Script - Historischer Überblick

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hfkm-Regensburg–Stimmkunde / Script WS 08/09
Prof. Christian Schmidt
Historischer Überblick
1.
Frühzeit
Stimmkunde = Musikgeschichte
Einsatz der Stimme warum – wann – wie?
• um Entfernungen zu überwinden
• als Erkennungsruf
Je mehr sich die Menschen zu Stämmen und zu Völkern zusammenfanden, desto
mehr verlor der Ruf über die Weite an Bedeutung.
RUF - LAUT
SPRACHE
GESANG
Medium des Erkennens
Austausch von Informationen
begleitet Arbeit, Festlichkeiten, Tanz
ruft zu Krieg und Schlachten
Ausdruck von Trauer, Leid und Gebet
Gesang als Kommunikation mit und Beschwörung der Umwelt
Gesang zur Arbeit
Gesang zur Arbeit gehörte sicher zu den frühesten Formen der Musik
- rhythmisches Anfeuern
- Koordination der Bewegung
z.B. «ho ruck» zum Heben oder Ziehen schwerer Lasten
Gesangbegleitung (Arbeitslieder)
Gesang und Magie
Dem Gesang werden magische Kräfte zugeschrieben
(Wer singen konnte, war ein Zauberer, der böse Geister, Dämonen, wilde Tiere, ja den Tod besänftigte)
Hirten singen und spielen Flöte, beleben die einsame Landschaft, halten Tiere in
Bann
magische Kräfte -> Kirchenmusik
Anlass:
Stammesfeste, Geisterbeschwörungen, Zauberheilungen
Mittel:
Stampfen, Schlagen, Klatschen, gleichmäßiger, dauernd wiederholter Rhythmus,
eintöniger Gesang
Worte ohne Sinn in Silben zerteilt
nur wenige ständig wiederholte Töne
Je eintöniger die Tonfolgen, desto vielfältiger der Rhythmus.
Viele Wechsel und Gegenrhythmen
Begleitet durch Schlaginstrumente
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2.
Frühe Hochkulturen (Exkurs):
Orient und Asien
Anatolien:
ca. 6700 v. Chr. Auf Wandmalereien sind wohl erste Musikaufführungen dargestellt
Sumerer:
ca. 3000 v. Chr. Abbildung eines Priesters mit Lyra
China:
ca. 2500 v. Chr. pentatonische Ahnenlieder
Indien:
Vielfalt von Tonarten und Ausübungsformen. Ständiger unspürbarer Wechsel von einer
Tonart und von einem Rhythmus in den anderen. Mehrere Stimmen spielten und sangen
nebeneinander. Früheste Art heterophonen Musizierens (mit westlichen Einflüssen vermischt, bis heute bei den aus Indien nach Europa gelangten Zigeunerstämmen erhalten
auch in den Gesängen der spanischen Flamencos)
Mittelmeerrraum
Ägypten:
Wandmalereien zeigen Musikanten mit Instrumenten, sowie einen Vorsänger, der einem
singenden Chor Melodiebewegungen in der Luft vorzeichnet
Wandmalereien in Theben aus der Zeit um 1500 v. Chr. zeigen musizierende Mädchen
Zahllose Abbildungen von Harfen verschiedenster Bauart mit bis zu 16 Saiten
Auch Flöten, Trompeten, Pauken und die ägyptische Laute, die Nabla, sind dargestellt.
Musik war nicht auf religiöse Dienste beschränkt, sondern fester Bestandteil vornehmer
Feiern
Judäa:
Ägyptische Einflüsse auf die Musik der Juden.
Siegesgesang nach dem Untergang des pharaonischen Heeres im Roten Meer, Psalmen
Davids, das Hohelied Salomons, Klagelieder Jeremia
Sprache erlangt erstmals eigene Bedeutung.
Dass die Psalmen gesungen wurden, beweisen die begleitenden Instrumente (Miriams
Pauke, Davids Nabla), und Vortragsanweisungen, etwa: «Vorzusingen nach der Hindin,
die früh gejagt wird.» (Angabe der Wahl der Tonfolge eines bekannten Liedes anstelle
von Noten)
Griechenland:
Starke asiatische und ägyptisch-arabische Einflüsse
Grundbestandteil des Musizierens war auch hier der Glaube an die hypnotische, übernatürliche Kraft der Musik
Einzelne Töne, Tonfolgen, Rhythmen waren in ihrer Bedeutung verwoben mit dem Lauf der Planeten,
mit Naturelementen und mit geheimnisvollen Kräften der Erde. Götter wurden mit bestimmten Tonarten und Instrumenten verehrt und galten oft als deren Erfinder.
Sängertradition seit der Zeit der mykenischen Königsgeschlechter um 2000 v. Chr.
Während Homer in seiner Ilias noch singende und tanzende Fürsten und Helden beschreibt, fällt schon
in der Odyssee nach der Eroberung Trojas 1198 v. Chr. die Aufgabe des Dichter-Sängers den dafür bezahlten Aöden, fahrenden Sängern und Dichtern, zu. Mit der Wandlung der Musik vom Privileg der
Fürsten zum Volksgut entstanden aus der Tradition der adligen Feste und Leichenfeiern mit Musik
volkstümliche Wettspiele. Mit ihnen begründete sich die Zahl berühmter griechischer Sänger, deren
Namen geschichtlich belegbar sind.
Bis zur Zeit des Euripides, als mehrere den Gesang begleitende Instrumente eingeführt
wurden, blieb die griechische Musik reine Vokalmusik.
Der Gesang war einstimmig, Harfe oder Aulos (Flöte) unterstützen die Melodie
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Sparta stellte Jugenderziehung und Militärordnung ganz unter den Einfluss der Musik
Im Verlauf des 6. Jh. v. Chr. gewannen Festspiele immer mehr an Bedeutung. (Rhapsoden, Kitharöden, Auleten und Chöre)
Berühmter Sängers der griechischen Antike: Pindar von Theben (522—448 v. Chr.)
Zu Beginn des 6. Jh. schuf Arion von Lesbos aus den Lobgesängen zu Ehren des Dionysos
die ersten Dithyramben (strophenlose Chorgesänge)
Die Schauspieler waren zugleich ausgebildete Sänger.
Dem Chor, der die von Tanz- und Darstellungsbewegungen begleiteten Eingangs- und
Schlusschöre, und in den Mittelteilen den Satyrtanz und die ausschweifende Komödie
ausführte, fiel stets die Rolle des Kommentators, des Publikums und des warnenden Gewissens zu (-> Oratorium).
Unter Sophokles (496—406 v. Chr.) begann die Entwicklung zum Virtuosentum, die in
der Zeit des Euripides (um 480—407 v. Chr.) ihren Höhepunkt erreichte und nach dem
Peloponnesischen Krieg (431—404 v. Chr.) langsam zur Banalisierung und zum Verfall
der griechischen Musikkultur führte.
Um die zweite Hälfte des 5. Jh. Entstehung des «jüngeren Dithyrambus»
freien Musikfolge ohne Strophen, in der persönlichem Ausdruck, Stil und Ausführungsform immer größere Bedeutung zugemessen wurden. Schon die leidenschaftlichen, von
mehreren Instrumenten begleiteten Soloszenen des Euripides forderten großes musikalisches Können von den Solisten, bei denen, ebenso wie bei den Chorsängern, bald die
Laien den ausgebildeten Virtuosen weichen mussten.
Es entstehen virtuose Soli mit Koloraturen in hohen Stimmlagen
Sänger und Tänzer schließen sich zu Gilden zusammen.
Auch in der Entwicklung zum Virtuosentum und selbst bei den von mehreren Instrumenten begleiteten Aufführungen des Euripides blieb die griechische und später auch die römische Musikausführung immer einstimmig. Die Instrumente begleiteten gleichstimmig
oder im Wechsel mit der Stimme. Mit der Verflachung der Musik wandelten sich die Musikaufführungen mehr und mehr zu Massendarbietungen. So wird von einem Fest unter
Ptolemäus Philadelphus in Alexandrien mit dreihundert Kitharöden und weiteren dreihundert Musikern (->„Fischerchöre“) berichtet.
Rom
Diese Massenaufführungen fanden auch bei den Römern, von denen außer Fest- und Gesellschaftsliedern zur Tibia kaum eigenständige Musik überliefert ist, besonderen Anklang.
Im Unterschied zur griechischen Musiktradition vertonten die Dichter ihre Stücke nicht
selbst, sondern ließen sie von Berufsmusikern komponieren.
Wird schon zu Cäsars Zeiten von einem Fest mit 12 900 Sängern und Musikern berichtet, klagt Horaz
etwa 13. v.Chr. über die zu großen Theater, deretwegen die Tibia durch zu laute Instrumente ersetzt
würde, so entfalteten sich die Musikdarbietungen unter den Kaisern und vor allem zur Zeit Neros zu
eitlem Pomp und lärmender Prunksucht. Von den Tragödien führte man nur noch Bravourszenen auf.
Virtuosen wurden dafür in Virtuosenschulen ausgebildet, und laut Quintilian vergötterte und verwöhnte
man die Sänger ebenso wie später im 17. Jh. die Kastraten und Primadonnen.
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3.
3.1.
Kirchenmusik bis Ende des 16. Jh.
Entwicklung der Einstimmigkeit
Auswirkungen auf die Stimme
Entwicklung des Christlichen Kirchengesangs zunächst in den östlichen Ländern
Einflüsse: Orientalisch-hellenistisch / jüdischer Tempelgesang
Die zunächst einfachen, geradlinigen Melodien wurden mit der Zeit nach islamischer Art
immer mehr verziert und ausgeschmückt (-> Hallelujamelismen)
356 n.Chr.: Ambrosius bringt als Statthalter von Oberitalien die vom heiligen Basilius von
Kapodozien für den christlich-morgenländischen Kirchengesang festgehaltenen Regeln
nach Mailand. Dieser Ambrosianische Gesang bestand weitgehend aus bekannten, zum
Teil volkstümlichen Hymnen und Psalmen, die in den neu gegründeten Ambrosianischen
Gesangschulen der Lombardei gelehrt wurden.
gegen Ende des 4. Jh./Rom: syrisch und jüdisch beeinflusste kirchliche Liturgie mit
Responsorien, Wechselgesängen zwischen Vorsänger und Chor, und Antiphonen, Hallelujas und Hymnen.
