150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar Joachim Heinz Hans-Joachim Kühn Stiftung Demokratie Saarland Bismarckstraße 99 · 66121 Saarbrücken · Telefon (0681) 906260 · Telefax (0681) 9062625 www.stiftung-demokratie-saarland.de · E-Mail: [email protected] Dialog 21 STIFTUNG DEMOKRATIE SAARLAND DIALOG 21 Joachim Heinz, Hans-Joachim Kühn 150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar Begleitheft zur gleichnamigen von Joachim Heinz und Hans-Joachim Kühn unter Mitwirkung von Bernd Rauls, Carmen Oschmann und Rudolf Strumm erarbeiteten Ausstellung Saarbrücken 2013 3 Impressum: Dialog ist eine Reihe der Stiftung Demokratie Saarland. Die Reihe kann bezogen werden von der Stiftung Demokratie Saarland Bismarckstraße 99, 66121 Saarbrücken, Telefon (0681) 906260, Telefax (0681) 9062625 Gestaltung, Satz und Druck: Unionprint GmbH, Saarbrücken 4 Inhalt Seite Vorwort Friedel Läpple 7 Grußwort Heiko Maas 9 Einführung 11 150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar – Erläuterungen 13 Eröffnungstafel 41 Die Gründungsphase 43 Die Anfänge der SPD-Saar 46 (Anti-)Sozialistengesetze 49 Aufschwung und terra incognita 52 Saarabien 55 „Zerbrecht die Sklavenfessel, macht Euch frei!“ 58 Reichstagswahl am 12. Januar 1912 61 Das Saargebiet entsteht – (1920 bis 1935) 64 Die SPD-Saar in den 20er Jahren… 67 Die Arbeiterkulturbewegung 70 Die Arbeiterwohlfahrt 73 Die SPD-Saar vor 1933 76 Nie zu Hitler 79 Die Einheitsfront gegen Hitler 82 Die Saar im Dritten Reich: Ausgrenzung und Kriegswirtschaft 85 Die Saar im Dritten Reich: Verfolgung und Widerstand 88 Demokratischer Neubeginn: Die SPS 91 Errungenschaften und Krise der SPS 94 Der Kampf um das Saarstatut 97 Der Weg nach oben 100 Die SPD an der Regierung 103 Gesichter der Saar-SPD von 1952 bis heute 106 Zeittafel zur Geschichte der SPD an der Saar 111 Abbildungsnachweis 118 Literatur in Auswahl 122 5 Damit unsere Demokratie lebendig bleibt… Bismarckstraße 99, 66121 Saarbrücken, Telefon (0681) 906260 , Telefax (0681) 9062625 6 Vorwort Friedel Läpple Am 23. Mai 2013 wird die deutsche Sozialdemokratie 150 Jahre alt: An eben diesem 23. Mai 1863 wurde in Leipzig der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet, in dessen kontinuierlicher Linie die Sozialdemokratische Partei Deutschlands steht. Wie kein anderer Landesverband ist die Geschichte der Sozialdemokratie an der Saar durch Sonderentwicklungen geprägt. Dies ist der Hintergrund für die Stiftung Demokratie Saarland, die sich seit ihrer Gründung den Grundwerten der Sozialdemokratie und der Arbeiterbewegung verbunden fühlt, diese einzigartige Geschichte in gebührender Art und Weise in Erinnerung zu rufen. So soll im Rahmen einer auf fünf Bände angelegten Schriftenreihe die Geschichte der Sozialdemokratie an der Saar von den Anfängen bis zur Gegenwart auf wissenschaftlicher Grundlage beschrieben werden. Darüber hinaus wird eine 23 Tafeln umfassende Ausstellung Zeugnis ablegen über die Geschichte der ältesten demokratischen Partei in unserem Bundesland. Das vorliegende Begleitheft zur Ausstellung gibt in aller Kürze präzise Erläuterungen zu zeitgeschichtlichen Hintergründen und zu den auf den Tafeln verwendeten Abbildungsmaterialien. Mit dieser Ausstellung wollen wir einem interessierten Publikum Entstehung und Entwicklung der Sozialdemokratie in Saarregion, Saargebiet und Saarland anschaulich vor Augen führen. Anhand zahlreicher zeitgenössischer Bilder, Fotografien, Tabellen, Grafiken und Textdokumenten werden einzelne Details optisch ansprechend präsentiert. Die Ausstellung zeichnet einzelne Stationen des besonderen saarländischen Weges im Kampf der sozialdemokratischen Bewegung um soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie nach. Ich danke den Ausstellungsmachern: Joachim Heinz und Dr. Hans-Joachim Kühn, die für die Inhalte verantwortlich zeichnen. Mein Dank gilt aber auch der übrigen Redaktion Rudolf Strumm, Bernd Rauls und insbesondere Carmen Oschmann, die die Ausstellung grafisch gestaltet hat. Es würde mich sehr freuen, wenn die gelungene Präsentation an vielen Orten innerhalb und außerhalb unserer Region gezeigt würde. Unser Ziel ist es insbesondere auch bei einem jungen Publikum, das Bewusstsein für eine große Tradition wach zu rufen, für die es sich auch in Zukunft zu engagieren lohnt. Friedel Läpple Stiftung Demokratie Saarland 7 8 Grußwort Heiko Maas Am 23. Mai diesen Jahres feiert die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ihr 150jähriges Jubiläum. In dem Zeitraum seit 1863 hat die SPD sämtliche Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte, mit zwei Weltkriegen, der NS-Herrschaft, dem Kalten Krieg bis hin zur Deutschen Einheit miterlebt. In all diesen Jahren hat sich die Sozialdemokratie zum Wohle der Menschen in unserem Land stark gemacht. Damals wie heute gelten für uns dabei Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität als Handlungsmaßstäbe. Auch die Entwicklung und die Geschichte der Sozialdemokratie an der Saar wurden von ganz besonderen historischen Ereignissen geprägt, welche mit der Rolle des Saarlandes in den vergangenen 150 Jahren zusammenhängen. Vor diesem Hintergrund freue ich mich ganz besonders und bin sehr stolz darauf, dass es im Jubiläumsjahr der SPD erstmals eine Ausstellung mit dem Titel „150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar“ geben wird. Auf 23 Tafeln wird die Wanderausstellung „150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar“ erstmals alle wesentlichen Facetten der saarländischen Sozialdemokratie einschließlich der Arbeiterkulturbewegung darstellen. So erhalten die Besucher Informationen über die Gründungsphase und die Anfänge der SPD Saar, die Zeit des ersten Weltkriegs, die Entstehung des Saargebiets und die schweren Jahre der Sozialdemokraten in der NS-Herrschaft unter Hitler. Weiterhin zeigt die Ausstellung, wie sich die SPD Saar als mitgliederstärkste Partei im Saarland nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt hat und stellt dem Besucher dabei die entscheidenden Personen von damals und heute vor. Damit eine solch umfassende Ausstellung gezeigt werden kann, bedarf es einer Vielzahl von engagierten und tatkräftigen Helferinnen und Helfern. Aus diesem Grund möchte ich allen an der Ausstellung „150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar“ Beteiligten, sowie den zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern recht herzlich für ihren Einsatz und das mit eingebrachte Herzblut danken. Ohne Sie wäre das alles nicht möglich gewesen. Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle der Stiftung Demokratie Saarland und der Historischen Kommission der SPD Saar für ihre Arbeit danken. Heiko Maas Landesvorsitzender der SPD Saar 9 10 Einführung Mit der Ausstellung „150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar“ wird erstmals ein Gesamtüberblick über die wesentlichen Phasen der saarländischen Sozialdemokratie gegeben, deren Geschichte über viele Jahre Sonderentwicklungen gegenüber der Geschichte der reichs- und bundesdeutschen Sozialdemokratie unterworfen war. Bis 1933 waren neben der SPD auch die freien Gewerkschaften und die Arbeiterkulturbewegung Teil der deutschen sozialistischen Arbeiterbewegung, sodass auch auf diese Organisationen in angemessenem Umfang einzugehen war. Bernd Rauls und Rudolf Strumm gehörten wie Carmen Oschmann zum Ausstellungsteam, das die Konzeption und die Entstehung von Ausstellung und Begleitheft in vielen Besprechungen unterstützend begleitet hat, wobei Carmen Oschmann der Dank für die graphische Gestaltung der Ausstellung gilt. Dank gebührt auch vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern folgender Archive und Bibliotheken, die mit Kompetenz und Hilfsbereitschaft bei der Beschaffung von Fotos und anderen Abbildungsmaterialien wesentlich zum Gelingen der Ausstellung beigetragen haben: Landesarchiv Saarbrücken, Stadtarchiv Saarbrücken, Archiv des Landtags des Saarlandes, Saarbrücker Zeitung, Historisches Museum Saar, Internationales Institut für Sozialgeschichte Amsterdam, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn, Bibliothek der Friedrich-EbertStiftung Bonn, Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek. Herrn Konsul a. D. Harry Walter, Neuss, gilt der Dank für zwei Abdruckgenehmigungen. Dank gilt auch der Stiftung Demokratie Saarland, ohne deren Finanzierung hätten Ausstellung und Begleitheft nicht verwirklicht werden können. Das Begleitheft bildet die Ausstellungstafeln jeweils auf drei Seiten nach, so dass Besucher/innen der Ausstellung sich auch später nochmals deren Inhalte genau vor Augen führen können. Das Begleitheft zur Ausstellung kann kein Geschichtsbuch über 150 Jahre Entwicklung der Sozialdemokratie an der Saar sein. Es gibt in aller Kürze präzise Erläuterungen zu zeitgeschichtlichen Hintergründen und zu den auf den Tafeln verwendeten Abbildungsmaterialien. Für weitere Hintergründe sei verwiesen auf die mehrbändige „Geschichte der sozialdemokratischen Bewegung an der Saar von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert“, herausgegeben von Reinhard Klimmt, Wilfried Busemann, Joachim Heinz, Bernd Rauls, Rudolf Strumm. Der Band 3 (Wilfried Busemann, Den eigenen Weg gehen. Die Selbstfindung der Sozialdemokratie an der Saar 1945 bis 1968) erscheint im Sommer 2013. Saarbrücken, im März 2013 Joachim Heinz Hans-Joachim Kühn 11 12 150 Jahre Sozialdemokratie an der Saar – Erläuterungen zur Ausstellung 23. Mai 1863 Der 23. Mai 1863 gilt als der Gründungstag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands; in Leipzig wurde damals auf Vorschlag von Ferdinand Lassalle der Allgemeine Deutsche Arbeiter-Verein (ADAV) gegründet und er selbst zum ersten Präsidenten gewählt. Die Bewegung ist älter Unbestritten ist, dass die ideologischen Wurzeln und auch die personellen Verknüpfungen des ADAV auf die Revolution 1848/49 zurückgreifen. Die auf Tafel 1 oben abgebildete Traditionsfahne des ADAV, die zum zehnjährigen Gründungsdatum 1873 entstand, spielt durch den in der Mitte der Fahne abgebildeten Handschlag auf die 1848 von Stephan Born gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung an, die den Handschlag als Symbol der Stärke und der Einheit verwandte. Aber auch die im Vormärz im Ausland (Schweiz, Frankreich Belgien, England) entstandenen Vereine wandernder deutscher Handwerkergesellen und emigrierter Intellektueller, wie z.B. Bund der Geächteten, Bund der Gerechten und der Bund der Kommunisten gehören zum „Vorhofflimmern1 der deutschen Arbeiterbewegung und der SPD. Die Hoffnungen Lassalles, der 1864 an den Folgen von Verletzungen, die er sich bei einem Duell zugezogen hatte, starb, auf ein schnelles Wachstum der neuen Partei erfüllten sich nicht. Zahlreiche Arbeitervereine in Deutschland, u.a. auch August Bebel mit seinem gewerblichen SPD-Mitgliedsbuch von Wilhelm Lawall, geboren am 27. 04. 1908, OV Dudweiler, Beitritt am 01. 07. 1925. Wilhelm Lawall war 1947 Mitglied bzw. stellvertretendes Mitglied der Verfassungskommission des Saarlandes. 1) Manuel Gogos, Vorhofflimmern – Charisma und Charismatiker der frühen Arbeiterbewegung, in: Anja Kruke/Meik Woyke (Hrsg.) Deutsche Sozialdemokratie in Bewegung 1848-1863-2013, Berlin 2012, S.16-27 13 Bildungsverein in Leipzig, schlossen sich dem ADAV nicht an. Machtkämpfe im ADAV in der Nachfolge Lassalles führten zu Abspaltungen. Autoritäre Führungsstrukturen im ADAV schreckten zusätzlich zahlreiche Arbeiter von der Mitgliedschaft ab. Politisch spalteten Streitpunkte über die Rolle der Gewerkschaften oder die Frage nach der nationalen Ausrichtung des Deutschen Reiches (mit oder ohne Österreich) die deutsche Arbeiterbewegung. 1869 entstand in Eisenach mit der von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) eine zweite sozialdemokratische Partei, die Spaltung vertiefte sich. Mit der „kleindeutschen“ Gründung des Deutschen Reiches 1871 fiel ein wesentlicher Streitpunkt zwischen den konkurrierenden Parteien weg. Vor allem aber die Erfahrungen der Unterdrückung durch staatliche Behörden, gesetzliche Maßnahmen und Unternehmerwillkür, die für beide Parteien gleich waren, ließ den Ruf nach Parteieinheit bei den Arbeitern immer deutlicher werden. Im Mai 1875 wurde schließlich auf dem Einigungsparteitag in Gotha die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) gegründet. Das Gedenkblatt zum Gothaer Einigungsparteitag (Tafel 1 Mitte) greift wieder das Symbol des Handschlags auf - Bildmitte oben -, was hier sicherlich auf die konkrete Einigungssituation bezogen ist. Neben der namentlichen Nennung der Kongressdelegierten sind führende Funktionäre beider ParteiSPD-Mitgliedskarte von Rudolf Strumm, sen., geboren am 27. 02. 1900, OV Elversberg, Beitritt am 29. en abgebildet. Friedlich neben einander 08. 1922. Er war von 1929 bis 1935 Vorsitzender des in der Bildmitte sind die ideologischen „Arbeiter-Theater-Verein Elversberg“. Von 1945 bis Väter der geeinten Sozialdemokratie ab1965 Vorsitzender der AWO-Altenwald, zeitweise Vorsitzender der SPD Altenwald und Stadtrat in Sulzgebildet: Karl Marx und Ferdinand Lassbach. alle. Friedrich Engels fehlt übrigens. Dieses Bild täuscht eine (ideologische) Einheit vor, die es in Wirklichkeit nicht gab. Marx und Engels hatten heftige Kritik am Gothaer Programmentwurf geübt. Für die Parteieinheit erwies sich das Gothaer Programm allerdings als eine gute Grundlage, der Aufstieg der Sozialdemokratie zur Massenpartei begann. Rückblickend hielt Bebel in seinen Erinnerungen fest: „…es war kein leichtes Stück, mit den beiden Alten in London sich zu verständigen.“2 Als das Erinnerungsblatt an den 50. Jahrestag der Gründung des ADAV 1903 erschien (Tafel 1 unten), war die SPD zur Massenpartei und die deutsche sozialistische Arbeiterbewegung zur Massenbewegung geworden. Am oberen Bildrand des Erinnerungsblattes sind die ideologischen Väter Engels, Lassalle und Marx abgebildet sowie die 2) August Bebel, Aus meinem Leben. Ungekürzte Ausgabe. Mit einer Einleitung von Brigitte Brandt, Berlin Bonn 1986, S.428. Dort auch die spannend zu lesende Darstellung der Vorgeschichte der Einigung, S.386ff. 14 Namen der Gründungsmitglieder des ADAV vom 23. Mai 1863 aufgeführt. Ihrer politischen Bedeutung für die Entwicklung der SPD entsprechend sind die Porträts von Wilhelm Liebknecht und August Bebel hervorgehoben. Die Quintessenz des Kommunistischen Manifests von 1848, „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“ steht in großen Lettern in der Bildmitte sowohl als historischer Hinweis auf die Wurzeln der SPD als auch als aktuelle Tageslosung, alle Proletarier in der sozialistischen Bewegung zu vereinen, wovon die deutsche Arbeiterbewegung 1903 trotz des schon gewonnenen Massenanhangs noch weit entfernt war. Dass die Arbeiterkultur, insbesondere auch der Arbeitergesang um die Jahrhundertwende eine große Rolle in der sozialistischen Arbeiterbewegung spielte, kommt durch das Bildnis dreier berühmter Arbeiterdichter und einem kurzen Auszug aus ihren bekannten Liedern (das Bundeslied von Georg Herwegh, die Arbeiter-Marsaillaise von Jakob Audorf und der Sozialistenmarsch von Max Kegel) zum Ausdruck. Abgerundet wird das Erinnerungsblatt an den beiden Außenseiten mit Porträts führender Sozialisten aus den Anfangsjahren der Bewegung und am unteren Bildrand mit Porträts 1903 aktuell führender SPD-Funktionäre. Die Anfänge der SPD Saar Von der Entwicklung der Sozialdemokratie in Deutschland, den beiden Parteigründungen 1863 und 1869 wurde in saarländischen Zeitungen zwar berichtet, das stetig wachsende Industrierevier an Saar und Blies blieb aber selbst weitgehend Mitgliedsbuch der „Naturfreundeheim - eingetragene unberührt von der neuen Bewegung. Bis Baugenossenschaft m.b.H.“ zum Bau des NaturEnde der 1860er Jahre sind einige Streiks freundehauses Kirkel mit Sitz in Saarbrücken von Paul Trapp, Saarbrücken, Beitritt am 15. 04. 1925. und gewerkschaftliche Gründungsversuche nachweisbar. ADAV und SDAP begannen zunächst vergebens ihre Fühler im Saarrevier auszustrecken. Über den Versuch hinaus, Namen von vertrauenswürdigen (Berg-)Arbeitern als Ansprechpartner im Saarrevier zu erhalten, ist nichts bekannt. Als eine der ersten bekannten nachweisbaren Aktionen gilt eine am 4. August 1872 im Baldes’schen Braustübl in der St. Johanner Bahnhofstraße durchgeführte öffentliche sozialdemokratische Versammlung (Tafel 2 oben und Mitte). Die Anfänge der sozialdemokratischen Bewegung müssen aber schon früher liegen. Immerhin wurde die Versammlung eingeladen von einem Schreiner aus St. Johann, Ernst Zimmermann, der vorher von der Eisenbahnwerkstätte in St. Johann 15 entlassen worden war. Er muss zur Durchführung der Veranstaltung den Kontakt hergestellt haben, entweder zum Vorstand der SDAP oder direkt zu den beiden Wanderagitatoren, die aus Mainz nach St. Johann gekommen waren, aber darüber wissen wir nichts. Über die Versammlung wurde sowohl in saarländischen Zeitungen als auch im „Volksstaat“, der Zeitung der SDAP (Tafel 2 Mitte) ausführlich berichtet. Die beiden Wanderagitatoren - damals eine übliche Methode die Ideen und Ziele der Sozialdemokratie zu verbreiten - Josef Leyendecker und Anton Zierfaß waren sowohl in der SDAP als auch in Gewerkschaftsorganisationen aktiv und überregional bekannt. Der Korrespondent des „Volksstaats“, der aus St. Johann berichtete, meldete, dass „die Herren Leyendecker und Zierfaß“ über die Arbeiterbewegung referierten. „Die Redner wiesen nach, wie bei den heutigen Zuständen überall das Bedürfnis und die Nothwendigkeit hervortrete, daß die ArTeilnehmerkarte vom Jugend-Sport-Fest des „Arbeiter-Turn- und Sportbundes, Landesverband Saargebiet beiter sich zu Genossenschaften vereie.V.“ am 8. Juli 1934 in Güdingen von Herbert Veit nigten…“ und die Versammlung beaus Sulzbach-Altenwald. schließt „sofort zur Gründung von Gewerkschaften zu schreiten …“ Nach dem Bericht im „Volksstaat“, der von Ernst Zimmermann stammt, erläutert Leyendecker am Beispiel eines Artikels der liberalen Saarbrücker Zeitung die „Corrumpirtheit der heutigen Presse“ und ging auf „eine hier stattgefundene Maßregelung resp. Entlassung ...“ ein; es dürfte unstrittig sein, dass damit die Entlassung Zimmermanns aus der Königlich Preußischen Eisenbahnwerkstätte gemeint war. Der Redner schloss mit den Worten: „Auch hier beginnt die Dämmerung zu weichen“. In der Folgezeit lassen sich in St. Johann und Saarbrücken, kaum darüber hinaus, kleinere Aktivitäten einer sozialdemokratischen Bewegung belegen. Die Reichstagswahl 1877 Zu verstärkten, nachweisbaren Aktivitäten kam es erst 1876/77 wieder. In St. JohannSaarbrücken hatte sich eine kleine Parteigruppe als Verein konstituiert, dessen Vorsitzender der schon bekannte Ernst Zimmermann war. Gleichzeitig wurde die Bewegung durch das erneute Auftreten von Wanderagitatoren belebt. Im Frühjahr 1876 agitierte der Uhrmacher Carl Rudolph Hackenberger in den Saarstädten, wurde aber schon 16 bald wegen „Aufreizung zum Klassenhaß“ angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Hackenberger, der ursprünglich aus Marienburg in Westpreußen stammte und nachweislich dort schon für die Sozialdemokratie tätig war, hatte sich als Vorsitzender des Arbeiterbildungsvereins Pforzheim und als viel gefragter Wanderredner einen Namen gemacht. Hackenberger war auch der erste Kandidat, der in einem saarländischen Reichstagswahlkreis als Zählkandidat für die Sozialdemokratie aufgestellt wurde. Der inhaftierte Hackenberger wurde im Wahlkreis Saarbrücken zur Reichstagswahl vom 11. Januar 1877 aufgestellt und erhielt im gesamten Wahlkreis 324 Stimmen, 240 davon im Bereich der späteren Großstadt Saarbrücken. Vereinzelte Stimmen für Hackenberger wurden aber auch in Bergarbeiterdörfern (Dudweiler, Quierschied, Püttlingen, Altenkessel und Sulzbach-Altenwald) abgegeben. Dies ließ die Königliche Bergwerksdirektion Saarbrücken hellhörig werden, wollte sie doch auf jeden Fall und mit jedem Mittel ein Übergreifen der sozialdemokratischen Bewegung auf die Bergarbeiterbevölkerung verhindern. Mitgliedskarte der „Einheitsfront für den Status Quo“ mit den Unterschriften von Max Braun (SPD) und Fritz Pfordt (KPD-Saar). Die Freie Volksstimme Mit dem Zuzug des jungen, aus Braunschweig stammenden, Agitators Harry Kaulitz nach St. Johann im Januar 1877 erhielt die sozialistische Bewegung an der Saar eine neue Qualität. So fand unter seiner Leitung im April 1877 erstmals eine öffentliche 17 Geburtstagsfeier im Gedenken an Ferdinand Lassalle im Saarrevier statt und Kaulitz nahm im Mai 1877 als erster Delegierter aus dem Saarrevier für St. Johann an dem Parteitag der SAP (Sozialistische Arbeiterpartei) teil. Höhepunkt und gleichzeitig Anfang vom Ende dieser Entwicklungsphase der saarländischen Sozialdemokratie stellt die von Kaulitz und dem inzwischen aus der haft entlassenen Hackenberger gemeinsam verantwortete Herausgabe der ersten sozialistischen Zeitung im Saarrevier, „Freie Volksstimme - Organ für die Bevölkerung des Saar-Gebiets“ dar. Erstmals werden auf Tafel 2 unten komplette Seiten dieser Zeitung, Seite 1 und Seite 4 der Nr. 1 vom 1. Juli 1877 nachgedruckt. Interessant ist besonders Seite 4. Die Versammlungsankündigungen zeigen die große Aktionsdichte der beiden Agitatoren Kaulitz und Hackenberger. Im Zeitraum 30. Juni bis 8. Juli 1877 werden zwei Sitzungen der „Preß-Commission“ der „Freie Volksstimme“ und fünf öffentliche Versammlungen angekündigt. Überraschend ist die hohe Anzahl von Anzeigen lokaler Gewerbetreibender. Zehn Annoncen von Geschäftsleuten aus St. Johann, Saarbrücken und Malstatt-Burbach sind abgedruckt. Teilweise lassen sich die Geschäftsleute als aktive Sozialdemokraten und Mitglieder der „Preß-Commission“ identifizieren. Das Erscheinen der Zeitung „Freie Volksstimme“, aber auch der Versuch der Sozialdemokratie, ihre Versammlungen auf die Wohnorte der Bergleute auszudehnen, rief den konzertierten Widerstand staatlicher Behörden und großer saarländischer Arbeitgeber gegen die Sozialdemokratie an der Saar hervor. Mitgliedsbuch der „Union des Réfugiés Sarrois en France“ (Vereinigung der Saar-Flüchtlinge in Frankreich) von Wilhelm Lawall, Verwaltungssekretär aus Dudweiler. Er war 1935 mit seiner Frau Herta nach Mirande im Departement Gers in Frankreich emigriert. Die Karte trägt die Unterschrift des Vorsitzenden Karl Mössinger (SPD). Das „Sozialistengesetz“ der Saarindustrie Schon im Frühjahr 1877 hatten die Behörden mit Hausdurchsuchungen bei bekannten Sozialdemokraten und der polizeilichen Auflösung sozialdemokratischer Versammlungen versucht, die Bewegung zu ersticken. Am 6. Juli 1877 holten die privaten und staatlichen Arbeitgeber an der Saar bei Anwesenheit des Saarbrücker Landrats von Geldern zum großen Schlag aus: sie beschlossen das sog. Sozialistengesetz der Saarindustrie (Tafel 3 Mitte). Es war natürlich kein Gesetz im formalen Sinn wie etwa das 18 Bismarck’sche Sozialistengesetz vom Oktober 1878, das durch den Reichstag beschlossen wurde. Es war eine private Absprache aller bedeutenden Arbeitgeber im Saarrevier, auch der staatlichen, vor allem des Preußischen Bergfiskus, zur kompromisslosen, vor rechtswidrigen Maßnahmen nicht zurück scheuenden Unterdrückung jeder Art von eigenständiger Arbeiterbewegung oder deren Unterstützung durch Dritte, z.B. durch die Bereitstellung von Versammlungslokalen. Die Durchsetzung dieser Absprache wurde auch von staatlichen Behörden (Landrat, Polizeibehörden, Bergbehörde) unterstützt; effektive Gegenwehr oder gar Rechtsmittel gab es für Betroffene nicht, wie sich in der Folgezeit zeigen sollte. Spiritus rector dieser umfassenden Unterdrückungsmaßnahmen war der Neunkircher Hüttenindustrielle und Reichstagsabgeordnete Carl Ferdinand Stumm (Tafel 3 unten). Rücksichtslos, egoistisch, seine Marktmacht missbräuchlich ausnutzend und gewissenlos auch gesetzliche Schranken und Rechte DritQuittung über 0,50 Reichsmark (RM) Aufnahmegebühr ter missachtend hat er im Kampf gegen und 0,50 RM Mitgliedsbeitrag für den am 01. 