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Obduktionsbericht
Das zur Obduktion vorliegende Tier ist ein weiblicher Fohlen-Abort einer QuarterHorse-Stute. Das Gewicht beträgt mit Fruchthüllen 11 kg. Die Scheitel-Steiß-Länge
mißt 63 cm. Am Kopf befindet sich eine durchgehende Blesse und nur der rechte
Vorderhuf ist pigmentiert. Die Haut der anderen Gliedmaßen ist bis zur Fessel
unpigmentiert. Das Tier ist nicht behaart, die Zähne sind nicht durchgebrochen und die
Augen nicht geöffnet.
Auftraggeber der Sektion ist der Besitzer der Mutterstute Herr X aus Y.
Die Obduktion findet am XX.XX.XXXX von 9.15 – 11.15 Uhr im Beisein von X unter
der Leitung von Y statt.
Vorbericht
Die Quarter-Horse-Stute abortierte in der Nacht vom 15.11.2002 auf den 16.11.2002.
Der berechnete Abfohltermin wäre der 05.03.2003 gewesen (Die Tragzeit beim Pferd
beträgt 330-345 d; Abort hier etwa im 7. Trächtigkeitsmonat). Das genaue
Bedeckungsdatum ist nicht bekannt. Die Mutterstute zeigt ein ungestörtes
Allgemeinbefinden, Informationen über ihren Impfstatus liegen nicht vor.
A) Äußere Besichtigung
Der Fetus befindet sich in linker Seitenlage.
Er ist insgesamt mit Einstreumaterial verschmutzt.
Die Totenstarre ist bereits vollständig aufgehoben und alle Gelenke sind frei beweglich.
Die Leiche ist über die Nabelschnur noch mit der Plazenta verbunden.
B) Innere Besichtigung
Unterhaut:
Im Bereich des Atlanto-Okzipitalgelenkes zeigt sich bilateral eine 4cm x 6cm große,
subkutane, rote Verfärbung.
I. Bauch- und Beckenhöhle
In der Bauchhöhle befinden sich etwa 20 ml einer wässrigen, roten, lackfarbenen
Flüssigkeit.
II. Brusthöhle
Die Lunge weist insgesamt unregelmäßig verteilte, dunkelrot-schwarze Flecken auf.
Diese sind vor allem links streifig entlang der Rippen. Die Konsistenz der Lunge ist
fleischig. Bei der durchgeführten „Schwimmprobe“ geht das Lungengewebe unter.
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An den Herzkranzgefäßen befinden sich diffuse, punktförmige, rote Verfärbungen.
III. Schädelhöhle und Rückenmarkskanal
Passend zu den roten Verfärbungen am Atlanto-Okzipitalgelenk findet sich an der
Innenseite des Schädelknochens unter der Dura mater eine dunkelrote gelatinöse Masse.
Pathologisch-anatomische Diagnosen
1.
2.
3.
4.
5.
diffuse, alveoläre Lungenhämorrhagie
totale fetale Atelektase
Aszites
diffuse, petechiale Blutungen an den Herzkranzgefäßen
Hämorrhagien am Atlanto-Okzipitalgelenk
Epikrise
Die Ursache der diffusen, alveolären Lungenblutung ist wahrscheinlich eine
disseminierte intravasale Gerinnung (engl.:DIC).
Diese kann z.B. durch eine Sepsis hervorgerufen werden. Zum septischen Schock
kommt es durch bakterielle Endo- oder Exotoxine, die bei der Zerstörung der Bakterien
frei werden. Folgen sind u.a. Endothelschäden, Vasodilatation und
Permeabilitätsstörungen.
Durch die Endothelschäden im Rahmen bakterieller oder viraler (z.B. Herpesviren)
Infektionen kommt es zur Abschwemmung von Gewebstrümmern und durch die
Endothelschwellung zu einer verminderten Durchströmungsgeschwindigkeit. Die
Reduktion der Kapillardichtigkeit führt zur Stase mit Plasmaaustritt z.B. in die Alveolen
und zur Freisetzung von Gerinnungsfaktoren.
Durch Endotoxine kann es außerdem zur Freisetzung von Thromboplastin kommen.