Gesangsausbildung
um 200 n.Chr.:
Ausbildung der priesterlichen Vorsänger durch den Kirchengesanglehrer Origines
Etwa zur gleichen Zeit bezeichnete der römische Arzt Galenus die Knorpel des Kehlkopfes, dessen Raum er wie die Griechen als Mundstück einer Pfeife - der Luftröhre - ansah
und Glottis nannte. Die Bedeutung der Stimmlippen erkannte er allerdings nicht.
Papst Sylvester (314-335) gründet eine erste Gesangschule in Rom
von Papst Hilarius (~315-367) erweitert
ab 600 n.Chr.:
Papst Gregor widmet sich der Schola Cantorum (Unterbringung und Ausbildung musikalisch begabter Waisenknaben)
Vierjährige Ausbildung in
• den Regeln der kirchengesanglichen Tagesarbeit
• Gesang (gesunde Stimmführung, schöner Klang, Intervallsingen)
• Mündliche Überlieferung der Melodien und technischen Anweisungen
• Keine Notenschrift und keine schriftliche Gesanganleitungen
Gefordert sind:
• Verzicht auf reiche Verziehrungen (wie im Ambrosianischen Gesang üblich)
• Keine Improvisationen
• niemals ungleich laut oder schnell zu singen
• nicht aus dem Chor solistisch hervorzutreten
Besonders vom Vorsänger, der die Responsorien anführte, wurde hohes gesangliches Können
gefordert.
Bezeichnung die Töne nach dem lateinischen Alphabet. Durch aufwärts oder abwärts laufende Haken und Striche wurde eine steigende oder fallende Melodie angezeigt.
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Die Neumenschrift
um 750 n.Chr. Entwicklung der Neumenschrift (Neume von griech. Neumos=Wink/ Zeichen) in enger Verbindung mit den Dirigierbewegungen der anleitenden Vorsänger
Keine Musiknotation in unserem Sinne, eher Vortragszeichen
Verdeutlichung Beziehung der Töne und Silben untereinander Interpretationsanleitungen
rhetorische, d.h. textbezogene inhaltliche Angaben und Erinnerungen
Melodien und Text waren den Sängern auswendig bekannt (Voraussetzung für die Aufnahme
in eine Choralschola)
Da der Einsatz der Neumenschrift nur nach jahrelangem Training und weitgehendem Auswendiglernen der Musikfolgen möglich war, zogen die ausgebildeten römischen Priestersänger
auch vielfach als Lehrer in andere Länder und gründeten dort neue Sängerschulen.
Pflege des Gesangs in den meisten Klöstern
Es wird angenommen, dass schon im 9. und im 10. Jh. die römischen Sänger über einen vollständigen Apparat von Ziermitteln verfügten, wie sie die moderne Gesangtechnik verwendet,
und einen hohen Grad der Kunstfertigkeit zeigen, etwa Tonformeln, die es mit den kühnsten
Koloraturen der italienischen Schule in ihrer goldenen Zeit aufnehmen könnten.
Aus Briefen des Vatikans an Pippin und an Karl den Großen geht hervor, dass so ausgebildete
Sänger die Kunst der Verzierung, der «crispatio, trepidatio, reverberatio, vinnulae und voces
tremulae», beherrschten.
Bis zum Ausgang des 11. Jh. war der Gregorianische Gesang mit nur wenigen Ausnahmen in den christlich-westlichen Ländern eingeführt
Die Notenschrift
um 1050 entwickelt sich die Notenschrift mit den auf vier Linien in Terzabständen geordneten Tonhöhen- und Tonlängenzeichen mit vorangestellten Schlüsselbuchstaben.
Eine wichtige Rolle spielt dabei der Mönch Guido von Arezzo (Solmisationslehre)
Mit Entstehung der Notenschrift fällt eine der ursprünglichen Aufgaben der Gesangslehrer weg
Auch die ersten Anweisungen zum Legatosingen stammen von Guido von Arezzo: «Die Stimmen müssen verschmelzen, ein Ton muss fließend in den anderen übergehen und darf nicht
neu angesetzt werden.»
Jedes Kloster besaß nun eine Kopie des Gregorianischen Antiphonars. Nach kurzer Unterweisung konnten Sänger die neue Notenschrift selbst entziffern. Die kunstvoll komplexe Ausdruckskraft der Neumen beginnt zu verblassen. So war doch die Notwendigkeit, den gregorianischen Gesang auf dem Pergament festzuhalten schon ein erster Schritt weg vom ursprünglichen Kern. Bis zum Ende des 14. Jh. Umstellung der abendländischen Gesangbücher auf die
neue Tonschrift
3.2. Entwicklung der Mehrstimmigkeit
~850 in Irland zum erstenmal zweistimmiger Gesang erwähnt
~ 900 der flandrische Mönch Hucbald erwähnt mehrstimmigen Sätzen und verschiedene
Stimmlagen: Tenor (Träger des Cantus firmus), Altus (höher), Sopranus (der höchste), Baß (Basis, Grundlage)
10. Jahrhundert
Neue Instrumente gelangen nach Europa
(aus Arabien die Handpauke und die Trompete, Trommel, Laute, Gitarre, außerdem Dudelsack, Fiedel, Glockenspiel, Hackbrett, Horn und Monochord.
Die seit dem 8. Jh. aus Byzanz eingeführte Windorgel verdrängte allmählich die in den Klöstern übliche Wasserorgel)
Die neuen Möglichkeiten der instrumentalen Begleitung begünstigten die
vielstimmige Komposition.
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Geistliche Musik
ab 1100
Kathedrale Notre-Dame in Paris: Ars antiqua mit ersten mehrstimmigen Sätzen in aufgelockertem Kontrapunkt («punctus contra punctum», «Note gegen Note»)
Hauptmeister: Leoninus und Perotinus, etwa 1250—1300
~1300
Verlegung des Papstsitzes von Rom nach Avignon, 1305, Entwicklung der französischen
vielstimmigen Kirchenmusik (Guillaume de Machaut, 1364 erste vierstimmige Messe).
Machaut greift außerdem mit seinen selbst gedichteten und vertonten Liedern die Tradition
der frühen griechischen Dichter-Sänger-Komponisten auf.
15. Jh.
Entwicklung der Vielstimmigkeit auch in den Niederlanden und in Deutschland.
Guillaume Dufay (+ 1474) kanonartige Fugen und Messen, im Cantus firmus volksliedhafte
Weisen, zum Beispiel das beliebte provenzalische „L'homme armé“
Jakob Obrecht um 1470 in Utrecht in den Niederlanden, John Dunstable in England, Heinrich
Isaac und Heinrich Finck in Deutschland
im 16. Jh.
Josquin des Prez und Jakob Arcadelt in Burgund, Gondimel und Carpantrass in Frankreich, Agricola und Praetorius in Deutschland
Entwicklung der Vielstimmigkeit -> Texte in der Musik mit ihren oft nur aneinander gereihten Silben immer unverständlicher und verloren mehr und mehr
(religiöse) Bedeutung und Zusammenhang
Im Zuge der Gegenreformation strebte die katholische Kirche daher ab 1555
und vor allem durch die Beschlüsse des dritten Tridentinischen Konzils (1562—
1563) eine Absage an die Vielstimmigkeit und die Rückkehr zum Gregorianischen Gesang an
Dennoch gelang es Orlando di Lasso 1557—1594 in München, die Vielstimmigkeit in der
Kirche auf würdige Weise zu neuer Blüte zu bringen.
Der um 1532 in Mons geborene Musiker, der als Chorknabe mit seiner herrlichen Stimme
schon im Alter von sechs Jahren den Vizekönig von Sizilien so sehr bezauberte, dass dieser
ihn mit Erlaubnis der Eltern nach Sizilien und Mailand mitnahm, wurde 1553 Kapellmeister am
Lateran in Rom und folgte nach Reisen durch Frankreich und England 1556 einem Ruf des
Herzogs Albrecht V. von Bayern nach München. Hier komponierte er seine Bußpsalmen, die
neben den Motetten und Madrigalen seinen Ruhm begründeten.
Ebenso verstand es Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525 —1594) in Rom, mit der einfachen Strenge und sicheren Textverständlichkeit seiner A-cappella-Gesänge und Messen, vor allem seiner berühmten Marcellus-Messe, den Widerstand des Klerus zu überwinden und die Vielstimmigkeit zu einem neuen Höhepunkt zu führen
Bewegung vom Gregorianischen Gesang zur Vielstimmigkeit -> Aufschwung des volkstümlichen Liedes (Suche nach Einfachheit)
Römische Vagantensänger lehnen sich gegen den Zwang der strengen kirchlichen Musik
und erfreuen ihr einfaches Publikum mit fröhlichen Liedern
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4.
Höfische Musik
Entwicklung Rittertum -> Wunsch zu persönlicher Mitteilung/Darstellung ab 1096
beeinflusst durch poetische/musikalische Einflüsse nach den Kreuzzügen in den Orient
Südfrankreich:
Troubadours, Dichter und Sänger (in einer Person wie zur Zeit der Griechen) schaffen
ihre Kriegs- und Liebeslieder zur Begleitung von Fiedel oder Harfe
Wilhelm IX. von Aquitanien (1086-1127), Bernart de Ventadour (1145-1195), Raimbaut de
Vaqueiras (um 1207)
Nordfrankreich:
Trouveres Richard Löwenherz (1157—1199), Thibaut de Champagne (1253)
Der Text gewinnt an Bedeutung (Thema: es wurde ehrfurchtsvoll die Hohe Frowe –
die adelige Angebetete - besungen oder die Natur im Wandel der Jahreszeiten)
In Deutschland entstand (stark beeinflusst von Frankreich, jedoch lyrischer) der Minnesang
Die berühmteste Gruppe französischer Troubadours und deutscher Minnesänger versammelte
sich auf Friedrich Barbarossas Geheiß 1184 zum Sängerwettbewerb in Mainz.
Heinrich von Morungen, Wolfram von Eschenbach (Parsifal-Epos) und Walther von der Vogelweide waren die berühmtesten Wettstreiter.
Ein zweiter Sängerwettbewerb fand 1207 auf der Wartburg unter Heinrich VI. statt.