06. 1946 dem Ortsverein Otzenhausen der SPD beigetretenen die sozialistische Arbeiterbewegung im späteren Nonnweiler Bürgermeister Egon Meier, geSaarrevier die Grundlagen für ein, über boren am 02. 01. 1925. Otzenhausen gehörte ab dem seinen Tod hinaus wirksames System der 1. 8. 1946 zum Saarland, der Ortsverein gehörte zuvor zum Unterbezirk Trier im Bezirk Obere Rheinprovinz. Rechtlosigkeit, Ausbeutung und sozial verbrämten Unterdrückung (Wohlfahrtseinrichtungen) initiiert. Die Definitionsmacht darüber, wer als Sozialdemokrat anzusehen ist und welche Handlungen durch das sog. Sozialistengesetz der Saarindustrie sanktionswürdig sind, behielt er sich vor. „Saarabien“ und „Deutschrußland“ waren weit über die sozialistische Arbeiterbewegung hinaus reichsweit gebräuchliche Synonyme für die politische Unterdrückungskultur im „Königreich Stumm“. Alle fünf Redakteure der „Freie Volksstimme“ gehörten zu den ersten Opfern der Sozialistenhatz im Saarrevier. Die „Freie Volksstimme“ musste nach der siebten Ausgabe ihr Erscheinen einstellen. An den beiden Hauptagitatoren wurde ein abschreckendes Exempel statuiert, sie wurden zu je zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Wirksam aber war das System. Über viele Jahre fanden sozialdemokratische und gewerkschaftliche Aktivitäten im Saarrevier fast nur noch im Untergrund statt. Bismarcks Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie - 1878 bis 1890 - (vgl. Tafel 3 oben) fand im Saarrevier kaum noch Sozialdemokraten vor. Die Zeichnung auf Tafel 3 oben stammt von Robert Holoch aus dem Jahr 1879. Der Künstler hat Bismarck zahlreiche Maßnahmen, die vom Reichskanzler gegen politische Gegner, besonders auch die sozialistische Arbeiterbewegung initiiert waren, bzw. gegen diese wirkten, im wahrsten Sinne des Wortes ins Gesicht geschrieben. Neben Polizeispitzeln oder der Bestechung von Journalisten durch den Reptilienfond nimmt das Sozialistengesetz mit seinen Möglichkeiten der Ausweisungen von sozialdemokratischen Agitatoren aus ihrer Heimatstadt und des kleinen Belagerungszustandes über Zentren der Sozialdemokratie, eine zentrale Rolle ein. 19 Die „Große Streikzeit“ Das Auslaufen des Bismarck’schen Sozialistengesetztes zum 30. September 1890 spielte für die Sozialdemokratie im Saarrevier wegen der Fortdauer des regionalen „Sozialistengesetzes“ nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings gelang der Sozialdemokratie und den freien Gewerkschaften im Windschatten der „Großen Streikzeit“ 1889 bis 1893 ein kurzer neuer Aufschwung. Miserable Lohnverhältnisse, lange Arbeitszeiten, schlechte Behandlung durch die Vorgesetzten und ein weit verbreitetes System von Bestechlichkeit und Korruption bildeten den Nährboden für das massenhafte Aufbegehren der Saarbergleute. Erstmals in der Geschichte des Saarbergbaus nahmen die Bergleute die Durchsetzung ihrer Rechte selbst in die Hand. Streikrecht, Koalitionsfreiheit, Versammlungs- und Pressefreiheit, ja, die Behandlung als gleichberechtigter Mensch standen für sie, wie auch für die Arbeiter in der Hüttenindustrie an der Saar, bisher nur auf dem Papier. Mit dem Rechtsschutzverein (RSV) der Saarbergleute und in dessen Schatten dem „Alten Verband“, dem freigewerkschaftlichen Bergarbeiterverband (Tafel 4 oben), gelang es erstmals eigenständige Organisationen mit Massenanhang an der Saar zu bilden. Das Foto auf Tafel 4 oben, das die Delegierten des 1. Bergarbeitertages in Halle 1890 zeigt, ist von besonderem Interesse für die saarländische Bergarbeiterbewegung, weil nicht weniger als zwölf Delegierte aus dem Saarrevier (elf aus dem preußischen Teil und ein Vertreter aus St. Ingbert) abgebildet sind. Vorläufiger Ausweis der „Sozialdemokratischen Partei Bezirk Saar“ des Verwaltungsangestellten Josef Hoffmann, geboren am 06. 08. 1920, OV Sulzbach, Beitritt am 01. 04. 1946. 20 Anfangs von der Zentrumspartei in Person des Trierer Kaplans Georg Friedrich Dasbach gefördert, entzogen Zentrum und Katholische Kirche der Bergarbeiterbewegung ihre Unterstützung und verteufelte sie als „sozialdemokratisch“, je mehr sie Eigenständigkeit und Selbstbestimmung zu wahren versuchte. Wie groß das Verlangen speziell unter den Bergarbeitern nach einer eigenständigen, unabhängigen Interessenvertretung war, zeigen die Ergebnisse der Reichstagswahl vom 20. Februar 1890, als Vertreter des Rechtschutzvereins (RSV) als Arbeiterkandidaten - nicht als Kandidaten der SPD, die aber im Gegensatz zum Zentrum auf die Aufstellung eigener Kandidaten verzichtete - in den preußischen Reichstagswahlkreisen an der Saar kandidierten und beachtliche Stimmenergebnisse erzielten. Der Führer des RSVs, Nikolaus Warken, verpasste im Wahlkreis Saarbrücken nur knapp die Stichwahl gegen Bergrat Pfaehler, der das Mandat für die Nationalliberalen mit knapper absoluter Mehrheit gewann. Im Windschatten der Bergarbeiterbewegung startete auch die SPD einen neuen Versuch, im Saarindustrierevier Fuß zu fassen. Mit dem aus Frankfurt/Main ins Saarrevier beorderten Metallarbeiter Leopold Emmel (Tafel 4 unten) schickte der Parteivorstand einen erfahrenen Funktionär, der mit Hilfe einheimischer Sozialdemokraten versuchte, eine gefestigte Struktur für den Aufstieg der Saar-SPD zu formen. Es gelang zwar, mit der Zeitung „Bote von der Saar“ über zwei JahMitgliedskarte der „Sozialdemokratischen Partei Saar“ re hinweg zum zweiten Mal eine saarlänvon Heinrich Müller, geboren am 22. 05. 1909, OV Güdingen, Beitritt am 01. 12. 1945. dische SPD-Zeitung herauszugeben, zahlreiche Versammlungen mit überregional bekannten Sozialdemokraten, u.a. mit Wilhelm Liebknecht und dem „Roten Pfalzgraf“ Franz Josef Ehrhart und als Höhepunkt eine Versammlung mit dem Parteivorsitzenden August Bebel im Bildstocker Rechtsschutzsaal (Tafel 4 Mitte) durchzuführen und ein gewisser, wenngleich auch kein bestimmender Einfluss im RSV konnte durch die Sozialdemokratie errungen werden. Auch nahm mit dem rührigen Dudweiler Sozialdemokraten Nikolaus Fries erstmals ein Saarländer als Delegierter an einem Parteitag der deutschen Sozialdemokratie, am Erfurter Parteitag 1891, teil. Eine langfristige Stabilisierung der Partei im Saarrevier misslang aber. Mit dem Niedergang des RSVs und der brutalen Unterdrückung jeglicher Formen autonomer (Berg-)Arbeiterbewegung durch die Königliche Bergwerksdirektion, den preußischen Behördenapparat und das Arbeitgeberkomitee unter Führung von Stumm, die die Regelungen des „Sozialistengesetzes“ der Saarin- 21 dustrie auch weiterhin für gültig erklärten und rücksichtslos umsetzten, ging auch der kurze Aufschwung der Sozialdemokratie zu Ende. Die Ansätze der sozialistischen und gewerkschaftlichen Bewegung an der Saar wurden zerschlagen und auf einige wenige Akteure aus Handwerksberufen im Bereich der Städte St. Johann und Saarbrücken reduziert. Die Saarregion war für die SPD wieder „terra incognita“, wie Bebel schon 1891 in einem Schreiben an den Redakteur des Organs des RSVs „Schlägel und Eisen“, Peter Braun, formuliert hatte. Ära Stumm Das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wird auch „Ära Stumm“ genannt, weil der SPS-Mitgliedsbuch, Nummer 14335, von Heinz saarländische Hüttenindustrielle reichsGrandmontagne, geboren am 05. 04. 1922, OV Altweit, aber auch im Saarrevier den HöheSaarbrücken, Beitritt am 31. 08. 1954. Heinz punkt seines politischen Einflusses erGrandmontagne war Geschäftsführer der SAAR MESSE. reicht hatte. In diesem Zenit deutete sich aber auch der Niedergang seines „patriarchalischen Despotismus“, des Systems Stumm, an. Zwar blieb das „Sozialistengesetz“ der Saarindustrie weiter in Kraft und die großen freien Gewerkschaften der Berg- und Metallarbeiter konnten im hoch industrialisierten Saarrevier kaum Mitglieder gewinnen. Aber in den Saarstädten St. Johann und Saarbrücken bildeten die Handwerkergewerkschaften, insbesondere im Baubereich (Maurer, Holzarbeiter, Tischler, Zimmerleute), stabile gewerkschaftliche Strukturen. So wurde Ende des 19. Jahrhunderts in St. Johann ein Gewerkschaftskartell der freien Gewerkschaften gegründet. Auch die Sozialdemokratie konnte ab der Jahrhundertwende, weiterhin mit dem klaren Schwerpunkt im Bereich St. Johann-Saarbrücken, wieder Tritt fassen. 1898 wurde in St. Johann ein Sozialdemokratischer Wahlverein gegründet, in St. Ingbert entstand 1899 ein sozialdemokratischer Verein. Osterroth, Böckler und Co. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts trugen Nikolaus Osterroth, ein entlassener Bergmann aus der Pfalz, der spätere DGB-Vorsitzende Hans Böckler, der Ende 1903 als Angestellter des Deutschen Metallarbeiterverbandes aus Fürth ins Saarrevier kam (Tafel 6 oben und Mitte) und Hans Portenkirchner, ein Funktionär des Bergarbeiterverbandes, der ab 1904 das Arbeitersekretariat St. Johann leitete, die Hauptlast beim 22 Aufbau sozialdemokratischer und freigewerkschaftlicher Strukturen. Im August 1903 wurde mit Nikolaus Osterroth an der Spitze das Agitationskomitee für das preußische Saarrevier, die bayrische Saarpfalz und den Wahlkreis Saargemünd gegründet, man kann vom Gründungsdatum des Landesverbands Saar der SPD sprechen. Ab 1905 erschien für vier Jahre zum dritten Mal eine saarländische SPD-Zeitung, „Saarwacht“. Trotz all dieser Bemühungen blieben die Erfolge sehr begrenzt, die Zahl der SPDMitglieder im Saarrevier vor 1914 blieb deutlich unter 1000. „Saarabien“ vor Gericht Nach Stumms Tod 1901 hatten der Vorsitzende der Bergwerksdirektion Ewald Hilger (Tafel 5 Mitte) und der Syndikus der Handelskammer Saarbrücken Dr. Alexander Tille (Tafel 6 unten) dessen sozialpolitisches Erbe als Kämpfer gegen sozialdemokratische Umtriebe übernommen. Hilger, von seinen Gegnern spöttisch „Saarbismarck“ genannt, wurde mit seinen Unterdrückungsmethoden, mit dem System der Schwarzen Listen, Wahlbeeinflussungen und Korruptionspraktiken (Tafel 5 oben und unten, 7 oben) im Hilger-Krämer-Prozess bloß gestellt. Zwar gewann er formaljuristisch den Prozess gegen den ehemaligen Bergmann und Sozialdemokraten Karl Krämer, der entlassen worden war, weil er in St. Ingbert eine Versammlung des Bergarbeiterverbandes besucht hatte. Als aber der sozialdemokratische Vorwärts-Verlag den Prozessbericht als Broschüre „Saarabien vor Gericht“ (Tafel 5 Mitte) verbreitet, wurde das Klima der Einschüchterung, der „Stickluft“, die keinen Raum für freies Atmen ließ, wie es der damals schon renommierte deutsche Soziologe Max Weber ausdrückte, im ganzen Reich bekannt und Hilger nahm seinen Abschied vom Vorsitz der Bergwerksdirektion Saarbrücken; er verließ das Saarrevier Richtung Oberschlesien, wo er zukünftig seine sozialpolitischen Heilslehren als Direktor der Laurahütte verbreitete. Die Risse, die das saarabische System vor 1914 erhielt, die kleinen Erfolge der Sozialdemokratie auch außerhalb der Großstadt Saarbrücken - so wurden sozialdemokratische Vereine gegründet u.a. in Neunkirchen, Illingen, Schiffweiler, Blieskastel und Homburg - brachten das System aber vor 1918 nicht zu Fall. Reichstagswahl 1912 Während die Sozialdemokratie bei der Reichstagswahl im Januar 1912 (Tafel 7 Mitte) einen großen Erfolg errang, 110 Abgeordnete im Reichstag stellte und erstmals auch prozentual die meisten Wählerstimmen aller Parteien errang, blieb das Preußische Saarrevier für die Sozialdemokratie Diaspora. Die kümmerlichen 7,8 Prozent der Stimmen im Wahlkreis Saarbrücken, waren noch das deutlich beste Wahlergebnis in den drei preußischen Saarwahlkreisen. Wesentlich besser, wenn auch deutlich hinter dem Reichsdurchschnitt von 34,8%, waren die Ergebnisse in der bayerischen Saarpfalz (Tafel 7 unten). 23 Das Saargebiet entsteht Die Entstehung des Saargebietes nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg erfolgte in mehreren Schritten. Während die Saarländer bei den Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung in Weimar im Januar 1919 noch mitwählten, verfolgten französische Politiker zunächst unverhohlen eine Annexionspolitik, die die Saarregion unter der französischen Bezeichnung „Sarre“ bereits als französisches Département betrachtete. Die preußisch-deutschen und bayerischen Briefmarken mit der Germania und dem Bild König Ludwigs III. zeigen dies durch den Aufdruck „Sarre“ (Tafel 8 Mitte) ebenso wie das große Denkmal in Verdun, wo die Saar unter den Namen der französischen Départements rangiert: Freilich konnte die französische Politik diese harte Linie gegenüber den britischen und amerikanischen Alliierten nicht durchsetzen und das neu gebildete Land an der Saar wurde unter dem Namen Saargebiet der Verwaltung des neu gegründeten Völkerbundes in Genf unterstellt; in der Regierungskommission hatte in den ersten Jahren ein Franzose - 1920 bis 1926 Victor Rault den Vorsitz, was die dominierende Stellung Frankreichs an der Saar deutlich zeigt; in der Regierungskommission war auch ein Saarländer vertreten, so ab 1924 Bartholomäus Koßmann. Die französische Währung wurde 1922 schrittweise im Saargebiet eingeführt (vgl. die Briefmarken, Tafel 8 Mitte), was die saarländische Bevölkerung vor der im Deutschen Reich nun galoppierenden Inflation bewahrte. SAJ-Mitgliedskarte, Nummer F 62, von Heinz Grandmontagne, Ortsverband „Viktor Adler“ in Saarbrücken, Beitritt am 10. 02. 1955. Militärische und paramilitärische Einheiten Der Einsatz französischen Militärs während der „Spartakuskrawalle“ (Tafel 8 oben) und die Stationierung nordafrikanischer Kolonialtruppen als französische Besatzungssoldaten an der Saar zeugt einerseits nicht gerade von feinem Fingerspitzengefühl der französischen Militärregierung und der Regierungskommission des Völkerbundes, hatte man sich doch noch wenige Jahre zuvor erbittert im Schützengraben gegenübergelegen; andererseits lassen sich manche Reaktionen der saarländischen Öffentlichkeit im Umgang mit den ausländischen Truppen nur rassistisch deuten. 24 Das Bild, das beim Pfingsttreffen des Rotfrontkämpferbundes 1930 in Neunkirchen entstand (Tafel 8 unten), ist eine der wenigen erhaltenen Photographien, die die paramilitärisch organisierten Einheiten der verschiedenen Parteien zeigen. Diese hatten die Aufgabe des Ordnungsdienstes bei größeren Veranstaltungen; es kam aber immer wieder, vor allem zwischen Angehörigen des kommunistischen Rotfrontkämpferbundes und der nationalsozialistischen Sturm-Abteilung (SA) zu Schlägereien in Wirtshäusern und auf der Straße; so konnten auch die tragenden Parteien der Weimarer Republik (SPD, Zentrum) nicht darauf verzichten, als friedliches Pendant zu den genannten Institutionen das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold aufzustellen, das es auch im Saargebiet gab, wo sich freilich das Zentrum nicht daran beteiligte. Mitgliedskarte Nummer 202 der „Arbeiter-Wohlfahrt für das Saarland e. V.“, Ortsgruppe Dudweiler, von Wilhelm Lawall. Die Sozialdemokratische Partei des Saargebiets Die Niederlage im Ersten Weltkrieg brachte es mit sich, dass die SPD nun schnell die Ziele erreichte, für die sie im Kaiserreich so lange und unermüdlich gekämpft hatte (Demokratie, Achtstundentag, Betriebsräte, Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften, Frauenwahlrecht, eine moderne Zivilgesellschaft). Es war selbstverständlich, dass sich Sozialdemokraten an dem kurzen Zwischenspiel der Arbeiter- und Soldatenräte im November 1918 beteiligten, das bis heute erst in Ansätzen erforscht ist. Es ist kein Zufall, dass zahlreiche Ortsvereine der SPD an der Saar Ende 1918 oder im Verlauf des Jahres 1919 entstanden sind, denn erst jetzt konnte man sich ohne Schikanierung durch Behörden und Polizei selbst organisieren. 25 Trotz aller materiellen Not in der Arbeiterschaft bei der Stillung unmittelbarer menschlicher Grundbedürfnisse - Hunger, Kleidung, Wohnverhältnisse - , besonders in der unmittelbaren Nachkriegszeit und dann wieder verstärkt durch die Arbeitslosigkeit in Folge der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre können diese Jahre doch auch als Blütezeit der Arbeiterkulturbewegung gelten: Große Teile der arbeitenden Bevölkerung engagierte sich aus eigenem Antrieb in Sport- und Musikvereinen (Tafel 10 Mitte) und in der Arbeiterwohlfahrt (Tafel 11), die sich den Idealen einer sozialen und demokratischen Gesellschaft verschrieben und somit zur Verbreitung und Festigung des auf friedlichen Interessenausgleich nach außen und innen gerichteten Gedankenguts beitrugen. Als Wermutstropfen in dieser an sich erfreulichen Entwicklung kann die Spaltung der linken Arbeiterschaft in Kommunisten und Sozialdemokraten gewertet werden. Auf Kosten der auf Ausgleich bedachten SPD konnte die stärker gegen das katholische Zentrum und die aufkommenden Nationalsozialisten polarisierende KP des Saargebietes immer mehr politischen Einfluss gewinnen (Tafel 9 Mitte); die Zerstrittenheit der Arbeiterparteien trug sicher auch zur späten Gründung der Einheitsfront und zur Niederlage gegen den Nationalsozialismus bei. Die SPD im Saarrevier vor 1933 Die SPD verlor nach 1928 mit Beginn der Weltwirtschaftskrise deutlich an Mitgliedern und Wählern. Der 1918/19 vollzogene Einbruch in die Übermacht des Zentrums im Saarrevier ging endgültig verloren. Wenn auch nicht ganz so drastisch wie vor 1914, waren die ländlich und katholisch strukturierten Gebiete der Kreise Merzig, Saarlouis und St. Wendel wieder Diaspora für die Sozialdemokratie. Zentren der SPD blieben stark evangelisch geprägte Arbeiterbauerndörfer und städtische Strukturen, insbesondere Saarbrücken mit seinen Umlandgemeinden. Zwischen Zentrum und der stark anwachsenden KPD/ Saar verlor die SPD zunehmend Wählerpotential. Aus dem 1925 im Saargebiet gegründeten Reichsbanner entstand 1932 die „Eiserne Front“ (Tafel 12 oben), die kämpferisch-aktionistisch gegen die immer offener auftretenden Nationalsozialisten Demokratie, Sozialismus und die Republik verteidigen wollte. Fritz Dobisch war als Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Saargebiet (ADGB) ein einflussreicher Funktionär im SPD-Vorstand, zeitweise SPD-Stadtverordneter in Saarbrücken, übernahm er persönlich die Vertretung des ADGB in der „Eisernen Front“. Die 1933 anlässlich des 25 jährigen Bestehens der SPD-Zeitung „Volksstimme“ veröffentlichte Kollage der führenden SPD-Funktionäre zeigt durch die Hervorhebung des Fotos von Max Braun, seit 1929 Vorsitzender der Saarsozialdemokraten, seine eindeutig dominierende Position. Mit Meta Wodarczak, ab 1933 im Bezirksvorstand der Saar-SPD und Vorsitzende der Frauenkommission, ist nur eine Frau abgebildet, was die starke Unterrepräsentanz von Frauen in der SPD im Saargebiet drastisch verdeutlicht. Max Braun ist es zu verdanken, dass die SPDSaar in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre die nationale, teils nationalistische Ein- 26 heitsfront mit den bürgerlichen Parteien von Anfang der 1920er Jahre aufgab und eine Politik der Verständigung und Aussöhnung mit Frankreich vertrat. Auch die Erhaltung der Demokratie als politisches System in Deutschland erhielt für Max Braun zunehmend Bedeutung. „Wenn Deutschland eine ‚Hitler-Regierung‘ bekäme, spekulierte er bereits öffentlich im Oktober 1932, ‚dann wäre es noch besser, einer selbständigen Rheinlandrepublik anzugehören und das Saargebiet würde es sich überlegen müssen, ob es sich dieser anschlösse oder beim Völkerbund verbliebe‘“.3 Der saarländische BAV-Vorsitzende Julius Schwarz (Tafel 12 unten), auch viele Jahre stellvertretender Vorsitzender der Saar-SPD, gehörte zum konservativen, nationalen Flügel der Saar-Sozialdemokraten. Spätere Versuche der Deutschen Front ihn und andere führende Gewerkschafter mit Hinweis auf ihre nationale Treue zum deutschen Vaterland von der SPD zu trennen, misslangen eindeutig. Mitgliedskarte des „Touristen-Verein - DIE NATURFREUNDE e. V., Landesleitung Saarland“, Ortsgruppe Dudweiler, von Herta Lawall. Herta Lawall war auch Mitglied der AWO und nach 1945 einige Jahre auch Mitglied des AWOLandesvorstandes. Nie zu Hitler Die Saar-Sozialdemokraten waren, daran ließen sie nie einen Zweifel, deutsche Sozialdemokraten; das Votum für die Rückgliederung nach Deutschland in der für 1935 geplanten Volksabstimmung war in der gesamten Völkerbundzeit unstrittig - bis zum 3) Zitiert nach Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann, Milieus und Widerstand. Eine Verhaltensgeschichte der Gesellschaft im Nationalsozialismus , Bonn 1995, S.200. 27 30. Januar 1933. Erst nach der Machteinsetzung Hitlers durch Reichspräsident Hindenburg und der gewaltsamen Zerschlagung der Demokratie in Deutschland im ersten Halbjahr 1933 führte der Diskussionsprozess in der saarländischen Sozialdemokratie zu der Entscheidung, eine Rückkehr zu Nazi-Deutschland strikt abzulehnen. Dies verkündete der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei des Saargebiets Max Braun Anfang August 1933 in Sulzbach. Auf der großen antifaschistischen Kundgebung der SPD am 27. August 1933 in Neunkirchen (Tafel 13, 2 Abb. oben) bekräftigte er die Entscheidung. Zunächst versuchte die Saar-SPD den Völkerbund zu einer Verschiebung der Abstimmung von 1935 zu bewegen, in der Hoffnung, dass Hitler in ein paar Jahren Mitgliedsbuch der „Einheitsgewerkschaft der Arbeiabgewirtschaftet habe und nicht mehr an ter, Angestellten und Beamten Saarland“ von Wilhelm Lawall. Wilhelm Lawall war am 12. 01. 