Chemisch-Geowissenschaftliche Fakultät Institut für Geowissenschaften (IGW) Lehrstuhl für Allgemeine Geophysik Prof. Dr. Nina Kukowski FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE Am Lehrstuhl für Allgemeine Geophysik erforschen wir die Struktur der oberen Erdkruste und die dort ablaufenden tektonophysikalischen Prozesse, insbesondere die Rolle der Fluide in diesen Prozessen. Unsere Forschungsschwerpunkte sind: die geophysikalische Erkundung von Sedimentbecken (z.B. im BMBF-Verbund­ projekt INFLUINS), die Untersuchung von konvergenten Plattenrändern, hier vor allem die Rolle von Gashydraten, Rutschungsprozessen sowie die Rolle von Fluiden und mechanischen Eigenschaften (aktuell Expedition SO247 mit TFS Sonne), die physikalisch-experimentelle und numerische Modellierung von Deformation sowie Fluid- und Energietransport und die Registrierung langer Zeitreihen von Deformations-, ERKUNDUNG VON SEDIMENTBECKEN Im Rahmen von INFLUINS beschäftigen wir uns mit der reflexionsseismischen Abbildung des Zentrums des Thüringer Beckens, die zur Vorerkundung der 2013 abgeteuften Forschungstiefbohrung diente. Zusammen mit den bohrlochgeophysikalischen Daten können wir Rückschlüsse über die interne Struktur und physikalischen Eigenschaften der Gesteine ziehen. Wesentliche Erkenntnisse der geophysikalischen Arbeiten sind, dass die Störungszonen, die im Zuge der kretazischen Inversion entstanden, sehr kompliziert aufgebaut sind und dass die Gesteine des Muschelkalks ungewöhnlich hohe seismische Geschwindigkeiten und Dichten bei gleichzeitig niedrigen Porositäten aufweisen. Abfolgen des Buntsandsteines, die am Randgebiet des Thüringer Beckens und in Teilen des Norddeutschen Beckens gute Grundwasserleiter sind, agieren im Zentrum des Thüringer Beckens eher als Aquitarde. Mit Hilfe des Langzeitmonitorings und eines verbesserten Prozessverständnisses können trendhafte Veränderungen im System Erde identifiziert werden und tragen z.B. zur besseren Erfassung des Klimawandels bei. KONVERGENTE PLATTENRÄNDER: MECHANIK UND FLUIDSYSTEME Abb. 1: Möglichkeit der Erfassung von Lithologien aus bohrlochgeophysikalischen Daten der INFLUINS-Forschungstiefbohrung mittels Cluster-Analysen (Methe et al., 2016). EXPERIMENTE UND MODELLIERUNG Das mechanische Verhalten von konvergenten Plattenrändern wird deutlich von Gashydraten sowie von Entwässerungs- und Fluidtransportprozessen beeinflusst. Aufbauend auf Vorarbeiten aus früheren Projekten untersuchen wir derzeit in einer Kooperation mit dem MARUM den Hikurangi-Kontinentrand vor Neuseeland. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen stehen gerade abgeteufte Bohrungen mit MeBo200, die Aufschluss über mögliche Wechselwirkungen von tektonischen Prozessen, Gashydratsystemen und Rutschungsereignissen geben sollen. In enger Verknüpfung mit unseren Daten führen wir Laborexperimente zur Dynamik von Akkretionskeilen sowie numerische Transportsimulationen durch, um so ein besseres Verständnis für diese mehrfach gekoppelten Prozesse zu erlangen. Abb. 2: Neue geophysikalische Daten und zum ersten Mal mehrere 10er Meter lange Sedimentkerne vom Hikurangi-Plattenrand haben wir gerade im Rahmen von SlamZ gewonnen. Analogexperimente zur Dynamik von Akkretionskeilen: Durch die Beobachtung von der Seite und von oben ergibt sich ein 4D Abbild der Intern- und Oberflächenstruktur (Willen, 2014). LANGZEIT-MONITORING Im neueingerichteten gesteinsphysikalischen Labor können zerstörungsfrei umfangreiche Kenntnisse in der Geomaterialforschung, wie über Schallwellengeschwindigkeit, Wärmeleitfähigkeit und thermische Diffusivität, Permeabilität und magnetische Suszeptibilität, und ihre Variabilität bis auf die cm-Skala, gewonnen werden. Zusammen mit den bohrlochgeophysikalischen Daten sowie Kernlogger-Daten können Gesteine und Sedimente somit umfassend physikalisch