Die Blütezeit des Minnesangs ging um 1220 zu Ende
Meister wie Neidhart von Reuenthal, Johannes Hadlaub in Zürich, der Salzburger Mönch Hermann (Joseph, lieber Joseph mein), Hugo von Montfort sowie Oswald von Wolkenstein führen
die Tradition bis ins 15. Jh. fort.
5.
Die Städte
Zweite Hälfte des 12. Jh.: Die Kunst gelangt von den Burgen und Schlössern in die neu
entstehenden Städte
Jongleure und Minstrels (Sänger und Jongleure zugleich) folgen den Trouveres
Minstrels schlossen sich mit der Zeit zu Sängervereinigungen zusammen
Durchführung von Wett- und Preisveranstaltungen (z.B. in Arras, Adam de la Halle, Hauptmeister der Sängergilde schreibt sein Singspiel Robin et Marion, einen Vorläufer der späteren
Oper)
Vom 13. Jh. an wurde der Minnesang der Ritter von den bürgerlichen Meistersingern
übernommen
Vom 14. Jh. eigene Schulen in Mainz, Augsburg, Nürnberg, Straßburg, München und anderen
Städten -> neue Form des Liedes nach strengen Regeln (oft nach Bibeltexten)
Als größte Sprach- und Liedschöpfer gelten Hans Sachs (1494—1576) und Martin Luther
Tradition der Meistersinger stirbt gegen Ende des 16. Jh. wegen ihrer allzu starren Regeln aus
15. und im 16. Jh. bürgerliches Lied als Hausmusik mit einfacher Instrumentenbegleitung (Lochhamer Liederbuch, 1452—1460)
Deutsche Liedkomponisten wie Isaac, Finck, Hofhaimer, Senfl (1490—1542)
schreiben unter dem Einfluss der niederländischen Schule erste polyphone
Liedwerke für Chor
In England entstanden zur Zeit Elisabeths I. unter dem Einfluss der niederländischen und
der italienischen Musik mehrstimmige chorische Madrigale, zum Beispiel von Thomas Tallis, William Byrd, Thomas Morley
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Betrachtung:
Entwicklung von Stimmtheorie und Gesangskunst
Mit der Entwicklung der Musik erhöhen sich die Anforderungen an die Fähigkeiten der
Sänger
Erste gedruckte Anweisungen für den Kirchengesang entstanden
Im 13. Jh. erwähnt G. da Garlandaia die «vox pectoris et vox capitis» (Brust-, Kopfstimme)
Hieronymus von Moravia schreibt: «Die verschiedenen Singstimmen sollen im Kirchengesang
nicht vermischt werden, weder die Brust- mit der Kopfstimme noch die Kehl- mit der Kopfstimme. Meistens sind tiefe Stimmen, also Bässe, Bruststimmen, hohe Stimmen Kopfstimmen,
die dazwischen liegenden Stimmen Kehlstimmen.
~1500 Gründung der ersten Gesangschule in Neapel
möglicherweise durch den Musiktheoretiker und Komponisten Tinctoris, dessen 1484 veröffentlichte Schrift De inventione et usu musicae bereits die berühmtesten Figuralsänger aufzählte und nach Stimmgattungen ordnete. Weitere Schulen folgten in Rom (1541) und im übrigen Italien
Wissenschaftlicher Studien im 16. Jh. Ausgehend von Leonardo da Vinci‘s
Zeichnungen des Kehlkopfes und durch seine experimentellen Versuche (er erwähnt
jedoch die Bedeutung der Stimmlippen nicht
Versac 1543 (italienischen Anatomen)
erste Andeutungen über die Bedeutung der Stimmlippen
Er spricht von der «Ritze, die von dem Fortsatz der Aryknorpel vermittels einer fetten Membran im Innern des Kehlkopfes als Glottis» und bezeichnet diese als «vornehmliche Erzeugerin
der Stimme»
Fabricius de Aquapendente erwähnt wenig später zwei Bänder im Kehlkopf mit
dazwischen liegender, die Stimme erzeugender Ritze, die er ebenfalls, wie bis
heute üblich, Glottis nennt
1562 veröffentlichte der neapolitanische Arzt Camillo Maffei seinen Discorso della voce, in
dem zum erstenmal die Lehre des Gesangs mit ihren physiologischen Voraussetzungen
behandelt wird.
Er geht ein auf Körperhaltung, Atemführung und Tongebung ein, empfiehlt die Kontrolle von
Zungenlage und Mundöffnung vor dem Spiegel, die Überprüfung des Stimmklanges mit Hilfe
des Echos und gibt Koloraturübungen an.
Bis zur Mitte des 16. Jh. wurden ausschließlich Knaben- und Männerstimmen für den
Kirchengesang eingesetzt („Mulier tacet in ecclesia“). Knabenstimmen oder männliche
Falsettisten ersetzten die fehlenden Frauenstimmen. Die Knabenstimmen hatten den
Nachteil, dass sie vor Vollendung der Ausbildung mutierten. Die Falsettisten erreichten
nie die volle Höhe der Sopranstimmen und missfielen, obwohl gerade aus spanischen
Schulen echte Virtuosen hervorgingen, durch ihren leblosen Stimmklang
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6.
6.1.
Oper
Die Entstehung der Oper
Als Widerspruch zu der Anonymität der polyphonen Musikwerke, in denen die Einzelstimme nur als Teil eines Ganzen erschien und der Text festen liturgischen Gesetzen
folgte, erwachte im Italien des ausgehenden 16. Jh. der Wunsch, den Menschen, das
menschliche Schicksal und damit die menschliche Stimme in den Vordergrund zu
stellen.
Gleichzeitig im 16. Jh. auch in der Musik Neubelebung griechischer Vorbilder und Motive
Florenz 1590: um den Aristokraten Giovanni Bardi findet sich ein Kreis von Dichtern, Philosophen und Musikern zusammen, die die Sprache nicht mehr der Musik unterordnen, sondern
nach dem Vorbild des griechischen Sänger-Dichters, der seine leidenschaftlich charakterisierten Heldenrollen selbst sang, neu beleben wollten.
1598 präsentierte diese Gruppe in kleinem Kreis die Legende von Daphnis und Chloe nach
Texten des Poeten Ottavio Rinuccini und nach der Musik von Giulio Caccini und Jacopo Peri
(1561-1633).
1600 wurde aus Anlass der Vermählung Heinrichs IV. von Frankreich mit Maria di Medici die
erste erhaltene Oper Euridice (Opera in musica), wiederum von Caccini und Peri komponiert, dargeboten. Darin brillierte in einer Folge von Ariosi mit einfacher Instrumentenbegleitung und leidenschaftlichen Rezitativen zum ersten mal eine Sängerin, die Sopranistin Vittoria Archile.
Monodie (solistischer Gesangsvortrag mit instrumentaler harmonischer Begleitung) gewinnt rasch in ganz Italien Boden.
Die Entstehung der Oper hat Einfluss auf die Qualität der Sänger
„Discorso“ von Pietro de la Valle (1640):
„Fremd war ihnen die Kunst des piano oder forte Singens, fremd das allmähliche Anschwellen
oder anmutige Abnehmen des Tones. (. ..) Man hatte wenigstens in Rom noch keine Kenntnis
davon, bis der Herr Emilio del Cavalieri in seinen letzten Jahren die gute Schule von Florenz
hier einführte (...), so hören wir jetzt in weit anmutigerer Weise Künstler singen (. . .).»
Die Komponisten stellen oftmals ihren Werken Bemerkungen über die richtige Art des
gesanglichen Vortrages voran
Die Sänger, die nun solistisch ihr Können entfalten durften, wurden in den bereits bestehenden und neu gegründeten Schulen zu einer Virtuosität ausgebildet, die das Publikum
zu Wellen der Begeisterung hinriss.
In Rom entbrannte schon um 1623 ein erbitterter Streit um den Vorrang zweier Primadonnen,
der Kastrat Vittorio Lordo wurde gefeiert, die auch in den Kirchen dargebotene Gesangskunst
zog das Publikum an. 1606 wurde in Rom auf einem «Thespiskarren» die erste Oper aufgeführt.
Claudio Monteverdi (1567—1643) setzt ab 1613 als Kapellmeister von San Marco den neuen Stil, zunächst gegen den Widerstand von Puristen durch.
Der bisher noch steife Stile rappresentativo überzeugte nun durch die Verwendung neuer
Harmonien und Rhythmen und durch neue Farben in der Orchesterbegleitung, in der Geigen
mit Tremolo und Pizzicato eingesetzt wurden, und durch erste rein orchestrale Stücke wie die
Kampfszene in Tancredi. Auch seine Madrigale gelten als bis heute einzigartig
Aus den Ariosi Monteverdis entwickelte Pietro Francesco Cavalli (1602—1676)
die leidenschaftlichere, kurz gefasste Arie, die wiederum der Neapolitaner Pietro
Alessandro Scarlatti (1660—1725) zur Da-capo-Arie erweiterte, deren Anfangsteil er zum Schluss mit Kadenzen und Verzierungen wiederholte.
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die neue Form der „Opera in musica“ erobert in knapp hundert
Jahren ganz Italien und anschließend Europa
Die 16 Theater Venedigs hatten bis 1700 bei einer Zahl von150000 Einwohnern bereits 350
Opern-Aufführungen gespielt
auch in Florenz, Rom, Bologna, Neapel, Turin, Verona und Mailand entstanden Opernhäuser,
in denen die zahlreichen neuen Kompositionen aufgeführt wurden
Bis zu 685 Opern wurden im 17. Jh. komponiert, von denen 1662—1680 hundert aufgeführt
wurden. Nicola Porpora, der berühmte Kastratenlehrer und Komponist, schrieb allein 53 Opern
Schnelle Ausweitung der zunächst auf private höfische Kreise beschränkten Aufführungen auf ein breites Publikum
Geschäftstüchtige Unternehmer stellten feste oder wandernde Truppen zusammen, die in
prächtigsten Dekorationen berühmter zeitgenössischer Architekten und Maler und in überreichen barock-antiken Kostümen die neuesten Werke wiedergaben.