1946 dem der Macht sei. Dann könnte die AbstimIndustrieverband (IV) Öffentliche Betriebe und Vermung frei und unbeeinflusst mit einem waltungen, Ortsverwaltung Saarbrücken beigetreten. klaren Votum zur Rückkehr nach Deutschland durchgeführt werden. Angesichts der raschen Machtstabilisierung des NS-Systems in Deutschland und der fehlenden Bereitschaft des Völkerbunds sich wegen des kleinen Saargebiets mit der neuen Reichsregierung anzulegen, war diese Hoffnung nur eine Illusion, die keine reale Grundlage hatte. Es war seitens der SPdS auch die Hoffnung, nicht vor die sehr schwierige Entscheidung für den Status quo gestellt zu werden. Am 12. November 1933 hatte sich die Saar-SPD auf einem außerordentlichen Parteitag von der SOPADE (so nannte sich die SPD im Exil) mit deren Billigung getrennt. Seitdem nannte sie sich „Sozialdemokratische Landespartei des Saargebiete“ (SPdS). Die unter der Führung der NSDAP im Laufe des Jahres 1933 gebildete Deutsche Front vertrat eine zunehmend aggressiv gewaltsame Strategie der Ausgrenzung aller Organisationen und Personen, die nicht bedingungslos für die Rückkehr der Saar zu Hitlerdeutschland eintraten. Das symbolische Aufhängen von Puppen, denen das Namensschild „Max Braun“ oder „Status quo“ umhing, wurde vieler Orts im Saargebiet als Drohung und zur Abschreckung gegen potentielle Status-quo-Anhänger praktiziert. Tafel 13 zeigt in der Mitte eine solche Situation. Am Giebel des früheren „Judenhauses“, Besitzer Oppenheimer, in der heutigen Marktstraße in Lebach. Egon Gross, der das Bild zur Verfügung stellte, datiert die Aufnahme auf vermutlich Ende 1934. Zu 28 dieser Zeit könnte das Haus schon im Besitz des späteren NSDAP-Ortsgruppenleiters Willi Riehm gewesen sein. Betreuung der Emigranten Nach der Machteinsetzung Hitlers flohen zahlreiche Menschen, die politisch oder rassisch verfolgt wurden, aus Deutschland ins Saargebiet. Ein Teil der Emigranten, vornehmlich die politisch Verfolgten, engagierten sich im Abstimmungskampf auf Seiten der Status-quo-Bewegung. Aber auch die soziale Betreuung der Emigranten, die Versorgung mit Essen, Unterkunft, ein wenig Geld oder, was in seltenen Fällen gelang, die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes, stellten die antifaschistischen Organisationen vor fast unlösbare Probleme. Marie Juchacz, selbst Emigrantin (Tafel 13 unten, Aufnahme ca. 1922), langjährige SPD-Reichstagsabgeordnete und 1919 Mitbegründerin der Arbeiterwohlfahrt in Deutschland, bot in Räumen in der Saarbrücker Bahnhofstraße 80, 2. Etage, günstiges Essen und einen Platz zum Verweilen, zum Meinungsaustausch und zur Information („Interessante Zeitungen des In- und Auslandes“) an. Mehrere Zeitzeugen haben diese Emigrantenhilfe in ihren Erinnerungen gewürdigt. Neben Margarete Buber-Neumann u.a. auch Karl Retzlaw, der in seiner Autobiografie „Spartacus“ schreibt, „Morgens und mittags ging ich in ein Lokal gegenüber dem Bahnhof, wo ich wie eilige Reisende morgens Kaffee und mittags einen Teller Kartoffel-, Linsen- oder Erbsensuppe erhalten konnte. Allerdings musste unkomfortabel im Stehen gegessen werden. All dieses änderte sich erst zum besseren als … Marie Juchacz … im Zentrum der Stadt ein Café eröffnete. Hier war es möglich Zeitungen und Zeitschriften zu lesen und sich mit Bekannten und auswärtigen Besuchern zu verabreden. Doch war es nicht ganz gefahrlos, Gestapospitzel fotografierten die Besucher…“. Die Einheitsfront gegen Hitler, für den Status quo Nachdem deutlich wurde, dass der Völkerbund an der Abstimmung 1935 festhalten wird, begann bei den Sozialdemokraten und Kommunisten - dort verbunden mit personellen Veränderungen im Führungskader - das Umdenken in Richtung Status quo: 1935 gegen die Rückgliederung zum faschistischen Deutschland. Dabei verlangte sie vom Völkerbund im Falle des Erfolgs des Status quo die Zusage einer zweiten Abstimmung, wenn Deutschland vom Nationalsozialismus befreit ist. Anfang Juli 1934 (Tafel 14 oben) verkündeten die Kommunisten und die Sozialdemokraten im Saargebiet die Bildung der Einheitsfront für den Status quo. Gemeinsame Aktionen sollten durchgeführt werden, die Selbständigkeit der beiden Parteien aber erhalten bleiben. Die unüberbrückbaren ideologischen Meinungsunterschiede, die zwischen SPD und KPD auch nach dem 30. Januar 1933 im Saargebiet in unverminderter Schärfe ausgetragen wurden, sollten für das gemeinsame Ziel zurückgestellt werden. 29 Die Status-quo-Bewegung scheiterte mit einer niederschmetternden Niederlage in der Volksabstimmung am 13. Januar 1935. Neben der Schwierigkeit, das Votum der eigenen Anhängerschaft zu vermitteln - die Status-quo-Bewegung erhielt bei der Volksabstimmung ca. 46.000 Stimmen, während allein SPD und KPD bei der letzten Landesratswahl 1932 ca. 120.000 Stimmen erhielten-, misslang der Status-quo-Bewegung die Ausweitung der Einheitsfront zu einer saarländischen Volksfront. Die klare Stellungnahme insbesondere der katholischen Amtskirche für die Rückgliederung auch zu Hitlerdeutschland, verhinderte eine nennenswerte Ausdehnung der Status-quoBewegung auf katholische Kreise. Johannes Hoffmann und Pater Hugolinus Dörr, der überraschend auf der großen antifaschistischen Kundgebung am 26. August 1934 in Sulzbach als Redner für den Status quo auftrat (Tafel 14 Mitte mit dem schwarzen Hut, neben ihm Max Braun) blieben mit wenigen Gefährten mutige Einzelkämpfer im christlichen Lager. Der mutige Kampf aller Antifaschisten im Abstimmungskampf 1933/34 gehört bis heute zu den wenigen positiven Meilensteinen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf dem steinigen Weg der Saarregion zu einer Politik, die von demokratischen Grundsätzen und von europäischer Verständigung getragen war. Nach der Volksabstimmung 1935 emigrierten viele politisch und rassisch verfolgte Saarländer/innen hauptsächlich ins nahe Frankreich, wie Heinrich Wacker und Luise Schiffgens (Tafel 14 unten). Für viele Emigranten, die schon aus Deutschland ins Saargebiet gekommen waren, ging die Flucht weiter, wie z.B. für Max Bock (Tafel 14 unten). Beleg der Aufnahmegebühr von 100,— Franken von Helmut Thull aus Uchtelfangen, der am 27. 05. 1955 der „Deutsche Sozialdemokratische Partei“ (DSP) beigetreten war, Helmut Thull war von 1955 bis 1958 SPDVorsitzender in Uchtelfangen. Sozialdemokraten an der Saar im Dritten Reich Nach der Rückgliederung des Saargebietes an das nationalsozialistische Deutsche Reich wurden alle politischen Gegner durch ausgefeilte Überwachungs- und Unterdrückungsmaßnahmen mundtot gemacht, bespitzelt und verfolgt. Da dies bereits für 30 politisch aufgeklärte Menschen absehbar war, waren viele der exponierten Funktionäre der Hitlergegner bereits aus dem Land emigriert, fast alle anderen enthielten sich in einer Atmosphäre latenter Angst jeglicher politischer Meinungsäußerung. Man traf sich privat, wirkte aber aus Angst vor Bespitzelung nicht nach außen (Tafel 16 Mitte). Neben der Schikanierung und aktiven Verfolgung bestimmter von den Nazis ausgegrenzter Gruppen wie der Juden (Tafel 15 oben), der Sinti und Roma betraf der auf alle politischen Gegner gerichtete Hass der Nazis in erster Linie die Kommunisten, dann auch die Sozialdemokraten und Christen. So verdienstvoll und ehrenhaft der Widerstand der Sozialdemokratie gegen die Naziherrschaft war - die Rede des SPD-Vorsitzenden Otto Wels vor der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz im Reichstag bleibt ein beeindruckendes menschliches und politisches Zeugnis -, so war dieser Widerstand doch in der Regel nur von einzelnen geleistet, die meist in die Fänge des verbrecherischen Regimes gerieten. DSP-Mitgliedskarte von Alois Weber, geboren am 06. 08. 1925, Ortsverein Wadrill, Beitritt am 20. 04. 1955. In dieser Ausstellung haben wir das Augenmerk auf zwei Personen gerichtet, die bisher weniger von der Forschung berücksichtigt wurden. Magdalena Berty (Tafel 16 oben) wurde am 21. Januar 1889 in Merzig geboren. Sie heiratete am 12. September 1922 in Sulzbach Karl Weber und trat im darauffolgenden Jahr der SPD bei. Seit 1924 arbeitete sie am Aufbau der Arbeiterwohlfahrt mit und war seit 1926 auch Mitglied des Arbeiter-Samariter-Bundes. Bis zur Volksabstimmung 1935 war sie Vorstandsmitglied des Ortsvereins Sulzbach und emigrierte mit ihrem Ehemann am 17. Januar desselben Jahres über Forbach ins südfranzösische Departement Gers (Languedoc), wo sie sich bis Anfang September 1936 aufhielt. Von dort ging sie nach Spanien und nahm als Röntgenschwester des Internationalen Sanitätsdienstes Spanien (SSI) am Spanischen Bürgerkrieg teil. Als sich die Niederlage der republikanischen Volksfront abzeichnete, verließ Magdalena Weber im April 1938 Spanien und begab sich nach Frankreich, wo sie sich in Paris, Montauban und Negrepelisse aufhielt, bevor sie am 26. Juni bis zum 29. Juli 1940 (nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich) im Lager Gurs interniert wurde. 31 Am 18. Mai 1941 wurde sie durch die französische Polizei des Vichy-Regimes festgenommen und wegen illegaler Betätigung für die Kommunistische Partei, was sie heftig bestritt, zu einer Gefängnisstraße von zwei Jahren verurteilt. Nachdem sie in mehreren französischen Gefängnissen eingesessen hatte, wurde sie im Januar 1942 ins Militärgefängnis nach Toulouse verlegt, von wo sie im Juli 1942 der Gestapo übergeben und nach Deutschland zurückgeführt wurde. Sommer und Herbst 1942 verbrachte sie in den Gefängnissen Trier und Saarbrücken. Ein Hochverratsverfahren wegen ihres Einsatzes im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republikaner vor dem Volksgerichtshof wurde gemäß eines Erlasses des Reichsjustizministers vom 31. Januar 1942 eingestellt. Sie wurde wieder der Gestapo übergeben, die sie am 28. November 1942 zu vielen weiteren Spanienkämpferinnen ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück überstellte, wo sie - nach einem Zwischenaufenthalt im KZ Auschwitz - am 27. April 1945 ermordet wurde. SPD-Mitgliedskarte von Anna Osterroth, geboren am 04. 01, 1885, OV Saarbrücken-St. Johann, Beitritt 1918. Sie wurde am 01. 05. 1956 von der SPS in die SPD übernommen. Julius Strumm (Tafel 16 unten) wurde am 15. Juli 1915 als Sohn der in Frankfurt am Main beschäftigten Hausangestellten Katharina Strumm in Altenwald bei Sulzbach/ Saar geboren; hier wuchs er bei seinem Großvater Peter Strumm auf. Er besuchte von 1921 bis 1929 die Volksschule. Seine Lehrstelle in einer Dreherei musste er wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse vorzeitig aufgeben, fand dann Beschäftigung auf den Gruben Altenwald und Hirschbach, bis er 1933 infolge der Weltwirtschaftskrise entlassen wurde. 1931 war er dem Bergarbeiterverband beigetreten und gehörte zur Jugendgruppe der Naturfreunde. Bis September 1934 leistete er seinen Dienst im Reichsarbeitsdienst (RAD), hielt sich danach bei seinem Großvater auf und nahm am Saarabstimmungskampf teil; dabei wurde er im Dezember 1934 von den Nazis zusammengeschlagen. Da er als Emigrant ohne gültige Papiere die französische Grenze überschritten hatte, wurde er in Südfrankreich verhaftet und mehrere Monate interniert. Bei der nachfolgenden Beschäftigung bei einem Bauunternehmen erlitt er einen Unfall, der einen dreimonatigen Krankenhausaufenthalt erforderlich machte. Im Mai 1936 ging er über die grüne Grenze nach Spanien, wo er bei San Sebastian und Oviedo auf republikanischer Seite an der Front war. Im Herbst 1937 kehrte er nach Frankreich zurück. 32 Am 7. Januar 1938 meldete er sich freiwillig zur französischen Fremdenlegion und tat bis Juli 1940 Dienst im 1. Kavallerieregiment in Sousse in Tunesien. Mittlerweile wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Nach seiner freiwilligen Rückkehr aus Nordafrika unter Zusicherung von Straffreiheit wurde Julius mit anderen Legionären interniert und von der französischen Gendarmerie am 27. Juli 1941 in Chalon-surSaône der deutschen Sicherheitspolizei überstellt, die ihn am 24. November 1941 wegen Hochverrats anklagte. Das Hochverratsverfahren wegen seines Einsatzes im spanischen Bürgerkrieg vor dem Volksgerichtshof wurde ebenfalls gemäß des Erlasses des Reichsjustizministers eingestellt Als Spanienkämpfer blieb er in Schutzhaft in Frankfurt am Main. Am 28. Mai 1942 wurde Julius Strumm von der Gestapo ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Er starb dort zwei Tage vor seinem 27. Geburtstag am 13. Juli 1942 gegen 21 Uhr. Als Todesursache gab die KZ-Leitung an: „Versagen von Herz und Kreislauf bei eitriger Rippenfellentzündung“. Die Wahrheit wird wohl anders ausgesehen haben. Die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes: Neubeginn und Krise An der Saar dauerte das Tausendjährige Reich der Nationalsozialisten nur zehn Jahre. So wie in Saarbrücken (Tafel 17 Mitte) und teils noch schlimmer sah es im ganzen Land aus, vornehmlich im industriellen Kernbereich und im Raum des Westwalls. Am Ende des Zweiten Weltkriegs lagen nicht nur große Teile des Landes in Trümmern, ca. 35.000 kriegsbedingte Tote waren zu beklagen, die Infrastruktur war weitestgehend zusammengebrochen und eine Zivilgesellschaft musste und konnte ab der „Stunde Null“ wieder von Grund auf neu aufgebaut werden. Dazu leisteten Sozialdemokraten einen erheblichen Beitrag. Das Wappen des Saarlandes in der Zeit des autonomen Saarstaates war in den Farben der französischen Trikolore gehalten und wies ein Kreuz auf (Tafel 17 oben). In der Präambel der saarländischen Verfassung von 1947 war die enge politische und wirtschaftliche Anlehnung an den französischen Nachbarn festgeschrieben und mit absoluter Mehrheit stellte die aus dem katholischen Zentrum hervorgegangene Christliche Volkspartei die stärkste politische Kraft, während die Sozialdemokraten ein rundes Drittel der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Nach anfänglichen Richtungskämpfen setzten sich in der Sozialdemokratie diejenigen Kräfte durch, die mit Richard Kirn und Heinz Braun an der Spitze unter den von der Besatzungsmacht vorgegebenen Bedingungen einen Ausgleich mit den früheren Kriegsgegnern und eine verstärkte Zusammenarbeit in Europa (Tafel 17 unten) anstrebten. Dadurch war es möglich, unter sozialdemokratischer Führung eine Sozialpolitik zu gestalten, die die bundesdeutschen Sozialleistungen weit übertraf. Der Sozialdemokrat Heinrich Wacker, vor 1935 Geschäftsführer des Werkmeisterverbandes an der Saar, hatte für 1. Juli 1945 zur konstituierenden Sitzung einer Einheitsgewerkschaft geladen, in der Kommunisten, Christen und Sozialdemokraten gemeinsam die Interessen der Arbeiterschaft vertreten sollten. Nachdem die französische 33 Militärregierung am 10. September 1945 die offizielle Genehmigung zur Gründung von Gewerkschaften erteilt hatte, entstanden am 18. November 1945 in Landsweiler-Reden der Industrie-Verband Bergbau (IV), am 16. Dezember desselben Jahres in Völklingen der IV Metall und bald darauf zehn weitere Gewerkschaften. Das Prinzip der Einheitsgewerkschaft verfolgte man aus den Erfahrungen mit dem Dritten Reich, wobei man die Machtübernahme der Nazis der fehlenden Einheit der antifaschistischen Kräfte zuschrieb. Johannes Hoffmann, der Vorsitzende der CVP, betrieb seit 1946 den Aufbau einer christlichen Gewerkschaft, von der er sich die Unterstützung seiner anfangs nicht unumstrittenen Stellung in seiner Partei erhoffte. Dadurch waren, entgegen der ursprünglichen Absicht, die Gewerkschaften wieder entlang der Parteigrenzen zersplittert. Der Landtag beschloß 1951 das Gesetz über die Errichtung der Arbeitskammer des Saarlandes, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Interessen der Arbeitnehmer in der saarländischen Wirtschaft bis heute vertritt. In den Anfangsjahren gehörten die Fortbildungsveranstaltungen für Betriebsräte und die Ermöglichung eines Urlaubsaufenthalts für Arbeiterfamilien zu ihren Tätigkeitsfeldern. Die Arbeitskammer spielt auch eine wichtige Rolle in der Sozialpolitik. Unter den Erfolgen der SPS ist an erster Stelle die behutsame, aber effektive Sozialversicherungsreform zu nennen, nach der die Landesversicherungsanstalt zum zentralen Versicherungsträger wurde. Natürlich trugen die vergleichsweise hohen Sozialleistungen auch zur Stabilisierung des politischen Systems bzw. der Eigenstaatlichkeit des Saarlandes bei. Nicht zu vergessen sind auch die gewaltigen Leistungen beim Wiederaufbau des Landes und der Versorgung der Kriegsopfer; innerhalb weniger Jahre besserten sich die Wohnverhältnisse und die Versorgungslage der Bevölkerung in erheblichem Maße. Neben eigenen Produkten konnte man zunehmend auch auf französische Konsumgüter zurückgreifen (Tafel 18 oben und Mitte). SPD-Mitgliedsbuch von Kurt Achenbach, geboren am 25. 03. 1933, Ortsverein Alt-Saarbrücken, Beitritt am 06. 02. 1961. Kurt Achenbach war von 1974 bis 1982 OV Schriftführer und von 1982 bis 1992 Stellvertretender OV Vorsitzender Alt-Saarbrücken. Ein Problem, was die SPS unter den vorgegebenen Bedingungen nicht befriedigend lösen konnte, war die von der französischen Regierung verweigerte Mitbestimmung in den Betrieben, besonders in der Montanindustrie. So zeichnete sich im politischen Streit über das Mitbestimmungsgesetz vom Juli 1954 beim Streik im Februar 1955, bei 34 dem die saarländische Polizei nicht gerade zimperlich gegen Demonstranten vorging, eine zunehmende Distanz der Arbeitnehmerschaft zur Saarregierung und zum Saarstaat ab, die sich im Kampf um das Saarstatut deutlich manifestieren sollte. Der Kampf um das Saarstatut Aufgrund von Entwicklungen in der europäischen Politik und der angestrebten Integration der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Bündnissystem erwies sich die ungeklärte Frage über den zukünftigen politischen Status des Saarlandes zunehmend als störend. So erhielt die saarländische Bevölkerung zwanzig Jahre nach der Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 erneut die Gelegenheit, am 23. Oktober 1955 über die politische Zukunft ihres Landes abzustimmen (Tafel 19). Das von deutschen und französischen Politikern 1954 erarbeitete Saarstatut (Tafel 19 Mitte) sah eine Europäisierung des kleinen Landes an der Saar unter Beibehaltung des wirtschaftlichen Anschlusses an Frankreich vor; die Wahlmöglichkeit war auf Zustimmung oder Ablehnung des Statuts begrenzt, wobei nicht klar war, was im Falle einer Ablehnung passieren würde. Der springende Punkt war aber der, dass nach dem Statut drei Monate vor der Abstimmung keine Parteien von der Saarregierung mehr verboten werden durften (wie seit 1952 die Deutsche Sozialdemokratische Partei [DSP, später SPD]). So kam es alsbald zur Gründung neuer Parteien (DPS, CDU und DSP), die sich in einem Wahlbündnis als Heimatbundparteien zusammenschlossen und als Neinsager das Statut ablehnten, das von Mitgliedsbuch der Sozialistischen Jugend Deutschlands den bisher staatstragenden Parteien CVP „Die Falken“, Landesverband Saar, aus dem jahre und SPS als Jasagern befürwortet wur1959. de. Der vierteljährige Wahlkampf wurde sehr emotional geführt, aber längst nicht mehr so brutal wie 1935, dennoch kam es zu Gewaltausbrüchen und Polizeieinsätzen (Tafel 19 oben) und zu einem tiefen Riss durch die saarländische Gesellschaft und zahlreiche Familien, der über Jahrzehnte fortbestand. Bei dem Referendum am 23. Oktober 1955 lehnten 67,7 Prozent der saarländischen Bevölkerung das Saarstatut ab. Die französischen Politiker respektierten dieses eindeutige Votum und machten den Weg frei für neue Verhandlungen, an deren Ende der Beitritt des Saarlandes als neues Bundesland der Bundesrepublik Deutschland zum 1. Januar 1957 stand. Die wirtschaftliche Rückgliederung erfolgte 35 erst am 6. Juli 1959 (Tag X); diese Übergangsphase vergegenwärtigen Briefmarken der deutschen Bundespost (u. a. mit dem Bild des Bundespräsidenten Theodor Heuss) und französischer Währungsangabe (für die im Saarland bis dahin gültigen Franken). Man kann sich in diesem Zusammenhang vergegenwärtigen, dass im Saarland im 20. Jahrhundert im Verlaufe von anderthalb Generationen siebenmal die gültige Währung wechselte: Reichsmark (bis 1922), Französische Franken (bis 1935), Reichsmark (bis 1947), Saarmark (1947), Französische Franken bis 1954, Saarfranken (bis 1959), DMark (bis 2001) und seit 2002 Euro (Tafel 19 unten). Auch auf der Ebene der politischen Parteien ging die Aussöhnung der Kontrahenten bei der Volksabstimmung nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten. In der Sozialdemokratie traten zahlreiche Mitglieder der SPS, die ihre Selbstauflösung beschloss, zur SPD über, die den neuen Vorstand bereits gewählt hatte. Die exponierten Ja-Sager, zum Beispiel Richard Kirn, Heinz Braun, Angela Stratmann-Braun und Peter Zimmer, zogen sich freilich aus der Politik zurück. Die Lösung der Saarfrage hat den Weg frei gemacht zur deutsch-französischen Freundschaft seit 1963. Aus heutiger Sicht kann man festhalten, dass das damals unterlegene Drittel der Saarbevölkerung schneller als die Mehrheit den Weg nach Europa anstrebte, den man einige Jahrzehnte danach mit dem Europa der Vaterländer dennoch beschritt. Der Weg nach oben Als Ministerpräsident Röder 1960/61 einer kleinen Koalition mit der FDP den Vorzug gab und die SPD bei der Regierungsbildung nicht mehr berücksichtigte, wurde der Wechsel in die Opposition als Schock empfunden. Man zeigte sich nicht zuletzt überrascht, weil die SPD in den vergangenen fünf Jahren mit der CDU gut zusammengearbeitet hatte und in keinem Bundesland größere Gemeinsamkeiten zwischen beiden Parteien existierten. SPD-Mitgliedsbuch von Walter Müller, geboren am 22. 04. 1932, OV Hirstein, Beitritt am 01. 02. 1963 Von 1967 bis 1971 veränderte die SPD Saar nachhaltig ihr Gesicht. Damals wurden wichtige Voraussetzungen für die späteren Erfolge geschaffen. In dieser Phase drängten junge Politiker an die Spitze, die später als Mitglieder der Landesregierung die 36 Politik im Saarland gestalten sollten. Der Austausch einer ganzen Funktionärsgeneration, der im Verlauf des Landesparteitages 1970 erfolgte, ist unter anderem aber auch das Resultat von Veränderungen innerhalb der Mitgliedschaft, die den Aufstieg der Jungsozialisten überhaupt erst ermöglichten. Die Jungsozialisten bildeten das Herzstück der innerparteilichen Opposition gegen die etablierte Parteiführung, die seit 1955 nahezu unverändert gebliebenen war. Die innerparteiliche Opposition entstand in der Auseinandersetzung um die Novelle des Rundfunkgesetzes im Jahre 1967. Mit massiver Schelte gegenüber Landesvorstand und Landtagsfraktion traten die saarländischen Jungsozialisten erstmals in Erscheinung. Ansatzpunkt ihrer Kritik war das parlamentarische Verhalten einiger sozialdemokratischer Landtagsabgeordneten, die dem bundesweit umstrittenen Gesetz zur Privatisierung des Rundfunks zugestimmt hatten. Im Verlauf der weiteren Entwicklung übernahm die innerparteiliche Oppositionsgruppe in wichtigen Sach- und Personalfragen wie im Streit um die Schulreform oder bei der Kandidatennominierung für die Landtagswahl 1970 die Meinungsführerschaft und konnte sich gegen die Spitze von Partei und Fraktion entscheidend durchsetzen. Friedel Läpple wurde schließlich beim Landesparteitag 1970 gegen Friedel Regitz mit 153:149 Stimmen als Nachfolger von Kurt Conrad zum Landesvorsitzenden gewählt. Zum ersten und bisher einzigen Male in der langen Geschichte der Sozialdemokratie wurde damit ein noch amtierender Juso-Vorsitzender Vorsitzender SPD-Mitgliedsbuch aus dem Jahr 1968. eines Landesverbandes. Die Verstärkung der innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SPD in der zweiten Hälfte der 60er Jahre wurde nicht zuletzt hervorgerufen durch einen Strukturwandel, der die Zusammensetzung der Mitgliedschaft wesentlich veränderte. Im Jahre 1973 kommentierte Willy Brandt die Entwicklung seiner Partei in den letzten Jahren mit den Worten: „Veränderung bedeutet fast immer Spannung.