Über die Gerinnungskaskade erfolgt die vermehrte Bildung von Thrombozyten- und
Fibrinaggregaten, welche die Mikrozirkulation beeinträchtigen. Durch Bildung von
Fibrinmonomeren kommt es zur disseminierten hyalinen Thrombose, durch weitere
Fibrinpolymerisation zur Ausbildung eines fibrinreichen Gerinnungsthrombus. Der
enorme Verbrauch an Gerinnungsfaktoren führt zu einer Verbrauchskoagulopathie. Es
besteht eine vermehrte Blutungsneigung.
In diesem Fall ist die Unterscheidung zwischen alveolärer und interstitieller
Lungenblutung nicht ganz eindeutig, da die Alveolen noch nicht entfaltet sind. Durch
den Anschnitt der Lunge kann jedoch eine Lungenstauung ausgeschlossen werden, da
es nicht zum Blutaustritt kommt.
Differentialdiagnostisch muß eine Hypostase der Lunge ausgeschlossen werden. Diese
ist eine postmortale Veränderung. Tiere liegen nach dem Tod meistens auf der Seite,
das Blut folgt der Schwerkraft und sammelt sich im untenliegenden Lungenlappen.
Durch den Druck der Rippen wird an den entsprechenden Stellen das abgesunkene Blut
verdrängt. Allerdings tritt eine Hypostase nur einseitig auf, die Blutungen in der Lunge
des abortierten Fetus sind jedoch beidseitig.
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Die totale fetale Atelektase spricht für eine Lunge, mit der nie geatmet wurde, was bei
einem Abort sicher der Fall ist. Das Lungengewebe sinkt bei der Schwimmprobe ab, es
enthält keine Luft, die Alveolen sind nicht entfaltet. Die Konsistenz der fetalen Lunge
ist fleischig.
Ein Aszites ist eine Ansammlung von wässriger, klarer Flüssigkeit im Abdomen, deren
spezifisches Gewicht dem eines Transsudates entspricht. Ursachen können
Herzinsuffizienz, chronische Peritonitis, Nierenerkrankungen, Neoplasien und vor allem
portale Kreislaufstörungen sein. Bei einigen Aborterregern gehört der Aszites zum
typischen Krankheitsbild (Herpesviren).
Im vorliegenden Fall enthielt die Flüssigkeit geringe Blutbeimegungen, die durch
infektiös bedingte Gefäßarrosionen oder Gefäßläsionen hervorgerufen werden können.
Die diffusen, petechialen Blutungen an den Herzkranzgefäßen sind u.a.
Kennzeichen einer Diapedesisblutung. Es sind kleine punktförmige Hämorrhagien,
hervorgerufen durch Blutaustritt aus Kapillaren oder kleinen Gefäßen. Mit dem
Elektronenmikroskop lassen sich Endotheldefekte oder Defekte in der Gefäßperipherie
nachweisen. Vor allem bei Infektionskrankheiten (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten)
treten Diapedesisblutungen durch primäre Gefäßwandschädigung (Vaskulopathie)
gehäuft auf.
Die Hämorrhagien am Atlanto-Okzipitalgelenk ist mit großer Wahrscheinlichkeit
traumatisch bedingt. Möglich ist z.B. ein Aufschlagen auf den Hinterkopf beim
„Auswurf“ des Fetus. Durch den Schlag auf die nahezu ungeschützte Schädeldecke
kommt es zu Kontinuitätstrennungen der Gefäßwände und zum Blutaustritt.
Die Lungenblutungen, die petechialen Blutungen an den Herzkranzgefäßen, der Aszites
und die totale fetale Atelektase sind primär durch den Abort bedingt.
Mögliche Abortursachen sind vor allem bei den Infektionskrankheiten zu suchen, da ein
Abort grundsätzlich als infektiös anzusehen ist, wenn nicht von vornherein eine nichtinfektiöse Ursache vorliegt.