Könige des Genres waren die Sänger
Glaubwürdige Darstellung der vielfältig schillernden Charaktere der neuen Bühnenhelden und ihres Schicksals
Im Rezitativ: Möglichkeit des freien Ausdrucks (Rubatis, Schluchzer, heftige Ausbrüche, langgezogene Lamenti)
In der Da-capo-Arie: frei eingefügten Verzierungen und Kadenzen (uneingeschränkte Möglichkeiten zur Entfaltung der Virtuosität)
Die berühmtesten Sänger wurden zu verwöhnten Publikumsidolen
Im Laufe des 16. Jh. Umwandlung der Gesangschulen größtenteils in Konservatorien
(in denen vor allem arme oder verwaiste Knaben ausgebildet werden)
Die meisten altitalienischen Gesangpädagogen waren gemäß der Tradition aus der Zeit
des Kirchengesangs Kirchenkapellmeister, ja oftmals selbst Sänger und Komponisten.
Gesanganleitungen von Caccini, Cavalieri und Durante
Lodovico Zacconi (1555 —1627, Tenor und Gesangpädagoge )
Unterrichtswerk: „Prattica di musica utile et necessaria (...) si anco al cantore“
Piero Francesco Tosi (1647—1732, Kastrat )
erstmals Grundsätze des Belcantos festgehalten in
„Opinioni de cantori antichi e moderni“ (Bologna 1723)
Giambattista Mancini (1774 Wien)
“Pensieri, e riflessioni practiche sopra il canto figurato”
Alle wichtigen Grundsätze des Belcantos sind in den Schriften von Caccini, Tosi und Mancini enthalten
Virtuosität der Sänger basierte um die zweite Hälfte des 17. Jh. auf
schier unerschöpflichem Atem
sorgfältig geführtem Legato
einwandfreier Vokalisation
Stimmausgleich in allen Lagen
Beweglichkeit der Stimme im Bezug auf Dynamik und Geläufigkeit
Die rasante Verbreitung der Oper war eng verknüpft mit der besonderen Gesangskunst
der Kastraten
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6.2.
Die Zeit der Kastraten
Zum erstenmal wirkte 1562 im päpstlichen Chor der spanische Kastrat Francisco Soto mit.
Erst als 1599 jedoch zwei italienische Kastraten, Pier Paolo Folignato und Girolamo Rossini, in
die Sixtinische Kapelle aufgenommen wurden, sahen die spanischen Falsettisten ihre bisherige
Vorherrschaft bedroht.
•
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•
Die Kastratenstimme behielt Umfang, Timbre und leichte Beweglichkeit der Knabenstimme, die verstärkt wurden durch die kraftvollere Lungen- und Atemtätigkeit des
ausgewachsenen Mannes. Zeitgenossen wie de Brosses schrieben, dass ihr Timbre
klar und durchdringend sei wie das eines Chorknaben, aber sehr viel mächtiger. Wurden die Kastraten zunächst als Interpreten der polyphonen Messen, Motetten und
Madrigale in den Kirchenchören eingesetzt, so sollte sich ihre volle Virtuosität doch
erst im Gebiet der neuentstehenden barocken Oper im 17. Jh. voll entfalten.
Sie hatte oftmals den gesamten Umfang der heutigen Sopran- und Kontra-Alt-Lage
Erwachsene Kastraten besaßen aufgrund ihrer besonderen Physiognomie (Zeitgenossen schildern sie meist als sehr groß, schlank, aber mit überdimensionalem Brustkasten) natürlicherweise weit größere, kräftigere Stimmorgane als Sopranistinnen und
verfügten daher über viel größere Schattierungsmöglichkeiten und Klangfarben in allen Lagen
Zeitgenössische Berichte über den Kastraten Farinelli schwärmten von der fast unfassbaren
Kapazität seiner Lunge:
«chromatische Skala aufwärts und abwärts mit Trillern auf jedem Ton und eingeflochtenen
Koloraturen, alles in einem Atem … technisch völlig frauenhafte Koloratur in Passagen und
Trillern».
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Verbreitung der neuen Kunst des Belcanto in ganz Europa durch italienische Gesangmeister (wie schon zur Zeit des Gregorianischen Gesangs)
Tosi, Bernacchi, Mancini lehren in England, Deutschland und Österreich
Italienische Sängertruppen gastierten mit ihren Aufführungen v. a. in England.
Übersetzungen der ital. Gesanganweisungen verbreiten die neu festgelegte Gesangskunst.
Michael Praetorius (1571-1621) berichtet in Deutschland vom «Unterricht nach italienischer
Manier»
Johann Friedrich Agricola (1720—1774) übersetzt 1757 in Berlin Tosis Gesangschule als „Anleitung zur Singkunst“
6.3.
Der Triumphzug der Oper im 17/18. Jahrhundert
Spanien
Italienischer Einfluss auf das Musikleben Spaniens erreichte Höhepunkt im 17. Jh.:
1629: entsteht für König Philipp IV. die erste Oper „La selva sin amor“
Ab 1698: in Madrid regelmäßige „Fiesta de opera“
1629: Domenico Scarlatti erklärt Spanien zu seiner Wahlheimat
nach 1637: der Kastrat Farinelli übernimmt als Vertrauter des schwermütigen Königs Philipp
V. die Organisation des Musiklebens in Madrid
Deutschland
1627 Heinrich Schütz schreibt die Oper Dafne
NEU: selbständige Stimmführung für Chor, Einzelgesang und Instrumente.
1678 Gründung der ersten deutschen Oper in Hamburg
durch den Komponisten Reinhard Keiser mit Hilfe der Bürgerschaft
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Georg Friedrich Händel (1685 —1759)
1696 bereits als elfjähriger Knabe bei einem Aufenthalt in Berlin gefördert durch den Kapellmeister Buononcini und den Violinisten Ariosti, Begeisterung für zeitgenössische Italienische und Französische Musik
Hinwendung zur Opera seria
1704 an der jungen Hamburger Oper
1706—1709 in Italien
nach 1710 in London
Übernimmt die Tradition der italienischen Oper und führt diese weiter. Die Möglichkeit,
menschliche Schicksale zu lebendigen Bildern zu gestalten, regte seine musikalische
Phantasie an
währenddessen in Deutschland
Heinrich Schütz (1585-1672)
Seine Oratorien bilden mit der durch Gesang und Instrumentation hervorgehobenen Gestalt Jesu die Überleitung zu Bachs Passionen
Die religiöse Musik erlebt eine Hochblüte in den Werken von
Johann Sebastian Bach (1685 - 1750)
Kantaten- und Passionswerk
(Sopran- und Altsoli werden von Knabenstimmen gesungen)
W. A. Mozart (1756-1791)
schreibt Anfang 1773 die Motette „Exultate, jubilate“
für den Kastraten Venanzio Rauzzini
(UA 17. Januar 1773 in der Mailänder Theatinerkirche)
und in England
Henry Purcell (1659—1695)
Opern („The Fairy Queen“, nach Dramen von William Shakespeare, „Dido und Aeneas“)
G. F. Händel (1685-1759)
1719 Gründung der Royal Academy of Music in London, neunjährige Glanzzeit der italienischen Oper, dort uraufgeführte Opern Opern z.B.: Radamisto, Giulio Cesare, Rodelinda
1728 Beggar's Opera von Gay und Pepusch
•
•
Parodie auf albernes Gehabe der Kastraten und Zänkereien der Primadonnen
lockt das der konventionellen Oper überdrüssige Publikum in Scharen an
Händel kämpft mehrere Jahre vergeblich gegen das erlahmende Interesse des englischen
Opernpublikums
1741 Aufführung des Messias
Gilt als Sieg des Oratoriums über die italienische Oper
und in Frankreich
von Anbeginn eher ablehnende Haltung gegenüber der italienischen Oper und dem affektierten Gebaren der Kastratensänger
man zieht die ernsten, höfischen Opern Lully‘s und Rameau‘s vor
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6.4.
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Dekadenz der italienischen Oper
überzüchtetes Virtuosentum der Italiener - Verzierungssucht
Überfrachtung mit Manierismen und emotionalen Schematismen
Musik als Mittel zum Zweck vokalartistischer Selbstdarstellung
Bedeutungslosigkeit ja Missachtung des gesungenen Textes
Seit 1700
Forderungen nach bedeutungsvollen Texten
nach Einheit der Person des Dichters und Komponisten
6.5.
Die Reform der Oper
Christoph Willibald Gluck (1714—1787)
beendet die Vorherrschaft der Sänger, führt als erster eine neue Form der Oper ein.
•
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•
Beherrscht mehrere Streichinstrumente, Klavier und Gesang
betrachtet Gesang aber als Grundlage seines musikalischen Schaffens
Lehrjahre bei Caldara in Wien und Sammartini in Mailand
Reihe von konventionellen Opernkompositionen für italienische Städte
1762 Orpheus:
Ruhige Melodieführung ohne Verzierungen in den Arien
Charakterisierung der Persönlichkeit im orchestral begleiteten Rezitativ
1767 Alceste:
Noch dichtere textliche Vorlage, Wirkungsvolle Chorszenen und, dem Geschmack
der Franzosen folgend, Ballett. Im Orchester farbige Instrumentation (neben
Streichern vielfach Bläser)
Arie nicht mehr Ausdruck der Kehlfertigkeit, vielmehr Wiedergabe der Empfindung
einer lebendigen Gestalt
W. A. Mozart (1756-1791)
fasst die gesamten bisherigen Stilmittel der Italiener zusammen
in Kombination mit den Errungenschaften Glucks, den überlieferten Opernformen der Opera seria (Titus), der Opera buffa (Figaro, Cosi fan tutte, Don Giovanni) sowie dem aus dem französischen Vaudeville entstandenen Singspiel (Die Entführung aus dem Serail) gestaltet er die neuen
Grundformen der (deutschen) Oper
Einfluss der neuen Opernform auf die Gesangskunst und Stimmtechnik
• Immer größer werdende Orchester -> größere Lautstärke
• Erhöhung des Stimmtones (Kammerton a) -> höhere Spannung im Stimmorgan
• Stärkere Ausdrucksakzente (gefordert durch die nun romantische Handlung, innere Spannung <-> Affektenlehre)
Rezitative nun mit Orchesterbegleitung
• Durch vielfältige Instrumentierung kein beliebiges Transponieren möglich
• Tenöre und Sopranistinnen (ersetzen gegen Ende des Jahrhunderts allmählich die
Kastraten) haben nicht denselben Stimmumfang und dieselbe Tessitur
Im Gegensatz zu barocker Verzierungskunst gewinnt die Lautstärke an Bedeutung
-> neue Helden, Heldensopran der Kastraten wird zum Tenorhelden/Heldentenor
der Neuzeit
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•
Duprez, erregte am 17. April 1837 als erster Tenor der Welt mit einem "do di petto" (hohes C in der Bruststimme) den glühenden Neid seiner Kollegen
Neben heldischen Tenören gibt es aber auch Sänger mit leichter geführter, aber stark
vibrierender Stimme (ital. Voce di capra, Ziegenstimme) für die extrem hohen Lagen in
den Partien von Bellini und Donizetti mit einer Mischung aus Falsett und Kopfstimme
Gefragt sind die hohen, leicht über das Orchester hinweg tragenden Töne, welche die tiefen, dramatischen Stimmen nicht bewältigen konnten
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Beginn der Einteilung in
Stimmlagen:
Weiblich: Sopran (romantische Heldinnen) - Alt (Zofe, Mutter, Dienerin), später Mezzo
Männlich: Tenor - Bass, später Bariton
Stimmfächer: Lyrisch – Dramatisch – Koloratur – Held – Buffo – Soubrette etc.
