅. Dann existiert
eine stetige Funktion f : X → [0, 1] mit f (x) = 0 für alle x ∈ A und f (x) = 1 für alle
x ∈ B.
Da es für alle reellen Zahlen a < b einen Homöomorphismus φ : [a, b] → [0, 1] mit
φ(a) = 0, φ(b) = 1 gibt, kann man überall im Urysohn-Lemma [0, 1] durch [a, b] ersetzen,
wobei dann f (x) = a für alle x ∈ A und f (x) = b für alle x ∈ B gilt.
20.Juni
Proof of Urysohn’s Lemma.
i) Die Mengen A und B werden durch die offenen Mengen f -1 [0, 21 ) und f -1 ( 12 , 1] getrennt,
d.h. X ist normal.
ii) Wir erklären zunächst die Beweisidee zur Konstruktion von f mit den gewünschten
Eigenschaften: Die Normalität von X wird benutzt, um zu jedem p ∈ Q eine offene
Menge Up ⊂ X zu konstruieren, so dass A ⊂ U0 , U1 = X\B und p < q =⇒ Ūp ⊂ Uq ,
sowie Up = ∅ für alle p < 0 und Up = X für alle p > 0. Wenn man diese Konstruktion
hinbekommen hat, kann man einfach
f : X → [0, 1], f (x) := inf Q(x) := inf {p ∈ Q : x ∈ Up }
setzen. Dieses f ist dann stetig (wenn man die Up wie oben hat, wird für die Stetigkeit
von f wird die Normalität von X nicht mehr gebraucht).
Konstruktion von {Up ⊂ X : p ∈ Q}:
Sei zunächst
P := [0, 1] ∩ Q.
Wir setzen U1 := X\B. Da abgeschlossen in X ist mit A ⊂ U1 , und U1 offen in X
ist, impliziert die Normalität von X die Existenz von U0 ⊂ X offen mit A ⊂ U0 und
Ū0 ⊂ U1 . Sei nun P = {xn : n ∈ N} (also eine Abzählung von Q), wobei wir x1 = 1 und
x2 = 0 setzen. Setze außerdem Pn := {x1 , x2 , . . . , xn } und sei n ≥ 3. Angenommen, Up
ist bereits definiert für alle p ∈ Pn , so dass gilt p, q ∈ Pn , q < p =⇒ Ūp ⊂ Uq . Wir
wollen nun Up konstruieren für alle p ∈ Pn+1 , so dass für alle p, q ∈ Pn+1 mit p < q gilt
Ūp ⊂ Uq . Sei hierzu r := xn+1 ∈
/ {0, 1}. Die Menge Pn+1 = Pn ∪ {r} ist endlich und
einfach geordnet bezüglich <, d.h. r hat einen direkten Voränger p0 ∈ Pn+1 und einen
direkten Nachfolger s ∈ Pn+1 , insbesondere gilt also p0 < r < s, was p0 , s ∈ Pn zur Folge
hat. Die Mengen Up0 und Us sind also bereits definiert. Aus der Normalität folgt die
Existenz von Ur offen in X mit
U¯p0 ⊂ Ur ⊂ Ūr ⊂ Us .
11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME
55
Diese Konstruktion liefert das Gewünschte: Sind nämlich p, q ∈ Pn+1 mit p < q, so gibt
es zwei Fälle. Im ersten Fall sind p, q ∈ Pn , was nach Induktionsvoraussetzung Ūp ⊂ Uq
impliziert. Im anderen Fall ist p = r und q ∈ Pn . Dann gilt entweder q ≤ p0 , was
Ūq ⊂ Ūp0 ⊂ Ur
impliziert, oder es gilt q ≥ s, was
Ūr ⊂ Ūs ⊂ Uq
impliziert.
S
Wir haben also bis jetzt Uj definiert für alle j ∈ P = n Pn , so dass p, q ∈ P, q <
p =⇒ Ūp ⊂ Ūq . Nun setzen wir
(
∅
Up :=
X
,p < 0
,p > 1
für alle p ∈ Q \ P . Erneut gilt p, q ∈ Q, q < p =⇒ Ūp ⊂ Ūq .
Ist f wie oben definiert, so hat f alle gewünschte Eigenschaften:
Falls x ∈ A, so gilt x ∈ Up für alle p > 0, also Q(x) = Q≥0 , und f (x) = 0. Falls x ∈ B,
so liegt x in keinem Up mit p ≤ 1, d.h. Q(x) = Q≥1 und f (x) = 1.
Wir müssen nur noch zeigen, dass f stetig ist. Hierzu bemerken wir folgende beiden
Hilfsaussagen:
A1: r ∈ Q, x ∈ Ūr =⇒ f (x) ≤ r. Dies sieht man wie folgt: Es gilt x ∈ Us für alle
s > r, also Q(x) ⊃ Q≥r und f (x) ≤ r.
A2: r ∈ Q, x ∈
/ Ur =⇒ f (x) ≥ r. Dies sieht man wie folgt: Q(x) ∩ Q≤r = ∅ =⇒
f (x) ≥ r.
Sei nun x0 ∈ X beliebig und f (x0 ) ∈ (c, d) mit c < d. Gesucht ist eine Umgebung
U von x0 mit f (U ) ⊂ (c, d). Wähle hierzu p, q ∈ Q mit c < p < f (x0 ) < q <
A2
d =⇒ U := Uq \Ūp ist offen und x0 ∈ U , denn: f (x0 ) < q =⇒ x0 ∈ Uq und
A1
f (x0 ) > p =⇒ x0 ∈
/ Ūp =⇒ x0 ∈ U und f (U ) ⊂ (c, d), da für alle x ∈ U gilt:
A1
x ∈ Uq ⊂ Ūq =⇒ f (x) ≤ q < d. Analog folgt mit A2, dass f (x) ≥ p > c. Wir haben
also beweisen, dass f stetig ist.
Theorem 1.149 (Tietzescher Fortsetzungssatz)
Sei X normal, A ⊂ X ein abgeschlossener Teilraum und f : A → R stetig. Dann
existiert eine stetige Fortsetzung von F : X → R von f .
56
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Proof
Behauptung 1: Gilt f (x) ∈ [−r, r] für alle x ∈ A und einem r > 0, so existiert ein
g : X → R stetig mit |g(x)| ≤ 3r für alle x ∈ X und |g(a) − f (a)| ≤ 2r
für alle a ∈ A.
3
Beweis: Setze I1 := −r, − 13 r , I2 := − 13 r, 13 r , I3 := 31 r, r , B := f -1 (I1 ), C :=
f -1 (I3 ). Nach dem Lemma von Uryson gibt es dann eine stetige Funktion g : X →
− 31 r, 13 r mit g|B ≡ − 13 r, g|C ≡ 13 r. Diese Funktion g hat die gewünschte Eigenschaften.
Behauptung 2: Ist f (x) ∈ [−1, 1], so existiert eine stetige Fortsetzung F : X → [−1, 1]
von f .
Beweis: Wegen Behauptung 1 existiert g1 : X → R stetig mit |g1 (x)| ≤
und
2
|f (a) − g1 (a)| ≤
für alle a ∈ A.
3
Betrachte nun
2 2
f − g1 : A → − ,
.
3 3
1
3
für alle x ∈ X
Dann gibt es wegen Behauptung 1 eine stetige Funktion g2 : X → R mit |g2 (x)| ≤ 13 23
und
22
für alle a ∈ A.
|f (a) − g1 (a) − g2 (a)| ≤
33
Induktiv sieht man nun, dass es für alle n ∈ N eine stetige Funktion gn : X → R gibt
(∗)
n−1
mit |gn (x)| ≤ 13 23
für alle x ∈ X und
n
(∗∗) 2 n
X
für alle a ∈ A.
gi (a) ≤
f (a) −
3
i=1
D.h., die Funktionenreihe
F : X → R, F (x) :=
∞
X
gn (x)
n=1
konvergiert wegen (∗) gleichmäßig (F ist also stetig), und (∗) impliziert auch F ∈
[−1, 1]. Wegen (∗∗) gilt F |A ≡ f .
Behauptung 3: Es gilt der Fortsetzungssatz von Tietze.
Beweis: OBdA sei f : A → (−1, 1) (wegen (−1, 1) ∼
= R). Wegen Behauptung 2 gibt es
dann eine stetige Fortsetzung F̃ : X → [−1, 1] von f . Setzte D := F̃ -1 ({−1})∪ F̃ -1 ({1}).
Aus F̃ (A) = f (A) ⊂ (−1, 1) folgt dann D ∩ A = ∅. Nach dem Lemma von Urysohn
gibt es dann φ : X → [0, 1] stetig mit φ(D) = {0} und φ(A) = {1}. Dann hat F : X →
(−1, 1), F (x) := φ(x)F̃ (x) alle gewünschten Eigenschaften.
22. Juni
11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME
57
Theorem 1.150 (Urysohnscher Metrisierungssatz)
Jeder reguläre zweitabzählbare Raum X ist metrisierbar.
Bemerkung 1.151
Reguläre zweitabzählbare Räume sind normal.
Für den Beweis des Urysohnschen Metrisierungssatzes benötigen wir die folgenden drei
Hilfsaussagen:
Lemma 1.152
R × R × . . . mit der Produkttopologie ist metrisierbar.
Proof
Übungsaufgabe.
Lemma 1.153
Sei X ein zweitabzählbarer, regulärer Raum. Dann existiert eine abzählbare Familie
von stetigen Funktionen fn : X → [0, 1], n ∈ N, mit der folgenden Eigenschaft: Zu
jedem x0 ∈ X und jeder Umgebung U von x0 existiert ein n ∈ N mit fn (x0 ) > 0 und
fn |X\U ≡ 0.
Proof
Übungsaufgabe.