Virale Aborterreger beim Pferd:
EHV 1 (Equines Herpesvirus 1): Das Virus bedingt die meisten Stutenaborte. Diese
erfolgen ab dem 7. Monat, meist aber zwischen dem 8. und 10. Monat der Trächtigkeit
ohne weitere Anzeichen von Krankheit. Die Frucht wird mitsamt der Fruchthüllen in
frischem Zustand ausgestoßen. Infektionen zu einem späteren Zeitpunkt der
Trächtigkeit können auch zur Geburt von lebensschwachen Fohlen führen.
Selten kommt es bei Stute nach dem Abort zur ZNS-Symptomatik mit Ataxien und
Nachhandparese.
Die Infektion mit EHV-1 läuft virämisch, wobei das Virus mit Monozyten assoziiert ist.
Zellgebunden gelangt es in die Manifestationsorgane (Uterus, ZNS). Im nicht
immunkompetenten Fetus erfolgt eine ungehemmte Virusvermehrung, was zum
Absterben führt und den Abort auslöst.
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In typischen Fällen findet man beim abortierten Fetus subkutane Ödeme, seröse Ergüsse
in den Körperhöhlen, Pneumonie, follikuläre Milzhyperplasie, eine höckrige
Leberoberfläche und miliare Nekrosen in Leber und z.T. auch in Lunge und Milz.
In der Schleimhaut der oberen Luftwegen treten petechiale und ekchymöse Blutungen
auf.
Die Diagnosestellung erfolgt über Erregerisolierung aus dem Abortmaterial und
Antigennachweis in Leber, Lunge oder Milz des abortierten Fetus oder in
Nachgeburtsteilen durch Immunfluoreszenz.
Für eine EHV-1-Infektion im vorliegenden Fall spricht der Zeitpunkt des Abortes, der
Gesundheitszustand der Mutterstute, der Zustand des Fetus und der Aszites. Andere
typische Anzeichen werden nicht gefunden.
EHV-4 (Equines Herpesvirus 4; Rhinopneumonitis): Infektionen mit EHV-4 bleiben
meist lokal auf den Respirationstrakt begrenzt. Sie können aber auch generalisieren und
dann Aborte auslösen. Die Befunde entsprechen dann denen einer EHV-1-Infektion.
EVA (Equine Virusarteritis, „pink eye“): Die EVA-Infektion (Genus Arterivirus) ist
eine fieberhafte Allgemeinerkrankung, die zu Schädigungen des Gefäßendothels führt.
Typisch sind Augenveränderungen („pink eye“), Ödeme, respiratorische Symptome,
papulöse Eruptionen der Haut und Frühaborte.
Bei trächtigen Stuten kommt es in 40-80% der Fälle zu Frühaborten. Diese erfolgen
meist früh nach der Infektion (oft über den Deckakt), häufig ohne Vorzeichen. Dem
abortierten Fetus fehlen die typischen Arteritissymptome und es kann z.T. eine
geringgradige Autolyse beobachtet werden. Auch beim Fetus handelt es sich um eine
Allgemeinerkrankung mit einem Virusvorkommen in allen Organen.
Zum Nachweis beim Fetus werden Lunge und Milz zur Virusisolierung über
Zellkulturen verwendet.
Die Krankheit ist meldepflichtig!
Gegen eine EVA-Infektion beim vorliegende Abort spricht, dass es kein Frühabort mehr
ist und die Mutterstute keine Krankheitssymptome zeigt.
EIA (Equine infektiöse Anämie → Lentivirus): Aborte durch EIA sind sehr selten.
Die Infektion selbst tritt in West- und Mitteleuropa nur noch sehr selten auf. Betroffene
Tiere werden getötet.
Akute Anzeichen sind hohes Fieber, Ödeme und eine hämolytische Anämie. Meist
verläuft die Krankheit jedoch perakut und die Tier sterben plötzlich ohne Symptome zu
zeigen.
Ein Antikörpernachweis erfolgt per Coggins-Test oder ELISA.
Die Krankheit ist anzeigepflichtig!
Ein durch EIA bedingter Abort ist zwar unwahrscheinlich, da dieser jedoch in den
verschiedenen Trächtigkeitsstadien auftreten kann, sollte man EIA als Ursache
zumindest mit abklären.