Zunächst noch wechseln viele berühmte Sänger/innen zwischen den Fächern hin und her und
singen alle Partien des lyrischen und des dramatischen Fachs sowie des Koloratur- und des
Mezzosopranfachs: Lilli Lehmann (1848 -1929) 128 Partien z.B. Königin der Nacht, alle drei
Brünnhilden, Norma, Violetta und Carmen
6.6.
Oper im 19. Jahrhundert
Gioacchino Rossini (1792-1868)
Zahlreiche Opern („Der Barbier von Sevilla“)
Aber auch geistliche Werke („Petite messe solennelle“) und Chorwerke
Seine Orchestrierung war für damalige Zeiten gewaltig.
Sie setzte der Karriere seiner Gattin, der Sopranistin Isabella Colbran, für die er 1815-1823
alle Opern schrieb, ein verfrühtes Ende. Dem Beispiel der Kastraten folgend, sang sie in tiefer
Lage, vor allem für dramatische Akzente, mit voller Bruststimme und verlor dadurch zusehends an Höhe
Auch an die Tenorstimmen stellte Rossini neue Anforderungen
In seinen Neapolitaner Opern hohe c, cis, ja sogar d, die mit leichter, beweglicher Kopfstimme
gesungen wurden
In Paris: Dem Geschmack der Franzosen folgend, strebte er eine einfachere, unverzierte, dafür dramatische Gesanglinie an, die über das große Orchester hinweg tragen musste
zweite Hälfte des 19. Jh. steht im Zeichen eines immer Höhertreibens der Stimme
immer größere Anforderungen an dramatische Ausdruckskraft und Ausdauer
Hatten Bellini und Donizetti bereits die hohen Lagen bevorzugt, so forderte Giuseppe
Verdi den Stimmen in der Höhe zusätzlich größtes Volumen ab
Einige bedeutende europäische Opern-Komponisten des 19. Jahrhunderts
Italien: Giuseppe Verdi (1813-1901), Ruggiero Leoncavallo (1857 - 1919), Giaccomo
Puccini (1858 - 1924), Pietro Mascagni (1863 - 1945)
Frankreich: Charles Gounod (1818 - 1893), Georges Bizet (1838 - 1875), Camille SaintSaens (1835 - 1921), Julies Massenet (1842 - 1912)
Russland: Mikail Glinka (1804 - 1857), Alexander Borodin (1833 - 1887), Modest Mussorgski (1839 - 1881) und Peter Iljitsch Tschaikowski (1840 - 1893)
Tschechoslowakei: Leos Janacek (1854 - 1928), Anton Dvorak (1841 - 1904), Bedrik
Smetana (1824 - 1884)
Norwegen: Edvard Grieg (1843 - 1907)
Richard Wagner (1813 —1883)
die Opern Richard Wagners verlangen nochmals eine weitreichende (oft fehlgeleitete)
Anpassung der gesanglichen Technik. Ungleich den Opern Verdis strapazierten Wagners
Werke die Sänger weniger durch ihre hohe Lage als durch die geforderte Ausdauer,
durch Partien, in denen der Sänger oft bis zu einer halben Stunde ohne Unterbrechung zu
singen hatte. Aufteilung auch in nationale Stimmfächer (z.B.:Deutscher Heldentenor)
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Zahlreich sind die Geschichten von Sängern, die sich mit den Partien Wagners ihre Stimme
ruiniert haben sollen. Dass Wagner selbst ein Belcantoideal für die Interpretation seiner Werke
vorschwebte, beweist seine Begeisterung, als er 1881 in Rom Mattia Battistini als Wolfram im
Teatro Argentino hörte. Er erklärt, so habe er sich die Interpretation der Rolle erträumt.
Mit den rasant wachsenden Anforderungen an die Stimme kann die Wissenschaft der
Stimmphysiologie kaum Schritt halten:
•
•
Flut von Irrlehren, mit denen man die Probleme zu bewältigen suchte.
Auch Positives entstand, so die Sprachschule des Sprechpädagogen Julius Hey,
der eine Zeitlang an der Wagnerschen Musikakademie in München lehrte und die
bis heute gültigste Sprechlehre für die deutsche Sprache geschaffen hat.
Manuel Garcia (1805-1906)
• Letzter großer Lehrer des Belcantostils
• Erfinder des Kehlkopfspiegels: Sichtbarmachung der physiologischen Vorgänge
beim Singen
• Gesangspädagogisches Wirken: prominente Schüler (Julius Stockhausen, Johannes Meschaert, Salvatore und Mathilde Marchesi)
Die Anforderungen an die Sängerstimmen steigern sich in der Folge erneut
große stimmliche Belastungen in zeitgenössischen Werken
•
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wie zum Beispiel von Richard Strauss, der ermüdete Sänger mit der Losung «hier muss eben Blut fließen» aufmunterte
oder in der Ära der atonalen Musik und des teilweisen Sprechgesangs (unsangliche Melodieführung)
seit dem Zweiten Weltkrieg müssen die Sänger einzelne Partien oft in mehreren Sprachen beherrschen
Im 20. Jh. deswegen Rückbesinnung auf die Ideale des Belcanto
Gleichzeitig in der zweiten Hälfte des Jh. deutliche Fortschritte in
der Stimmforschung, die die Methoden der Ausbildung und Ergebnisse der gesanglichen Entwicklung messbar machen und sich so
zum zuverlässigen Begleiter der Gesangspädagogik entwickeln.
Auch die Entwicklung der Musikwissenschaft mit ihren praktischen Folgen der historischen Aufführungspraxis hat starken Einfluss auf die Wiederbelebung alter Gesangstechniken.
Die zur Zeit des Verdischen Verismus und in der Musik von Wagner und Strauss verpönten
Verzierungen sind dank der Wiederaufnahme zahlreicher Werke Monteverdis, aber auch Donizettis und Bellinis, zu neuen Ehren gelangt und erweisen sich wie zu alten Zeiten als wunderbares Mittel zum Training elastischer und gesunder Stimmführung
Da nach den bahnbrechenden Kompositionen von Igor Strawinsky und wesentlichen Gesangwerken, zum Beispiel von Hans Pfitzner, Paul Hindemith, Bela Bartok, Zoltán Kodály,
Benjamin Britten und Boris Blacher, auch heutige Komponisten wie Werner Egk, Gottfried
von Einem, Luigi Dallapiccola, Leonard Bernstein, Hans Werner Henze und Aribert Reimann die Gegebenheiten der menschlichen Stimme in ihren Gesangwerken berücksichtigen, anderseits auch Werke wie die Opern von Meyerbeer, Wagner und Strauss meist
nicht mehr mit überanstrengter Stimme forciert, sondern mit klug disponierender Technik
in großen Legatobögen gesungen werden, sind für eine gesunde Weiterentwicklung der
menschlichen Gesangstimme gute Voraussetzungen gegeben.
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Entwicklung hin zum Kunstlied (Sololied, Mehrstimmige Gesänge)
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Während der ersten Hochblüte der Oper und der damit verbundenen starken solistischen Ausprägung der Vokalmusik und der Huldigung des Individuums in der Arie,
gerät die Tradition mehrstimmiger weltlicher Gesänge in den Hintergrund.
Im Oratorium jedoch entwickelt sich die mehrstimmige Vokalmusik weiter. Hier ist
weiterhin Platz für Kompositionen, in denen ein „Stimmorchester“, d.h. Sänger in der
anonymeren Menge eines Chores gemeinsamen musikalischen Ausdruck suchen oder
aber sich in einer musikalischen Aussage verbinden.
Vor allem in den Oratorien J.S. Bachs verbinden sich auf kunstvolle Weise Volksgesang (Choral), anspruchsvoller Chorgesang (Turbachören oder ausschmückenden
Eingangs- und Schlusschöre) und Elemente der Oper in den Rezitativen (berichtender
Evangelist, wörtliche Rede von Jesus und anderen am Gesehen beteiligten Personen)
und betrachtender Arie (durchaus Freiraum zu persönlicher solistischer Entfaltung als
Vertiefung der Emotion oder religiösen Aussage).
Wieder ist es Mozart der in seinen Opern die beteiligten Solisten immer wieder in
vielstimmigen und musikalisch komplexen Ensembles zusammenfasst und damit ein ganz neues Element des vokalen Musizierens kreiert.
Gleichzeitig entsteht mit der beginnenden Aufklärung und der damit verbundenen
wachsenden Bildung und Emanzipation des Bürgertums (also einer breiteren gebildeten Mittelschicht) eine Form der in der Einzelstimme solistisch besetzten vokalen Kammermusik, vergleichbar etwa der Form des Streichquartettes (als dessen
„Erfinder Joseph Haydn gilt). Kein Theater und Orchester war nötig (höfische Prunkentfaltung). Die musikalische Szene verlegt sich in den Salon der gebildeten Kreise
Im geselligen Kreise widmen sich vielseitig gebildete Dilettanten (durchaus als
Qualität zu verstehen) der gemeinsamen und nicht für eine zahlende und allein konsumierende Zuhörerschaft bestimmte Musikausübung. Jeder leistet seinen Beitrag zu
diesen eher kleinen privaten kulturellen Zusammenkünften.