Lemma 1.154
Sei X ein T1 -Raum und sei fα : X → [0, 1], α ∈ J (mit J einer beliebigen Indexmenge),
eine Familie von stetigen Funktionen mit der folgenden Eigenschaft: Zu jedem x0 ∈ X
und jeder Umgebung U von x0 existiert ein α ∈ J mit fα |X\U ≡ 0. Dann ist die
Abbildung
F : X → [0, 1]J F (x)α := fα (x), α ∈ J,
eine topologische Einbettung, d.h. F ist injektiv, stetig und die von F induzierte Abbildung X → F (X) ist ein Homöomorphismus. Hierbei bezeichnet [0, 1]J das Produkt
Y
[0, 1]J :=
Xα , Xα := [0, 1] für alle α ∈ J,
α∈J
und ist mit der Produkttopologie versehen.
Proof
In der Übung.
Proof of Urysohnscher Metrisierungssatz.
Wähle {fn : n ∈ N} wie in Lemma 1.153. Dann ist nach Lemma 1.154 die Abbildung
F : X → [0, 1]N , F (x)n := fn (x), n ∈ N,
∼
ist eine topologische Einbettung, d.h. X = F (X), aber F (X) ist metrisierbar nach
Lemma 1.152.
58
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Ohne Beweis geben wir noch die Metrisierungscharakterisierung von Nagata-Smirnov
an. Hierzu brauchen wir eine Definition, die auch an einer anderen Strelle nützlich sein
wird:
Definition 1.155
Sei X ein topologischer Raum und A ⊂ P(X) ein Mengensystem. Dann heißt A...
i) lokalendlich, falls zu jedem x ∈ X eine Umgebung U von x existiert mit
# {A ∈ A : A ∩ U 6= ∅} < ∞
ii) abzählbar lokal endlich, falls zu
S jedem n ∈ N ein lokalendliches Mengensystem An ⊂ P(X) existiert mit A =
An .
n∈N
Theorem 1.156 (Nagata-Smirnov)
Ein topologischer Raum X ist metrisierbar genau dann, wenn X regulär ist mit einer
abzählbar lokalendlichen Basis der Topologie.
Da Zweitabzählbarkeit offensichtlich die Existenz einer abzählbar lokal endlichen Basis impliziert, ist also sogar die ⇐-Richtung von Nagata-Smirnov allgemeiner als der
Urysohnsche Metrisierungssatz.
Definition 1.157
Sei X ein topologischer Raum, {Aα : α ∈ J} eine indizierte Familie von Teilmengen von
X. Dann heißt {Aα : α ∈ J} lokal endlich indiziert (l.e.i.), falls zu jedem
x ∈ X eine Umgebung U von x existiert mit
# {α ∈ J : U ∩ Aα 6= ∅} < ∞.
Bemerkung 1.158
Eine indizierte Familie {Aα : α ∈ J} von Teilmengen des topologischen Raums X ist
lokal endlich indiziert, genau dann wenn {Aα : α ∈ J} ein lokal endliches Mengensystem ist und die Bedingung
# {α ∈ J : Aα = A} < ∞ für alle A ⊂ X mit A 6= ∅
erfüllt ist.
Definition 1.159
Sei X ein topologischer Raum und sei {Uα : α ∈ J} eine indizierte offene Überdeckung
von X. Eine mit der gleichen Indexmenge J indizierte Familie {φα : α ∈ J} von stetigen
Funktionen φα : X → [0, 1] heißt eine der Überdeckung {Uα : α ∈ J} untergeordnete
stetige Teilung der Eins, falls folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
i) supp(φα ) := {x ∈ X : φα (x) 6= 0} ⊂ Uα für alle α ∈ J
11. ABZÄHLBARKEITSAXIOME UND SEPARABILITÄTSAXIOME
59
ii) {supp(φα ) : α ∈ J} ist lokalendlich indiziert
iii)
P
φα (x) = 1 für alle x ∈ X.
α∈J
Wir wollen nun zeigen, es auf metrisierbaren topologischen Räumen zu jeder indizierten
offenen Überdeckung eine untergeordnete stetige Teilung der Eins gibt. Für den Beweis
beötigen wir das folgende Schrumpfungslemma:
Lemma 1.160 Ist X metrisierbar, so existiert zu jeder indizierten offenen Überdeckung
{Uα : α ∈ J} von X eine offene lokal endlich indizierte Überdeckung {Vα : α ∈ J} von
X mit V̄α ⊂ Uα für alle α ∈ J.
Proof
Wir benutzen den Parakompaktheitssatz von Stone. Dieser besagt, dass jeder metrisierbare topologische Raum X folgende Parakompaktheitseigenschaft hat: Zu jeder offenen
Überdeckung A ⊂ P(X) existiert eine lokalendliche offene Überdeckung B ⊂ P(X) von
X, mit der Eigenschaft dass für alle B ∈ B ein A ∈ A mit B ⊂ A existiert. Ein Beweis
lässt sich Munkres finden (Theorem 41.4 in der second edition).
Wir setzen nun
A := A ⊂ X offen : ∃α ∈ J mit Ā ⊂ Uα .
Da X regulär ist, ist A eine offene Überdeckung von X. Wähle B wie in obigen Satz
von Stone und schreibe B = {Bβ : β ∈ K} für eine Indexmenge K. Dann ist B ist lokal
endlich indiziert. Sei f : K → J eine Abbildung mit B̄β ⊂ Uf (β) für alle β ∈ K. Zu
α ∈ J sei
[
Vα :=
{Bβ : β ∈ K und α = f (β)} .
Da {Bβ : β ∈ K und α = f (β)} lokalendlich ist, folgt die erste Inklusion in
(∗)
V̄α ⊂
[
B̄β : β ∈ K und α ∈ f (β) ⊂ Uα .
Noch zu zeigen: {Vα : α ∈ J} ist lokal endlich indiziert: Ist x0 ∈ X, so existiert (da
B lokal endlich indiziert ist), eine Umgebung U von x0 mit U ∩ Bβ 6= ∅ für höchstens
endlich viele β = β1 , . . . , βl ∈ K =⇒ Vα ∩ U 6= 0 nur für α = f (β1 ), . . . , f (βl ).
27. Juni
Theorem 1.161
Sei X ein metrisierbarer topologischer Raum. Dann existiert zu jeder indizierten offenen Überdeckung {Uα : α ∈ J} von X eine untergeordnete stetige Teilung der Eins
{φα : α ∈ J}.
60
CHAPTER 1. MENGENTHEORETISCHE TOPOLOGIE
Proof
Nach dem Schrumpfungslemma gibt es eine lokal endlich indizierte offene Überdeckung
{Vα : α ∈ J} von X mit V̄α ⊂ Uα für alle α ∈ J. Analog gibt es eine lokal endlich
indiziert offene Überdeckung {Wα : α ∈ J} von X mit W̄α ⊂ Vα für alle α ∈ J. Da
X ist normal ist, finden wir nach dem Lemma von Urysohn für alle α ∈ J eine stetige
Funktion ψα : X → [0, 1] mit ψα (W̄α ) = {1} und ψα (X\Vα ) = {0}. Daraus folgt direkt
supp(ψα ) ⊂ V̄α ⊂ Uα für alle α ∈ J.
Da {V̄α : α ∈ J} lokal endlich indiziert ist, gilt dies auch für {supp(ψα ) : α ∈ J}. Setze
X
ψ : X → R, ψ(x) =
ψα (x).
α∈J
Da {supp(ψα ) : α ∈ J} lokal endlich indiziert ist, ist ψ ist stetig mit ψ(x) > 0 für alle
x ∈ X (letzteres, da jedes x ∈ X in einem Wα liegen muss). Nun sieht man leicht, dass
φα : X → [0, 1], φα (x) :=
alle gewünschten Eigenschaften hat.
ψα (x)
ψ(x)
Chapter 2
Homotopie, Fundamentalgruppen
und Überlagerungen
1
Grundbegriffe zur Homotopietheorie und Fundamentalgruppen
Mit den bisher behandelten topologischen Invarianten (Kompaktheit, Wegzusammen∼
hang, usw.) kann man nicht einmal beweisen, dass R2 =
6 R3 . Dafür braucht man feinere
topologische Invarianten, etwa Fundamentalgruppen.
Im Folgenden bezeichne
I := [0, 1]
stets das Einheitsinterval (welches also mit der Teilraumtopologie ⊂ R versehen wird).
Definition 2.1
Seien f, f 0 : X → Y stetige Abbildungen zwischen den topologischen Räumen X und Y .
Dann heißen f und f 0 homotop, fall eine stetige Abbildung F : X × I → Y existiert mit
F (·, 0) = f und F (·, 1) = f 0 . So ein F heißt Homotopie zwischen f und f 0 . Sind f und
f 0 homotop, so schreibt man f ' f 0 . Ist f homotop zu einer konstanten Abbildung, so
heißt f nullhomotop.
Von nun an sei X ein beliebiger topologischer Raum.
Bemerkung 2.2
Für einen Weg γ : I → X heißt γ(0) der Anfangspunkt von γ und γ(1) der Endpunkt
von γ. Es sei außerdem daran erinnert, dass Wege für uns per Definition stetig sind.
Wege γ : I → X der Anfangspunkt γ(0) mit dem Endpunkt γ(1) übereinstimmt, werden
wir auch Schleifen nennen. Der Punkt x0 := γ(0) = γ(1) heißt dann die Basis der
Schleife γ.
Definition 2.3
Seien f, f 0 : I → X Wege. Dann heißen f und f 0 weghomotop, falls sie den gleichen
61
62CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
Anfangspunkt x0 , den gleichen Endpunkt x1 haben und außerdem eine Homotopie F : I×
I → X zwischen f und f 0 existiert mit F (0, ·) ≡ x0 und F (1, ·) ≡ x1 . So eine Abbildung
F heißt dann eine Weghomotopie zwischen f und f 0 . Sind f und f 0 weghomotop, so
schreibt man f 'P f 0 .