“ Verändert hatte sich die Zusammensetzung der SPD seit der Verabschiedung des Godesberger Programms in der Tat: die Berufs- und Altersstruktur war seit Beginn der sechziger Jahre durch den Rückgang des Arbeiteranteils und speziell bei den Neuaufnahmen einem starken Wandel ausgesetzt. Der Arbeiteranteil verringerte sich in der Zeit 1961-1971 bei den neu aufgenommenen Mitgliedern drastisch. Dagegen stieg der Anteil der Angestellten und Beamten, sowie der Schüler und Studenten. So war 1968 der Anteil der jungen Generation bei den Mitgliedern auf 180.000 (25,5 %) gestiegen. Man kann feststellen, 37 dass die saarländische Sonderentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg die innerparteiliche Entwicklung der SPD Saar bis 1970 bestimmt hat. Die frühe Übernahme der SPS wurde von Bonn gesteuert und kann als Beginn eines Anpassungsprozesses verstanden werden, in deren Verlauf sich die SPD Saar zunehmend in die bundespolitische Entwicklung integrierte. Vor dem Hintergrund der bundespolitischen Kontroversen zwischen CDU und SPD haftete der saarländischen Bereitschaft zur Kooperation mit der regierenden CDU - besonders ausgeprägt beim sogenannten ‚Ministerflügel‘ um Friedel Regitz - etwas Überlebtes an. Der Haupttrend der Entwicklung der Wahlergebnisse im Saarland seit 1955 wird durch die kontinuierlichen Stimmengewinne der Sozialdemokraten charakterisiert. Während bei der Landtagswahl 1955 SPD und SPS zusammen nur etwa 20 % der Stimmen erreichten, erzielte die SPD Saar bei der Landtagswahl 1985 mit 49,2 % fast die absolute Stimmenmehrheit. Zwischenschritte auf dem Weg zur absoluten Mehrheit 1985 waren die Stimmengewinne bei den Landtagswahlen 1960 und 1965 von 15,7 % bzw. 10,7 %, das gute Ergebnis bei der Bundestagswahl 1972 (47,9 %) und der Erfolg 1980, bei der die CDU erstmals bei einer Landtagswahl überflügelt werden konnte. Bei allen Bundestagswahlen seit 1972 erreichte die Saar-SPD deutlich bessere Ergebnisse als die Bundespartei, wobei die Differenz im Laufe der Zeit größer wurSPD-Mitgliedsbuch aus dem Jahr 1987. de. Die SPD erkannte die Zeichen der Zeit und gewann durch das Aufgreifen von Gedanken der Studenten-, Frauen- und der Friedensbewegung und anderer aktueller bundespolitischer Themen immer mehr Rückhalt unter der saarländischen Bevölkerung. Nachdem Oskar Lafontaine 1977 den Vorsitz der SPD Saar von Friedel Läpple übernommen hatte, errang die SPD 1980 mit 45,4 % ihr bis dahin bestes Landtagswahlergebnis, scheiterte aber an der Koalition zwischen CDU und FDP. Auf der Basis der Landtagswahlen vom 10. März 1985 war die SPD bei der Regierungsbildung auf keinen Koalitionspartner angewiesen. Am 9. April 1985 wurde Oskar Lafontaine zum ersten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten des Saarlandes gewählt. Dem ersten Kabinett Lafontaine gehörten folgende Minister an (siehe Tafel 21): Arno Walter (Justiz), Diether Breitenbach (Kultus), Hans Kasper (Finanzen), Ottokar Hahn (Bundesangelegenheiten), Ministerpräsident Oskar Lafontaine, Jo Leinen (Umwelt), Brunhilde 38 Peter (Arbeit), Friedel Läpple (Inneres) und Hans-Joachim Hoffmann (Wirtschaft). Reinhard Klimmt übernahm den Fraktionsvorsitz im Landtag. Zu den erklärten Zielen der neuen Regierung gehörten die Reduzierung der auf 15 Prozent angestiegenen Arbeitslosenzahlen, die Lösung der Stahlkrise, die Sanierung der miserablen Haushaltslage des Landes und der Ausbau der Hochschullandschaft bzw. hochschulnaher Forschungsinstitute. Die Klage der saarländischen Regierung gegen den Länderfinanzausgleich vor dem Bundesverfassungsgericht war 1992 insofern von Erfolg gekrönt, als die Haushaltsnotlage des Landes anerkannt wurde und damit Ausgleichszahlungen erreicht wurden, was den Landeshaushalt temporär entlastete. Dass die Bevölkerung die Erfolge der Landesregierung anerkannte, belegen die Ergebnisse der nachfolgenden Landtagswahlen 1990 und 1994, bei denen die SPD wiederholt die absolute Mehrheit erreichte. Oskar Lafontaine spielte als Ministerpräsident des Saarlandes auch eine zunehmend wichtige Rolle in der Bundespolitik. Er trat bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 - zwei Monate nach der deutschen Wiedervereinigung - als Kanzlerkandidat der SPD an und war von 1995 bis 1999 Vorsitzender der SPD auf Bundesebene. Nach der Bundestagswahl im September 1998 übernahm er im 1. Kabinett Schröder den Posten des Bundesministers der Finanzen. Sein Nachfolger im Amt des saarländischen Ministerpräsidenten wurde sein langjähriger WegDas derzeitige SPD-Mitgliedsbuch, etwa seit 1996. gefährte Reinhard Klimmt. Oskar Lafontaine legte am 11. März 1999 überraschend alle politischen Ämter nieder; die SPD Saar verlor daraufhin die Landtagwahl am 5. September 1999. Lafontaine äußerte sich in der Folgezeit kritisch zum Kurs der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, bevor er 2005 die SPD verließ und in der Partei „Die Linke“ wichtige Funktionen übernahm. 39 40 41 42 ■ Tafel 1 oben: Die Gründungsphase „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Einigkeit macht stark!“ steht auf der SPD-Traditionsfahne, die im Archiv der Sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung aufbewahrt wird und an Ferdinand Lassalle und die Gründung der Deutschen Sozialdemokratie am 23. Mai 1863 erinnert. Am 23. Mai 1863 wurde Ferdinand Lassalle in einer Arbeiterversammlung in Leipzig zum ersten Präsidenten des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) gewählt; dieses Datum gilt als offizielles Gründungsdatum der SPD. Diese Gründung war kein Zufall oder spontanes Ereignis, sondern hat sich historisch entwickelt; sie ging auf frühere Versuche zur Bildung von autonomen Arbeitervereinen zurück. Insbesondere die Bildung der ersten deutschen Massenorganisation für Arbeiter, die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung, die durch den Buchdrucker Stephan Born 1848 gegründet wurde, war eine der Wurzeln der Gründung des ADAV. Darauf verweist auch das Symbol des Handschlags, das in der Mitte der Traditionsfahne abgebildet ist und schon von der Arbeiterverbrüderung verwandt worden war. 43 ■ Tafel 1 Mitte: In der Nachfolge Lassalles, der schon 1864 in einem Duell starb, kam es im ADAV zu Richtungskämpfen und Abspaltungen; große Mitgliedergewinne waren nicht zu verzeichnen. 1869 gründeten Wilhelm Liebknecht und August Bebel die zweite sozialistische, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Nach anfänglichen Auseinandersetzungen zwischen ADAV und SDAP z.B. über die nationale und die Gewerkschaftsfrage, erkannten beide Parteien, dass sie im neu gegründeten Deutschen Kaiserreich und besonders in Preußen gleichermaßen den Unterdrückungsmaßnahmen des Klassenstaates ausgesetzt waren. Diese Erkenntnis förderte den Einigungswillen und so wurde 1875 auf dem Einigungsparteitag die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) gegründet. Das Erinnerungsblatt an den Gothaer Parteitag zeigt Marx und Lassalle nebeneinander; beide wurden in der sozialdemokratischen Bewegung als hervorragende Vorkämpfer der Arbeiterbewegung hoch verehrt. Vertreter aus der Saarregion hatten bis zu diesem Zeitpunkt weder im ADAV noch in der SDAP eine Rolle gespielt. Versuche dieser beiden Organisationen Ende der 1860er Jahre Kontakte ins aufstrebende Industrierevier an der Saar zu knüpfen blieben erfolglos. 44 ■ Tafel 1 unten: Zur 50. Wiederkehr der Gründung der deutschen Sozialdemokratie erschien ein Plakat, das stark die ganze Bandbreite der Sozialdemokratie und die Einheit der Bewegung symbolisieren soll. Im Erscheinungsjahr des Plakats 1913 - sicherlich auch der implizierte Hinweis darauf, diese Einheit zu wahren, da die SPD zu dieser Zeit ideologisch tief zerstritten war. In vergrößerten Fotos in der oberen Plakathälfte sind Wilhelm Liebknecht und August Bebel abgebildet, die der Lassalle’schen Gründung 1863 kritisch gegenüberstanden, dann aber für Jahrzehnte die unumstrittenen Führer der vereinigten Sozialdemokratie waren. Im Kopf des Plakats sind die Fotos von Friedrich Engels, Ferdinand Lassalle und Karl Marx abgebildet und die Namen der Gründungsmitglieder des ADAV aufgeführt. Die Fotos von Marx und Engels wie auch der Schlusssatz aus dem von beiden 1848 veröffentlichten Kommunistischen Manifest „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“ im Zentrum des Plakats verweisen darauf, dass die Sozialdemokratie ihre programmatischen und personellen Wurzeln deutlich vor der Gründung 1863 sieht, so etwa in der Revolution von 1848. 45 ■ Tafel 2 oben: Die Anfänge der SPD Saar Eine der ersten öffentlichen Versammlungen von Sozialdemokraten im Saarrevier fand am 04. August 1872 im Saal der Bierbrauerei Gebrüder Baldes, Bahnhofstraße in St. Johann, statt. Später hatte die Gastwirtschaft an der Ecke Bahnhofstraße/Ufergasse den Namen „Baldes Braustübl“ und existierte bis vor wenigen Jahren. Teils bis ins 20. Jahrhundert hatte die Sozialdemokratie große Probleme, Säle für ihre Veranstaltungen überlassen zu bekommen. Die Wirte wurden von Behörden und der Polizei unter Druck gesetzt (Saalabtreiberei) und widerriefen die Verträge mit den Sozialdemokraten. Mit Erlass des Sozialistengesetzes der Saarindustrie verloren einige Wirte in St. Johann-Saarbrücken ihre Konzession, weil sie früher ihre Säle für solche Veranstaltungen zur Verfügung gestellt hatten. In Neunkirchen hing „König Stumm“ am Werkstor eine Liste von Wirten aus (Hungerliste), deren Gaststätten seine Arbeiter bei Drohung mit Entlassung nicht besuchen durften, weil z.B. dort eine Gewerkschaftsversammlung stattgefunden hatte. 46 ■ Tafel 2 Mitte: Die Anfänge der Deutschen Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbewegung in der Revolution 1848 und bei der Gründung des ADAV 1863 hatten organisatorisch im Saarrevier keine Resonanz. Die Anfänge der sozialdemokratischen Bewegung liegen in den 1870er Jahren mit dem Schwerpunkt in der stark von Handwerkern bewohnten Stadt St. Johann. Eine der ersten nachgewiesenen Versammlungen fand am 4. August 1872 im Baldes’schen Brausaal statt, zu der der St. Johanner Schreiner Ernst Zimmermann zwei Wanderagitatoren der SDAP aus Mainz begrüßte. Vor etwa 300 Zuhörern wurde eine Resolution zur Bildung von Gewerkschaften verabschiedet. Es fanden weitere Veranstaltungen statt, und 1876 wurde der erste sozialdemokratische Verein in St. Johann mit Zimmermann als Vorsitzendem gegründet. Zur Reichstagswahl am 10. Januar 1877 wurde erstmals im Saarrevier im Wahlkreis Saarbrücken ein SPD-Kandidat aufgestellt. Der Uhrmacher Hackenberger hatte 1876 auf mehreren Versammlungen in St. Johann und Umgebung gesprochen und war u.a. wegen Beleidigung Bismarcks zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden; er wurde als Kandidat aufgestellt und erhielt gerade einmal 324 Stimmen im gesamten Wahlkreis. Trotzdem verstärkten die Sozialdemokraten ihre Anstrengungen, um im Saarrevier Fuß zu fassen. Der Parteivorstand sandte mit dem 23 jährigen Harry Kaulitz aus Braunschweig einen neuen Agitator nach St. Johann, der nicht nur zahlreiche Versammlungen abhielt, sondern mit dem entlassenen Hackenberger auch die erste SPD-Zeitung im Saarrevier herausgab. 47 ■ Tafel 2 unten: Ab 1. Juli 1877 erschien in St. Johann die erste sozialdemokratische Zeitung des Saarreviers, die „Freie Volksstimme. Organ für die Bevölkerung des Saar-Gebiets“. Die Zeitung musste nach sieben Ausgaben ihr Erscheinen einstellen, da alle Redakteure entweder im Gefängnis saßen oder zum Militär eingezogen worden waren. Die beiden Initiatoren der Zeitung, Kaulitz und Hackenberger, wurden zu je 2_ Jahren Gefängnis verurteilt. Das drastische Urteil wurde im Vorwärts, dem neuen Zentralorgan der SPD, im Wortlaut abgedruckt und damit das Saarrevier als politisch besonders reaktionärer Landesteil bekannt. Als „Deutschrußland“ hatte die Freie Volksstimme das Saarrevier in Anspielung an die sozial und politisch rückständigen Verhältnisse im Zarenreich benannt. Die Pressekommission der Freien Volksstimme wurde aufgelöst, einige Sozialdemokraten verließen das Saarrevier aus Angst vor Verfolgung ins benachbarte Ausland oder wurden als ausländische Staatsbürger ausgewiesen. Die Zeit der harten Unterdrückung der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Bewegung im Saarrevier begann. 48 ■ Tafel 3 oben: (Anti-)Sozialistengesetze Zwei Attentate auf den Kaiser, mit denen die Sozialdemokratie nachweislich nichts zu tun hatte, nahm Reichskanzler Bismarck zum Vorwand, um das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ im Reichstag beschließen zu lassen. Es verbietet u.a. sozialdemokratische Zeitungen und Vereine, die den Umsturz der Staatsund Gesellschaftsordnung bezwecken. Während der zwölfjährigen Dauer (1878-1890) des Gesetzes können die Sozialdemokraten weiterhin an Reichstagswahlen teilnehmen und gewinnen trotz des Verbots der Partei zunehmend an Stimmen. Die Reichstagsfraktion übernimmt die Führung der Partei, und Parteitage wer„Bismarck ohne Maske“ erschien 1879 in der sozialistischen Zeitschrift „Der wahre Jakob“. Zahlreiche Maßden im Ausland abnahmen Bismarcks im Kampf gegen politische Gegner gehalten. Auch die sind ihm ins Gesicht geschrieben. der SPD nahestehenden Freien Gewerkschaften und ihre Presse werden weitgehend verboten. Über die Zentren der Sozialdemokratie, z.B. Berlin, kann der Belagerungszustand verhängt und die Hauptagitatoren ausgewiesen werden; zahlreiche Funktionäre wandern nach Amerika aus. 49 ■ Tafel 3 Mitte: Am 6. Juli 1877 trafen sich die Arbeitgeber des Saarreviers in Saarbrücken, um Maßnahmen gegen die sozialdemokratische Agitation zu beschließen. Neben den privaten Arbeitgebern wie etwa Stumm, Villeroy & Boch oder der Dillinger Hütte waren auch die staatlichen Arbeitgeber, die Königliche Eisenbahndirektion Saarbrücken und der preußische Staatsbergbau an der Saar sowie der Saarbrücker Landrat von Geldern anwesend. Das sogenannte Sozialistengesetz der Saarindustrie war natürlich kein rechtlich gültig erlassenes Gesetz, sondern ein willkürliches Repressionsmittel der Arbeitgeber im Saarrevier gegen die aufkommende autonome Arbeiterbewegung. Das Sozialistengesetz der Saarindustrie war... • ...15 Monate vor dem Sozialistengesetz Bismarcks im Reich beschlossen worden und damit auch Ideengeber für dieses. • ...viel repressiver als das Reichsgesetz. So sollten „keine Arbeiter auf den Werken geduldet werden, welche sich an socialdemokratischen Agitationen direct oder indirect betheiligen“. Der Besuch in einer Wirtschaft, in der schon einmal eine sozialdemokratische Versammlung stattgefunden hatte, konnte als Entlassungsgrund ausreichen. Schutz gegen diese Praktiken, die zunehmend reichsweit an den Pranger gestellt wurden und dem Saarrevier in Anlehnung an die damalige soziale und politische Rechtlosigkeit und Paschawirtschaft im Orient den Spottnamen „Saarabien“ einbrachte, gab es für die Arbeiter nicht. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es von den Arbeitgebern an der Saar als Repressionsmittel, auch gegen andere Gruppierungen, Seite 1 des Protokolls der Konferenz der etwa gegen evangelische ArSaararbeitgeber mit dem Beschluss zum beitervereine, angedroht Sozialistengesetz der Saarindustrie vom 06. Juli 1877 oder angewandt. 50 ■ Tafel 3 unten: Als Kaiser Wilhelm II. am 24. April 1892 im Saarrevier Carl Ferdinand Stumm besuchte, äußerte er Sympathie für das System Stumm; „…es sei sein Wunsch, dass derartige segensreiche und glückliche Verhältnisse überall in der deutschen Industrie herrschen mögen“. Das sahen nicht nur Sozialdemokraten und freie Gewerkschafter anders, sie mussten weiterhin unter Ausnahmezustand leben. Insbesondere die großen Industriegewerkschaften Bergarbeiterverband und Deutscher Metallarbeiterverband hatten fast ausschließlich „geheime Mitglieder“. Obwohl oder gerade weil Bismarcks Sozialisten„König von Saarabien“ (1891) gesetz ausgelaufen war, wurde das Sozialistengesetz der Saarindustrie explizit 1894 und 1903 erneut bestätigt. Bezugnehmend auf Stumm und seine blindwütigen Attacken auch gegenüber den evangelischen Arbeitervereinen erklärte der evangelische Superintendent Zillessen „ich bin…ein Feind seines Systems, das sich mir je länger je mehr als das System der brutalen Gewalt unter völliger Nichtachtung des unveräußerlichen Rechts jeder anderen Persönlichkeit enthüllt hat.“ 51 ■ Tafel 4 oben: Aufschwung und terra incognita In der großen Streikzeit (1889-1893) gelang erstmals im Saarrevier die Bildung von Interessenvertretungen der Bergarbeiter auf Massenbasis. Sowohl der Rechtsschutzverein der Saarbergleute (RSV) als auch der 1889 reichsweit gegründete Bergarbeiterverband (BAV, „Alte Verband“) hatten zeitweise viele tausend Mitglieder unter den Saarbergleuten. Im Windschatten der Bergarbeiterbewegung versuchte auch die Sozialdemokratie im Saarrevier erneut Fuß zu fassen. Sozialdemokratische Reiseagitatoren und Funktionäre des BAV, meist aus Westfalen, versuchten für Partei und Gewerkschaft Aufbauarbeit zu leisten, was insbesondere auf den Widerstand der christlichen Kirchen, der Zentrumspartei und des preußischen Behördenapparates stieß, die die Sozialdemokratie verteufelten und die Bergleute in reichstreuem, christlich-konservativem Fahrwasser halten wollten. Die Delegierten der 1. Bergarbeiterkonferenz, 15.-19. September 1890 in Halle. Vorne, 4. V. links, der Bergmann Jakob Thome aus Altenwald, 1891 stellvertretender Vorsitzender des BAV. 52 ■ Tafel 4 Mitte: Am Sonntag, 25. September 1892, nachmittags 3 Uhr gab es ein besonderes Ereignis für die Saarsozialdemokratie. Der Parteivorsitzende August Bebel hielt sich, soweit bekannt, zum einzigen Mal in seinem Leben im Saarrevier auf, um im Bildstocker Rechtsschutzsaal eine öffentliche Parteiversammlung abzuhalten. Er sprach über „Ultramontanismus und Socialismus“. Dass nur etwa 500 Zuhörer gekommen waren, lag sicherlich an der Warnung katholischer Geistlicher davor, diese Versammlung zu besuchen, war aber auch Ausdruck der meist ablehnenden Haltung der Saarbergleute gegenüber der Sozialdemokratie. Dies spiegelt sich auch innerhalb des RSV, wo die Vergabe des Saales an die Sozialdemokratie heftig umstritten war. Hatte Bebel 1891 das Saarrevier noch als „terra incognita“, als weißen Fleck für die Sozialdemokratie, bezeichnet, gab er sich ein Jahr später in einem Brief an Friedrich Engels schon optimistischer ... „bis zu den nächsten Wahlen haben wir, hoffe ich, festen Fuß gefasst“. Doch Bebel sollte sich täuschen. Nach dem Zusammenbruch der Streikbewegung kam die Zeit, die auch reichsweit als „Ära Stumm“ bezeichnet wird. Im Saarrevier wurde das Sozialistengesetz bekräftigt, und im Reichstag brachte Stumm die Umsturzvorlage ein, quasi eine Verschärfung des Bismarck’schen Sozialistengesetztes, in dem er vorschlug, Sozialdemokraten und Anarchisten das Wahlrecht zu entziehen und Agitatoren auszuweisen oder zu internieren. Reichsweit konnte Stumm sich zwar nicht durchsetzen, doch im Saarrevier konnte er - außer in St. Johann-Saarbrücken - weiterhin mit allen Mitteln jede autonome Arbeiterbewegung unterdrücken. 53 ■ Tafel 4 unten: Vom SPD-Parteivorstand wurde der vorher in Frankfurt/M. tätige Metallarbeiter Leopold Emmel (1863-1919) ins Saarrevier beordert. Unter seiner Führung erschien mit der Zeitung Bote von der Saar zum zweiten Mal ein sozialdemokratisches Presseorgan an der Saar. Die Probenummer erschien am 27. Dezember 1891, am 31. März 1894 musste der Bote von der Saar sein Erscheinen einstellen, nachdem die Zuschüsse der Berliner Parteikasse zu groß geworden waren. Emmel vertrat auch mehrere Jahre das Saarrevier auf den SPD-Parteitagen. Im Mai 1893 wurde er Vorsitzender des SPDAgitationskomitees für den Regierungsbezirk Trier mit Sitz in St. Johann. Kandidierte er 1893 u.a. im Wahlkreis Saarbrücken noch erfolglos, vertrat er den Wahlkreis Mühlhausen/Elsass von 1907-1919 als Abgeordneter im Reichstag. Leopold Emmel (1863-1919) 54 ■ Tafel 5 oben: Saarabien vor Gericht Korruption und Bestechung gehörten über viele Jahrzehnte zur betrieblichen Realität des preußischen Staatsbergbaus an der Saar. Schon der Führer des Rechtsschutzvereins, Nikolaus Warken, schrieb in seiner Chronik: „Im Jahre 1889 war es im Bergmannsstand unerträglich… durch Stechereien von Beamten“. Privatarbeiten für Steiger während der Schichtzeit bei normaler Schichtentlohnung sowie Geld- und Naturalgeschenke für Steiger waren weit verbreitet. Dies musste selbst eine amtliche Untersuchung 1890 zugestehen und führte zur Entlassung einiger Steiger. Doch wie der abgedruckte Ausschnitt aus dem Vorwärts zeigt, traten Korruption und Bestechung durch Partiemänner und Steiger immer wieder auf. Die Bergleute waren diesen Praktiken oft hilflos ausgeliefert, wollten sie keine Lohnreduzierung oder Verlegung an schlechte Arbeitsplätze riskieren. Andererseits verschafften sich einige Bergleute mit dieser „Günstlingswirtschaft“ auch handfeste Vorteile. Auszug aus dem Vorwärts vom 11. Oktober 1908 mit einem Bericht über Bestechungspraktiken im Saarbergbau 55 ■ Tafel 5 Mitte: „Schwarze Listen, Denunziationen und einträgliche Bespitzelungen - Gendarme, Schutzmänner und Polizeikommissare erhielten beträchtliche Geldprämien, wenn sie mit Eifer und Erfolg die Sozialdemokratie bekämpft hatten - gehörten von nun an zur politischen Kultur, zum ‚saarabischen‘ Milieu“, heißt es bezugnehmend auf die Entstehungszeit des Sozialistengesetzes der Saarindustrie in einem Standardwerk zur Bergarbeiterbewegung an der Saar. Massive Verletzungen der Meinungs- und Koalitionsfreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts sowie Wahlbeeinflussung in großem Stil kennzeichnen das System auch noch im 20. Jahrhundert. Als der wegen des Besuchs einer Gewerkschaftsveranstaltung entlassene sozialdemokratische Bergmann Karl Krämer 1903 in zwei Flugblättern das saarabische System darstellt und zum Beitritt zum BAV auffordert, verklagt ihn der Vorsitzende der Bergwerksdirektion Ewald Hilger wegen Beleidigung. Der sozialdemokratische Vorwärtsverlag druckt den Prozessbericht nach, und „Saarabien vor Gericht“ wird in viel tausendfacher Auflage im Saarrevier verteilt. Durch die Zeugenaussagen werden die Missstände im Saarrevier vielfach bestätigt; das saarabische System, das nach dem Soziologen Max Weber „Stickluft verbreitet…und zwar nicht nur für Arbeiter, sondern für jeden, der es wagt, in einer Art politisch tätig zu sein, die diesen Herren missfällt“ wird reichsweit blamiert. Zu Saarabien gehört auch die gezielte Zersplitterung der Arbeiterbewegung durch die BergwerksdirekEwald Hilger (1859-1934), von tion und die Hüttenindustriellen, 1900-1905 Vorsitzender der insbesondere die Unterstützung der Bergwerksdirektion SaarbrüOrganisationen, die Streiks ablehnten. cken 56 ■ Tafel 5 unten: So wie die Arbeitgeber des Saargebiets in den 1870er Jahren extra einen Stenografen angestellt hatten, der die Versammlungen der Arbeiterbewegung protokollieren sollte und gleichzeitig den Arbeitern als personifizierte Drohkulisse und Warnung galt, sich devot zu verhalten, gab der Arbeitgeberverband der Saarindustrie Anfang des 20. Jahrhunderts „Schwarze Listen“ in Form von Rundschreiben, betitelt als „Gewerkschaftliche Nachrichten“ heraus; sie waren „streng geheim und dürfen von dem Empfänger nicht aus der Hand gegeben werden“. Neben Informationen über die Entwicklung von Sozialdemokratie und Freien Gewerkschaften wurden auch Berichte über evangelische Arbeitervereine oder Christliche Gewerkschaften abgedruckt, galten beide doch in Unternehmerkreisen als Vorfrucht der Sozialdemokratie. Werksbeamte, aber auch Arbeiter aus der Werkvereinsbewegung, waren die Zuträger. Die Hüttenindustrie im Saarrevier war eines der reichsweiten Zentren der antigewerkschaftlichen, jeden Streik ablehnenden, wirtschaftsfriedlichen Werkvereinsbewegung. Sie wurde ab 1906, nach einem erfolglosen Streik des Christlichen Metallarbeiterverbandes auf der Burbacher Hütte, gegründet. Vor 1918 waren große Teile der Hüttenbelegschaften Mitglied dieser Vereine, die auch „Gelbe Gewerkschaften“, als Synonym für Streikbrecher, genannt und seitens der Industriellen und dem Arbeitgeberverband der Saarindustrie finanziell und ideologisch unterstützt wurden. 