7. Lied
Entwicklung im 18. Jh. gleichzeitig mit der deutschen Oper Haydns und Mozarts
Der Begriff Lied (v. althochdt.: liod Gesungenes) bezeichnet ein gesungenes Musikstück, das aus mehreren gleich gebauten gereimten Strophen oder einer auskomponierten variierenden Melodie für jede Strophe besteht. Das Lied stellt die ursprünglichste und
schlichteste Form der Lyrik dar. Im Lied findet das menschliche Gefühl in seinen Stimmungen und Beziehungen eine reine und intensive Ausdrucksmöglichkeit (Quelle: wikipedia)
Als Kunstlied wird eine Gattung des Liedes bezeichnet, die sich Ende des 16. Jahrhunderts entwickelte und sich durch eine Lieddichtung mit, im Gegensatz zum Volkslied, bekannten Verfassern auszeichnet. Das Kunstlied wurde stark beeinflusst durch das humanistische Bildungsgut, insbesondere dessen Kunstlyrik.
Im 17. Jahrhundert entwickelte sich die Variante des Generalbaßliedes, das sich an
Monodie und Opernarie orientierte.
Der gesellschaftliche Wandel hin vom Feudalsystem hin zum gebildeten Bürgertum (Aufklärung) begünstigt die Entwicklung der Liedform. Auch die Rolle des Künstlers wandelt sich vom
musikalischen Dienstboten hin zum selbstbewusst auftretend und unabhängig agierenden Individuum.
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7.1.
Deutsches Kunstlied / „Lied“ (Bez. international)
Urheber, Textdichter und Komponist klar bestimmbar (i. d. R. über einen Verlag veröffentlicht). Das Kunstlied im Gegensatz zum Volkslied besser greifbar, dokumentierbar
und als Gattung fassbarer, bedingt durch die notenschriftliche Überlieferung und die
höfische, kirchliche oder bürgerliche Kultivierung im Konzertleben. In anderen
Sprachen wird das Kunstlied oft mit dem deutschen Lehnwort "Lied" bezeichnet.
Schon in den Opern Mozarts kündigt sich in der „neuen Einfachheit“ und der Entschlackung des überladenen Kompositionsstils die neue liedhafte Form an. So finden sich
eine Reihe von Solonummern aus seinen Opern in den Bänden mit seinen Liedern wieder.
Im Gegensatz zur Oper trägt das Kunstlied kammermusikalische Züge, nicht die plakative Exaltiertheit der Oper ist gefragt, sondern das „innere Schauspiel der Emotionen“ findet in dieser beschränkteren Form kongenialen Ausdruck.
Textvorlage in der Opernarie:
Textvorlage im Lied:
•
Eher wenig Text
•
•
zahlreiche Wiederholungen
•
Text dient meist als „Tonsilbenvorrat“
•
Arie als Darstellungsfläche für vorherrschende
Grundstimmung
•
prachtvoll bis eitle Entfaltung der Musik und
der Virtuosität des Interpreten
•
•
•
•
Ausgewählte Dichtung oder in ihrer Einfachheit
bestechende Volksdichtung (traditionell Überliefertes)
Textvorlage wird oft nur einmal vertont
jedoch durchaus refrainartige oder bewusst
bestärkende Wiederholungen üblich
Interpret immer absolut im Dienst des Werkes
Verantwortung als Medium, das sich Komposition und Komponisten verpflichtet fühlt und
sein „Instrument“ und seine musikalische Persönlichkeit so wahrhaft wie möglich zur Verfügung stellt
Immer stärkere Trennung von Komponist und
Interpret
Neue Forderungen an die Interpreten
Sänger und Begleiter in der weiteren Entwicklung als durchaus gleichberechtigte Partner:
•
•
•
•
•
•
Künstler im Dienste des Werks
Wahrhaftigkeit des Ausdrucks
Beschränkung der Ausdrucksmittel als Bereicherung
Auch kleinste Nuancen der (Mutter-)Sprache finden Ausdruck
Weg von der Belebung und Intensivierung durch Verzierung
hin zur absoluten inneren Beseeltheit der Stimmgebung
Hauptvertreter (im 19. Jh):
Franz Schubert, Robert Schumann, Johannes Brahms und Hugo Wolf im 19. Jh.
Auch in anderen Ländern etabliert sich diese Form im Verlauf vor allem der zweiten Hälfte des 19. Jh. und entwickelt im Zusammenspiel mit den nationalen Schulen ganz landesspezifische Ausprägungen
Gegen Ende des 19. Jh. Erweiterung zum Orchesterlied
Hauptvertreter in Deutschland: Richard Strauss und Gustav Mahler
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7.2.
Kunstlied, Mehrstimmige Gesänge, weltliche Chormusik
„Gemeinsame Betrachtung“
Michael Haydn (1737-1806)
Zahlreiche Vokalquartette, für solistisch besetzte Männerstimmen (TTBB) gedacht (die
Textvorlagen stammen oft von befreundeten Dichtern)
in der kompositorischen Struktur Streichquartetten sehr ähnlich
Anlässlich musikalischer Zusammenkünfte im Freundeskreis (M. Haydn und 3 befreundete Kapläne)
W. A. Mozart (1756 – 1791)
Duette, Terzette („Bandelterzett“), Quartette, Kanons
Gemeinsames zwangloses Musizieren im Freundeskreis
Franz Schubert (1797-1828)
Als Schüler Salieris schreibt Schubert als Kompositionsaufgaben noch als Jugendlicher
eine Reihe von interessanten Terzetten für Männerstimmen nach Texten bekannter Dichter der Zeit (oft Friedrich Schiller, Quelle waren die beliebten Almanache und Sammelbände)
Im Laufe der Jahre erweitert er diese Form zu kunstvollen „Mehrstimmigen Gesängen“
die in der Qualität durchaus seinen Kunstliedern gleichen (hohe Literatur als Vorlage).
Viele der Werke sind a cappella, werden von ausgebildeten Sängern der Zeit als solistisch
besetzte Vokalquartette anlässlich zahlreicher Schubertiaden aufgeführt (Texte auch aus
dem dichterisch etablierten aber auch „nur“ ambitionierten Freundeskreis)
Gegen Ende seines Lebens schreibt er außerdem ein Reihe von „Mehrstimmigen Gesängen“ mit Klavier- und auch Instrumentalbegleitung (Streicher, Hörner) die auch in größerem Rahmen („Abendunterhaltungen der Gesellschaft der Musikfreunde“) zur Aufführung
kommen und in der Presse auf teils begeisterte Aufnahme stoßen. Diese Werke zählen in
dieser Zeit zu seinen am meisten aufgeführten Kompositionen
Gilt gleichzeitig als der Erfinder und Vollender des Deutschen Kunstliedes. Über 700 Lieder, darunter die berühmten Zyklen „Die schöne Müllerin“ und „Die Winterreise“.
Mit der Fortsetzung der Entwicklung des Bürgertums entstehen in Deutschland auch die
ersten „weltlichen“ Chorvereinigungen. Diesen musikalischen Zusammenschlüssen gebildeter und engagierter Bürger kommt durchaus auch gesellschaftspolitische Bedeutung
zu. Noch zu Zeiten Metternichs waren in Wien größere Versammlungen und Zusammenkünfte jeder Art verboten. Die Komponisten fördern ihre Bekanntheit durch zahlreiche
mehrstimmige Chorkompositionen.
Robert Schumann (1810 – 1856)
Neben seinen Kunstliedern in denen das Klavier eine immer wichtigere Rolle übernimmt
entsteht eine Reihe von Vokalkompositionen. Gemischte Chöre, ein Requiem und unter
anderem mehrere Liederzyklen für Männerstimmen a cappella (nach bekannten zeitgenössischen romantischen Dichtern), teils noch ganz in der Tradition Michael Haydns, teils
schon für chorische Besetzung
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847)
In jungen Jahren vereinzelt, später mehrere Zyklen mit Mehrstimmigen Gesängen (Textvorlagen oft Goethe, Eichendorff, Heine)
Wiederentdeckung und Aufführung Bachscher Passionen (Beginn der musikalischen Traditionspflege und historischen Musikwissenschaft).
Eigene Kantaten, Psalmen und Oratorien (Paulus, Elias, Christus Fragm.), zahlreiche
Kunstlieder, Lieder ohne Worte, Balladen für Chor („Walpurgisnacht“ nach Goethe)
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Im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wenden die Komponisten sich immer
mehr den wachsenden Klangkörpern der Chöre zu. Für Sängerfeste entstehen meist einfache Kompositionen, die von 1000 Sängern gesungen werden. Die Chorbewegung fächert sich in Deutschland auf und entwickelt die Form des Laienmusizierens mit dem Instrument, das alle von Geburt an haben. Sowohl auf dem Feld der Kirchenmusik als auch
der weltlichen Musik entstehen vielfältige Kompositionen für alle Ansprüche des Chorsingens.
Johannes Brahms (1833-1897)
• Zahlreiche Lieder u. Chorkompositionen auch mit Orchester (Altrhapsodie op.53,
Schicksalslied op.54).
• Ausgeprägte Rückbesinnung auf die Form des Renaissance-Madrigals in vielen Chorliedern.
• Daneben mehrstimmige, fast symphonisch anmutende Kompositionen für großen gemischten Chor.
• Motetten, Brahmsrequiem.
• Neubelebung solistisch besetzter „Mehrstimmiger Gesänge“ in den „Liebesliederwalzern“.
• Als Vorlage für viele Lieder dient immer häufiger das Deutsche Volkslied.
• Das Klavier dient immer mehr der Erzeugung auch orchestraler Klangfarben.
Hugo Wolf (1860-1903)
• Glühender Bewunderer Brahms‘. Das Lied steht im Zentrum seines Schaffens.
• Das Klavier entwickelt sich immer mehr zum gleichberechtigten Partner mit
teils eigenem Charakter.
Klavier weit davon entfernt, die Singstimme zu Stützen, vielmehr in Richtung. Impressionismus gehende Farben, die das musikalische Geschehen des Liedes genial kolorieren und kommentieren.
• Die Singstimme ist als Melodie oft absolut von der Klavierbegleitung abhängig.
• „Italienisches Liederbuch“, Spanisches Liederbuch“, Lieder nach Texten von Mörike,
Goethe, Eichendorff, Heine, Michelangelo.
• Spätromantische „Sechs geistliche Lieder“ für gemischten Chor.