Lemma 2.4
' und 'P sind Äquivalenzrelationen.
Proof
Wir geben den Beweis für Weghomotopien (für Homotopien geht alles analog).
Reflexivität: f 'P f ,denn F : I × I → X, F (s, t) := F (s) ist eine Weghomotopie
zwischen f und f .
Symmetrie: f 'P f 0 =⇒ f 0 'P f ,denn ist F : I × I → X ein Weghomotopie
zwischen f und f 0 , so ist F̄ (s, t) := F (s, 1 − t) ist dann eine Weghomotopie
zwischen f 0 und f .
Transitivität: f 'P f 0 und f 0 'P f 00 =⇒ f 'P f 00 , denn mit den entsprechenden
Weghomotopien F , F 0 ist
(
F (s, 2t)
, t ≤ 12
G(s, t) =
F 0 (s, 2t − 1) , t ≥ 21
eine Weghomotopie von f nach f 00 .
Beispiel 2.5
i) Sei A ⊂ Rm ein konvexer Teilraum (d.h. zu je zwei Punkten in A verläuft ihre
gradlinige Verbindung vollständig in A). Dann sind je zwei Wege f, f 0 : I → A mit
f (0) = f 0 (0) und f (1) = f 0 (1) weghomotop: In der Tat, F (s, t) = (1 − t)f (s) + tf 0 (s)
ist eine Weghomotopie zwischen f und f 0 , die so genannte gradlinige Weghomotopie
zwischen f und f 00 .
ii) Auf X = R2 \ {0} sei f der Weg von (1, 0) nach (−1, 0) der entlang der oberen
Hälfte von S 1 verläuft, und sei f 0 der Weg von (1, 0) nach (−1, 0) der entlang der
unteren Hälfte von S 1 verläuft. Dann sind f und f 0 nicht weghomotop bezüglich X,
wohl aber bezüglich R2 .
Weghomotopieäquivalenzklassen von Wegen werden im Folgenden mit [f ] bezeichnet.
D.h., für Wege f, f 0 : I → X gilt [f ] = [f 0 ], genau dann wenn f 'P f 0 .
Definition 2.6
Sind f, g : I → X Wege mit f (1) = g(0), so ist der Weg f ∗ g : I → X definiert durch
(
f (2s)
, s ≤ 12
.
f ∗ g(s) =
g(2s − 1) , s ≥ 12
1. GRUNDBEGRIFFE ZUR HOMOTOPIETHEORIE UND FUNDAMENTALGRUPPEN63
Im obiger Situation ist [f ] ∗ [g] := [f ∗ g] wohldefiniert: Aus f0 'P f1 mittels der
Weghomotopie F und g0 'P g1 mittels der Weghomotopie G, folgt f0 ∗ g0 ' f1 ∗ g1
mittels der Weghomotopie
H(s, t) := (F (·, t) ∗ G(·, t))(s).
29. Juni
Theorem 2.7
Sei x0 ∈ X und bezeichne
π1 (X, x0 ) := {[f ] : f (0) = x0 = f (1)}
die Menge der Weghomotopieklassen von Schleifen auf Xmit Basis x0 . Dann ist
(π1 (X, x0 ), ∗, [ex0 ])
eine Gruppe, wobei
ex0 : I → X, s 7→ x0
, die Konstante Schleife bezeichnet.
Gruppeninverse sind wie folgt gegeben: Für [f ] ∈ π1 (X, x0 ) ist [f ]-1 := [f¯] mit
f¯: I → X, f¯(s) = f (1 − s)
der rückwärts durchlaufenen Schleife.
Für den Beweis benötigen wir:
Definition 2.8
Sei f : I → X ein Weg und ϕ : I → I stetig mit ϕ(0) = 0 und ϕ(1) = 1. Dann heißt
ϕ eine Parametertransformation und f ◦ ϕ die Umparametrisierung des Weges f
bezüglich ϕ.
Bemerkung 2.9
Alle Parametertransformationen ϕ : I → I erhalten die Weghomotopieklassen, d.h. für
alle Wege f : I → X gilt [f ] = [f ◦ ϕ]. Eine kanonische Weghomotopie zwischen f und
f ◦ ϕ und ist durch
F (s, t) = f t · ϕ(s) + (1 − t)s
gegeben. Außerdem folgt wegen ϕ(0) = 0 und ϕ(1) = 1 noch, dass für [f ] ∈ π1 (X, x0 )
auch [f ◦ ϕ] ∈ π1 (X, x0 ) gilt.
Proof of Theorem 2.7
64CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
Assoziativität des Produkts: Zu zeigen ist, dass für je drei Schleifen f, g, h : I → X
mit Basis x0 gilt (f ∗g)∗h 'P f ∗(g∗h). Dies gilt, da f ∗(g∗h) = ((f ∗g)∗h)◦ϕ mit
ϕ : I → I der eindeutig bestimmten stückweise linearen Parametertransformation,
die
ϕ(0) = 0, ϕ(1/2) = 1/4, ϕ(3/4) = 1/2, ϕ(1) = 1
erfüllt.
[ex0 ] ist das neutrale Element: Zu zeigen ist, dass für jede Schleife f : I → X mit
Basis x0 die Identitäten f ∗ ex0 'P f 'P ex0 ∗ f erfüllt sind. Dies gilt, da zum
einen f ∗ ex0 = f ◦ ϕ mit ϕ : I → I der eindeutig bestimmten stückweise linearen
Parametertransformation, die
ϕ(0) = 0, ϕ(1/4) = 1/2, ϕ(1/2) = 1, ϕ(1) = 1
erfüllt. Zum anderen gilt ex0 ∗ f = f ◦ ϕ0 mit ϕ0 : I → I der eindeutig bestimmten
stückweise linearen Parametertransformation, die
ϕ0 (0) = 0, ϕ0 (1/2) = 0, ϕ0 (1) = 1
erfüllt.
Inverse Elemente: Zu zeigen ist f ∗ f¯ 'P ex0 'P f¯ ∗ f für jede Schleife f : I → X
mit Basis x0 . Wegen f¯ = f reicht es f ∗ f¯ 'P ex0 zu zeigen. Der Weg f ∗ f¯ ist
aber weghomotop zur konstanten Schleife ex0 mittels der Weghomotopie
F (s, t) := F1 (s, t) ∗ F1 (1 − s, t),
wobei F1 : I × I → X gegeben ist durch
(
f (s),
F1 (s, t) :=
f (1 − t),
s ∈ [0, 1 − t]
s ∈ [1 − t, 1].
Wir sind im Beweis dem Buch “Algebraic Topology” von Hatcher gefolgt (welches frei
im Internet erhältlich ist).
Definition 2.10
Sei x0 ∈ X. Dann heißt π1 (X, x0 ) die Fundamentalgruppe des topologischen Raum
X bei x0 .
Die Gruppe π1 (X, x0 ) wird auch die erste Homotopiegruppe von X bei x0 genannt
(es gibt also auch höhere Fundamentalgruppen πn (X, x0 ); siehe etwa Hatcher). Es gilt
stets π1 (X, x0 ) = π1 (C, x0 ) mit C der Wegzusammenhangskomponente von x0 . Hierbei
wird C als Teilraum von X angesehen.
Beispiel 2.11
Sei A ein konvexer Teilraum des Rm . Dann gilt π1 (A, x0 ) = {[ex0 ]} für alle x0 ∈ X.
Dies folgt unmittelbar aus dem ersten Teil von Bemerkung 2.5.
1. GRUNDBEGRIFFE ZUR HOMOTOPIETHEORIE UND FUNDAMENTALGRUPPEN65
Definition 2.12
Seien x0 , x1 ∈ X und α : I → X ein Weg von x0 nach x1 . Wir definieren
α̂ : π1 (X, x0 ) → π1 (X, x1 ), [f ] 7→ [ᾱ] ∗ [f ] ∗ [α].
Bemerkung 2.13
i) α̂ ist wohldefiniert und hängt nur von [α] ab.
ii) Wenn X nicht wegzusammenhängend ist, wird es natürlich i.A. für beliebige x0 , x1 ∈
X keinen Weg α von x0 nach x0 geben.
Theorem 2.14
Seien x0 , x1 ∈ X und α : I → X ein Weg von x0 nach x1 . Dann ist α̂ ein Gruppenisomorphismus.
Proof
α̂ ist jedenfalls ein (Gruppen-)Homomorphismus, denn
α̂([f ]) ∗ α̂([g]) = ([α̂] ∗ [f ] ∗ [α]) ∗ ([α̂] ∗ [g] ∗ [α]) = α̂([f ] ∗ [g]).
ˆ.
Außerdem ist α̂ bijektiv mit (α̂)-1 = ᾱ
Korollar 2.15
Ist X wegzusammenhängend, so gilt π1 (X, x0 ) ∼
= π1 (X, x1 ) für alle x0 , x1 ∈ X.
Der Isomorphismus aus dem Korollar 2.15 ist im Allgemeinen nicht kanonisch. Es gilt
aber:
Theorem 2.16
Sei X wegszusammenhängend und x0 , x1 ∈ X. Dann ist π1 (X, x0 ) kommutativ, genau
dann wenn für alle Wege α, β : I → X von x0 nach x1 die Bedingung α̂ = β̂ erfüllt ist.
Proof
Übungsaufgabe.
Definition 2.17
X heißt einfach wegzusammenhängend, falls X wegzusammenhängend ist und π1 (X, x0 )
trivial ist für ein x0 ∈ X, d.h. π1 (X, x0 ) = {[ex0 ]}.
Dann ist π1 (X, x) trivial für alle x ∈ X, wegen Korollar 2.15. Für die Trivialität von
π1 (X, x0 ) schreibt man oft auch π1 (X, x0 ) = 0.
Lemma 2.18
Sei X wegzusammenhängend. Dann ist X genau dann einfach wegzusammenhängend,
wenn für alle Wege α, β : I → X mit gleichem Anfangspunkt und gleichem Endpunkt
die Bedingung α 'P β erfüllt ist.
66CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
Proof
⇒: Sei x0 der Anfangspunkt von α und β und x1 ihr gemeinsamer Endpunkt. Dann
ist α ∗ β̄ eine Schleife mit Basispunkt x0 . Da X einfach wegzusammenhängend
ist, folgt α ∗ β̄ 'P ex0 , also [α ∗ β̄] ∗ [β] = [ex0 ] ∗ [β], und schließlich [α] = [β].
⇐: Das ist trivial.
Wir wollen nun zeigen, dass stetige Abbildungen zwischen punktierten topologischen
Räumen kanonisch Gruppenhomomorphismen induzieren. Hierzu führen wir folgende
Notation ein: Wir schreiben h : (X, x0 ) → (Y, y0 ), falls x0 ∈ X, y0 ∈ Y und falls
h : X → Y eine Abbildung mit h(x0 ) = y0 ist.
Definition 2.19
Für eine stetige Abbildung h(X, x0 ) → (Y, y0 ) zwischen den topologischen Räumen X
und Y sei h∗ definiert durch
h∗ : π1 (X, x0 ) → π1 (Y, y0 ), [f ] 7→ [h ◦ f ].
Dann heißt h∗ der von h induzierte Gruppenhomomorphismus.
Bemerkung 2.20
i) Die Abbildung h∗ ist wohldefiniert.
ii) Es gilt, (h ◦ g)∗ = h∗ ◦ g∗ , wann immer es sinnvoll ist. Außerdem gilt (idX,x0 )∗ =
idπ1 (X,x0 ) , falls idX,x0 : (X, x0 ) → (X, x0 ) die Identität ist.
4. Juli
Theorem 2.21
Ist h : (X, x0 ) → (Y, y0 ) ein Homöomorphismus, so ist h∗ : π1 (X, x0 ) → π1 (Y, y0 ) ein
Gruppenisomorphismus.
Proof
Es gilt (h∗ )-1 = (h-1 )∗ .
Das heißt, π1 (X, x0 ) ist also eine topologische Invariante in dem Sinne, das homöomorphe
punktierte topologische Räume isomorphe Fundamentalgruppen haben. Insbesondere
ist die Isomorphie der Fundamentalgruppen notwendig für die Homöomorphie.
2. ÜBERLAGERUNGEN
2
67
Überlagerungen
Für den Moment werden Überlagerungen ein technisches Hilfsmittel für uns sein, um
Fundamentalgruppen auszurechnen. Oft sind Überlagerungen mit gewissen Zusatzeigenschaften aber auch für sich interessant, etwa in der Differentialgeomtrie (Spin-Gruppen,
die orientierbare Überlagerung einer Mannigfaltigkeit usw.).
Definition 2.22
Sei p : E → B ein stetige surjektive Abbildung zwischen topologischen Räumen.
i) Eine offene Menge U ⊂ B heißt eine Überlagerunsmenge von p, falls eine disjunkte Familie {Vα : α ∈ J} offener disjunkter Teilmengen
von E existiert (mit J
F
-1
einer beliebigen Indexmenge), so dass p (U ) =
Vα und so dass p|Vα : Vα → U
α∈J
ein Homöomorphismus ist. Dann nennt man {Vα : α ∈ J} auch eine Zerlegung
von p-1 (U ) in Scheiben.
ii) p heißt eine Überlagerung, falls es zu jedem b ∈ B eine Umgebung U von b gibt,
so dass U zugleich eine Überlagerungsmenge von p ist.
iii) Sind E 0 , B 0 topologische Räume, so heißt E 0 ein Überlagerungsraum von B 0 ,
falls eine Überlagerung p0 : E 0 → B 0 exisiert.
Lemma 2.23
Sei p : E → B eine Überlagerung. Dann gelten folgende Aussagen:
i) Für alle b ∈ B trägt der Teilraum p-1 (b) ⊂ E die diskrete Topologie.
ii) p ist offen.
Proof
Übung.
Beispiel 2.24
1. Sei X ein topologischer Raum und n ∈ N. Dann ist p : X × {1, . . . , n} →
X, (x, j) 7→ X eine Überlagerung. Hierbei wird {1, . . . , n} mit der diskreten
Topologie versehen, so dass X × {1, . . . , n} als n-fache disjunkte Kopie von sich
selbst gelesen werden kann.
2. Die Abbildung
p : R1 → S 1 , x 7→ (cos(2πx), sin(2πx))
ist eine Überlagerung: Sei etwa Urechts :=”rechter offener Halbkreis des Einheitskreises”. Dann gilt
G
p-1 (Urechts ) =
Vn
n∈N
1
,n
4
1
4
+ , und Urechts wird zu einer Überlagerungsmenge von p.
mit Vn := n −
Analog für Ulinks , Uoben , Uunten , und diese Mengen überdecken S 1 .
68CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
Bemerkung 2.25
i) Überlagerungen sind lokale Homöomorphismen. Es gibt aber viele sogar surjektive
lokale Homöomorphismen, die aber dennoch keine Überlagerungen sind: Etwa
R+ → S 1 , x 7→ (cos(2πx), sin(2πx)).
ii) Topologische Räume haben i. A. viele recht unterschiedliche Überlagerungsräume:
So ist etwa für alle natürlichen Zahlen n die Abbildung p : C ⊃ S 1 → S 1 ⊂ C, z 7→
z n eine weitere Überlagerung.
Gibt es für eine Überlagerung p : E → B eine Kardinalzahl κ mit #p−1 (b) = κ, so
nennt man p eine κ-fache Überlagerung. Die obige Überlagerung p : R → S 1 etwa
ist eine N -fache Überlagerung, mit N der Kardinalität der natürlichen Zahlen. Die
Überlagerung p : S 1 → S 1 , z 7→ z n hingegen ist eine n-fache Überlagerung. Dieser
Begriff soll uns aber im Folgenden nicht weiter beschäftigen.
Lemma 2.26
Ist p : E → B eine Überlagerung und B0 ⊂ B ein Teilraum, so ist
p0 := p|p-1 (B0 ) : p-1 (B0 ) → B0
eine Überlagerung.
Proof
Ist U eine Überlagerungsmenge von p mit zugehörigen Scheiben Vα , α ∈ J, so gilt
G
p-1
Vα ∩ p-1 (B0 )
0 (U ∩ B0 ) =
α∈J
und U ∩ B0 wird zu einer Überlagerungsmenge von p0 mit Scheiben Vα ∩ p-1 (B0 ).
Lemma 2.27
Sind p : E → B, p0 : E 0 → B 0 Überlagerungen, so auch (p, p0 ) : E × E 0 → B × B 0 .
Proof
Ist U eine Überlagerungsmenge von p mit zugehörigen Scheiben Vα , α ∈ J, und U 0 eine
Überlagerungsmenge von p0 mit zugehörigen Scheiben Vα0 0 , α0 ∈ J 0 , so gilt
G
(p, p0 )−1 (U × U 0 ) =
Vα × Vα0 0
(α,α0 )∈J×J 0
und U ×U 0 wird zu einer Überlagerungsmenge von (p, p0 ) mit Scheiben Vα ×Vα0 0 , (α, α0 ) ∈
J × J0 .
2. ÜBERLAGERUNGEN
69
Beispiel 2.28
Mit p : R1 → S 1 wie oben ist (p, p) : R2 → S 1 × S 1 = T 1 eine Überlagerung des Einheitstorus.
Theorem 2.29
Sei p : E → B stetig und surjektiv und sei U ⊂ B eine zusammenhängende Überlagerungsmenge
von p. Dann ist die Zerlegung von U in Scheiben eindeutig bestimmt.
Proof
Übungsaufgabe.
Definition 2.30
Sei p : E → B stetig und sei f : X → B stetig. Eine stetige Abbildung f˜: X → E heißt
ein p-Lift von f , falls
8E
f˜
X
f
p
/B
kommutiert.
Lemma 2.31 (Lemma von Lebesgue)
Sei (X, d) ein kompakter metrischer Raum und sei {Ũi : i ∈ I} eine offene Überdeckung
von X. Dann existiert ein δ > 0 mit folgender Eigenschaft: Ist A ⊂ X eine Teilmenge
mit
sup d(a1 , a2 ) < δ,
a1 ,a2 ∈A
so gibt es ein i ∈ I mit A ⊂ Ũi .
Proof
Übung.
6. Juli
Lemma 2.32
Sei p : E → B eine Überlagerung und sei b0 ∈ B. Dann existiert zu jedem e0 ∈ E mit
p(e0 ) = b0 und jedem Weg f : I → B mit Startpunkt b genau ein p-Lift f˜: I → E von
f mit Schnittpunkt e0 .
Proof S
Sei B = i∈I Ui eine Überdeckung von B mit p-Überlagerungsmengen. Es existiert eine
Unterteilung 0 = s0 < . . . < sn = 1, sodass zu jedem i ∈ {0, . . . , n − 1} ein j(i) ∈ I
existiert mit f [si , si+1 ] ⊂ Uj(i) . Die folgt leicht aus dem Lebesgueschen Lemma, wenn
man dieses mit X = [0, 1] und Ũi = f -1 (Ui ) benutzt.
Existenz von f˜: Setze f˜(0) = e0 . Sei f˜(s) bereits definiert auf einem Intervall [0, sj ]
so, dass f˜|[0,sj ] ein p-Lift von f |[0,sj ] ist. Dann setzen wir f˜ auf [0, si+1 ] wie folgt fort:
70CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
F
Wir wählen eine Zerlegung p-1 Uj(i) = α∈J Vα,i in Scheiben. Wähle αi ∈ Ji mit
-1
f˜(si ) ∈ Vαi ,i und setze f˜(s) := p|Vαi ,i (f (s)) für alle s ∈ [si , si+1 ]. Dann ist f˜ stetig
auf [0, si+1 ] und lifted auf dieser Menge die Einschränkung f auf die gleiche Menge.