57 ■ Tafel 6 oben: Zerbrecht die Sklavenfessel, macht Euch frei! Hans Böckler, bekannt als erster DGB-Vorsitzender nach 1945, begann seine hauptamtliche Gewerkschaftskarriere im Saarrevier. Böckler, von Beruf Metallschläger, hatte sich auf die Stelle eines „besoldeten Geschäftsführers für die Verwaltungsstelle St. Johann-Saarbrücken“ des Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV) beworben und trat die Stelle Ende 1903 an. Er zog anfangs nach St. Ingbert, weil in Bayern die Restriktionen zur Bildung von Vereinen (Gewerkschaften) nicht so rigide Hans Böckler (1875 -1951) Aufnahwaren wie in Preußen. Böckler kam me ca. 1931 in schwieriges Terrain. Obwohl das preußische Saarrevier vor 1914 reichsweit zu den hoch industrialisierten Gebieten zählte, wurden im Preußischen Staatsbergbau und in der Hüttenindustrie freie Gewerkschaften und Sozialdemokraten nicht geduldet. In seiner 1906 im Saarrevier veröffentlichten Schrift Es werde Licht prangerte Böckler die hiesigen Verhältnisse an. Politische Unterdrückung, soziale Ausbeutung durch den „Humbug aller Prämien und Wohlfahrtseinrichtungen“. Er rät den Arbeitern, endlich den Mut zu haben, sich dem DMV anzuschließen: „Zerbrecht die Sklavenfessel, macht Euch frei!“ 58 ■ Tafel 6 Mitte: Um die Wende ins 20. Jahrhundert stabilisierte sich die sozialdemokratische Bewegung in der Diaspora des Saarreviers auf niedrigem Niveau und auch nur in wenigen Orten. Nikolaus Osterroth, entlassener Bergarbeiter aus der Pfalz, war einer der Hauptträger der Bewegung. Er berichtet in seinen unveröffentlichten Erinnerungen über seine Ankunft in Neunkirchen; „Einige Tage nach unserer Ankunft starb der Beherrscher Neunkirchens, der berüchtigte König Stumm… niemand durfte Sozialdemokrat sein…“ Außer im Bereich der späteren Großstadt Saarbrücken gab es nur wenige Orte mit sozialdemokratischen Ortsvereinen: Dudweiler ca. 1892, Neunkirchen 1907, Illingen und Schiffweiler 1909. Im bayrischen Teil des Saarreviers waren es St. Ingbert 1899, Blieskastel 1910 und Homburg 1912. In St. Johann-Saarbrücken hatte die große Anzahl zugewanderter Handwerker die organisatorische Grundlage für Partei- und Gewerkschaftsstrukturen gelegt. So entstanden u.a. 1899 das Gewerkschaftskartell St. Johann; mit dem am 16. August 1903 gegründeten Agitationskomitee für das preußische Saarrevier, die bayrische Saarpfalz und den Wahlkreis Saargemünd unter Vorsitz von Nikolaus Osterroth entstand quasi der erste sozialdemokratische Landesverband Saar. 1904 entstand das Arbeitersekretariat St. Johann und ab 1905 erschien die sozialdemokratische Saarwacht, Organ für die Interessen des werktätigen Volkes. Die Mitgliederzahlen der SPD für das Saarrevier, 1907 224 und 1913 777, davon 130 Frauen, machen die Schwäche deutlich. Nikolaus Osterroth (1875-1933), Parteisekretär im Saarrevier und Redakteur der Saarwacht 59 ■ Tafel 6 unten: Das „System der strengen und der milden Hand“ wurde über Jahrzehnte im staatlichen Bergbau und in der Hüttenindustrie im Saarrevier gepflegt. „Einrichtungen zum Besten der Arbeiter auf den Bergwerken Preußens“, wie eine offizielle Veröffentlichung die „Wohltaten“, wie z.B. das Prämienhaussystem, sozialromantisch umschrieb, wurden für dienstliches und privates Wohlverhalten der Arbeiter gewährt. Wer dieses Wohlverhalten nach Ansicht der Arbeitgeber nicht zeigte, lernte das System der strengen Hand mit Geldstrafen, Entzug der „Wohltaten“ bis hin zur Entlassung und wirtschaftlichem Ruin kennen. Die Entwicklung kollektiver Gegenmacht durch die Arbeiter und Gewerkschaften wurde sanktioniert, elementare Menschenrechte den Arbeitern vorenthalten. Gefördert wurde die individuelle Ohnmacht der Arbeiter, soziale Abhängigkeit und Ausbeutung. Als Nachfolger Stumm’scher Sozialpolitik sah sich der Syndikus der Saarbrücker Handelskammer Dr. Alexander Tille, der nicht nur Tarifverträge ablehnte, sondern der Streik wieder als Erpressung ansah und wie Raub und Diebstahl strafrechtlich verfolgt wissen wollte. Dr. Alexander Tille (1866-1912) 60 ■ Tafel 7 oben: Reichstagswahl am 12. Januar 1912 Die Ergebnisse der Reichstagswahlen im preußischen Saarrevier waren im 19. Jahrhundert niederschmetternd für die SPD. Erstmals trat (nur) im Wahlkreis Saarbrücken 1877 mit dem inhaftierten Reiseagitator Hackenberger ein SPD-Kandidat an und errang 324 Stimmen. Wie trostlos es während des Sozialistengesetzes war, zeigt eine anonyme Zuschrift aus Saarbrücken vom April 1885 an die illegale Zeitschrift „Der Sozialdemokrat“: „Bedaure sehr, dass ich das Blatt nicht weiter halten kann, indem meine Existenz zu sehr auf dem Spiel steht. Trotzdem man nicht strafbar ist, (beim Abonnement einer sozialdemokratischen Zeitung, J-H.) wird man doch in Untersuchungshaft genommen…“ So wundert es nicht, dass bei der Wahl 1887 auf Wilhelm Liebknecht, der in allen drei preußischen Wahlkreisen an der Saar kandidierte, jeweils nur zwischen 16 und 37 Stimmen entfielen. Nur einmal gab es für überparteiliche Arbeiterkandidaten ein besseres Ergebnis, als bei der Reichstagswahl 1890 Führer des Rechtsschutzvereins - nicht als Kandidaten der SPD - kandidierten und Nikolaus Warken im Wahlkreis Saarbrücken mit 33,8% fast in die Stichwahl gekommen wäre. Bericht aus dem illegalen „Sozialdemokrat“ vom 09. April 1885 61 ■ Tafel 7 Mitte: Die Reichstagswahl vom 12. Januar 1912 war für die SPD reichsweit ein großer Erfolg. Bei einer Wahlbeteiligung von 84,5% stimmten über 4,2 Millionen Wähler, 34,8% der abgegebenen Stimmen, für die SPD. Erstmals erreichte die SPD reichsweit den größten Stimmenanteil aller Parteien und 110 von 397 Abgeordnetensitzen. Abgesehen von der Wahl zur Nationalversammlung 1919, die noch ganz im Zeichen des revolutionären Umbruchs vom Kaiserreich zur Republik stand und damit unter ganz besonderen, für die Sozialdemokratie günstigen Bedingungen stattfand (mit 37,9 % Stimmenanteil), gelang es der SPD erst wieder bei der Bundestagswahl 1961 mit 36,2%, das Ergebnis von 1912 bei einer bundesweiten Wahl zu übertreffen. Die Forderungen auf dem Wahlplakat weisen aber auch auf die großen Defizite bei Wahlen im Kaiserreich hin. Zum einen gab es vor 1918 kein Frauenwahlrecht, und zum anderen wurde der Preußische Landtag vor 1918 nach dem, am Steueraufkommen der Wähler orientierten, Dreiklassenwahlrecht gewählt. Darüber hinaus entsprachen 34,8% Stimmenanteil nur 27,7% der Mandate. Diese Differenz erklärt sich durch die von der Mehrheit im Reichstag bewusst unterlassene Neueinteilung der Wahlkreise. In den bevölkerungsmäßig stark anwachsenden industriellen Wahlkreisen, z.B. in Berlin, die zugleich Hochburgen der SPD waren, waren deutlich mehr Wähler für die Erringung eines Reichstagsmandats notwendig als in den von den Konservativen dominierten ländlichen Wahlkreisen. 62 ■ Tafel 7 unten: Zu den Reichstagswahlen im Kaiserreich gab es drei Wahlkreise, die den preußischen, und zwei, die den bayrischen Teil des Saarreviers abdeckten. Wahlkreis Stimmenanteil 1912 in % 228 Saarburg - Merzig - Saarlouis 2,9 229 Saarbrücken 7,8 230 Ottweiler - St. Wendel - Meisenheim 4,0 254 Zweibrücken (mit dem Bezirksamt St. Ingbert) 26,4 255 Homburg (mit dem Bezirksamt Kusel) 17,4 Die Darstellung zeigt, dass die Wahlergebnisse im Saarrevier deutlich hinter dem reichsweiten Ergebnis zurückblieben. Insbesondere das preußische Saarrevier blieb bis 1918 für die SPD Diaspora. Dies hing bis ins 20. Jahrhundert mit starken Wahlmanipulationen und -beeinflussungen sowohl durch die Arbeitgeber als auch durch Vertreter der katholischen Kirche und des Zentrums zusammen. „Das Epizentrum des unternehmerischen Wahlterrors hatte sich bereits… aus Sicht der Wahlprüfungskommission (des Reichstages, J.H.) in das Saarrevier verlagert“, so ein Ergebnis aus einer Untersuchung „Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich“. Auszug aus dem Wahlflugblatt für die Reichstagswahl 1907 63 ■ Tafel 8 oben: Das Saargebiet entsteht (1920-1935) Die schon während des Ersten Weltkriegs in Gang gekommene Spirale von Geldknappheit, Preissteigerung und Inflation drehte sich immer schneller. Da das Saargebiet noch zum deutschen ZollInland gehörte, war es lukrativ, Luxusartikel und Bedarfsgegenstände ins Reich zu verkaufen, während die einheimischen Bauern ihre Produkte zurückhielten. Dies führte zu sozialen Spannungen zwischen Neureichen und der hungernden Arbeiterschaft. Die Angst vor dem bevorstehenden Winter trieb viele zum Hamstern. In einer großen Demonstration auf dem Saarbrücker Schloßplatz forderten die Bediensteten der Saarbrücker Eisenbahnwerkstätte billige Kohlen und Kartoffeln sowie Maßnahmen gegen den Schleichhandel. Nachmittags streikte bereits das gesamte Revier. Bei gewaltsamen Übergriffen wurden zahlreiche Geschäfte ausgeplündert. Die französische Militärregierung verhängte den Ausnahmezustand und ließ die Innenstädte durch Kavallerie räumen. Die Spartakuskrawalle vom Oktober 1919 können als politisch noch indifferentes Aufbegehren der Arbeiterschaft des Saarreviers in schwieriger wirtschaftlicher Situation interpretiert werden. Nationale und völkische Untertöne waren dabei bereits deutlich zu vernehmen. französische Kavallerie in Ottweiler 64 ■ Tafel 8 Mitte: Sofort nachdem Philipp Scheidemann am 9. November 1918 in Berlin die Republik ausgerufen hatte, kamen Abgesandte der aufständischen Matrosen und Arbeiter auch an die Saar, wo zahlreiche Arbeiter- und Soldatenräte entstanden. Vorsitzender des Arbeiter- und Soldatenrates Saarbrücken war Valentin Schäfer, der auch jahrelang Vorsitzender der SPD an der Saar war. Die Tätigkeit der Räte beschränkte sich zumeist auf das Hissen der roten Fahne, die Kontrolle der Verwaltung und die Entleerung militärischer Liegenschaften. Unmittelbar nach dem Rückzug der deutschen Truppen von der Front trafen ab 22. November französische Besatzungstruppen in den Städten und Gemeinden an der Saar ein, die die Arbeiter- und Soldatenräte sofort auflösten. Als Folge des verlorenen Ersten Weltkrieges bestimmte der Friedensvertrag zu Versailles eine Wiedergutmachung für die während des Kriegs eingetretenen Schäden im nordfranzösischen Industrierevier um Lille und Roubaix: Die politische Loslösung des Industriereviers an der mittleren Saar vom deutschen Reich und seinen wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich. Das neugebildete Saargebiet wurde einer international besetzten Regierungskommission des Völkerbundes unterstellt. Nach 15 Jahren sollte die Bevölkerung in einer Volksabstimmung über ihre politische Zukunft entscheiden. Als parlamentarische Vertretung der Saarländerinnen und Saarländer wurde ein Landesrat geschaffen, der aber nur beratende Funktion hatte. Die Régie des Mines de la Sarre löste als französische Grubenverwaltung den vormals preußischen Bergfiskus ab. Sozialdemokratie und Gewerkschaften bekannten sich auch unter den neuen politischen Verhältnissen uneingeschränkt zur deutschen Nation. 65 ■ Tafel 8 unten: Die Spaltung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands entzündete sich an der Einstellung der verschiedenen Flügel der Partei zu den Kriegskrediten von 1914 und zum Weltkrieg überhaupt. 1917 wurde die U(nabhängige) SPD, aus deren revolutionärem Flügel („Spartakusbund“) im Januar 1919 die Kommunistische Partei entstand, gegründet. Wenngleich diese Entwicklung sich im nationalen Rahmen auf Reichsebene vollzog, lässt sie sich doch auch an der Saar bis in die Ortsgruppen der Parteien verfolgen. Ihren größten Wahlerfolg errang die Sozialdemokratische Partei des Saargebietes bei der Wahl zur Nationalversammlung in Weimar am 19. Januar 1919, wo sie in allen größeren Industrieorten des Landkreises Saarbrücken über 40 % der Stimmen erreichte. Bei den Wahlen zum Landesrat des Saargebietes nahm die Stimmenzahl der SPD stets ab, während die Kommunisten im gleichen Maße zulegten. Jedoch konnte sie ihre Parteiorganisation im industriellen Ballungsraum des Reviers ausbauen, darüber hinaus allerdings nur in evangelischen Ortschaften. Rotfrontkämpferbund Neunkirchen 66 ■ Tafel 9 oben: Die SPD an der Saar in den Zwanziger Jahren bis zur Weltwirtschaftskrise Der sprunghafte Anstieg der Mitgliederzahlen der Freien Gewerkschaften (41.000 im Jahr 1920) und die darauf folgende deutliche Abnahme (29.000 im Jahr 1927) zeigen, dass ein Klassenbewußtsein weithin fehlte und die Masse der Arbeiterschaft vor allem an ihren eigenen familiären Verhältnissen interessiert war. Folglich orientierte sich die Partei bis 1933 an einem nationalen Programm, wobei sich Max Braun um die deutsch-französische Verständigung und den Frieden in Europa bemühte. „Der Widerstand der Regierungskommission und der Franzosen gegen die sozial- und arbeitsrechtliche Angleichung an die Weimarer Republik, der Streik des Jahres 1923 und das autokratische Regierungssystem ließen die Partei ihre demokratische und soziale Ideenwelt vor allem im Zusammenhang mit diesen saarländischen Konflikten entwickeln. (…) Die saarländische sozialdemokratische Partei verfolgte eine auf die saarländischen VerhältKarikatur aus der „Saar-Illustrierten“ zur Lohnpolitik nisse abgestimmte der französischen Grubenverwaltung gemässigte sozialistische Linie, die (…) sich damit vom Radikalismus der Kommunisten distanzierte und nicht geeignet war, die Masse der Unzufriedenen in den Wahlen zu gewinnen“ [Maria Zenner, 1966, S. 184 und 188]. 67 ■ Tafel 9 Mitte: Bereits die Wahl zur Weimarer Nationalversammlung am 19. Januar 1919, die den Mehrheitssozialisten an der Saar 36 Prozent der Stimmen einbrachte, zeigte, dass sich die Verhältnisse an der Saar nach dem Zusammenbruch des patriarchalischen Systems stark verändert hatten. Vor allem in den großen Industrieorten mit beachtlichem evangelischem Bevölkerungsanteil errang die SPD weit über 50 %, während sie in rein katholischen, ländlich geprägten Bergmannsdörfern nur bis zu 20 % gewann. Auf einen Schlag war sie zur zweitstärksten politischen Kraft nach dem Zentrum geworden. Bei den folgenden Wahlen zum Landesrat schnitt die SPD freilich immer schlechter ab, wobei sie ihre Wähler an die kommunistische Partei des Saargebiets verlor, beide sozialistische Parteien errangen zusammen immerhin ein rundes Drittel der Stimmen. Dabei gingen die Sozialdemokraten von einer ungünstigen Ausgangslage aus: Zunächst fehlte ihnen an der Saar ein ausgebauter Parteiapparat, ein Stamm von ideologisch und parteipolitisch geschulten Mitgliedern sowie auch Erinnerungen an große Führungsfiguren früherer Zeit. Dennoch haftete der Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie in den katholischen Landstrichen an der Saar etwas Anstößiges an, wozu die Kirche ihren Anteil beitrug, während Sozialdemokraten unaufhörlich betonten, sie seien nicht religionsfeindlich eingestellt, und Christentum und Sozialismus seien durchaus zu vereinbaren. 68 ■ Tafel 9 unten: Max Braun (1892-1945) kam als gebürtiger Rheinländer 1923 nach Saarbrücken, um die Leitung der regionalen Tageszeitung der SPD an der Saar, der Volksstimme, zu übernehmen. 1925 wurde er Zweiter Vorsitzender der SPD des Saargebiets, bevor er 1929 zum Ersten Vorsitzenden gewählt wurde. Von 1932 bis 1935 war er Mitglied des Landesrats und spielte nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland im Abstimmungskampf an der Saar eine wichtige Rolle als Wortführer der Status-Quo-Bewegung. Maßgeblich setzte er sich für eine Bündelung der bislang zersplitterten antifaschistischen Kräfte ein und erreichte Anfang Juli 1934 die Gründung der Einheitsfront aus Kommunisten und Sozialdemokraten. Nach dem Debakel der Volksabstimmung emigrierte Max Braun vor der Eingliederung des Saarlandes ins Deutsche Reich nach Frankreich. Dort leitete er das Office Sarrois, die Organisation sozialdemokratischer saarländischer Emigranten, und arbeitete für verschiedene Zeitungen. Im Lutetia-Kreis beteiligte er sich an dem vergeblichen Versuch, eine „Deutsche Volksfront“ zu schaffen. Nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht floh er nach England; hier war er weiterhin antifaschistisch tätig und arbeitete beim Soldatensender Calais. Max Braun starb kurz vor der geplanten Rückkehr aus London am 3. Juli 1945. Seine Ehefrau Angela Stratmann-Braun, die ihn auf allen Lebensstationen begleitete, kehrte alleine nach Saarbrücken zurück und übernahm bald den Vorsitz der Arbeiterwohlfahrt. Sein Bruder Dr. Heinz Braun (1883-1962) gehörte von 1947 bis 1955 dem saarländischen Landtag an und fungierte von 1947 bis 1951 und von 1952 bis 1954 als JusMax und Angela Braun 1935 tizminister. 69 ■ Tafel 10 oben: Die Arbeiterkulturbewegung Zur Arbeiterkulturbewegung zählten die Bereiche Sport und Wandern ebenso wie die Kultur im engeren Sinne. So gab es Freie Turn- und Schwimmvereine, Arbeiterfußballvereine, den Arbeiterradfahrerbund, den Arbeiterathletenbund, die Naturfreunde und den Arbeiterschachverein, während sich die Arbeiterwohlfahrt und der Arbeiter-Samartiter-Bund den sozialen Diensten widmete und das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold parteiübergreifend als paramilitärische Schutztruppe zur Verteidigung der Demokratie fungierte. Die einzelnen Vereine, die sich auf Ortsebene durch die Initiative einheimischer Arbeiter konstituierten, waren in der Regel auf Reichsebene den einschlägigen Dachverbänden angeschlossen oder arbeiteten mit ihnen zusammen; so gehörte der Freie Turn- und Schwimmverein Sulzbach zum Arbeiter-Turn- und Sportbund (zuvor Arbeiter-Turnerbund), dessen Wappen die Initialen der Devise „Froh, Frei, Stark, treu“ trug. Postkarte des Arbeiter-Turnerbundes 70 ■ Tafel 10 Mitte: Die Zwanziger und die erste Hälfte der Dreißiger Jahre waren, auch an der Saar, eine Blütezeit der Arbeiterkulturbewegung, die sich nun, der obrigkeitlichen Fesseln des Kaiserreichs ledig, der Entfaltung der schöpferischen Kräfte des Menschen widmen konnte. Die Arbeiter trafen sich in zahlreichen Sport- und Musikvereinen. Viele Arbeitergesangsvereine wurden neugegründet oder umbenannt, was auf frühere Richtungskämpfe in den Vereinen bzw. frühere Tarnungen zurückverweist: So konnte aus einem evangelischen Kirchenchor ein Arbeitergesangverein hervorgehen. Viele Aktivitäten konzentrierten sich bis 1935 in den oft „Volkshaus“ oder „Rotes Haus“ genannten Gemeinschaftshäusern, in denen auch die Parteisekretariate und Dienststellen der Gewerkschaften untergebracht waren. In der Zeit des Saargebietes konnten sich die sozialdemokratischen Organisationen unbehelligt entfalten, doch erreichten die Sozialdemokraten nie die feste Geschlossenheit des katholischen Sozialmilieus, mit dem sie sich teilweise überschnitten. Aufmarsch der Arbeitersportler zum fünfjährigen Stiftungsfest am 30. Juli 1932 mit dem Spielmannszug des Freien Turn- und Sportvereins Homburg 71 ■ Tafel 10 unten: Der Touristenverein Die Naturfreunde, ursprünglich 1895 in Österreich entstanden, wollte den Arbeitern eine alternative zu den bürgerlichen Alpenvereinen bieten und sie auch „aus der Enge der Wohnungen, aus dem Dunst der Fabriken und Wirtshäuser hinausleiten in unsere herrliche Natur, sie der Schönheit und Freude entgegenführen“ (Karl Renner, späterer österreichischer Kanzler und Bundespräsident). Die Naturfreunde lehnten die Rekordsucht, den Leistungs- und Kampfsport ab und entwickelten vielmehr den Gedanken des Breitensports. Die 1919 in Sulzbach gegründeten Frohen Wanderer schlossen sich 1921 den Naturfreunden als Ortsgruppe an und wuchsen innerhalb von zehn Jahren auf 800 Mitglieder an. Sie unterhielten eine eigene Musikgruppe und tagten im Volkshaus. Die aktive Sulzbacher Ortsgruppe baute auch am Naturfreunde-Haus in Kirkel mit, das 1928 eingeweiht werden konnte; Hausvater wurde Franz Kindel, bis dahin Vorsitzender der Sulzbacher Naturfreunde. Kinder der Mitglieder des „Arbeiter-Theater-Vereins Elversberg“ am 31. Mai 1931 vor dem neu erbauten Naturfreundehaus Kirkel 72 ■ Tafel 11 oben: Die Arbeiterwohlfahrt Die AWO des Saargebietes hatte bis zum 25. Juli 1929 in dem Partei- und Gewerkschaftshaus in der Brauerstraße 6-8 in Saarbrücken ihren Sitz, bevor sie in ein eigenes Gebäude in der Hohenzollernstraße 45 (vormals 37) umzog. Die Künstlerin Käthe Kollwitz (1867-1945) aus Berlin übertrug im Jahre 1930 ihren Holzschnitt „Mütter wehren die Not von ihren Kindern“ in Sgraffito-Technik an eine Käthe Kollwitz (rechts) vor ihrem Gemälde, Wand des Treppenhauses, gemeinsam mit dem Architekten Otto Zollinum das Gebäude durch ger (mitte) und dessen Mitarbeiter Streif (links) Kunst am Bau aufzuwerten; nach der Zerstörung des Werkes durch die Nationalsozialisten trat ein Mosaik des belgischen Künstlers Frans Masereel an seine Stelle. Seit Sommer 1927 gab die AWO ein eigenes Mitteilungsblatt neben der Pa r t e i z e i tung „Volksstimme“ heraus. AWO 1934 im VolksabstimAWO 1930 mungskampf 73 ■ Tafel 11 Mitte: Auf Initiative des SPD-Parteivorstandes gründete die Reichstagsabgeordnete Marie Juchacz am 13. Dezember 1919 den Hauptausschuß der Arbeiterwohlfahrt als Arbeitsgemeinschaft der SPD. Als Emigrantin hielt sie sich später von 1933 bis 1935 im Saargebiet auf. Hier kam es erst am 13. Februar 1924 zur Gründung eines Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt („AWO Bezirk Saargebiet“). Angela BraunStratmann, die Ehefrau des SPDVorsitzenden Max Braun, wurde zur Vorsitzenden gewählt und hatte dieses Amt bis zum 15. Januar 1935 inne. Die Zahl der Ortsgruppen der Arbeiterwohlfahrt des Saargebietes wuchs zunächst langsam, verdreifachte sich aber im Jahre 1927. Die Selbsthilfeorganisation der Arbeiterschaft, in