Das Ende der Romantik reicht noch bis ins 20. Jahrhundert hinein. Zwei ganz unterschiedliche Komponisten dieser Zeit mögen als Beispiel gelten
Max Reger (1873-1916)
• Stark der Kirchenmusik zugewandt. Daher eine ganze Reihe geistlicher Chorwerke.
• Diese Kompositionen lassen auf einen ziemlich hohes Niveau der Chöre, denen diese
Kompositionen gewidmet sind schließen.
• Aber auch ca. 200 (teils geistliche) Lieder und weltliche Chorwerke (zahlreich für
Männerchor)
Richard Strauss (1864-1949)
• Oper und Liedschaffen dieses Komponisten beeinflussen sich gegenseitig.
• Viele seiner Lieder existieren in einer Version mit Klavier, aber auch einer Version mit
Orchester
• Ansprüche an die Stimmstärke und den Ausbildungsstand der Stimmen haben sich
dem der zeitgenössischen Oper stark angenähert. So werden viele seiner Lieder von
bekannten Opernsängern der Zeit uraufgeführt
(z.B. von Hans Hotter, der sowohl einen bis heute sagenumwobenen Holländer wie auch Wotan in Wagners Ring gegeben hat und sich gleichzeitig als Liedsänger der neuen Generation
mit seiner wandlungsfähigen Stimme einen internationalen Ruf der Spitzenklasse erworben
hat)
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•
Vokalkompositionen auch für Chor (bis zu 16-stimmige „Klangflächenmusik“ „Der Abend“) und auch hier wieder für Männerstimmen) in der Tradition Schuberts, Schumanns und Mendelssohns.
Dabei sind die Anforderungen in manchen dieser „Mehrstimmigen Gesänge“ ganz eindeutig professioneller Art und kaum adäquat von einem Laienchor zu erfüllen, sondern sie kommen am besten in kammermusikalischer, ja sogar solistischer Besetzung
zur vollen Entfaltung.
Mit der Entstehung der nationalen Schulen Ausprägung landesspezifischen Liedschaffens:
Wichtige Liedkomponisten außerhalb Deutschlands sind z.B:
Grieg, Moussorgski, Debussy, Ravel, Ibert, Fauré, Sibelius
Aber auch G. Verdi liefert interessante (italienische) Beiträge zu diesem Genre.
8.
Das 20. Jahrhundert
Betrachtet man die musikalischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, wird einem bald
deutlich, wie die technischen und gesellschaftlichen Veränderungen diese beeinflusst haben.
Bevölkerungszunahme
Zunehmende Enge, Lebenstempo (Reisen, Information etc)
Reizüberflutung -> Veränderung (Abstumpfung?) der Sensibilität
Aufteilung der menschlichen Gesellschaft in Klassen und Welten („3. Welt“)
Unterschiedliche Bedürfnisse (Kultur etc.)
Ausprägung aber auch Begegnung und Vermengung ganz verschiedener
Kulturkreise
Industrialisierung:
Schafft die Voraussetzung für Massenproduktion fast jeden Gegenstandes
Veränderung des Wertbegriffs (Nicht mehr die Verarbeitung und Dauerhaftigkeit eines
Produktes zählt allein, Neuartigkeit, Design und Image spielen eine immer größere Rolle)
Technisierung
Beeinflusst Alltag, Kultur und Geisteswissenschaften gleichermaßen
Information und Globalisierung
Der Umgang mit und die ständige Verfügbarkeit über die unüberschaubaren Flut von Informationen (Internet) wirft neue und gravierende Probleme auf (Wo findet man was,
was sind die Stammquellen, wie und nach welchen Kriterien kann man effektiv filtern).
Informiertheit tritt z.T. an die Stelle von Bildung:
Wissen + Zeit -> Bildung (?!)
Komponente der Entwicklung bezogen
auf Person
sonstige (künstlerische) Prozesse
„Welche Zeit bekommt man für etwas?“
hektische Suche nach dem Neuen, Auffälligen, Anderen,
Reizvollen
„noch mal einen draufsetzen“
Bewertung nach Akzeptanz, Reizintensität, Profitpotential
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•
•
Konflikt mit dem herkömmlichen Kulturbegriff (hegen, pflegen), da das unbewusste
Reagieren auf Reize und das Ziel des Profits nicht unbedingt damit vereinbar sind
sondern eher einer „niederen“ menschlichen Ebene zugerechnet werden.
Begriffe wie Erbauung, Vertiefung, Erhabenheit, Wesensbildung, Moral, Ästhetik erscheinen in diesem Zusammenhang immer problematischer.
Bezogen auf den Musik/Gesang ergibt sich folgende Entwicklung
und Situation:
8.1.
Die Musikwissenschaft
mit ihrem historischen Betrachtungswinkel, rückt alle musikalischen Epochen Stile und
Kulturen gleichermaßen ins Zentrum der musikalischen Pflege
•
•
•
•
•
•
Beispiele:
Zeitgenössische Musik steht zunehmend im historischen Zusammenhang
gemeinsames Erklingen im Konzertalltag
Bachrenaissance bei Mendelssohn als erster Anfang
Orginalklang, Orginalinstrumente, Aufführungspraxis
Bachchor München / Karl Richter
Nikolaus Harnoncourt (Orginalklang)
Beschäftigung auch mit fernen Epochen und fremden Kulturkreisen
Tradiertes Volkslied als musikalisches Ausgangsmaterial für „zeitgenössisches
Komponieren“ (Brahms, Reger, Mahler, Grieg, Bartok, Kodaly u.v.a.)
Jazz beeinflusst auch die E-Musik (z.B. Kurt Weill, Leonhard Bernstein)
Besondere Rolle des Interpreten von Musik (anders als in der Bildenen Kunst):
Verpflichtung dem Komponisten/Werk gegenüber:
Historischer Aufführungspraxis
Was würden Bach oder Schubert heutigen zum Klang ihrer Musik sagen, der sich auch
wegen der Fortentwicklung im Instrumentenbau so verändert hat?
Die Technisierung/Industrialisierung/Globalisierung
„Alles ist überall fast gleichzeitig zu haben“
Entwicklung im überschaubaren Umfeld – ständige Vergleichsmöglichkeiten
weltweit
Urheberrecht – Kreativität – Parallele Entwicklungen
Umgang mit Material
• Rasante Entwicklung der reproduzierenden Medien (Audio- und Videomedien)
• Musik als flüchtige und in der Zeit verhaftete Kunst macht sich selbst Konkurrenz durch Millionen von Tonträgern, die eine technisch perfekte Welt vorgaukeln (Zusammenschnitt der besten Aufnahmeschnipsel). Das Ohr/Auge des
Zuhörers gewöhnt sich an eine fehlerfreie Wiedergabe der Werke.
Gültigkeit der Interpretation <-> Sucht nach Abwechslung, neuen Reizen
Werk für die Ewigkeit / die Gegenwart
Interpretation für die Ewigkeit /die Gegenwart
Die Künstler müssen sich auch an diesen neuen Maßstäben messen lassen.
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8.2.
E-Musik – U-Musik
In der Entwicklung der Musik des 19. Jahrhunderts deutet sich schon die aufgehende
Schere zwischen U- und E-Musik im 20. Jahrhundert an.
Zuerst war Kultur der Neuzeit ganz vom gebildeten Adel getragen und gestaltet.
(Entstehung der Oper)
Mit der Emanzipation der Wissenschaft nach der Aufklärung verändert sich auch die Musik und wird komplizierter in ihren Formen (Zunehmende Länge und Komplexität der
Symphonie), der Verarbeitung (Motivik, Polyphone Strukturen, Rhythmik) und den Gesetzen (z.B in der ständigen Erweiterung der Harmonielehre). Das führt schließlich zur
Wiener Schule oder des Atonalität und Avantgarde (im Elfenbeinturm) des 20. Jh.
Auch der Wandel hin zur bürgerlichen Gesellschaft
weitere Entwicklung dieser Änderungen.
hat Einfluss auf die Akzeptanz und
Doch letztendlich war es oft nicht mehr ohne spezielles Wissen und langatmige Vorinformationen möglich, einem musikalischen Kunstwerk zu folgen.
Die populäre Musik kennt diese Probleme nicht:
•
•
•
•
Einfache Melodien (ähnlich dem Volkslied)
Einfache Harmonik (Kandenzmuster)
Mitreißender Rhythmus (Tanz)
Überschaubare Länge (~3 Minuten)
Sie entspricht somit viel eher und zunehmend idealer der neuen Zeit und ihren Marktgesetzen (Akzeptanz, Reiz, Profit)
Entwicklungen von beiden Seiten:
E-Musik: Neue Einfachheit (Arvo Pärt), Minimalmusic
U-Musik: Jazz (Harmonische Nähe zur Spätromantik, Affinität zur Avantgarde)
Aber auch das wird wieder pervertiert und verwässert, z.B. in der sogenannten „Esotherischen
Musik“ oder aber auch Smooth Jazz, oder sog. Pop-Symphonien.
Teilweise tauchen seltsame Gebilde in den Klassik/Pop/etc.-Charts auf (Hits mit GregorianikGesängen)
8.3.