Usw...Letztendlich ist f˜ definiert auf ganz [0, 1] und lifted f .
Eindeutigkeit von f˜: Seien f˜, f˜˜ beide p-Lifts von f mit Startpunkt e0 . Angenommen
es gilt f˜˜(s) = f˜(s) für alle s ∈ [0, si ]. Seien αi ∈ Ji wie oben. Es gilt
G
f˜˜[si , si+1 ] ⊂ p-1 Uj(i) =
Vα,i
α
und
G
f˜[si , si+1 ] ⊂ p-1 Uj(i) =
Vα,i .
α
Da f˜[si , si+1 ] zusammenhängend ist und f˜(si ) ∈ Vαi ,i , gilt f˜[si , si+1 ] ⊂ Vαi ,i .
∼
=
→ Uj(i) , d.h
Analog folgt aus f˜(si ) = f˜˜(si ) auch f˜˜[si , si+1 ] ⊂ Vαi ,i . Aber p|Vαi ,i : Vα,i −
aus p ◦ f˜ = p ◦ f˜˜ folgt f˜ = f˜˜ auf [si , si+1 ], also auf [0, si+1 ]. Usw.
Lemma 2.33
Sei A ein Teilraum eines topologischen Raums mit diskreter Topologie. Dann ist A
genau dann zusammenhängend, falls |A| ∈ {0, 1}
Definition 2.34
F : I × I → X heißt eine Weghomotopie, falls F eine Weghomotopie zwischen den
Wegen F (·, 1) und F (·, 0) ist.
Eine stetige Abbildung F : I × I → X ist genau dann eine Weghomotopie, wenn die
Mengen F ({1} × I) und F ({0} × I) einelementig sind.
Theorem 2.35
Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 ∈ B und F : I × I → B eine Weghomotopie mit
F (0, 0) = b0 . Dann existiert für alle e0 ∈ p-1 (b0 ) genau ein p-Lift F̃ : I × I → E von F
mit F̃ (0, 0) = e0 . Dieser p-Lift ist automatisch eine Weghomotopie.
Proof
Existenz von F̃ als p-Lift von F mit Startpunkt e0 : Sei F̃ (0, ·) definiert als der p-Lift
von F (0, ·) mit Startpunkt e0 (mittels Lemma 2.32). Wähle nach dem Lebesgue Lemma
eine Unterteilung 0 = s0 < s1 < . . . < sm = 1 und 0 = t0 < t1 < . . . < tn = 1, so dass
jedes Rechteck
Ii × Jj := [si , si+1 ] × [tj , tj+1 ]
für i = 1, . . . , m, j = 1, . . . , n von F in einer Überlagerungsmenge von p liegt. Sei
(i0 , j0 ) ∈ {1, . . . , m} × {1, . . . , n}
2. ÜBERLAGERUNGEN
71
beliebig gegeben und sei A ⊂ I × I definiert als Vereinigung von I × {0}, {0} × I, sowie
von allen Ii × Jj mit i < i0 und j beliebig, sowie i = i0 und j < j0 . Angenommen, wir
haben F̃ |A bereits definiert als p-Lift von F |A . Wir wollen F̃ |A nun auf (Ii0 × Jj0 ) ∪ A
fortsetzen zu einem p-Lift von F |A∪(Ii ×Jj ) . Sei hierzu U ⊂ B eine Überlagerungsmenge
0
0
F
von p mit F (Ii0 × Jj0 ) ⊂ U (∗) und sei p-1 (U ) = α Vα eine Zerlegung in Scheiben.
Die Menge F̃ |A (A ∩ (Ii0 × Jj0 )) ist zusammenhängend und in p-1 (U ) enthalten (p-Lift
Eigenschaft). Es existiert dann ein α0 mit
F̃ |A (A ∩ (Ii0 × Jj0 )) ⊂ Vα0 .
∼
=
Aber p|Vα0 : Vα0 −
→ U , d.h. wegen (∗) können wir
(
F |A (x)
, x∈A
-1
F̃ |A∪(Ii ×Jj ) (x) =
0
0
p|Vα0 ◦ F (x) , x ∈ Ii0 × Jj0
setzen. Usw... Also existiert ein p-Lift F̃ von F .
Jeder p-Lift F̃ von F mit Startpunkt e0 ist automatisch eine Weghomotopie: Es gilt
F ({0} × I) = {b0 } .
Da F̃ ein p-Lift von F ist, folgt F̃ ({0} × I) ⊂ p-1 (b0 ). Aber p-1 (b0 ) ist diskret und
F̃ ({0} × I) ist zusammenhängend. Daraus folgt mit Lemma 2.33, dass F̃ ({0} × I)
einelementig ist. Völlig analog gilt: F̃ ({1} × I) ist einelementig. Damit ist F̃ eine
Weghomotopie.
11. Juli
Eindeutigkeit von F̃ als p-Lift von F mit Startpunkt e0 : Sei F̃˜ ein weiterer p-Lift mit
Startpunkt e0 . Wir wissen bereits, dass F̃ , F̃˜ beide Weghomotopien sind. Für beliebiges
aber festes t ∈ I sind dann F̃ (·, t) und F̃˜ (·, t) p-Lifts des Weges F (·, t). Außerdem gilt
F̃ (0, t) = F̃ (0, 0) = e0 = F̃˜ (0, 0) = F̃˜ (0, t), da F̃ , F̃˜ Weghomotopien sind. Damit
folgt F̃˜ (s, t) = F̃ (s, t) für alle t ∈ I aufgrund der Eindeutigkeitsaussage für p-Lifts von
Wegen.
Korollar 2.36 (Monodromielemma)
Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 , b1 ∈ B, e0 ∈ p-1 ({b0 }) und Wege f, g : I → B von
b0 nach b1 . Mit f˜, g̃ : I → E die zugehörigen p-Lifts mit f˜(0) = e0 = g̃(0) gilt folgende
Implikation: f 'P g =⇒ f˜(1) = g̃(1) und f˜ 'P g̃.
Proof
Sei F : I ×I → B die Weghomotopie zwischen f und g, also F (0, 0) = b0 . Sei F̃ : I ×I →
E die zugehörige p-geliftete Weghomotopie mit F̃ (0, 0) = e0 . Es gilt (Eindeutigkeit von
Lifts) f˜ = F̃ (·, 0) und g̃ = F̃ (·, 1). Aber F̃ ({1} × I) ist einelementig. Daraus folgt
f˜(1) = F̃ (1, 1) = F̃ (1, 0) = g̃(1).
72CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
Definition 2.37
Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 ∈ B, e0 ∈ p-1 ({b0 }). Dann heißt
φp,b0 ,e0 : π1 (B, b0 ) → p-1 (b0 )
[f ] 7→ f˜(1),
wobei f˜ der p-Lift von f mit Startpunkt e0 ist, die von p, b0 , e0 induzierte Liftkorrespondenz.
In dieser Situation ist φp,b0 ,e0 wohldefiniert. Das ist gerade die Aussage des Monodromielemmas.
Theorem 2.38
Sei p : E → B eine Überlagerung, E wegzusammenhängend, b0 ∈ B, e0 ∈ p-1 ({b0 }).
Dann ist φp,b0 ,e0 surjektiv, und sogar bijektiv, falls E einfach zusammenhängend ist.
Proof
Surjektivität: Sei e1 ∈ p-1 ({b0 }) beliebig. Also existiert ein Weg f˜: I → E von e0 nach
e1 . Damit gilt: p ◦ f˜: I → B ist Schleife mit Basis b0 und φp,b0 ,e0 ([p ◦ f˜]) = e1 .
Injektivität fuer E einfach zusammenhängend: Seien [f ], [g] ∈ π1 (B, b0 ) mit φp,b0 ,e0 ([f ]) =
φp,b0 ,e0 ([g]). Seien f˜, g̃ : I → E die zugehörigen p-Lifts mit Startpunkt e0 . Daraus
folgt f˜(1) = g̃(1). Da E einfach zusammenhängend ist, existiert eine Weghomotopie
F̃ : I × I → E zwischen f˜ und g̃. Dann ist p ◦ F : I × I → B eine Weghomotopie
zwischen f und g, und somit [f ] = [g].
Theorem 2.39
Es gilt
π1 (S 1 , b0 ) ∼
=Z
für alle b0 ∈ S 1 .
Genauer: Ist p : R → S 1 die übliche Überlagerung, so ist die Liftkorrespondenz
φp,(1,0),0 : π1 (S 1 , (1, 0)) → p-1 ((1, 0)) = Z
ein Gruppenisomorphismus.
Proof
Sei b0 := p(0) = (1, 0). Damit ist tatsächlich p-1 (b0 ) = Z. Also ist φp,b0 ,0 → Z ist
bijektiv. Es ist noch zu zeigen, dass φ := φp,b0 ,0 ein Gruppenhomomorphismus ist. Sei
hierzu [f ], [g] ∈ π1 (S 1 , b0 ) und sei f˜, g̃ : I → R die zugehörigen p-Lifts mit Startpunkt
e0 = 0, sowie n := f˜(1) und m := g̃(1). Damit ist φp,b0 ,e0 [f ] = n und φp,b0 ,e0 [g] = m.
Betrachte g̃˜ : I → R, s 7→ g̃(s) + n. Wegen p(x + n) = p(x) für alle x ∈ R ist g̃˜ ein p-Lift
von g. Der Weg f˜ ∗ g̃˜ ist wohldefiniert und gerade der Lift von f ∗ g mit Startpunkt 0.
˜
Es gilt g̃(1)
= m + n. Damit ist
φp,b0 ,0 ([f ] ∗ [g]) = φp,b0 ,0 ([f ∗ g]) = m + n = φp,b0 ,0 ([f ]) + φp,b0 ,0 ([g]).