der viele Frauen aktiv waren, kümmerte sich um die Kindererholung und die Schulspeisungen und führte auch Lebensmittel-Sammlungen für bedürftige Familien durch. Denn in den zwanziger Jahren herrschte noch vielfach große Armut in den kinderreichen Arbeiterfamilien an der Saar, die durch die Weltwirtschaftskrise ab 1929 noch verstärkt wurde. Nun richtete die AWO auch Suppenküchen ein. 74 ■ Tafel 11 unten: Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Arbeiterwohlfahrt in guter Zusammenarbeit mit dem saarländischen Minister für Arbeit und Wohlfahrt Richard Kirn (1902-1988) ihre Arbeit im Sozialbereich erfolgreich fortsetzen. In ihrer Trägerschaft entstanden, teils gefördert durch die Landesregierung, zahlreiche soziale Einrichtungen, darunter das Kinderheim Nunkirchen, das Kindererholungsheim Neuweiler, das Mädchenwohnheim Dudweiler (1953) und das Müttererholungsheim Oberthal (1957) sowie Kindergärten in Haus Furpach, Ludwigsthal und Schiffweiler. Daneben waren die Hauptund ehrenamtlichen Helfer/innen der Arbeiterwohlfahrt in der Krankenpflege, in Nähstuben, der Strafgefangenenfürsorge und in der Flüchtlingsbetreuung tätig. Den Vorsitz des Bezirks Saar der AWO übernahmen 1946 Thomas Blanc aus Püttlingen, danach wieder Angela Stratmann-Braun; ihr folgte 1951 Else Braun, Gattin des Justizministers Heinz Braun. Die Zahl der Ortsgruppen stieg auf 95 im Jahre 1957 an. Das Müttererholungs- und Kinderheim in Oberthal 75 ■ Tafel 12 oben: Die Saar-SPD vor 1933 Wie in der Weimarer Republik schon 1931 wurde auch Anfang 1932 im Saargebiet die Eiserne Front als Schutztruppe zur Verteidigung der Republik gegen den aufkommenden Faschismus gebildet. In der Saar-Kampfleitung der Eisernen Front waren neben der SaarSPD u.a. die freien Gewerkschaften, der allgemeine deutsche Beamtenbund des Saargebietes, Arbeitersportler, aber auch die Deutsch-demokratische Partei des Saargebietes vertreten. „Wir Republikaner und Reichsbannerleute, wir Freigewerkschaftler und Arbeitersportler, wir Sozialisten und Demokraten des Saargebiets … haben … gerungen … für den Brückenpfeiler deutsch-französischer und europäischer Verständigung auf saardeutschem Boden“ heißt es im Gründungsaufruf vom 6. Februar 1932. Die freien Gewerkschaften wurden repräsentiert durch Fritz Dobisch (18901941), den Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Saar, der 1941 im Konzentrationslager Buchenwald ums Leben kam. Fritz Dobisch 76 ■ Tafel 12 Mitte: Auf dem Gruppenfoto anlässlich des 25 jährigen Bestehens der sozialdemokratischen Zeitung „Volksstimme“ im Jahre 1933 sind der Landesvorstand, die Landesratsfraktion und Leiter der Agitationsbezirke der Sozialdemokratischen Partei des Saargebiets (SPdS) abgebildet. Seiner Bedeutung entsprechend ist das Porträt des Landesvorsitzenden Max Braun - gekennzeichnet mit der Nr. 1 deutlich vergrößert. Seit 1923 Chefredakteur der Volksstimme, seit Anfang 1929 Vorsitzender der SPdS,. war er die intellektuell und politisch dominante Führungsfigur der Saar-Sozialdemokraten. Seine antifaschistische, republikanische Grundhaltung beinhaltete für ihn wie für die Saar-SPD bis 1933 das klare Bekenntnis der Rückkehr des Saargebietes zu Deutschland. Gerade aus den Erfahrungen des Grenzlandschicksals des Saargebietes, das 1920 im Versailler Vertrag für 15 Jahre politisch von Deutschland abgetrennt worden war, hatte Max Braun in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre für die SPdS die Politik der Aussöhnung mit Frankreich als Grundlage der europäischen Verständigungspolitik entwickelt. Dem Saargebiet kam dabei eine Brückenfunktion „zwischen den beiden großen europäischen Kulturnationen Deutschland und Frankreich“ zu. Die auf Frieden und Verständigung ausgerichteten außenpolitischen Positionen der Saar-SPD waren klare Gegenpositionen zur aggressiven, nationalistischen Kriegspolitik der NSDAP, vor der Max Braun vielfach auch in Leitartikeln der Volksstimme warnte. 77 ■ Tafel 12 unten: Julius Schwarz (1880-1949) war als Vorsitzender des freigewerkschaftlichen Bergarbeiterverbandes (BAV, 1930-35) einer der einflussreichsten Politiker im Saargebiet. Zudem war er ab 1929 SPDStadtratsmitglied in Saarbrücken und viele Jahre stellvertretender Vorsitzender der SPdS. 1919-21 und 1933 war er Mitglied im Preußischen Landtag. Schwarz war bodenständiger Gewerkschafter und Sozialpolitiker und von Neigung, Interessen und Habitus geradezu der Gegenpol zu Max Braun. Mit der Zerschlagung der freien Gewerkschaften im Deutschen Reich, am 02. Mai 1933, war es für Schwarz klar, dass auch die Gewerkschaftsverbände an der Saar in ihrer Existenz bedroht waren. Wie andere Julius Schwarz freie Gewerkschaften auch konstituierten sich die freigewerkschaftlichen Bergarbeiter des Saargebietes als selbständige Organisation, und Schwarz gab ab Mai 1933 die Saar-Bergarbeiter-Zeitung heraus. Die Zustände im nazistischen Deutschland wurden darin heftig attackiert. 78 ■ Tafel 13 oben: Nie zu Hitler Nach anfänglicher Rücksichtnahme auf die Mutterpartei im NSStaat nahm die SPdS ab Mai 1933 in der öffentlichen Auseinandersetzung mit den Zuständen in Hitlerdeutschland keine Rücksichten mehr. Als schwierig erwies sich aber die Stellungnahme zur Frage der Rückgliederung der Saar zu Deutschland. Bis 1933 war auch für die Saar-SPD völlig unstrittig, dass in der Volksabstimmung 1935 nur für die Rückgliederung zu Deutschland votiert werden kann; das demokratische, freiheitliche Deutschland gab es aber nicht mehr. Deutschland glich nach Auffassung der Antifaschisten einem Gefängnis, war „vom Feinde besetzt“. Anfang August 1933 erklärte Max Braun erstmals öffentlich, dass es eine Rückkehr zu einem nationalsozialistischen Deutschland für die SPD nicht geben könne. Die Saar-SPD, die sich auf dem Parteitag im November 1933 von der im Deutschen Reich verbotenen Mutterpartei trennte und sich in „Sozialdemokratische Landespartei des Saargebietes“ umbenannte, versuchte erfolglos, beim Völkerbund eine Verschiebung der Abstimmung zu erwirken, bis die Nationalsozialisten in Deutschland nicht mehr an der Macht seien. 79 ■ Tafel 13 Mitte: Mit der Selbstgleichschaltung der bürgerlich-christlichen Organisationen an der Saar und ihrer Unterwerfung unter die Führungsrolle der NSDAP in der Deutschen Front 1933/34 nahmen auch der psychische und physische Druck und Terror gegen Rückgliederungsgegner ständig zu. Die Terrorskala der Deutschen Front war groß: Sie reichte von vagen Drohungen wie „Denk an 1935“ über Angriffe auf Flugblatt- und Zeitungsverteiler der antifaschistischen Organisationen, Diffamierung und öffentliche Bloßstellung von Rückgliederungsgegnern als Separatisten und Vaterlandsverräter bis hin zu Mordanschlägen auf den Führer der Freiheitsfront, den saarländischen SPD-Vorsitzenden Max Braun. Die symbolische Hinrichtung von Rückgliederungsgegnern - oft in Gestalt der Erhängung einer Puppe, der das Namensschild ‚Max Braun‘ oder „Status quo“ umgehängt war - wirkte auch deshalb stark einschüchternd auf Gegner des NS-Systems, weil dies den realen Umgang mit politischen Gegnern im NS-Staat symbolisierte, also einem tatsächlichen Hintergrund entsprach. Nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses sah Max Braun, wie er später in seinen Erinnerungen schrieb, in einer Demonstration der Deutschen Front seiner eigenen Hinrichtung zu. „…Ich hatte diesen Menschen immer wieder gesagt…’Hitler - das ist der Krieg!’. Und bei diesem grotesken Schauspiel wurde mir klarer als je zuvor, dass derselbe Hexentanz in gleicher Verruchtheit eines Tages sich über die Grenzen hinweg begeben und noch wilder und hemmungsloser gegen Europa und die übrige Welt im Amoklauf losgehen würde.“ 80 ■ Tafel 13 unten: Nach dem 30. Januar 1933 kam auf die antifaschistischen Organisationen zunehmend die Aufgabe zu, (politischen) Flüchtlingen aus NS-Deutschland Überlebenshilfe zu leisten. Allein etwa 1000 sozialdemokratische Flüchtlinge aus Deutschland und später Österreich, oft mittellos, waren mit Essen und Unterkunft zu versorgen; nur selten konnten Arbeitsmöglichkeiten vermittelt werden. Unter den prominenten SPD-Flüchtlingen befand sich auch Marie Juchacz (1879-1956), langjährige SPD-Reichstagsabgeordnete und 1919 Mitgründerin der Arbeiterwohlfahrt. Sie unterhielt in der Saarbrücker Bahnhofstraße eine Begegnungsstätte mit Mittagstisch, wo sich Emigranten aufhalten Marie Juchacz konnten, neue Nachrichten aus Deutschland diskutiert wurden und es zu günstigen Preisen eine Mahlzeit gab. Ähnliche Anlaufstellen gab es u.a. in der Arbeiterwohlfahrt in der Hohenzollernstraße, wo zeitweise Johanna Kirchner, 1944 von den Nazis ermordet, arbeitete. Aber auch die saarländische Liga für Menschenrechte, die Rote Hilfe der KP und die Naturfreunde in ihrem Heim in Kirkel betreuten Emigranten. 81 ■ Tafel 14 oben: Die Einheitsfront gegen Hitler „Um Hitler an der Saar zu schlagen, rufen die kommunistische und die Sozialdemokratische Partei die Arbeiter und das ganze Saarvolk zur Durchführung von gemeinsamen Aktionsmaßnahmen, gemeinsamen Kundgebungen, Versammlungen und Demonstrationen gegen den Faschismus auf“, heißt es im Gründungsaufruf der antifaschistischen Einheitsfront Anfang Juli 1934 an der Saar. Nach der „kampflosen Kapitulation“ der deutschen Arbeiterbewegung wollten SPD und KPD das Saargebiet den Nationalsozialisten nicht kampflos überlassen. Ihrem Aufruf, am 13. Januar 1935 für den Status quo und gegen den Anschluss der Saar an Hitlerdeutschland zu stimmen, folgten nur 8,8% der Abstimmenden. Neben dem einschüchternden Terror der Deutschen Front sind als weitere Gründe der Niederlage vor allem die anbiedernde Haltung der christlichen Kirchen gegenüber Hitlerdeutschland und die entpolitisierende, nur auf das „Gefühl Deutschland“ setzende Propaganda der Deutschen Front, die jede andere Entscheidung als Landesverrat brandmarkte, anzuführen. 82 ■ Tafel 14 Mitte: Die Einheitsfront aus Sozialdemokraten und Kommunisten versuchte mit Hunderten von Veranstaltungen, Flugblättern und zahlreichen Zeitungen die Bevölkerung für das Votum zum Status quo zu gewinnen; dabei setzte die Einheitsfront ihre Hoffnung darauf, nach einer positiven Abstimmung für den Status quo werde die Abstimmung nach dem Ende der NS-Herrschaft wiederholt, und dann wäre der Weg frei für die Rückkehr der Saar zu einem demokratischen Deutschland. Zentrale Veranstaltungen der Status quoBewegung fanden am 24. August 1934 in Sulzbach und am 6. Januar 1935 auf dem Wackenberg in Saarbrücken statt. Eine große Überraschung war der Auftritt von Pater Hugolinus Dörr (18951940) in Sulzbach, der gegen die Bischöfe von Trier und Speyer und für den Status quo Stellung nahm. Der Auftritt des katholischen Geistlichen lies kurzfristig die Hoffnung bei den Antifaschisten aufkommen, die Einheitsfront zu einer saarländischen Volksfront erweitern zu können. Dies misslang allerdings: Nur ein kleiner Teil des politischen Katholizismus im Umkreis des späteren saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann und einige christliche Gewerkschafter sowie die freien Gewerkschaften des Saargebietes riefen ebenfalls zum Votum für den Status quo auf. Viele Männer und Frauen der Einheitsfront und der Status quo-Bewegung mussten nach dem 13. Januar 1935 ins Exil, etliche bezahlten ihr Engagement mit dem Leben. Der mutige Kampf dieser Männer und Frauen hat wesentlich dazu beigetragen, der Welt das Gesicht des anderen, demokratischen und friedlichen Deutschlands zu Max Braun und Pater Hugolinus Dörr zeigen. 83 ■ Tafel 14 unten: Teils schon vor der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses am 15. Januar 1935 verlassen neben jüdischen Bewohnern auch zahlreiche, politisch durch das kommende NS-System an der Saar bedrohte, Antifaschisten ihre Heimat oder ihren ersten Fluchtpunkt Saargebiet. Zu letzteren gehören etwa der ehemalige Innenminister der Weimarer Republik, Wilhelm Sollmann (18811951), der SPD-Reichstagsabgeordnete und Luise Schiffgens und Heinrich Wacker (retuschierFunktionär der freien te Photomontage) Bergarbeitergewerkschaft Heinrich Becker (1877-1964), der SPD-Reichstagsabgeordnete Emil Kirschmann (1888-1948) oder der Frankfurter Funktionär der Deutschen Metallarbeiterverbandes Max Bock (1888-1953). Aber auch viele einfache Mitglieder und Funktionäre der SPdS und der freien Gewerkschaften des Saargebiets, die sich im Abstimmungskampf gegen den Anschluss an Hitlerdeutschland engagiert hatten und die teils unmittelbar nach der Verkündung des Abstimmungsergebnisses von einem nationalistisch-faschistischen Mob bedroht wurden, gingen ins Exil. Zu ihnen gehörten u.a. Luise Schiffgens (1892-1954), die in den 1950er Jahren zeitweise Fraktionsvorsitzende der SPS im saarländischen Landtag war, und Heinrich Wacker (18871970), Geschäftsführer des Werkmeisterbundes an der Saar und von 1933-35 der Führer des Sozialistischen Schutzbundes in Saarbrücken. Nach 1945 wurde er Erster Vorsitzender der Einheitsgewerkschaft des Saarlandes. Max Bock 84 ■ Tafel 15 oben: Die Saar im Dritten Reich: Ausgrenzung und Kriegswirtschaft Am 1. März 1935 wurde die Saarregion wieder Bestandteil des Deutschen Reiches. Wer nicht emigriert war, enthielt sich vorsorglich jeder politischen Meinungsäußerung. Um die nationalsozialistische Herrschaft an der Saar zu etablieren, ernannte Hitler Josef Bürckel, den Gauleiter der NSDAP Rheinpfalz, zum Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlandes. Das öffentliche Vereinswesen wurde gleichgeschaltet. 1937 führten die Nationalsozialisten die christliche Gemeinschaftsschule ein, in der freilich bald jeder Religionsunterricht entfiel. Die politischen Gegner wurden verfolgt. Der Hass der Nazis richtete sich vor allem gegen die Kommunisten, traf aber auch Sozialdemokraten und Christen. Der differenzierte nationalsozialistische Überwachungsapparat erzeugte einen starken Anpassungsdruck und hielt die Bevölkerung, vor allem nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, dauerhaft in Angst und Schrecken; davon zeugen zahlreiche Verfahren wegen Vergehen gegen die Heimtücke-Verordnung (Führerwitze, Hören feindlicher Sender). Während die nationalsozialistische Herrschaft nach außen mit beeindruckenden Aufmärschen, schmissiger Musik und zackigem Auftreten das Bild eines anständigen, sauberen und starken Deutschlands bot, unterdrückte sie nach innen jegliche Äußerung andersdenkender Vorstellungen mit massiver Einschüchterung und brutaler Gewalt. Aber auch die sozialpolitischen Maßnahmen im NSStaat zugunsten der Arbeiterbevölkerung -“Sozialismus der Tat“- führten zu Anpassung und politischer Abstinenz, teils sogar zu partieller Zustimmung zum Regime. 85 ■ Tafel 15 Mitte: Die jüdische Bevölkerungsminderheit war, nachdem sie in der Französischen Revolution als Staatsbürger emanzipiert worden war, im 19. Jahrhundert angewachsen und vielfach als Viehhändler und Kleingewerbetreibende tätig. Die jüdischen Gemeinden an der Saar unterhielten 27 Synagogen und 11 Friedhöfe. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus und ersten Boykottmaßnahmen im Deutschen Reich wussten die Juden an der Saar, was auf sie zukam. Wer es sich leisten konnte, verkaufte bereits vor oder nach der Volksabstimmung seine Liegenschaften und emigrierte ins Ausland. Zahlreiche Handelsunternehmen in den saarländischen Gemeinden wurden 1935 arisiert, darunter viele bis heute alteingesessene Geschäfte. Die Nichtanwendung der die jüdische Bevölkerung diskriminierenden Reichsgesetze an der Saar lief ein Jahr nach der Rückgliederung (am 29. Februar 1936) aus. Wie im übrigen Deutschland kam es in der sogenannten „Reichskristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 zu gewaltsamen Übergriffen auf Juden, ihre Wohnungen, Synagogengebäude und Friedhöfe. Zahlreiche Synagogen gingen in Flammen auf, Teile der jüdischen Bevölkerung wurden vom braunen Mob in ihren Häusern aus dem Schlaf gerissen, durch die Stadt getrieben und schließlich ins Konzentrationslager Dachau verbracht. Die Synagogen wurden vielfach abgerissen, teils verkauft oder einer anderen Nutzung zugeführt. Schließlich wurden während des Zweiten Weltkriegs im Oktober 1942 alle noch im Saarland, der Pfalz und in Baden verbliebenen Juden verhaftet und ins Lager Gurs in Südwestfrankreich deportiert, von wo sie 1944 ins Konzentrationslager Auschwitz transportiert und erDie brennende Synagoge in Saarbrücken am 9. November 1938 mordet wurden. 86 ■ Tafel 15 unten: Hermann Röchling (1871-1955) übernahm 1898 die Leitung der Völklinger Hütte, deren Mehrheitsanteile nach dem Ersten Weltkrieg an Frankreich gefallen waren. Er gehörte als Vertreter der Liberalen Volkspartei (ab 1924: Deutsch-Saarländische Volkspartei) in allen vier Legislaturperioden (1922-1935) dem Landesrat an und setzte sich besonders für den Verbleib des Saargebietes bei Deutschland ein. 1933 gab Hermann Röchling entscheidenden Anstoß zur Gründung der Deutschen Front, des Wahlkampfbündnisses für die bedingungslose Angliederung des Saargebietes an das Deutsche Reich zur Saarabstimmung am 13. Januar 1935, und unterhielt enge Verbindungen zu Nationalsozialisten. 1935 wurde er Mitglied der NSDAP, trat dem Rüstungsbeirat des Reichswehrministeriums bei und war bald Mitglied der Aufsichtsräte zahlreicher Firmen der kriegswichtigen Montanindustrie. So erhielt er vielfache Titel und Funktionen, u.a. als Wehrwirtschaftsführer. Nach dem Westfeldzug wurde Hermann Röchling zum „Generalbevollmächtigten für die Eisen- und Stahlindustrie in Lothringen“ ernannt, deren Ressourcen er der deutschen Kriegswirtschaft dienstbar zu machen suchte. In der saarländischen Schwerindustrie, aber auch in Handel, Gewerbe und in der Landwirtschaft, wurden während des Krieges ca. 60.000 bis 70.000 Zwangsarbeiter eingesetzt, bei denen es sich um Treueschwur der Röchling-Arbeiter Kriegsgefangene oder unter falschen Versprechungen angelockte Zivilpersonen handelte; sie wurden vielfach in Barackenlagern untergebracht. Obwohl es sich meist um junge Arbeitskräfte handelte, kamen viele durch Unfälle, Hunger, Bomben und Mißhandlung zu Tode. Hermann Röchling wurde nach den beiden Weltkriegen 1919 und 1947 rechtskräftig als Kriegsverbrecher verurteilt und war wesentlich für den Einsatz der Zwangsarbeiter in der deutschen Kriegswirtschaft während des Zweiten Weltkriegs verantwortlich. 87 ■ Tafel 16 oben: Die Saar im Dritten Reich: Verfolgung und Widerstand Magdalena Weber, geb. Berty (21. Januar 1898 - 27. April 1945): Magdalena Berty wurde am 21. Januar 1898 in Merzig geboren. Sie heiratete am 12. September 1922 in Sulzbach Karl Weber und trat im darauffolgenden Jahr der SPD bei. Sie war Vorstandsmitglied im Ortsverein Sulzbach und arbeitete bei der Arbeiterwohlfahrt sowie beim Arbeiter-Samariter-Bund mit. Nach der Emigration ins südfranzösische Departement Gers ging sie 1936 nach Spanien und nahm bis 1938 als Röntgenschwester des Internationalen Sanitätsdienstes Spanien (SSI) am Spanischen Bürgerkrieg teil. Als sich die Niederlage der republikanischen Volksfront abzeichnete, begab sich Magdalena Weber im April 1938 nach Frankreich. Am 18. Mai 1941 wurde sie durch die französische Polizei des Vichy-Regimes festgenommen und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Im Juli 1942 wurde sie der Gestapo übergeben und nach Deutschland zurückgeführt. Sommer und Herbst 1942 verbrachte sie in den Gefängnissen Trier und Saarbrücken, bevor sie am 28. November 1942 ins FrauenKonzentrationslager RaMagdalena („Lenchen“) Weber mit vier Kavensbrück überstellt wurde, meraden der Internationalen Brigaden (zweiwo sie am 27. April 1945 ter von rechts Hermann Drumm, Bergmann aus Wiebelskirchen) ermordet wurde. 88 ■ Tafel 16 Mitte: Beim Aufbau der von den Nationalsozialisten propagierten „Volksgemeinschaft“ kam es immer wieder zu sozialen Konflikten, widerständigem Verhalten und zu einzelnen Zusammenstößen mit den Repräsentanten des nationalsozialistischen Apparates, ohne dass freilich der Rückhalt des Systems jemals ernsthaft bedroht war. Der den Machthabern zur Verfügung stehende Repressionsapparat, der im Einzelfall Exempel statuierte, ließ die Beherrschten aber weitgehend im Unklaren darüber, wie er im Einzelfall zuschlagen würde. So diente er vor allem zur Verbreitung einer latenten Angst und erzeugte einen Druck zu konformem Verhalten auch bei denen, die innerlich das System ablehnten. Bereits unmittelbar nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses am 15. Januar 1935 trieb eine Welle von Übergriffen die exponierten Funktionäre der Einheitsfront in die Emigration. Widerstand gegen die NS-Herrschaft konnte von da an nur noch mit bescheidenen Mitteln von außen geleistet werden. Aktiver Widerstand, meist im Ausland, blieb eine Sache von wenigen Einzelnen; gleichwohl erregten viele die Aufmerksamkeit der Verfolger bei geringsten öffentlichen Meinungsäußerungen. Gauleiter Bürckel betonte erfolgreich die integrative Seite der NS-Arbeiterpolitik und trug so zur äußerlichen Anpassung der Arbeiterschaft bei, die trotz des geübten privaten Zusammenhalts das Ausbluten ihres Milieus nicht verhindern konnten. Auch die Kommunisten schotteten sich im linksproletarischen Milieu ab; ihre wenigen Widerstandsgruppen blieverbotene Naturfreundegruppe ben ohne Resonanz. 89 ■ Tafel 16 unten: Julius Strumm (15. Juli 1915 - 13. Juli 1942) Julius Strumm wuchs in Sulzbach bei seinem Großvater auf. Er trat eine Lehrstelle in einer Dreherei an und war danach auf den Gruben Altenwald und Hirschbach beschäftigt, bis er 1933 infolge der Weltwirtschaftskrise entlassen wurde. 1931 war er dem Bergarbeiterverband beigetreten und gehörte zur JugendgrupJulius Strumm bei den pe der Naturfreunde. Im Naturfreunden und als Saarabstimmungskampf Fremdenlegionär wurde er im Dezember 1934 von den Nazis zusammengeschlagen, 1935 emigrierte er nach Frankreich. Von Mai 1936 bis Herbst 1937 kämpfte er auf rotspanischer Seite im Bürgerkrieg, von Januar 1938 bis Juli 1940 diente er in der französischen Fremdenlegion. Trotz Zusicherung von Straffreiheit wurde Julius im Juli 1941 der deutschen Sicherheitspolizei überstellt, die ihn am 24. November 1941 wegen Hochverrats anklagte. Man konnte ihm zwar nichts nachweisen; dennoch verblieb er als Spanienkämpfer in Schutzhaft in Frankfurt/Main. Am 28. Mai 1942 wurde Julius Strumm von der Gestapo ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Er starb dort - fast 27 Jahre alt - am 13. Juli 1942 gegen 21 Uhr. Als Todesursache gab die KZ-Leitung an: „Versagen von Herz und Kreislauf bei eitriger Rippenfellentzündung“. Julius Strumm im Naturfreundelager 90 ■ Tafel 17 oben: Demokratischer Neubeginn: Die SPS Der französische Militärgouverneur Grandval betrieb neben dem Wiederaufbau auch den der saarländischen Montanindustrie, die Frankreich Reparationen leisten sollte. Der Parteikongress der SPS am 9. März 1947 forderte erstmals „Die Saarindustrie dem Saarvolk!