Stimme im 20. Jahrhundert
Stand um 1900:
Professioneller Gesang
ist gleich Operngesang
Gefragt ist:
Zuerst: Durchschlagskraft, Individuelle Klangfarbe, Vielseitigkeit, Ausgeprägter Persönlicher Charakter (Künstler), Aura
Sodann: Darstellerisches Talent, Musikalische Bildung,
Laiengesang:
Der (dilettierende) Laie singt (außer Haus allerhöchstens) im Chor (teilweise durchaus anspruchsvolle „zeitgenössische Literatur)
Gefragt ist:
Musikalische Grundbildung (Notenlesen, Blattsingen), Mischungsfähiger
Stimmklang, Begeisterung
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Entwicklung im 20. Jahrhundert
Im Laufe des 20. Jh. fächern sich die Aufgabengebiete des professionellen Sängers (herausragendes, interessantes und besonders charakteristisches Material, musikalische Begabung, passendes Aussehen, strapazierfähige Konstitution, stimmlich fundierte Ausbildung) gewaltig auf:
Oper (Spezialisten für verschiedenen Stilrichtungen oder Epochen)
Operette (Die Fledermaus)
Musical klassisch ohne Verstärkung („My Fair Lady“)
Musical modern mit Mikroverstärkung (“Phantom of the opera”)
Konzert (Lied, Oratorium, Zeitgenössische Musik)
Professionelles Chorwesen (Rundfunkchöre)
Vokale Kammermusik, Vokalsolistenensembles
Popmusik, Jazz, Crossover
Auftrittsorte:
Oper, Konzertsäle, Große Hallen, Studio, Open Air, TV
Reisestrapazen (auch Klima, Zeitzonen)
Das dilettierende Singen verliert immer mehr an einer zahlenmäßig breiten Basis:
Mögliche Gründe:
• „Selbst Musik Machen“ früher auch mit der Stimme, jetzt zunehmend nur
noch „mit dem CD/DVD-Player“
• Verlust der „Heimat“ als naher und Geborgenheit schenkender Kulturkreis
mit einem gemeinsam gepflegten und sich stets bereicherndem und entwickelndem Liedgut
• Wandel der Bildungsinhalte hin zur Technik und Information auf Kosten der
Ausbildung von Phantasie Persönlichkeit
• Andere Formen der Freizeitgestaltung und des gesellschaftlichen Austausches
• Wachsende Kluft zwischen U- und E-Musik und damit verlorener Bezugspunkt zur „umgebenden“ Musik
• In einer dilettantischen Musikpflege schwindende Machbarkeit der mit immer größerem technischen Aufwand produzierten (Alltags)Musik und der
damit sich wandelnden Hörgewohnheiten (Kluft zwischen Anspruch und
Wirklichkeit)
Nichtsdestotrotz sehnen sich alle Zeiten zahlreiche junge Menschen danach als Künstler/Sänger berühmt und reich zu werden („Deutschland sucht den Superstar“)
In Kombination mit der wachsenden visuellen Ausrichtung des Menschen und den Besonderheiten des zeitgenössischen Starkultes treibt diese Sehnsucht bisweilen bizarre Blüten
(Moshammer für Deutschland). ->
teils professionell produzierte Musik mit unprofessionellen Sängern
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8.4.
„Professionell Singen“ im 20. Jh.
…heißt: Stimmlich den Anforderungen der „musikalischen Performance“ gerecht werden.
Nun sind diese Anforderungen in den verschiedenen Bereichen der Musik durchaus unterschiedlich oder z.T. sogar konträr oder sich gegenseitig ausschließend.
Beispiel:
Die Stimmtechnik im klassischen Gesang erfordert ganz bestimmte muskuläre Einstellungen und Vorgehensweisen beim Übergang in andere Lagen und Register. Die Rede ist
vom sogenanntren Decken der Stimme. Damit ist eine mehr oder weniger starke Verdunkelung und Abrundung des Stimmklangs ab einer bestimmten Lage gemeint (Veränderung des Formantspektrums). Dazu wird die Kehle in eine bestimmte Position gebracht
und das Ansatzrohr auf ganz bestimmte Weise geformt. Das wiederum ermöglicht vor
allem den Frauenstimmen den nahtlosen Übergang zu den hohen Tönen der Stimme. Der
Übergangs zu dieser Lage wird bei dieser Technik in den Bereich zwischen d’’ und f’’ gelegt. Vermieden wird auf diese Weise ein als hell bis grell empfundener Stimmklang mit
wenig Tragfähigkeit im Raum und wenig Bandbreite der Vokalfarben (alles wie helles oder flaches a). Auch ist auf diese Weise ein die Stimme nicht schädigendes Forte in den
Hohen Lagen möglich.
Dagegen ist in der U-Musik das Decken verpönt. Man agiert auch beim Singen mit an der
Sprechstimme orientierter hellerer offenerer Klangfarbe. D.h. weniger Weite im Ansatzrohr. Dadurch verlagert sich das Zentrum der gesamten Weiblichen Stimme nach unten
zur Bruststimme hin und auch der Übergang liegt bis zu einer Quarte tiefer. Die hohen
Töne der Kopfstimme können so nicht erreicht werden und werden isoliert, ja deren Existenz ist oft gar nicht bewusst. Auch die Tragfähigkeit im Raum und gehörte Fülle der
Stimme ist nicht mit der gedeckten Form vergleichbar. Die Stimme behält jedoch eher
ihre aus der Farbe der Sprechstimme bezogene Klangcharakteristik und wirkt so vielleicht
authentischer und zum Stil passender (wobei wohl Ausprägung des Stils und verwendete
Stimmtechnik sicher eng miteinander verknüpft sind)
Anmerkung:
Bei den Männerstimmen tritt dieser Unterschied nicht so deutlich auf. Das liegt daran,
dass die Männerstimme von Natur aus mehr in der Bruststimme und damit auch der
Sprechstimmfarbe beheimatet ist und der Unterschied in der Stimmtechnik nicht so gravierende Folgen hat (Im Bezug auf den Übergang und damit verbundene technisch unterschiedliche Klangstrategien). Er zeigt sich am ehesten in einem Unterschied der Klanghelligkeit und natürlich auch Tragfähigkeit. Diese Tragfähigkeit spielt aber wiederum in der
nur eine sekundäre Rolle, weil dafür Mikro und Technik zuständig sind.
So kann ein stimmlicher Allrounder heutzutage gar nicht mehr das Ziel einer Gesangsausbildung für den professionellen Bereich sein. Wobei es durchaus immer wieder
erfrischende und ganz wundervoll überraschende Ausflüge in den jeweils anderen Bereich
gibt
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8.5.
Gesangsausbildung heute
Stilistische Komponente für Grundausrichtung ausschlaggebend:
Gemeinsame Basisbereiche:
Atmung: Hier gelten auch heute hier wie dort die jahrhundertealten Gesetzte des Belcanto (appogiare la voce – „die Stimme unterstützen“), einer gesunden Atemführung und
der Balance zwischen Luftdruck und Stimmlippenspannung. Auch eine adäquate Haltung
gehört bedingt in diesen Bereich, da Haltung und Atmung immer eine untrennbare Einheit bilden.
Artikulation: Auch hier gelten grundsätzliche Regeln für alle Gesangsstile. Artikulation
muss immer deutlich, platziert, zeitlich knapp und mit Unterstützung des Atemapparates
passieren. Außerdem wird jedoch anders als beim Sprechen beim Singen die Tonhöhe
und Tondauer einer Silbe durch die Komposition bestimmt. D.h. dass sich Klang- und
Artikulationsbereiche so wenig wie möglich gegenseitig behindern dürfen. Im Prinzip ist
Singen ja das Spiel mit Klangfarben. Aber nicht allein. Hinzu kommt der informelle und
emotionale Inhalt des Textes. D.h. dass gerade die Konsonanten ein wesentliches Element in der Interpretation ausmachen.
Allerdings gibt es hier im Bereich der U-Musik immer wieder Abweichungen, dann wenn
sehr individuell veranlagte Stimmen gesanglichen Ausdruck anstreben. Auch bedingt der
Gebrauch des Mikrofons Unterschiede vor allem in der Intensität der Artikulation.
Anmerkung: Ein Phänomen des 20. Jahrhunderts ist, dass - bis auf die Kunst der Kastraten - man bestrebt ist so gut wie alle Musik so stilgerecht wie möglichst zu interpretieren.
Auch das führt zur Ausprägung ganz verschiedener Stimmschulen und technischer
Schwerpunktsetzung in der Ausbildung.
8.6.
Die Stimmforschung im 20. Jh.
All diese vielfältigen Entwicklungen begleitet eine in zunehmendem Maße auch
in den sängerischen Alltag und die Ausbildung der Sänger integrierte Stimmforschung.
Gerade in der zweiten Hälfte des Jh. setzt sich immer mehr eine wissenschaftliche fundierte Betrachtungsweise des Stimmorgans, seines Baus und der Funktion durch.
Für den Sänger wichtige Stimmforscher sind z.B.:
Frederick Husler (ursprünglich Sänger, formuliert zum ersten mal überzeugend und
verständlich den konkreten Zusammenhang zwischen Vorstellung und funktionellem Geschehen)
Johan Sundberg (der als ambitionierte Chorsänger seine hochwissenschaftlichen Forschungen ganz auf die alltägliche Stimmpraxis bezieht)
Wolfram Seidner (dem als studierten Sänger und HNO-Arzt eine enge und wissenschaftlich fundierte Verbindung der Bereiche glückt)
Darüber hinaus gibt es gerade aus dem Bereich der Logopädie eine Vielzahl von Forschungsprojekten und Therapieansätzen.
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Unterstützt wird diese Arbeit durch die natürlich wiederum mit dem technischen Fortschritt verknüpfte
Entwicklung der Untersuchungsmethoden und –apparate
Beispiele:
Visuell:
Die Stroboskopie macht die Schwingungen der Stimmlippen sichtbar
Auditiv:
Mittels des Computers lassen sich mittlerweile in Echtzeit die Obertonstrukturen eines
Stimmklanges (Formantspektrum der Vokale) anzeigen und analysieren.
Darauf und auf einer Reihe weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse basierend hat sich zu
Beginn des 21. Jh. eine Reihe von fundierten Gesangsmethoden und Stimmtrainingsprogrammen entwickelt, die Muskulatur und Funktion des Stimmorgans gezielt trainieren
(etwa vergleichbar den sportwissenschaftlichen Trainingsmethoden).
Abschließend:
Den funktionalen Gebrauch des Organs kann heute (konnte damals) jeder erlernen, der regelmäßig und mit den richtigen Übungen trainiert. (vgl. Muskeltraining: der funktionale Gebrauch der
Muskulatur lässt diese sich entwickeln und belastbarer werden,
Prinzip der richtigen Ermüdung).
Für Erfolg bei diesem Üben ist außerdem Körperbewusstsein und
Grips nötig.
Zum Singenden machen einen darüber hinaus musikalische Begabung, ein musikalisches Ohr, Hintergrundwissen zur Interpretation, Gestaltungswillen, Phantasie etc.
Zum Sänger macht einen neben all den bisher genannten Fakten
das gegebene Instrument, d.h. die besondere Stimme im Hals,
Und zum großen Sänger gehört ein gewisses Übermaß in möglichst
vielen dieser Bereiche und für die langjährige Karriere zusätzlich
eine Riesenportion Glück, ökonomischer Umgang mit den Kräften
und nicht zuletzt ein gutes Management
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