2. ÜBERLAGERUNGEN
73
Theorem 2.40
Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 ∈ B, e0 ∈ p-1 ({b0 }). Dann gelten folgende
Aussagen:
i) p∗ : π1 (E, e0 ) → π1 (B, b0 ) ist ein injektiver Gruppenhomomorphismus.
ii) Sei Hp,e0 := p∗ (π1 (E, e0 )). Dann induziert φp,b0 ,e0 die wohldefinierte injektive Abbildung1
ψp,b0 ,e0 : Hp,e0 \π1 (B, b0 ) → p-1 ({b0 })
Hp,e0 ∗ [f ] 7→ φp,b0 ,e0 [f ],
die sogar bijektiv ist, falls E wegzusammenhängend ist.
iii) Ist f : I → B eine Schleife mit Basis b0 , so gilt [f ] ∈ Hp,e0 genau dann, falls sich
f bezüglich p liften lässt zu einer Schleife auf E mit Startpunkt e0 .
Proof
i) Ist h̃ : I → E eine Schleife mit Basis e0 so, dass p ◦ h̃ mittels der Weghomotopie F
weghomotop zur konstanten Schleife eb0 ist, so ist der p-Lift F̃ mit Startpunkt e0 von
F eine Weghomotopie zwischen h̃ und der konstanten Schleife ee0 . In anderen Worten:
p∗ hat einen trivial Kern und ist somit injektiv.
ii) Ein Beweis dieser Aussage lässt sich im Buch “Topology” von Munkres finden (Theorem 54.6 (b) in der second edition).
iii) Aus dem Injektivitätsteil der Aussage ii) folgt, dass die Identität φp,b0 ,e0 ([f ]) = e0
äquivalent zu [f ] ∈ Hp,e0 ist. Aber genau dann gilt φp,b0 ,e0 ([f ]) = e0 , wenn der p-Lift
von f mit Startpunkt e0 auch in e0 endet.
13. Juli
1
Hp,e0 ist eine Untergruppe von π1 (B, b0 ) und Hp,e0 \π1 (B, b0 ) steht für die Menge der Rechtsnebenklassen {Hp,e0 ∗ [f ] : [f ] ∈ π1 (B, b0 )}. Munkres schreibt an dieser Stelle einfach π1 (B,b0 )/Hp,e0 ,
was normalerweise für die Linksnebenklassen steht. Da Hp,e0 im Allgemeinen kein Normalteiler ist,
scheint Munkres notation etwas seltsam zu sein. Oder ich habe etwas übersehen.
74CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
3
Homotopietypen von topologischen Räumen
Wir wissen bisher, dass Überlagerungen Informationen über Fundamentalgruppen liefern.
Eine weitere Möglichkeit um Informationen über Fundamentalgruppen zu erhalten, ist
durch Homotopieäquivalenzen gegeben:
Definition 2.41
Eine stetige Abbildung f : X → Y heißt eine Homotopieäquivalenz, falls eine stetige
Abbildung g : Y → X existiert mit f ◦ g ' idY und g ◦ f ' idX . Dann heißt g eine
Homotopieinverse von f .
Definition 2.42
X und Y heißen homotopieäquivalent, falls es eine Homotopieäquivalenz f : X → Y
gibt.
Falls f : X → Y, f 0 : Y → Z Homotopieäquivalenzen sind, so auch f 0 ◦ f : X → Z.
Daraus folgt, dass Homotopieäquivalenz eine Äquivalenzrelation auf der Menge der
topologischen Räume ist.
Definition 2.43
Man sagt X und Y habe den gleichen Homotopietyp, falls sie homotopieäquivalent
sind.
Lemma 2.44
Seien h, k : X → Y stetig, x0 ∈ X, y0 := h(x0 ), y1 := k(x0 ). Gilt h ' k, so existiert
ein Weg α : I → Y von y0 nach y1 , sodass folgendes Diagramm gilt:
π1 (X, x0 )
(hx0 )∗
(kx0 )∗
/ π1 (Y, y0 )
)
α̂
π1 (Y, y1 )
Die obige Notation ist wie folgt zu verstehen: Das Symbol hx0 steht für die Abbildung
hx0 : (X, x0 ) → (Y, h(x0 )), y 7→ h(x)
zwischen punktierten Räumen (analog für k usw.).
Proof
Sei H : X × I → Y eine Homotopie zwischen h und k. Dann erfüllt α(s) := H(x0 , s)
den Job.
Korollar 2.45
Ist unter den Voraussetzung von Lemma 2.44 die Abbildung (hx0 )∗ injektiv (surjektiv)
[trivial], so ist auch (kx0 )∗ injektiv (surjektiv) [trivial].
3. HOMOTOPIETYPEN VON TOPOLOGISCHEN RÄUMEN
75
Korollar 2.46
Unter den Voraussetzungen des Lemmas 2.44 gilt: Wenn k konstant ist, dann ist (hx0 )∗
trivial.
Proof
Aus k konstant folgt, dass (kx0 ) trivial ist. Damit gilt (hx0 )∗ = (α̂)-1 ◦ (kx0 )∗ .
Nun können wir zeigen, dass Räume mit dem gleichem Homotopietyp isomorphe Fundamentalgruppen haben:
Theorem 2.47
Sei f : X → Y stetig, x0 ∈ X und y0 := f (x0 ). Ist f eine Homotopoieäquivalenz, so ist
(fx0 )∗ : π1 (X, x0 ) → π1 (Y, y0 ) ein Gruppenisomorphismus.
Proof
Sei g : Y → X eine Homotopieinverse von f uns sei x1 := g(y0 ), y1 := f (x1 ). Nach
Voraussetzung ist g ◦ f ' idX . Damit gilt (gy0 ) ◦ (fx0 )∗ = ((g ◦ f )x0 )∗ = α̂ ◦ (idX,x0 )
mit einem geeignet α wie in Lemma 2.44. Dann ist (gy0 )∗ ◦ (fx0 )∗ ein Isomorphismus
und damit (gy0 )∗ surjektiv. Analog folgt: (fx1 )∗ ◦ (gy0 )∗ ist ein Isomorphismus und
(gy0 )∗ injektiv. Insgesamt ist (gy0 )∗ ein Isomorphismus und (fx0 )∗ = (gy0 )-1
∗ ◦ α̂ ist ein
Isomorphismus.
Wichtig Beispiele von Homotopieäquivalenzen sind durch die Inklusionsabbildung von
Deformationsretrakten gegeben:
Definition 2.48
Sei A ⊂ X ein Teilraum. Dann heißt A ein Deformationsretrakt von X, falls es
eine stetige Abildung H : X × I → X gibt mit:
i) H(x, 0) = x für alle x ∈ X
ii) H(x, 1) ∈ A für alle x ∈ X
iii) H(a, t) = a für alle t ∈ I und a ∈ A.
In anderen Worten: Ist A ⊂ X ein Teilraum, so ist A ein Deformationsretrakt von
X genau dann, wenn idX homotop ist zu einer Abbildung r̃ : X → X mit r̃(X) ⊂ A
mittels einer Homotopie, die alle Punkte aus A während der Deformation fix lässt.
Definition 2.49
In obiger Situation heißt r : X → A, x 7→ r̃(x) eine Retraktionsabbildung für A ⊂
X.
76CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
Beispiel 2.50
Die Abbildung
H : Rm+1 \{0} × I → Rm+1 \{0},
tx
(x, t) 7→ (1 − t)x + 12
m
P
2
xi
i=1
macht S m zu einem Deformationsretrakt von Rm+1 \{0}.
Lemma 2.51
Sei A ⊂ X ein Deformationsretrakt von X. Dann ist die Inklusionsabbildung ι : A ,→ X
eine Homotopiäquivalenz. Insbesondere ist für alle x0 ∈ A die Abbildung
(ιx0 )∗ : π1 (A, x0 ) → π1 (X, x0 )
ein Gruppenisomorphismus.
Proof
Sei r : X → A eine Retraktionabbildung. Dann ist r ◦ ι = idA und ι ◦ r ' idX .
Korollar 2.52
Für alle x0 ∈ S m ist, mit
ι : S m ,→ Rm+1 \{0}
der Inklusionsabbildung, die Abbildung
(ιx0 )∗ : π1 (S m , x0 ) → π1 Rm+1 \{0}, x0
ein Gruppenisomorphismus.
4. DIE FUNDAMENTALGRUPPE VON S M MIT M ≥ 2
4
77
Die Fundamentalgruppe von S m mit m ≥ 2
Die folgende Aussage kann auch aus einem abstrakten Satz der algebraischen Topologie
(Satz von Seifert/von Kampen) abgeleitet werden:
Theorem 2.53
Seien U, V ⊂ X offen mit X = U ∪V , x0 ∈ U ∩V und sei U ∩V wegzusammenhängend.
Mit ιU : U → X und ιV : V → X den Inklusionsabbildungen gilt dann folgende Aussage:
Die Vereinigung der Bilder von
(ιU,x0 )∗ : π1 (U, x0 ) → π1 (X, x0 )
und
(ιV,x0 )∗ : π1 (V, x0 ) → π1 (X, x0 )
erzeugt die Gruppe π1 (X, x0 ).
Proof
Die Aussage des Theorems bedeutet nichts anderes als das Folgende: Jede Schleife
f : I → X mit der Basis x0 ist weghomotop zu einer Schleife der Art g1 ∗ . . . ∗ gn , n ∈ N,
wobei jedes g : I → X eine Schleife mit Basis x0 ist, die entweder vollständig in U oder
vollständig in V verläuft.
Das Lebesgue-Lemma und ein einfaches Umnummerierungsargument liefert eine Unterteilung 0 = a0 < a1 < . . . < an = 1, so dass f (ai ) ∈ U ∩ V und f [ai−1 , ai ] ⊂ U oder
f [ai−1 , ai ] ⊂ V . Sei ϕi : I → [ai−1 , ai ] gegeben als die eindeutig bestimmte stetige
Funktion mit linearem Graphen die ϕi (0) = ai−1 und ϕi (1) = ai erfüllt, und sei
fi : I → X, fi (s) := f (ϕi (s)). Dann verläuft fi vollständig in U oder vollstänig in
V und es gilt [f ] = [f1 ∗ . . . ∗ fn ].