charakterisiert werden. Im Labor für physikalischexperimentelle Modellierung spielen die rheologischen Eigenschaften, die mechanischen (Reibungs)eigenschaften sowie die hydraulischen Eigenschaften der Analogmaterialien die wesentliche Rolle für die korrekte Skalierung von Experimenten, die unabdingbar für eine quantitative Interpretation ist. Abb. 3: links oben) Zerstörungsfreie, flächenhafte Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit an Kernproben (Mai, 2013); links unten) Laufzeittomographie an Kernproben (hier im Querschnitt) und der Vergleich von Kompressionswellengeschwindigkeiten aus bohrlochgeophysikalischen Messungen und seismischer Tomographie (Krause, 2014; Methe et al., 2013); rechts) Umfangreiche Bestimmung der physikalischen Eigenschaften von Analogmaterialien (Warsitzkaet al., 2014). KONTAKT und Fluidtransportprozessen am universitätseigenen Geody­ namischen Observatorium Moxa. Prof. Dr. Nina Kukowski / Institut für Geowissenschaften, Allgemeine Geophysik / Burgweg 11 / 07749 Jena Telefon: 03641 948680 / E-Mail: [email protected] www.geophysik.uni-jena.de Am Geodynamischen Observatorium Moxa des Lehrstuhls für Allgemeine Geophysik werden Deformationen des Erdkörpers und Massenverlagerungen im System Erde langfristig registriert. Das Beobachtungsspektrum reicht von der hochfrequenten Seismologie bis zu Jahresvariationen aus globalen (Gezeiten) und lokalen (Hydrologie) Ereignissen. Neu installierte Laserstrainmeter im Stollen des Observatoriums erfassen Deformationen im nm-Bereich. Darüber hinaus wurden zwei Bohrungen niedergebracht, in denen zum einen Temperaturfasern eine direkte Beobachtung möglicher Klimaänderungen erlauben, und die zum anderen (Pump-)Versuche erlauben, welche auf die quantitative Erfassung von Zusammenhängen zwischen Fluidbewegungen und Deformation zielen. Abb. 4: links) Schachtabdeckung und schematischer Ausbau der Forschungsbohrung Moxa; mitte) Saisonelle Effekte und hydrologische Ereignisse können in den Temperaturlaufzeiten identifiziert werden (Schwarze, 2015); rechts) Bei der Anwendung der unterschiedlichen Bohrverfahren wurden mit dem Laserstrainmeter gegensätzliche Deformationsrichtungen beobachtet (Kobe et al., 2016). Diese Deformationen sind auf die Änderungen des Porenfluiddrucks zurück zuführen. REFERENZEN Kobe, M., Jahr, T., Pöschel, W., Kukowski, N. (2016): Comparing a new laser strainmeter array with an adjacent, parallel running quartz tube strainmeter array. RSI 87, 10 S. Krause, M. (2014): Investigation of near-surface seismic structure of the Thuringian Basin using 3D traveltime tomography. Dissertation, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 193 S. Mai, F. (2013): Gesteinsphysikalische Labormessungen an repräsentativen Bohrkernen aus Thüringen. Diplomarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 109 S. Methe, P., Goepel, A., Kukowski, N. (2013): Downhole geophysical data from recent deep drilling in the center of the Thuringian Basin, Germany. EGU 2014, Wien. Methe, P., Goepel, A., Kukowski, N. (2016): Cluster Analysis to identify lithology from geophysical borehole data . - Vortrag, DGG 2016, Münster. Schwarze, C. (2015): Bestimmung der thermischen Gesteinseigenschaften im Untergrund durch Labor- und Feldversuche an den Bohrungen KB-Moxa 1/13 und FB-Moxa 1/13. Diplomarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 158 S. Warsitzka, M., Kukowski, N., May, F. (2014): Physical Properties of Granulates Used in Analogue Experiments of Caprock Failure and Sediment Remobilisation. AGU Fall Meeting Abstracts. Vol. 1. 2014. Willen, M. O. (2014): Experimentstudie zur Dynamik der Internstruktur und Morphologie von Akkretionskeilen im Analogmodell bei diskontinuierlich zugeführter Akkretionsfracht. Bachelorarbeit, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 66 S.