Bakterielle Aborterreger beim Pferd:
Salmonella enterica spp. enterica serovar abortusequi: Die Infektion erfolgt oral
oder über den Deckakt. Es kommt zu einer Allgemeinerkrankung und zum Verfohlen ab
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dem 4. Trächtigkeitsmonat. Ein bevorstehender Abort äußert sich bei den tragenden
Stuten klinisch gar nicht oder nur mit geringer Symptomatik. Nach dem Abort bilden
die Stuten oft eine belastbare Immunität aus, die sie vor erneutem Verfohlen schützt.
Es können auch lebensschwache Fohlen ausgetragen werden, die jedoch häufig an
septikämischen Salmonellosen sterben oder Polyarthritiden entwickeln.
Pathologisch-anatomisch befinden sich die Feten meist noch in den ungeöffneten
Eihäuten und zeigen deutliche Autolyseerscheinungen. An den Eihäuten zeigen sich
Ödematisierungen und nekrotische Herde, die von Blutungen und Hyperämien umgeben
sind.
Der Erregernachweis beim lebenden Tier ist durch eine geringe Effektivität der üblichen
Anreicherungsmedien schwierig. In Abort- und Sektionsmaterial gelingt er durch die
erhöhte Keimzahl eher.
Der Erreger dominierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das
Salmonellosegeschehen bei Pferden, in den neueren Dokumentationen über das
Fruchtbarkeitsgeschehen in der deutschen Pferdezucht kommt der Erreger nicht mehr
vor.
Das klinische Bild einer Salmonella-abortusequi-Infektion entspricht in keiner Weise
dem vorliegenden Fall.
Streptococcus equi spp. zooepidemicus: Dieser Erreger tritt häufig bei
Fruchtbarkeitsproblemen des Pferdes auf. Die infizierten Stuten abortieren vor allem im
2. Graviditätstrimester. Außerdem kommt es zu respiratorischen Infektionen,
Entzündungen der Genitalschleimhäute, Fohlenspätlähme, Nabelinfektionen und
Wundinfektionen.
Der Erreger läßt sich oft auch bei gesunden Stuten und Hengsten kulturell nachweisen,
weshalb bei der Bewertung von Befunden immer der Entnahmeort (am Genitale), der
Zeitpunkt und die klinischen Veränderungen mit berücksichtigt werden müssen.
Selten kommt es zu Aborten durch Streptococcus equi spp. equi, dem Druse-Erreger.
Actinobacillus equuli: Bei gesunden Pferden kommt der Erreger auf den Tonsillen, im
Pharynx, im Darm und im Genitaltrakt vor. Als Infektionsquellen dienen latent
infizierte und chronisch kranke Tiere.
Die Ansteckung der Fohlen erfolgt bereit intrauterin oder unmittelbar nach der Geburt
über die Nabelschnur oder auch oral. Infolge der intrauterinen Infektion kommt es zu
Spätaborten oder der Geburt lebensschwacher Fohlen, die häufig bereits am ersten Tag
verenden. Für die klinische Manifestation ist der Grad der Versorgung mit
Immunglobulinen ausschlaggebend.
Die Diagnosestellung erfolgt über eine kulturelle Erregeranzüchtung.
Brucella abortus: Aborte beim Pferd durch diesen Erreger sind äußerst selten und
setzen eine massive Infektion voraus.
Ehrlichia risticii: Dieser Erreger der „equinen monocytären Ehrlichiose“ (Befall der
Monozyten) äußert sich initial durch Fieber, Depressionen und reduzierten Appetit.
Nach einigen Tagen kommt es zu höherem Fieber, Diarrhöen, Lahmheit, Koliken und
subkutanen Ödemen. Selten passiert der Erreger die Plazenta und induziert Aborte.
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Der Nachweis erfolgt serologisch per ELISA.
Außerdem können Pseudomonas aeruginosa, Escherichia coli,
Listeria monocytogenes oder Klebsiella pneumoniae spp. pneumoniae zu Aborten
beim Pferd führen.
Auch mykotische Aborterreger (z.B. Aspergillus fumigatus) können vorkommen.
Die Diagnosestellung kann nur durch einen genauen Erregernachweis erfolgen.
Todesursache
Die Todesursache muß durch weitere Untersuchungen abgeklärt werden, nach der
Sektion ist sie unklar.
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