“ Am 17. Mai setzte Grandval feierlich eine Kommission ein, die eine Verfassung für das Saarland ausarbeiten sollte. Bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung am 5. Oktober 1947, die sich als Landtag konstituierte, errang die SPS 32,8 % der Stimmen und wurde damit zweitstärkste Partei. Die SPS unter Richard Kirn trat in eine Regierungskoalition unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann (CVP, 51,2 %) ein und erwies sich als dauerhaft mitgestaltende politische Kraft im Saarland. Die Politik der Saarregierung war geprägt vom engen wirtschaftlichen Anschluss und der politischen Anlehnung an Frankreich, von einer klerikalen Ausrichtung und einer hohen sozialen Sicherung, wobei für letzteres insbesondere die SPS einstand. Die Präambel der saarländischen Verfassung schrieb die Wirtschaftsunion und eine enge politische Anbindung an Frankreich fest und stellte vage ein internationales Statut für das Saarland in Aussicht. Deckblatt einer Broschüre, die Schülerinnen und Schülern zur Schulentlassung überreicht wurde 91 ■ Tafel 17 Mitte: Am Ende des Zweiten Weltkrieges waren 35.000 Menschen aus dem Saarland kriegsbedingt ums Leben gekommen; rund 110.000 saarländische Männer befanden sich in Kriegsgefangenschaft, von 130.000 Wohngebäuden sind 60.000, von 376 Kirchen 262, von 600 Schulen 390 und von 56 Krankenhäusern 42 zerstört worden. Von 270 großen Industriebetrieben sind nur 100 völlig unbeschädigt, von 94 Eisenbahnbrücken sind 25 intakt, von 162 Straßenbrücken 27. Der Bevölkerung fehlte das Nötigste zum Überleben. Zunächst stellte die Bewältigung des Alltags und die Beseitigung der Trümmermassen und anderer Kriegsrelikte die Bevölkerung, die vielfach in Notunterkünften hausen mußte, vor erhebliche Probleme; die Sicherstellung der Ernährung und Reparaturen leichterer Gebäudeschäden hatten Vorrang. Politische Parteien (CVP, SPS, KP) wurden erst am 13. Februar 1946 zugelassen. Nach einer inoffiziellen Gründung der Sozialdemokratische Partei des Saarlandes (SPS) im Hinterzimmer eines Saarbrücker Gasthauses wurde auf dem Gründungsparteitag der SPS am 6. Januar 1946 Richard Kirn zum Vorsitzenden gewählt. Wenige Tage später erfolgte am 10. Januar 1946 die Gründungsversammlung der Christlichen Volkspartei (CVP). Bei den ersten Gemeinderatswahlen im Saarland am 15. September 1946 errang die SPS 25,5 % der Stimmen, auf die CVP entfielen 52,4 %, die Kommunistische Partei des Saarlandes 9,1 % und freie Listen 13 %. Die zerstörte Malstatter Brücke in Saarbrücken 92 ■ Tafel 17 unten: Die sozialdemokratische Partei fühlte sich zunächst der deutschen Sozialdemokratie zugehörig und bezeichnete sich in ihren Anfängen als „Sozialdemokratische Partei, Bezirk Saar“. Erst auf dem Parteitag im Juni 1947 verstand sie sich als „organisatorisch von der Sozialdemokratischen Partei Deutschland getrennt“ und nahm den Namen „Sozialdemokratische Partei Saar“ an. Diese Umbenennung war Ausdruck innerparteilicher Diskussionen in den frühen Nachkriegsjahren, bei denen sich zwei Lager gegenüberstanden. Der SPS-Parteivorsitzende Richard Kirn, der Minister für Arbeit und Wohlfahrt war, und seine Anhänger waren mit dem wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich und einer zukünftigen Autonomie des Saarlandes einverstanden. Der Wiederaufbau der saarländischen Montanindustrie ohne Reparationen gehörte zu den ersten Prioritäten sozialdemokratischer Politik und wurde von der SPS weithin als Bedingung für ihre Zustimmung zur Autonomielösung verstanden. Der Streit um die außenpolitische Orientierung der SPS schwelte aber weiter, so dass es 1952 zur (illegalen) Gründung der Deutschen Sozialdemokratischen Partei Saar (DSP, später SPD-Landesverband Saar) kam. 93 ■ Tafel 18 oben: Errungenschaften und Krise der SPS Eine organisatorische Vereinheitlichung der Sozialversicherungsträger war auf Initiative französischer Vertreter vorgesehen und wurde in der Verwaltungskommission heftig diskutiert. Im Juni 1947 wurde die Landesversicherungsanstalt (LVA) zum zentralen Versicherungsträger für die Kranken-, Mutterschafts-, Todesfall-, Arbeitsunfall-, Invaliditäts- sowie die Pensionsversicherung; sie regelte hinfort auch die Beziehungen zu Verbänden und Vereinigungen der Heilberufe, zu den Heilanstalten und Erholungsheimen. Damit fanden ein organisatorisches Chaos und unterschiedliche Beiträge ein Ende. Die saarländische Sozialversicherungsreform war insgesamt betrachtet eine behutsame Reform, die das Saarland nicht völlig von der deutschen Sozialversicherungstradition abtrennte und den Versicherten ein relativ hohes Leistungsniveau bescherte. Die Herausforderung der Kriegsopferversorgung nach 1945 wurde gemeistert. Die Anzahl der Feiertage und die Leistungen in der Familienpolitik des Saarlandes lagen deutlich über dem Stand in der Bundesrepublik. Dabei ist nicht zu verkennen, dass die saarländische Sozialpolitik auch dazu diente, die Eigenstaatlichkeit des Landes zu stabilisieren. Wohnverhältnisse 94 ■ Tafel 18 Mitte: Zunächst ist generell die Leistung der SPS beim Aufbau eines demokratischen und sozialen Gemeinwesens an der Saar zu würdigen. In der Verfassungskommission, in der die SPS mit fünf Mitgliedern vertreten war und Richard Kirn den stellvertretenden Vorsitz innehatte, trug die SPS Wesentliches zur demokratischen Grundlegung des Saarlandes bei, besteht doch die Verfassung von 1947 (nach Wegfall der umstrittenen Präambel und weiteren Aktualisierungen) im Kern bis heute. Von 1947 bis 1951 und von 1952 bis 1954 stellte die SPS in der Regierungskoalition den Minister für Arbeit und Wohlfahrt Richard Kirn, der auch stellvertretender Ministerpräsident war, und den Minister für Justiz Heinz Braun, den Bruder des 1945 verstorbenen früheren SPD-Vorsitzenden Max Braun. So bestimmte sozialdemokratisches Gedankengut weitgehend die Justiz- und Sozialpolitik der „Ära Hoffmann“. Richard Kirn 95 ■ Tafel 18 unten: Da die französische Regierung an einer möglichst ungestörten Kontrolle über die saarländische Montanindustrie interessiert war, gestand der französische Hochkommissar Gilbert Grandval den saarländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur sehr geringe Einflussmöglichkeiten in der Schwerindustrie zu. Durch die fehlende Mitbestimmung und das oftmals überhebliche Auftreten französischer Ingenieure und Steiger, das unangenehm an die Zeiten preußischer Herrschaft erinnerte, verspielte die saarländische Landesregierung den verdienten Kredit für ihre moderne Sozialpolitik. Im Juli 1954 wurde schließlich nach heftigen Diskussionen ein saarländisches Mitbestimmungsgesetz verabschiedet, das sich deutlich am bundesdeutschen Modell orientierte, aber den Gewerkschaften nicht weit genug ging. Zwar zerbrach die Regierungskoalition zwischen CVP und SPS nicht primär über dieses Gesetz, es hat aber die Unzufriedenheit weiter Bevölkerungsteile mit dem herrschenden System an der Saar deutlich verstärkt. Bei dem von der IV Metall am 23. Februar 1955 organisierten Generalstreik kam es in Saarbrücken zu einem rabiaten Einsatz der Polizei, die mit Schlagstöcken gegen die friedlich Demonstrierenden vorging. Saarländische Polizei im Einsatz gegen Demonstranten 96 ■ Tafel 19 oben: Der Kampf um das Saarstatut Der Volksabstimmungskampf um das Saarstatut begann im Juli 1955. Zu diesem Zeitpunkt konnte die seit 1952 existente Deutsche Sozialdemokratische Partei unter Kurt Conrad (DSP, später SPD) aus der Illegalität auftauchen, CDU und DPS (Demokratische Partei Saar) wurden neu gegründet und schlossen sich im Spätsommer zum Deutschen Heimatbund zusammen. Die prodeutschen Parteien standen als „Neinsager“ den „Jasagern“ von CVP und SPS gegenüber. Für eine große Irritation sorgte die an die saarländischen Bevölkerung gerichtete Bitte des Bundeskanzlers Adenauer, das von ihm ausgehandelte Statut anzunehmen. Vor allem die vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen unterstützten Heimatbundparteien entfalteten eine wahre Propagandaschlacht mit Flugblättern, Aufklebern und Plakaten. Im August 1955 wurden innerhalb einer Woche 51 Personen, darunter 18 Polizisten, verletzt. Der Unmut großer Teile der Bevölkerung mit der Regierung Johannes Hoffmann spiegelte sich in der Parole „Der Dicke muß weg!“ Die Befürworter des Statuts hingegen unterstellten den Neinsagern wegen ihres nationalistisch geführten Wahlkampfs faschistisches Gedankengut und verwiesen auf ihre sozialen Errungenschaften. Die Frage nach dem zukünftigen Status des Saarlandes münzten die Saarländer mehrheitlich in eine Bekundung ihres Willens, zum neuen deutschen Staat zu gehören, um. Polizeieinsatz bei einer Wahlkampfveranstaltung 97 ■ Tafel 19 Mitte: Nachdem der Bundestag 1952 das Selbstbestimmungsrecht der Saarländer gefordert hatte, wurden bei der darauffolgenden Landtagswahl im Saarland ein Viertel der Stimmen ungültig abgegeben. Im Zuge der Integration der jungen Bundesrepublik ins westliche Bündnissystem (Montanunion, Europarat, Westeuropäische Verteidigungsgemeinschaft, NATO) - erwiesen sich die Meinungsverschiedenheiten über die politische Zukunft des Saarlandes zunehmend als Hemmnis. Frankreichs politische Schwierigkeiten (Indochinakrieg, Freiheitsbestrebungen in Nordafrika und die inflationäre Entwicklung des französischen Francs) einerseits und das beginnende „Wirtschaftswunder“ in der Bundesrepublik andererseits steigerten die Unzufriedenheit der saarländischen Bevölkerung mit dem wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich. Die französische Nationalversammlung lehnte am 30. August 1954 einen gemeinsamen Plan des Europarats, der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) zur Saarfrage ab. Im Rahmen der Errichtung der Westeuropäischem Union (WEU) und der Integration der Bundesrepublik in die NATO verhandelten deutsche und französische Politiker weiter; am 23. Oktober 1954 unterzeichneten Bundeskanzler Adenauer und der französische Ministerpräsident MendèsFrance ein Saarstatut, das die endgültige Regelung der Saarfrage bis zu einem künftigen Friedensvertrag aufschob, die wirtschaftliche Union mit Frankreich sowie die politische Autonomie des Saarlandes bis dahin festschreiben sollte. Bundeskanzler Adenauer und Ministerpräsident MendèsFrance unterzeichnen das Saarstatut 98 ■ Tafel 19 unten: Am 23. Oktober 1955 lehnten 67,7 Prozent der Saarländer das Saarstatut ab. Die Öffentlichkeit und die maßgeblichen Politiker bewerteten das Abstimmungsergebnis als Willensbekundung der Saarländer für einen Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland. Nach einjährigen Verhandlungen unterzeichneten am 27. Oktober 1956 die Außenminister von Frankreich und Deutschland, Heinrich von Brentano und Christian Pineau, in Luxemburg den „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage“ (Saarvertrag, Luxemburger Vertrag). Der saarländische Landtag erklärte seinen Beitritt zur Bundesrepublik, und das Saarland wurde am 1. Januar 1957 Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland. Die wirtschaftliche Übergangphase währte bis zum „Tag X“ (6. Juli 1959); bis dahin gehörte das Saarland zum französischen Zollgebiet und es galt die Frankenwährung (100 Franken = 0,8507 DM). Der erbittert geführte Wahlkampf um das Saarstatut hinterließ noch auf Jahre und Jahrzehnte Folgeschäden; so waren ganze Familien zwischen Ja-Sagern und Nein-Sagern auf Jahrzehnte zerrissen und sprachen nicht mehr miteinander; Freundschaften zerbrachen. 99 ■ Tafel 20 oben: Der Weg nach oben Bei der Landtagswahl 1965 erreichte die SPD erstmals 40,7 Prozent der Stimmen, denn sie konnte sich in der Opposition deutlicher profilieren als zuvor in der auf weitestgehende Übereinstimmung angelegten Heimatbund-Koalition. Als eine Zäsur in der Parteigeschichte kann der Landesparteitag 1970 gelten, bei dem sich Friedel Läpple als neuer Landesvorsitzender mit 153 : 146 Stimmen gegen Friedel Regitz durchsetzte. Durch diesen Generationswechsel veränderte sich bei der Landtagswahl 1975, zu der die SPD mit dem Spitzenkandidaten Friedel Läpple antrat, das Parteiensystem auf Landesebene: Erstmals wurde ein Machtwechsel durch eine SPD/FDP-Koalition denkbar. Ein persönlicher Erfolg Läpples war die Entscheidung des Bundeskabinetts am 30. Mai 1973 für den Ausbau der Saar zur Großschifffahrtsstraße. Nachdem Oskar Lafontaine 1977 den Vorsitz der SPD Saar übernommen hatte, errang die SPD 1980 mit 45,4 % ihr bis dahin bestes Landtagswahlergebnis, scheiterte aber an der Koalition zwischen CDU und FDP. Nun blieb der neuen Führungsmannschaft nur noch die Möglichkeit, zur Ablösung der konservativen Regierung eine eigene absolute Mehrheit anzustreben. Der lange Weg in die Staatskanzlei wurde gefördert durch den gesellschaftlichen Wandel, die Auflösung der alten Milieus, die erhöhte Mobilität der Bevölkerung, verstärkten Einfluss der modernen Medien und vor allem das geschickte Aufgreifen von Themen, die die Menschen bewegten. Friedel Läpple, der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Kurt Conrad, SPD- Landesgeschäftsführer Paul Grabe & Ministerpräsident Franz-Josef Röder 100 ■ Tafel 20 Mitte: Als ein Vierteljahr nach der Volksabstimmung über das Saarstatut der saarländische Landtag am 18. Oktober 1955 neu gewählt wurde, wurde die CDU mit 25,4 % die stärkste Kraft und die CVP erreichte immerhin 21,8 %. Zweitstärkste Kraft im Landtag wurde die aggressiv prodeutsche DPS, die mit der Volksabstimmung eigentlich bereits am Ziel ihrer politischen Wünsche war und sich 1957, um nicht unterzugehen, als FDP-Landesverband neu formierte. Die sozialdemokratischen Stimmen teilten sich die DSP, die bald den Namen SPD-Landesverband Saar annahm (14,3 %), und die SPS, die auf 5,8 Prozent der Stimmen abstürzte. Die Kräfteverhältnisse der beiden sozialdemokratischen Parteien an der Saar waren mit der Landtagswahl geklärt. Die führenden Personen der SPS zogen sich wegen der wenig ehrenhaften Bedingungen zur Übernahme der SPS durch die SPD enttäuscht aus der Politik zurück und ebneten somit den Weg für eine zügige Vereinigung der Genossen in der SPD. Die SPS löste sich auf einem Parteitag am 18. März 1956 auf, ihre Mitglieder traten größtenteils der SPD bei. Zunächst im Rahmen der Heimatbund-Koalition aus CDU, DPS und SPD war die Saar-SPD von 1955 bis 1960 in wechselnden Regierungskoalitionen unter den CDU-Ministerpräsidenten Ney, Reinert und Röder vertreten. Die Wahlergebnisse der SPD steigerten sich von den bescheidenen Ansätzen 1955 kontinuierlich bis zum Erreichen der absoluten Mehrheit und zur Übernahme ihrer Alleinregierung im Jahre 1985. 101 ■ Tafel 20 unten: War die Politik der Saar-SPD in den 1960er Jahren weitgehend durch eine Politik des Konsenses zwischen den Parteien geprägt, so änderten sich im Zeitraum zwischen 1967 und 1970 die Strukturen und Machtverhältnisse. Von 1955 bis 1970 wurden die Partei und die Landtagsfraktion von Kurt Conrad und seinem Stellvertreter Friedel Regitz geführt; die Fraktion dominierte offensichtlich die Meinungsbildung in der SPD, der Flügelkämpfe fremd waren. Beim Streit um die geplante Privatisierung des Rundfunks traten die Jungsozialisten 1967 erstmals an die Öffentlichkeit, indem sie das Verhalten einiger Abgeordneter während des Gesetzgebungsverfahrens kritisierten. Beim Landesparteitag 1968 sprachen sich die Jusos für eine Trennung von Amt und Mandat aus und empfahlen eine grundsätzliche Neuausrichtung der Parteiarbeit, insbesondere ein intensiveres Eingehen auf die Wünsche der Bevölkerung. Die SPD erkannte die Zeichen der Zeit und gewann durch das Aufgreifen von Gedanken der Studenten-, Frauen- und der Friedensbewegung und anderer aktueller bundespolitischer Themen immer mehr Rückhalt unter der saarländischen Bevölkerung. Pfingsttreffen der Saar-SPD 1977: Parlamentarischer Staatssekretär Alwin Brück, Friedel Läpple, Willy Brandt, Hajo Hoffmann, SPD-Landesgeschäftsführer Hans-Jürgen Petersdorf und Heinz Grandmontagne 102 ■ Tafel 21 oben: Die SPD an der Regierung (1985-1999) Die Lösung der Stahlkrise, die allen europäischen Standorten der Schwerindustrie durch Überproduktion und verstärkte Konkurrenz zu schaffen machte, wurde durch die Zentralisierung und Spezialisierung der saarländischen Eisenhütten, unterstützt durch sozialverträgliche Personalentlassungen und Frühpensionierungen, erreicht. Im Grunde handelte es sich um eine regionale Strukturanpassungsmaßnahme im europäischen Rahmen, bei der das Saarland 1986 mit Unterstützung der Gewerkschaften und Betriebsräte die Mehrheit der Anteile des Stahlunternehmens ARBED Saarstahl übernahm. Zu den Schwerpunkten der Regierungsarbeit gehörte auch die Förderung des wirtschaftlichen Strukturwandels, der geprägt ist von einer Erhaltung eines konkurrenzfähigen Kerns an industrieller Produktion hin zur Neuansiedlung vor allem kleiner und mittelständischer Unternehmen, die neue Produkte herstellen, zur Förderung des Technologietransfers und zur weiteren Erschließung europäischer Märkte. Ökologische Kriterien sollten stärker als bisher berücksichtigt werden, verschiedene Infrastrukturmaßnahmen (Autobahn A8, Saarbahn, Müllentsorgungsprojekte) wurden umgesetzt. Im Schulwesen konnten zur Verbesserung der Chancengleichheit von Kindern aller sozialen Schichten die Gesamtschulen als Regelschulen eingeführt werden. Die 1986 in der Stahlkrise stillgelegte Völklinger Hütte ist heute ein beeindruckendes Industriedenkmal und zählt zum Weltkulturerbe 103 ■ Tafel 21 Mitte: Bei den Landtagswahlen am 10. März 1985 erreichte die SPD Saar erstmals die absolute Mehrheit (SPD 26 Sitze, CDU 20, FDP 5) und war nun zur Regierungsbildung auf keinen Koalitionspartner angewiesen. Am 9. April 1985 wurde Oskar Lafontaine zum ersten Sozialdemokratischen Ministerpräsidenten des Saarlandes gewählt. Dem ersten Kabinett Lafontaine gehörten folgende Minister an (siehe Abbildung): Arno Walter (Justiz), Diether Breitenbach (Kultus), Hans Kasper (Finanzen), Ottokar Hahn (Bundesangelegenheiten), Ministerpräsident Oskar Lafontaine, Jo Leinen (Umwelt), Brunhilde Peter (Arbeit), Friedel Läpple (Inneres) und Hans-Joachim Hoffmann (Wirtschaft). Reinhard Klimmt übernahm den Fraktionsvorsitz im Landtag. Zu den erklärten Zielen der neuen Regierung gehörten die Reduzierung der auf 15 Prozent angestiegenen Arbeitslosenzahlen, die Lösung der Stahlkrise, die Sanierung der miserablen Haushaltslage des Landes und der Ausbau der Hochschullandschaft bzw. hochschulnaher Forschungsinstitute. Die Klage der Saarländischen Regierung gegen den Länderfinanzausgleich vor dem Bundesverfassungsgericht war 1992 insofern von Erfolg gekrönt, als die Haushaltsnotlage des Landes anerkannt wurde und damit mehr Ausgleichszahlungen und Schuldenerlasse der Banken erreicht wurden, was die finanziellen Nöte der Landesregierung eine Zeit lang entlastete. Dass die Bevölkerung die Erfolge der Landesregierung anerkannte, belegen die Ergebnisse der nachfolgenden Landtagswahlen 1990 und 1994, bei denen die SPD wiederholt die absolute Mehrheit erreichte und mehr als 40000 Mitglieder im Saarland hatte. 104 ■ Tafel 21 unten: Oskar Lafontaine spielte als Ministerpräsident des Saarlandes auch eine zunehmend wichtige Rolle in der Bundespolitik. Er trat bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 - zwei Monate nach der deutschen Wiedervereinigung - als Kanzlerkandidat der SPD an und war von 1995 bis 1999 Vorsitzender der SPD auf Bundesebene. Nach der Bundestagswahl im September, bei der Gerhard Schröder Bundeskanzler wurde, übernahm er am 27. Oktober 1998 den Posten des Bundesministers der Finanzen und gab am 9. November 1998 sein Amt als Regierungschef des Saarlandes auf. Sein Nachfolger im Amt des saarländischen Ministerpräsidenten wurde sein langjähriger Weggefährte Reinhard Klimmt. Oskar Lafontaine legte am 11. März 1999 überraschend alle politischen Ämter nieder, die SPD-Saar verlor darauf hin die Landtagswahl am 5. September 1999. Lafontaine äußerte sich in der Folgezeit kritisch zum Kurs der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, bevor er 2005 sein SPD-Parteibuch zurückgab und in der Partei „Die Linke“ wichtige Funktionen übernahm. 105 ■ Tafel 22 oben: Gesichter der Saar-SPD Die Vorsitzenden der SPD an der Saar von 1956 bis heute Kurt Conrad, Vorsitzender der SPD Saar von 1952 bis 1970 Geboren am 19. Oktober 1911 in Homburg, gest. 16. Juli 1982 in Homburg. Conrad arbeitete nach einer Mechanikerlehre als Werkmeister, bis er 1940 als Soldat eingezogen wurde. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft arbeitete er zunächst als Verwaltungsangestellter bei der Stadtverwaltung Homburg, wo er bis 1956 geschäftsführender Bürgermeister war. Conrad gehört bereits von 1929 bis 1935 der SPD im Saargebiet an. Nach dem zweiten Weltkrieg trat er zunächst der SPS bei, wurde aber bereits 1952 Vorsitzender der bis 1955 im Saarland verbotenen SPD und beteiligte sich auf der Seite der Heimatbundparteien (SPD, CDU und DPS) am Abstimmungskampf für das Referendum am 23. Oktober 1955. Von 1957 bis 1959 vertrat er den Wahlkreis Homburg im Deutschen Bundestag und war gleichzeitig auch Mitglied des Europaparlaments. Vom 10. Januar 1956 bis zum 13. Oktober 1957 war Conrad Arbeitsminister und vom 26. Februar 1959 bis 17. Januar 1961 Innenminister des Saarlandes. Friedel Läpple, Vorsitzender der SPD Saar von 1970 bis 1977 Geboren am 20. Juni 1938 in Schiffweiler. Läpple arbeitete nach dem Studium an der Pädagogischen Hochschule Saarbrücken und der Universität Tübingen als Sonderschul- 106 lehrer und Schulleiter. Er gehörte von 1970 bis 1999 dem saarländischen Landtag an. Als Fraktionsvorsitzender (1973-1985), Vorsitzender der saarländischen SPD (1970-1977) und Mitglied des SPD-Bundesvorstandes (1973-1979) war Läpple bei der Landtagswahl 1975 Spitzenkandidat seiner Partei, die aber trotz Stimmenmehrheit der Opposition nicht die absolute Mehrheit der Sitze erreichen konnte. Nach dem Regierungswechsel an der Saar war Läpple von 1985 bis 1999 saarländischer Innenminister im Kabinett von Oskar Lafontaine. In zwei stark diskutierten politischen Streitschriften (Profit durch Krankheit und Gesundheit ohne Ausbeutung) beschäftigte er sich in den Siebziger Jahren mit alternativen Modellen zur Reform des bundesdeutschen Gesundheitswesens. Oskar Lafontaine, Vorsitzender der SPD Saar von 1977 bis 1996 Geboren am 16. September 1943 in Saarlouis-Roden. Oskar Lafontaines politischer Schwerpunkt lag zunächst in der Kommunal- und Landespolitik. Von 1970 bis 1975 gehörte er dem Landtag an. In der Landeshauptstadt Saarbrücken war Lafontaine von 1974 bis 1976 zuerst Bürgermeister, dann als Nachfolger 1985 Oberbürgermeister. Bei seiner politischen Arbeit profitierte er von seiner katholischen Erziehung und der Herkunft aus dem Arbeitermilieu, ein nicht für seine Partei, aber für das gesamte Saarland identitätsstiftender Hintergrund. Nachdem die SPD 1985 die absolute Mehrheit errungen hatte, wurde Lafontaine am 9. April zum ersten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten des Saarlands gewählt. Die SPD konnte auch 1990 und 1994 ihre ab- 107 solute Mehrheit verteidigen. Zu Lafontaines Erfolgen gehören die Verringerung der Arbeitslosigkeit, die Lösung der Stahlkrise und die Besserung der Landesfinanzen durch eine Teilentschuldung. Er profilierte sich in dieser Zeit auch in der Friedensbewegung und als Vertreter eines ökologischen Sozialismus. Bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 war er Kanzlerkandidat der SPD und von 1995 bis 1999 Bundesvorsitzender der SPD. Nach der Bundestagswahl im September 1998 übernahm er unter Kanzler Gerhard Schröder das Bundesministerium der Finanzen, legte aber im März 1999 überraschend alle politischen Ämter nieder. 