Wir sind fast fertig, aber die fi sind keine Schleifen. Um dies zu beheben, sei αi : I →
U ∩ V ein Weg von x0 nach f (ai ). Dann erfüllen gi := (αi−1 ∗ fi ) ∗ ᾱi für i = 1, . . . , m
den Job (es gilt [g1 ∗ . . . gn ] = [f1 ∗ . . . ∗ fn ]).
18.Juli
Korollar 2.54
Sei U, V ⊂ X offen und U ∩ V 6= und wegzusammenhängend, und X = U ∪ V . Dann
gilt folgende Implikation: Sind U und V einfach zusammenhängend, so gilt dies auch
für X.
Theorem 2.55
S m ist einfach zusammenhängend für alle m ≥ 2.
Proof
Sei p := (0, . . . , 0, 1) ∈ S m ⊂ Rm+1 und q := (0, . . . , 0, −1) ∈ S m . Dann ist
78CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
f : S m \{q} → Rm
(x1 , . . . , xm+1 ) 7→
1
(x1 , . . . .xm )
1 − xm+1
ein Homöomorphismus (stereographische Projektion) und S m \{p} ist homöomorph zu
S m \{q} etwa mittels der Reflektion
(x1 , . . . , xm+1 ) 7→ (x1 , . . . , xm , −xm+1 ).
Daraus folgt U := S m \{p} ∼
= Rm , V := S m \{q} ∼
= Rm (d.h. U und V sind wegzusamm
menhängend) und U ∩V = S \{p, q} =
6 ∅. Außerdem ist U ∩V = S m \{p, q} ∼
= Rm \{0}
mittels f |S m \{p,q} . Aber Rm \{0} ist wegzusammenhängend, genau dann wenn m ≥ 2
gilt.
5. KLASSIFIKATION VON ÜBERLAGERUNGEN
5
79
Klassifikation von Überlagerungen
Bis jetzt haben uns Überlagerungen Informationen über Fundamentalgruppen geliefert.
Nun wollen wir umgekehrt Fundamentagruppen nutzen, um Informationen über Überlagerungen
zu gewinnen.
Definition 2.56
Ein topologischer Raum X heißt lokal wegzusammenhängend, wenn für alle Umgebungen U von x eine wegzusammenhängende Umgebung V von x existiert mit V ⊂ U .
Im Allgemeinen sind wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend voneinander disjunkte Eigenschaften, was anschaulich recht klar sein sollte. Konkrete Gegenbeispiele zu konstruieren ist allerdings halbwegs kompliziert.
Lemma 2.57 (Liftsatz)
Sei p : E → B eine Überlagerung mit E, B wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend. Sei Y wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend, f : Y → B
setig und b0 ∈ B, y0 ∈ Y, e0 ∈ E mit p(e0 ) = b0 , f (y0 ) = b0 . Dann existiert ein p-Lift
f˜: Y → E von f mit f˜(y0 ) = e0 ,
genau dann wenn
f∗ (π1 (Y, y0 )) ⊂ p∗ (π1 (E, e0 )).
Falls dies der Fall ist, so ist f˜ eindeutig bestimmt.
Proof
i) ⇒: Dies folgt aus f∗ = p∗ ◦ f˜∗ .
ii) Eindeutigkeit des Lifts f˜: Sei y1 ∈ Y beliebig und sei α : I → Y ein Weg von y0
nach y1 und γ der p-Lift von f ◦ α mit Startpunkt e0 . Dann ist f ◦ α ein p-Lift
von f ◦ α mit Startpunkt e0 , also γ = f˜ ◦ α. Damit folgt f˜(α(1)) = γ(1).
iii) ⇐: (also Existenz von f˜) Sei y1 ∈ Y beliebig. Wähle nun α und γ wie in ii). Setze
˜(y1 ) := γ(1). Dann ist f˜(y1 ) wohldefiniert, denn:
Sei hierzu β : I → Y ein weiterer Weg von y0 nach y1 und γ 0 der p-Lift von
f ◦ β mit Startpunkt e0 . Wir müssen also zeigen, dass γ 0 (1) = γ(1) gilt. Sei
hierzu δ der p-Lift von f ◦ β̄ mit Startpunkt γ(1). Also ist γ ∗ δ ein p-Lift von
f ◦(α∗ β̄), was eine Schleife ist. Nach Voraussetzung ist [f ◦(α∗ β̄)] ∈ p∗ (π1 (E, e0 ))
und damit ist γ ∗ δ eine Schleife (dies folgt aus Theorem 2.40 iii)), also gilt
e0 = γ(0) = γ ∗ δ(0) = γ ∗ δ(1) = γ(1). Außerdem ist δ̄ ein p-Lift von f ◦ β,
wie wir nun wissen mit Startpunkt δ̄(0) = δ(1) = e0 . Also δ̄ = γ 0 , und damit
δ̄(1) = γ 0 (1) = δ(0) = γ(1). Damit ist f˜ wohldefiniert. Sicherlich ist f˜ nach
Konstruktion p-Lift von f mit f˜(y0 ) = e0 .
80CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
Wir müssen noch zeigen, dass f˜ stetig ist: Sei hierzu y1 ∈ Y und eine Umgebung N von f (y1 ) gegeben. Wir zeigen, dass eine Umbegung W von y1 existiert
mit f˜(W ) ⊂ N . Wähle eine wegzusammenhängende Umgebung U von f (y1 )
die zugleich eine Überlagerungsmenge von p ist. Sei V0 ⊂ E die Scheibe von
p-1 (U ), die f˜(y1 ) enthält. OBdA gilt V0 ⊂ N . Damit ist p0 := |V0 : V0 → U eine
Homöomorphismus. Wähle eine eine wegzusammenhängende Umgebung W von
y1 mit f (W ) ⊂ U (f ist stetig). Wir zeigen nun, dass f˜(W ) ⊂ V0 gilt. Sei dazu
y ∈ W und β ein Weg in W von y1 nach y. Sei desweiteren α ein Weg von y0 nach
y und γ der p-Lift von f ◦ α mit Startpunkt e0 . Damit ist α ∗ β ein Weg von y0
nach y und γ ∗ (p-1
0 ◦ f ◦ β) ist der p-Lift von α ∗ β mit Startpunkt e0 (beachte, dass
der Ausdruck p-1
0 ◦ f ◦ β Sinn macht), wobei γ der p-Lift von f ◦ α mit Startpunkt
e0 sei. Beachtet man die wohldefinierte Konstruktionsvorschrift für f˜, so findet
man die erste Gleichheit in
-1
f˜(y) = γ ∗ (p-1
0 ◦ f ◦ β) = p0 ◦ f ◦ β(1) ∈ V0 .
Der Beweis ist komplett.
Definition 2.58
Seiein p : E → B und p0 : E 0 → B Überlagerungen. Dann heißt ein Homöomorphismus
h : E → E 0 eine Überlagerungsäquivalenz zwischen p und p0 , falls
/
h
E
p
B
~
E0
p0
kommutiert.
Zwei Überlagerungen p : E → B und p0 : E 0 → B werden dann überlagerungsäquivalent
genannt, falls es eine Überlagerungsäquivalenz zwischen ihnen gibt. Dies ist eine
Äquivalenzrelation.
Eine Überlagerung p : E → B induziert die Untergruppe p∗ (π1 (E, e0 )) ⊂ π1 (B, b0 ).
Tatsächlich gilt p∗ (π1 (E, e0 )) ∼
= π1 (E; e0 ), da p∗ injektiv ist. Es wird sich herausstellen,
dass p bis auf Überlagerungsäquivalenz eindeutig durch die Untergruppe p∗ (π1 (E, e0 ))
bestimmt ist (zumindest unter schwachen zusätzlichen Voraussetzungen an E, B).
Theorem 2.59
Seien p : E → B, p0 : E 0 → B mit E, B, E 0 wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend. Seien b0 ∈ B, e0 ∈ E, e0o ∈ E 0 mit p(e0 ) = p(e00 ) = b0 . Dann existiert
eine Überlagerungsäquivalenz h : E → E 0 zwischen p und p0 mit h(e0 ) = e00 genau dann,
wenn
H0 := p∗ (π1 (E, e0 )) = H00 := p0∗ (π(E 0 , e00 )).
Proof
5. KLASSIFIKATION VON ÜBERLAGERUNGEN
81
⇒: Da h ein Homöomorphismus ist, gilt h∗ (π1 (E, e0 )) = π1 (E 0 , e00 ), also
p∗ (π1 (E, e0 )) = (p0∗ ◦ h∗ )(π1 (E, e0 )) = p0∗ (π1 (E 0 , e00 )).
⇐: Wegen dem Liftsatz 2.57 existiert h : E → E 0 stetig mit h(e0 ) = e00 und p0 ◦ h = p.
Analog existiert k : E 0 → E stetig mit k(e00 ) = e0 und p ◦ k = p0 . Die Abbildung
k ◦ h : E → E erfüllt p ◦ k ◦ h = p0 ◦ h = p. Außerdem erfüllt idE die Bedingung
p ◦ idE = p. Der Eindeutigkeitsteil des Liftsatzes gibt sofort k ◦ h = idE . Analog
zeigt man: h ◦ k = idE 0 .
Was passiert, wenn im obigen Satz nicht h(e0 ) = e00 gefordert wird? Hierzu erinnern
wir an das folgende einfache Konzept aus der Gruppentheorie: Sei G eine Gruppe und
H1 , H2 ⊂ G Untergruppen. Dann heißt H1 konjugiert zu H2 , falls es ein g ∈ G gibt
mit H2 = gH1 g -1 . Dies ist eine Äquivalenzrelation.