2005 verließ Oskar Lafontaine die SPD und trat der neugebildeten Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit bei, die auf seine Initiative hin ein Wahlbündnis mit der PDS einging, woraus nach zwei Jahren die neue Partei Die Linke hervorging. Von 2005 bis 2009 war Lafontaine zusammen mit Gregor Gysi Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im deutschen Bundestag, von 2007 bis 2009 einer der beiden Parteivorsitzenden. Seit 2009 leitet er die Fraktion der Linken im saarländischen Landtag, seit Mai 2012 ist er in dieser Funktion auch Oppositionsführer. Reinhard Klimmt, Vorsitzender der SPD Saar von 1996 bis 2000 Geboren am 16. August 1942 in Berlin. Der in Osnabrück aufgewachsene Reinhard Klimmt kam durch das Studium der Geschichte ins Saarland, wo er 1964 der SPD beitrat und in den folgenden Jahren vielfältige Funktionen übernahm, zunächst als Vorsitzender der saarländischen Jungsozialisten (1970-1975). Seit 1975 gehörte er dem saarländischen Landtag an, wo der von 1985 bis 1998 als Vorsitzender die Landtagsfraktion der mit absoluter Mehrheit regierenden SPD leitete. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehörte die berufliche Bildung, die Medienpolitik und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Lothringen und Luxemburg. Als enger politischer Weggefährte 108 Oskar Lafontaines war er von 1976 bis 1996 Vorsitzender der SPD Saarbrücken. 1996 wurde er Nachfolger Lafontaines als Landesvorsitzender der saarländischen SPD. Von 1998 bis 1999 amtierte er als Ministerpräsident des Saarlandes und von 1999 bis 2000 als Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Klimmt ist darüber hinaus Autor und Kunstsammler. Heiko Maas, Vorsitzender der SPD Saar von 2000 bis heute Geboren am 19. September 1966 in Saarlouis. Nach einem Jurastudium wurde er 1992 Vorsitzender der Jusos. Von Ministerpräsident Oskar Lafontaine gefördert, erhielt er 1994 ein Landtagsmandat und wurde 1996 Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr, in dem er 1998 zum jüngsten Minister Deutschlands aufstieg. Nach langjähriger Arbeit als Oppositionsführer ist er seit 9. Mai 2012 saarländischer Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Energie sowie stellvertretender Ministerpräsident. 109 110 Zeittafel zur Geschichte der SPD an der Saar 1832 - 1848 Auslandsvereine deutscher Handwerker und Intellektueller 1848 Kommunistisches Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels 1863 23. 05.: Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV); Ferdinand Lassalle wird dessen erster Präsident 1869 07. 08.: Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDA) in Eisenach durch August Bebel und Wilhelm Liebknecht 1872 07./08.: Erste SDAP-Versammlungen in St. Johann zur Gründung von Gewerkschaften 1875 22. 05.: Zusammenschluss von ADAV und SDA zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) 1876 In St. Johann entsteht ein sozialdemokratischer Wahlverein 1877 01. 07.: „Freie Volkstimme“, erste sozialdemokratische Zeitung erscheint im Saarrevier 1877 04. 07.: Das „Sozialistengesetz der Saarindustrie“ wird beschlossen 1878 19. 10. bis 30. 09. 1890: „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ (Bismarcks Sozialistengesetz) 1889 14. 07.: Gründung der II. Internationale in Paris und Festlegung des 1. Mai als Kampftag der internationalen Arbeiterbewegung für den Achtstundentag 1890 16./17. 11.: Gründungskongress der Generalkommission der Gewerkschaften 1891 19. 10.: Erfurter SPD-Programm verabschiedet 1893 21. 05.: Agitationskomitee für den Regierungsbezirk Trier in Saarbrücken gegründet 1898 15. 05.: Sozialdemokratischer Wahlverein für das Saarrevier gegründet 1899 03. 10.: Der Ortsverein St. Ingbert wird als erster sozialdemokratischer Verein im bayerischen Saarrevier gegründet 111 1899 Gründung eines Gewerkschaftskartells in St. Johann 1900 18. 02.: Gründung des Arbeitergesangvereins „Bruderbund“ in Saarbrücken 1903 16. 08.: Agitationskomitee für das preußische Saarrevier, die bayerische Saarpfalz und den Wahlkreis Saargemünd mit Sitz in Saarbrücken gegründet 1903 15. 11.: Hans Böckler beginnt seine hauptamtliche Gewerkschaftskarriere im Saarrevier 1904 In Saarbrücken besteht ein „sozialdemokratischer Frauenbildungsverein“ 1913 27. 04.: Erste „Sektion“ des Touristenvereins „Die Naturfreunde“ im Saarrevier in St. Ingbert 1914 04. 08.: Erste Bewilligung der Kriegskredite im Reichstag, auch durch die SPD 1917 06. 04.: „Unabhängige SPD“ (USPD) als Abspaltung von der (Mehrheits-)SPD gegründet 1918 03. 11.: Beginn der „Novemberrevolution“ in Kiel mit der reichsweiten Gründung von Arbeiter- und Soldatenräten, so auch in Saarbrücken unter Führung des SPD-Vorsitzenden Valentin Schäfer 1918 09. 11.: Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann ruft die „freie deutsche Republik“ aus 1918 15. 11.: Stinnes-Legien-Abkommen 1918 30. 11.: Einführung des Frauenwahlrechts 1919 01. 01.: Gründung der KPD 1919 01. 01.: Sozialdemokratische Tageszeitung „Volksstimme“ wird jetzt in Saarbrücken gedruckt 1919 11. 02.: Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert wird Reichspräsident 1919 Gründung der Unterbezirke Merzig, Ottweiler, Saarbrücken-Land, Saarlouis und St. Wendel 1919 SPD beginnt nach einem Parteitagsbeschluss reichsweit mit der „Betriebsgruppenarbeit“ 112 1920 10. 01.: Versailler Friedensvertrag tritt in Kraft, Bildung des „Saargebietes“ 1920 29. 04.: „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer“ (AsL) in Saarbrücken gegründet 1920 14. 08.: Saarbrücker SPD bildet Großstadtortsgruppe (= Unterbezirk) 1922 24. 09.: M(ehrheits)SPD und Teile der U(nabhängigen)SPD fusionieren zur V(ereinigten)SPD 1922 Im „Restkreis Wadern“ wird ein zum Unterbezirk Trier gehörender „SPD Kreis Wadern“ gegründet 1922 25. 06.: Erste Wahlen zum Landesrat des Saargebietes, die Saar-SPD erringt 6 Sitze 1923 01. 02.: Die pfälzischen Unterbezirke Homburg und St. Ingbert schließen sich dem „Bezirk Saarbrücken“ an 1923 07. 09.: Erste bekannte Tagung der Jungsozialisten von der Saar im SPD-Parteibüro, Brauerstraße, in Saarbrücken 1924 In Saarbrücken-Land Gründung der Unterbezirke Obere Saar (06. 01.), Sulzbach (17. 01.), Völklingen (12. 01.) 1924 13. 02.: Die Arbeiterwohlfahrt Saar e. V. wird in Saarbrücken gegründet 1927 Im „oberen Illtal“ gründet die SPD einen „Unterbezirk Illingen“ 1929 Max Braun wird Vorsitzender der Saar-SPD 1930 Gründung von 14 „Rote Falken“-Gruppen der „Arbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde“ im Saargebiet 1930 06. 04.: Unterbezirks-Parteitag Saargebiet gründet im „Ludwigspark“ ein „SPD-Frauenwerbekomitee“ 1930 27. 07.: SPD Saargebiet gründet „Kommunalpolitische Vereinigung“, Max Braun wird Vorsitzender 1933 04. 05.: SPD-Vorstand beschließt als SOPADE ins Exil zu gehen, zuerst nach Saarbrücken, dann ab 2. Juni nach Prag 1933 22. 06.: SPD-Verbot im Deutschen Reich 113 1933 12. 11.: Die Saar-SPD trennt sich als „Sozialdemokratische Landespartei des Saargebietes“ (SPdS) auf einem Parteitag von der SOPADE 1934 02. 07.: SPdS und KPD-Saar bilden „Einheitsfront gegen Rückgliederung des Saargebietes an Nazi-Deutschland“ 1935 13. 01.: Erste Saarabstimmung 1935 15. 01.: Verkündung des Ergebnisses: 90,4 % der Saarländer stimmen für den Anschluss an Hitler-Deutschland 1935 01. 03.: Das Saargebiet kommt zu Hitler-Deutschland, Verbot der Saar-SPD 1935 - 1945: Hunderte von Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen aus dem Saargebiet gingen ins Exil, leisteten in unterschiedlicher Form Widerstand, viele von Ihnen ließen im Freiheitskampf ihr Leben 1945 19. 04.: Wiedergründung der SPD in Hannover 1945 03.07.: Max Braun stirbt wenige Tage vor seiner Rückkehr ins Saarland in London 1945 21.10.: Im Sitzungsaal des Rathauses Völklingen wird die „SP, Bezirk Saar“ (wieder-)gegründet 1946 21. 04.: Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ = später DDR) 1946 27. 04.: Wiedergründung der „Falken“ in Saarbrücken 1946 09. 05.: Kurt Schumacher wird SPD-Vorsitzender in den drei Westzonen 1946 22. 06.: Die „Volksstimme“ erscheint wieder, gedruckt in Saarbrücken 1946 30. 06.: Richard Kirn wird Vorsitzender der „Sozialdemokratischen Partei, Bezirk Saargebiet“ (SPS) 1947 Die SPS trennt sich von der (westdeutschen) SPD 1947 05. 10.: Wahlen zur „Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes“, die SPS bekommt 17 Sitze 1949 Kurt Schumacher wird SPD-Kanzlerkandidat 114 1952 Abspaltung der (prodeutschen) „Deutschen sozialdemokratischen Partei“ (DSP) von der SPS. Die DSP wird nicht zugelassen, arbeitet illegal, Kurt Conrad wird Vorsitzender 1955 Zulassung der „Deutschen sozialdemokratischen Partei“ (DSP), Conrad bleibt Vorsitzender 1955 10. 08.: DSP gibt die Tageszeitung „Saarbrücker Allgemeine Zeitung“ (AZ) in Dudweiler heraus 1955 23. 10.: Zweite Saarabstimmung, 67,7 % stimmen mit NEIN, damit gegen das Saarstatut 1955 19. 11.: Die DSP nennt sich „SPD Landesverband Saar“, Kurt Conrad bleibt Vorsitzender 1956 18. 03.: Die SPS löst sich in der Festhalle in Sulzbach auf einem a. o. Landesparteitag auf 1956 30. 04.:“Volksstimme“ und „AZ“ fusionieren zur „Saarbrücker Allgemeine Zeitung“ (AZ) 1959 15. 11.: SPD verabschiedet das Godesberger Programm 1964 15. 02.: Willy Brandt wird Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat 1966 01. 12.: Große Koalition in Bonn, erste Regierungsverantwortung der SPD nach 1945 im Bund 1967 17. 03.: Die Unterbezirke Obere Saar, Sulzbach und Völklingen bilden wieder den Unterbezirk Saarbrücken-Land 1967 15. 04.: Friedel Läpple wird Juso-Landesvorsitzender 1967 27. 04.: Die „Saarbrücker Allgemeine Zeitung“ (AZ) wird eingestellt 1969 21. 10.: Willy Brandt wird zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler gewählt 1970 11. 10.: Friedel Läpple wird SPD-Landesvorsitzender, 1970 15. 11.: Reinhard Klimmt wird Juso-Landesvorsitzender 1972 14. 12.: Willy Brandt wird als Bundeskanzler wiedergewählt 115 1973 31. 10.: „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Ärzte und Apotheker“ (AsÄ - heute ASG) im Saarland gegründet 1974 01. 01.: Die Gebiets- und Verwaltungsreform im Saarland tritt in Kraft 1974 Der SPD-Landesvorstand beschließt die Gründung der SPD-Gemeindeverbände 1974 06. 05.: Willy Brandt tritt als Bundeskanzler zurück, Helmut Schmidt wird am 16. Mai Bundeskanzler 1974 11. 06.: Die Unterbezirke Homburg und St. Ingbert fusionieren zum neuen Unterbezirk Saarpfalz 1977 10. 09.: Oskar Lafontaine wird SPD-Landesvorsitzender 1980 Die SPD-Saar wird stärkste Partei im Landtag und stellt ab 21. Mai den Landtagspräsidenten 1982 01. 10.: Bruch der SPD-FDP-Koalition in Bonn und Sturz von Bundeskanzler Helmut Schmidt 1983 Hans-Jochen Vogel wird Kanzlerkandidat 1985 SPD gewinnt die Landtagswahl, Oskar Lafontaine wird am 9. April Ministerpräsident 1987 Hans-Jochen Vogel wird SPD-Parteivorsitzender 1988 30. 08.: Einführung der Frauenquote in der SPD 1989 Gründung der Sozialdemokratischen Partei (SDP) in der DDR 1990 Oskar Lafontaine wird erneut Ministerpräsident 1990 Oskar Lafontaine wird SPD-Kanzlerkandidat 1991 Björn Engholm wird SPD-Parteivorsitzender 1993 Rudolf Scharping wird SPD-Parteivorsitzender 1994 Rudolf Scharping wird SPD-Kanzlerkandidat 1994 SPD gewinnt erneut die Landtagswahl im Saarland, Lafontaine bleibt Ministerpräsident 116 1995 Oskar Lafontaine wird SPD-Parteivorsitzender 1996 21. 06.: Reinhard Klimmt wird SPD-Landesvorsitzender 1998 Die SPD gewinnt die Bundestagswahl, Gerhard Schröder wird Bundeskanzler 1998 Oskar Lafontaine wird Bundesfinanzminister 1998 09. 11.: Reinhard Klimmt wird Ministerpräsident des Saarlandes 1999 11. 03.: Lafontaine tritt überraschend als Bundesfinanzminister, Bundestagsabgeordneter und SPD-Parteivorsitzender zurück 1999 Die SPD verliert die Kommunalwahlen und die Landtagswahl im Saarland 1999 29. 09.: Reinhard Klimmt wird Bundesverkehrsminister 2000 15. 11.: Reinhard Klimmt tritt als Bundesverkehrsminister und am 20. Dezember als Landesvorsitzenden zurück 2000 20. 12.: Heiko Maas wird SPD-Landesvorsitzender 2012 CDU und SPD bilden im Saarland nach vorgezogenen Neuwahlen eine große Koalition 117 Abbildungsnachweis Broschüre: Abbildungen auf den Seiten 13 bis 16 und 18 bis 39: Sammlung von Rudolf Strumm, Saarbrücken-Altenkessel. Abbildung auf Seite 17: Landesarchiv Saarbrücken, Nachlass Bruch, Nummer 146. Tafel 0 Flugblatt „Die Kandidaten“, aus: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-EbertStiftung (AdsD) Bonn 6/FLBL 004618. Flugblatt „Bundeskanzler“, aus: AdsD 6/FLBL 001247 (Rechteinhaber Herr Harry Walter, Konsul a. D., Neuss). Tafel 1 Abb. oben: Traditionsfahne, aus: AdsD FA065639. Abb. Mitte: AdsD 6/FATB 002570; Abb. unten, aus: AdsD 6/PLKA 026866. Tafel 2 Abb. oben: Stadtarchiv Saarbrücken, AK 2907. Tafel 3 Abb. oben: AdsD. Abb. unten: Landesarchiv Saarbrücken (LA SB)BHV 593. Tafel 4 Abb. oben, aus: Archiv für soziale Bewegungen im Haus der Geschichte des Ruhrgebiets an der Ruhruniversität Bochum. Abb. unten: Archiv des Internationaal Institut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam. Tafel 5 Abb. Mitte: LAS B163/ 5G. Tafel 6 Abb. oben: AdsD 6/FOTA 047290; Abb. Mitte, aus: LAS. Abb. unten: Landesarchiv Saarbrücken, B HV 42S. Tafel 7 Abb. Mitte, aus: AdsD KA014126. Tafel 8 Abb. oben: Wolfgang JÄGER und Klaus TENFELDE, Bildgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung, München 1989, S. 90. Abb. Mitte: Hans-Joachim KÜHN, Beckingen-Düppenweiler Abb. unten: Klaus-Michael MALLMANN, Gerhard PAUL, Ralph SCHOCK, Reinhard KLIMMT 118 (Hg.), Richtig daheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955, Bonn 31995, S. 100. Tafel 9 Abb. oben: Ludwig LINSMAYER, Politische Kultur im Saargebiet 1920-1932, Symbolische Politik, verhinderte Demokratisierung, nationales Kulturleben in einer abgetrennten Region, Saarland-Bibliothek, Band 2, St. Ingbert 1992, S. 203. Abb. Mitte: Jürgen HANNIG (Hg.), Die Saarregion, Zeugnisse ihrer Geschichte, Quellenleseheft zur Regionalgeschichte, Frankfurt am Main 1995, S. 83, Quelle 60. Abb. unten: Gerhard PAUL, Max Braun. Eine politische Biographie, St. Ingbert 1987, S. 90. Tafel 10 Abb. oben: Hans Joachim TEICHLER und Gerhard HAUK (Hg.), Illustrierte Geschichte des Arbeitersports, Bonn 1987, S. 27. Abb. Mitte: Aufmarsch der Arbeitersportler zum fünfjährigen Stiftungsfest in Limbach am 30. Juli 1932 mit dem Spielmannszug des „Freien Turn- und Sportvereins“ Homburg, aus: Gerhard PAUL, „Mach dich frei!“ Die Arbeiterkulturbewegung der Saargebietszeit, in: Klaus Michael MALLMANN / Gerhard PAUL / Ralph SCHOCK / Reinhard KLIMMT (Hg.) Richtig daheim waren wir nie. Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815 - 1955, Bonn 31995, S. 98 - 102, hier: S. 99. Abb. unten: Rudolf Strumm, Saarbrücken-Altenkessel. Tafel 11 Abb. oben rechts: Das Haus der Arbeiterwohlfahrt in Saarbrücken, in Festschrift zur Einweihung des Hauses der Arbeiterwohlfahrt in Saarbrücken, 1930, S. 24 Abb. oben links: 80 Jahre Arbeiterwohlfahrt Altenwald-Schnappach, Festschrift, Sulzbach 2005, S. 26 und 31. Abb. Mitte: Die Ortsvereine der Arbeiterwohlfahrt 1927, aus: Unterbezirks-Parteitag am 4. und 5. Februar 1928 zu Saarbrücken im Stadtpark Ludwigsberg, in: Rudolf STRUMM (Hg.), Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Kleine Chronik der Arbeiterwohlfahrt im Saarland für die Jahre 1924 bis 2012, Saarbrücken 2012, S. 6 (ohne Seitenzählung) und in: 80 Jahre Arbeiterwohlfahrt Altenwald-Schnappach, Festschrift, Sulzbach 2005, S. 22. Abb. unten: Arbeiterwohlfahrt Saar 1924-1974, Eine Darstellung der Aufgaben und Arbeit gestern und heute, Arbeiterwohlfahrt Landesverband Saar e.V., Saarbrücken 1974, S. 44. Tafel 12 Alle Abbildungen privat, Rechteinhaber unbekannt. Tafel 13 Abb. oben rechts, aus: Stadtarchiv Saarbrücken, NL: M1298-27. Abb. oben links, aus: Stadtarchiv Saarbrücken, Bestand AF: AF 1794 (Nachlass Schuler). 119 Abb. unten, aus: AdsD 6/FOTA 007074; Abb. Mitte, aus: Privat, Egon Gross, Lebach. Tafel 14 Abb. Mitte, aus: Stadtarchiv Saarbrücken, Bestand AF: AF 1676a (Nachlass Schuler). Abb. unten: Luise Schiffgens, Heinrich Wacker, aus: Archiv Landtag des Saarlandes; Max Bock, aus: AdsD FA 031363. Tafel 15 Abb. oben: Hans-Joachim KÜHN, „Freiheit, Brot Gerechtigkeit!“ Die Arbeiterbewegung an der Saar, Katalog zur Ausstellung der Stiftung Demokratie Saarland, Saarbrücken 2007, S. 87. Abb. Mitte: Klaus-Michael MALLMANN, Gerhard PAUL, Ralph SCHOCK, Reinhard KLIMMT (Hg.), Richtig daheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955, Bonn 31995, S. 191. Abb. unten: Klaus-Michael MALLMANN, Gerhard PAUL, Ralph SCHOCK, Reinhard KLIMMT (Hg.), Richtig daheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955, Bonn 31995, S. 165. Tafel 16 Abb. oben rechts: Rudolf Strumm, Saarbrücken-Altenkessel. Abb. oben links: Rudolf Strumm, Saarbrücken-Altenkessel. Abb. Mitte: Gerhard PAUL, Klaus-Michael MALLMANN, Milieus und Widerstand, eine Verhaltensgeschichte der Gesellschaft im Nationalsozialismus, Widerstand und Verweigerung im Saarland 1935-1945, Band 3, Bonn 1995, Abb. 24 (nach S. 320). Abb. unten: Rudolf Strumm, Saarbrücken-Altenkessel. Tafel 17 Abb. oben: Hans-Joachim Kühn, Beckingen-Düppenweiler. Abb. Mitte: Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L’ Etat Sarrois, Bilder einer vergangenen Welt, Images d’un monde passé, Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005, S. 44. Abb. unten: Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L’ Etat Sarrois, Bilder einer vergangenen Welt, Images d’ un monde passé, Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005, S. 356. Tafel 18 Abb. oben: Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L’ Etat Sarrois, Bilder einer vergangenen Welt, Images d’ un monde passé, Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005, S. 312. Abb. Mitte: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung (AdsD) Bonn (Rechteinhaber Herr Harry Walter, Konsul a.D., Neuss). Abb. unten: Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L’ Etat Sarrois, Bilder einer vergangenen Welt, Images d’ un monde passé, Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005, S. 267. 120 Tafel 19 Abb. oben: Klaus-Michael MALLMANN, Gerhard PAUL, Ralph SCHOCK, Reinhard KLIMMT (Hg.), Richtig daheim waren wir nie, Entdeckungsreisen ins Saarrevier 1815-1955, Bonn 31995, S. 259. Abb. Mitte: Ludwig LINSMAYER, Die Geburt des Saarlandes, Zur Dramaturgie eines Sonderweges, Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarrücken, Band 3, Saarbrücken 2006, S. 186. Abb. unten: 10-, 20- 50- und 100-Saarfranken-Münzen 1954; Briefmarke Sammlung Hans-Joachim KÜHN. Tafel 20 Abb. oben: Friedel Läpple im Gespräch mit seinem Vorgänger im Amt des Landesvorsitzenden der SPD Saar, Kurt Conrad, Landesgeschäftsführer Paul Grabe und Ministerpräsident Dr. Franz-Josef Röder im saarländischen Landtag (Oktober 1970), Foto: F. Hartung, in: Franz-Rudolph KRONENBERGER, Herbert MANDELARTZ und Bernd RAULS (Hg.), Friedel Läpple. Politiker, Saarländer, Demokrat, 15 Jahre Innenminister im Saarland, St. Ingbert 1999, Abb. 7, nach S. 198. Abb. Mitte: Grafik Bernd Rauls. Abb. unten: Pfingsttreffen der SPD-Saar 1977: Parlamentarischer Staatssekretär Alwin Brück, Friedel Läpple, Willy Brandt, Hajo Hoffmann, SPD-Landesgeschäftsführer Hans-Jürgen Petersdorf sowie Heinz Grandmontagne, Foto: W. Wunderlich, in: Franz-Rudolph KRONENBERGER, Herbert MANDELARTZ und Bernd RAULS (Hg.), Friedel Läpple. Politiker, Saarländer, Demokrat, 15 Jahre Innenminister im Saarland, St. Ingbert 1999, Abb. 15, nach Seite 198. Tafel 21 Abb. Mitte: Friedel LÄPPLE, Glücksmomente. Eine Autobiographie, St. Ingbert, 2009, S.214. Abb. unten: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung (AdsD) Bonn. Tafel 22 Abb. 1 - 5: Archiv des Landtags des Saarlandes. 121 Literatur in Auswahl Luitwin BIES und Horst BERNARD (Hg.), Saarländerinnen gegen die Nazis, verfolgt vertrieben - ermordet. Im Auftrag der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschisten e. V., Saarbrücken 2004. Peter BRANDT / Detlef LEHNERT, „Mehr Demokratie wagen“. Geschichte der Sozialdemokratie 1830-2010, Berlin 2013. Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Der Saarstaat, L ‚Etat Sarrois, Bilder einer vergangenen Welt, Images d‘ un monde passé, Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Band 2, Saarbrücken 2005. Paul BURGARD, Ludwig LINSMAYER, Das Saarland 1957-2006: 50 Jahre in Wort und Bild, Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Band 5, Saarbrücken 2007. Wilfried BUSEMANN, Kleine Geschichte der saarländischen Gewerkschaften nach 1945, Saarbrücken 2005. Der Freiheit verpflichtet. Gedenkbuch der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert. Herausgegeben vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschland, 2. Auflage, Berlin 2013. Bernd FAULENBACH, Geschichte der SPD. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2012. Helga GREBING, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von der Revolution 1848 bis ins 21. Jahrhundert, Berlin 2007. Joachim HEINZ, Arbeiter und Arbeiterbewegung an der Saar 1933-1935, Hausarbeit zur akademischen Abschlußprüfung (Magisterprüfung) der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes, Saarbrücken 1988. Joachim HEINZ und Gerhard PAUL, Max Braun, ein früher Europäer, Festschrift der SPD Saar zum 100. Geburtstag, Schriftenreihe der SPD Saar 4/92, Saarbrücken 1992. Joachim HEINZ, „Nie zu Hitler!“ Die antifaschistische Einheitsfront-Kundgebung, 26. August 1934, Sulzbach/Saar, Begleitbuch zur Ausstellung der Stiftung Demokratie Saarland, Saarbrücken 2009. Hans-Christian HERRMANN, Sozialer Besitzstand und gescheiterte Sozialpartnerschaft. Sozialpolitik und Gewerkschaften im Saarland 1945 bis 1955, Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, Band 28, Saarbrücken 1996. 122 Rainer HUDEMANN, Armin HEINEN in Zusammenarbeit mit Johannes GROSSMANN und Marcus HAHN, Das Saarland zwischen Frankreich, Deutschland und Europa 1945-1957, Ein Quellen- und Arbeitsbuch, Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, Band 41, Saarbrücken 2007. Wolfgang JÄGER und Klaus TENFELDE, Bildgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung, München 1989. Karl-Ludwig JÜNGST, Arbeiterbewegung in Sulzbach 1920-1935, Sulzbach 1984. 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