Theorem 2.60
Seien p : E → B, p : E 0 → B Überlagerungen mit E, B, E 0 wegzusammenhängend und
lokal wegzusammenhängend, und seien b0 ∈ B, e0 ∈ E, e00 ∈ E 0 . Dann existiert
genau dann eine Überlagerungsäquivalenz h : E → E 0 zwischen p und p0 , wenn die
Untergruppen H0 := p∗ (π1 (E, e0 )) und H00 := p0∗ (π1 (E 0 , e00 )) von π1 (B, b0 ) konjugiert
zueinander sind.
Lemma 2.61
Sei p : E → B eine Überlagerung, b0 ∈ B. Dann gelten folgende Aussagen:
i) Ist e0 , e1 ∈ p-1 (b0 ) und ist γ : I → E ein Weg von e0 nach e1 , so gilt für die
Schleife α := p ◦ γ : I → B mit Basis b0 die Identität [α] ∗ H1 ∗ [α]-1 = H0 mit
Hi := p∗ (π1 (E, ei ))
ii) Ist e0 ∈ p-1 (b0 ) und ist H ⊂ π1 (B, b0 ) eine Untergruppe die zu H0 konjugiert ist,
so existiert e1 ∈ p-1 (b0 ) mit H1 = H, wobei erneut Hi := p∗ (π1 (E, e1 )).
Proof
i) Es reicht zu zeigen, dass für alle γ, α, e0 , e1 wie in der Annahme die Inklusion
[α] ∗ H1 ∗ [α]-1 ⊂ H0
gilt (denn daraus folgt [ᾱ] ∗ h0 ∗ [ᾱ]-1 ⊂ H1 ). Sei hierzu [h] ∈ H1 und wähle die
Schleife h̃ : I → E mit Basis e1 mit p∗ ([h̃]) = [h]. Dann ist k̃ := (γ ∗ h̃)γ̄ eine
Schleife mit Basis e0 und p∗ ([k̃]) = [α] ∗ [h] ∗ [α]-1 . Damit folgt [α] ∗ H1 ∗ [α]-1 ⊂ H0 .
ii) Nach Voraussetzung existiert eine Schleife α : I → B mit Basis b0 mit
H0 = [α] ∗ H1 ∗ [α]-1 .
Sei γ der p-Lift von α mit γ(0) = e0 . Aus i) folgt
H0 = [α] ∗ p∗ (π1 (E, γ(1))) ∗ [α]-1
. Damit folgt die Aussage mit e1 := γ(1), also H = H1 .
82CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
20. Juli
Beweis von Theorem 2.60
⇒ Setze e01 := h(e0 ) und H10 := p∗ (π1 (E 0 , e01 )). Also ist H0 = h01 nach dem vorherigen
Theorem 2.59. Teil i) des Lemmas 2.61 liefert dann, dass H10 konjugiert ist zu H00 .
⇐ Teil i) des Lemmas 2.61 zeigt die Existienz von e01 ∈ p0 (b0 ) mit H10 := p0∗ (π1 (E 0 , e01 )) =
H0 . Das Theorem 2.59 liefert dann die Existenz von h.
Definition 2.62
Eine Überlagerung p : E → B heißt universell, falls E einfach zusammenhängend
ist.
Die Wichtigkeit von universellen Überlagerungen beruht auf folgenden beiden Tatsachen, die wir gleich beweisen werden: Universelle Überlagerungen von B sind bis auf
Äquivalenz eindeutig bestimmt, und die Überlagerungsräume von universellen Überlagerungen
von B überlagern alle anderen Überlagerungsräume von B.
Theorem 2.63
Seien p : E → B und p0 : E 0 → B universelle Überlagerungen mit E, B, E 0 wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend. Dann gibt es eine Überlagerungsäquivalenz
h : E → E 0 zwischen p und p0 .
Proof
Es gilt
p∗ (π1 (E, e0 )) = {[e0 ]} = p0∗ (π1 (E 0 , e00 ))
für alle b0 ∈ B und e0 ∈ E, e00 ∈ E 0 , also können wir Theorem 2.60 benutzen.
Lemma 2.64
Sei X, Y, Z wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend und sei das kommutative Diagramm stetiger Abbildungen
q
X
p
Z

/Y
r
gegeben (also p = r ◦ q). Sind p und r Überlagerungen, so gilt dies auch für q.
Proof
q ist surjektiv: Sei x0 ∈ X, y0 ∈ Y und z0 ∈ Z. Sei weiterhin y ∈ Y beliebig und sei
α̃ : I → Y ein Weg von y0 nach y. Dann ist α = r ◦ α̃ ein Weg mit Startpunkt z0 .
˜ der q-Lift von α mit Startpunkt x0 . Dann sind q ◦ α̃
˜ sowie α̃ r-Lifts von α mit
Sei α̃
˜ Aber q α̃(1)
˜
Startpunkt y0 , also α̃ = q ◦ α̃.
= α̃(1) = y.
5. KLASSIFIKATION VON ÜBERLAGERUNGEN
83
Jeder Punkt y ∈ Y liegt in einer Überlagerungsmenge V ⊂ Y von q: Sei z := r(y). Es
existiert dann eine wegzusammenhängende Umgebung von z, die für p undF r eine
Überlagerungsmenge ist. Sei V die Scheibe von r-1 (U ) mit y ∈ V . Sei p-1 (U ) = α∈J Uα
eine Zerlegung in Scheiben. Die Abbildung q bildet jedes Uα nach r-1 (U ) ab. Die Uα
sind zusammenhängend und disjunkt und q ist stetig, also ist q(Uα ) zusammenhängend,
d.h. q bildet Uα komplett in genau eine Scheibe von r-1 (U ) ab. Daraus folgt,
G
q -1 (V ) =
Uα .
J 0 :={α∈J:q(Uα )⊂V }
Mit p0 := p|Uα , q0 := q|Uα und r0 := r|V erhält man das kommutative Diagramm
q0
Uα
p0
/V
U

,
r0
also ist q0 = r0−1 ◦ p0 ein Homöomorphimus.
Theorem 2.65
Sei p : E → B eine universelle Überlagerung und r : Y → B eine Überlagerung mit
E, B, Y wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend. Dann existiert eine
Überlagerung q : E → Y die das Diagramm
q
E
p
B
~
/
Y
r
kommutieren lässt.
Proof
Sei b0 ∈ B, e0 ∈ E und y0 ∈ Y mit p(e0 ) = r(y0 ) = b0 . Da E einfach zusammenhängend
ist, gilt
p∗ (π1 (E, e0 )) = {[eb0 ]} ⊂ r∗ (π1 (Y, y0 )).
Der Liftsatz 2.57 liefert nun einen r-Lift q : E → Y von p. Nach Lemma 2.64 ist q eine
Überlagerung.
Wir wissen bereits, dass sich gutartige Überlagerungen p : E → B durch Untergruppen
von π1 (B, b0 ) charakterisieren lassen. Unter einer weiteren topologischen Voraussetzung
an B gilt auch die Umkehrung, d.h. Untergruppen von π1 (B, b0 ) lassen sich durch
Überlagerungen p : E → B charakterisieren. Hierzu:
84CHAPTER 2. HOMOTOPIE, FUNDAMENTALGRUPPEN UND ÜBERLAGERUNGEN
Definition 2.66
Der topologische Raum X heißt semilokal einfach zusammenhängend, wenn für alle
x ∈ X eine Umgebung U von X existiert, so dass die durch die Inklusionsabbildung
ι : U ,→ X induzierte Abbildung
ι∗ : π1 (U, x) → π1 (X, x)
der triviale Gruppenhomomorphismus ist.
Bemerkung 2.67
Aus einfach zusammenhängend folgt semilokal einfach zusammenhängend.
Definition 2.68
Wir nennen eine Überlagerung p : E → B gut, falls E lokal wegzusammenhängend und
wegzusammenhängend ist.
Wir bezeichnen mit [p : E → B]Ü die Menge aller zu p überlagerungsäquivalenten
Überlagerungen p0 : E 0 → B. Außerdem sei [H]π1 (B,b0 ) die Menge aller zur Untergruppe
H ⊂ π1 (B, b0 ) konjugierten Untergruppen von π1 (B, b0 ). Dies sind also Äquivalenzklassen.
Theorem 2.69
Sei B lokal wegzusammenhängend und wegzusammenhängend und b0 ∈ B. Dann ist die
Abbildung
n
o
[p : E → B]Ü p : E → B ist eine gute Überlagerung
n
o
−→ [H]π1 (B,b0 ) H ist eine Untergruppe von π1 (B, b0 ) ,
[p : E → B]Ü 7−→ [p∗ (π1 (E, e0 ))]π1 (B,b0 ) ,
für irgendein e0 ∈ p-1 (b0 ), wohldefiniert (insbesondere unabhängig von der Wahl von e0 )
und injektiv und sogar bijektiv, falls B zusätzlich semilokal einfach zusammenhängend.
Proof
Die Wohldefiniertheit und Injektivität dieser Abbildung folgt, indem man Theorem 2.60
(mehrfach) benutzt.
Noch zu zeigen: Ist B lokal wegzusammenhängend, wegzusammenhängend und semilokal
einfach zusammenhängend, so existiert zu gegebener Untergruppe H ⊂ π1 (B, b0 ) eine
gute Überlagerung p : E → B und ein e0 ∈ p-1 (b0 ) mit p∗ (π1 (E, e0 )) = H. Ein Beweis
dieser Surjektivitätsaussage lässt sich im Buch ’Topology’ von Munkres, §§77, finden.
Der Beweis ist wohl nicht so sehr wichtig für die algebraische Topologie, aber auf jeden
Fall sehr typisch für die Flächen der komplexen Analysis.
Ich bedanke mich bei allen Zuhörern: Sie sind alle sehr lieb gewesen!
Herunterladen