This is a pre- or post-print of an article published in Heroven, A.K., Dersch, P. Bacterial protein and RNA thermometers: Molecular thermometers for the control of the virulence of Yersinia [Bakterielle Protein- und RNA-Thermometer: Molekulare Thermometer zur Steuerung der Virulenz von Yersinia] (2014) BioSpektrum, 20 (4), pp. 376-379. Bakterielle Protein- und RNA-Thermometer Molekulare Thermometer zur Steuerung der Virulenz von Yersinia Ann Kathrin Heroven, Petra Dersch Abteilung für Molekulare Infektionsbiologie, Helmholtzzentrum für Infektionsforschung, Braunschweig The ability to sense the temperature of surrounding environments is a prerequisite for many bacterial pathogens to adjust their virulence program to establish an infection. Pathogenic Yersinia species use intrinsic thermosensing protein domains and mRNA secondary structures of crucial virulence regulators to activate essential colonization factors during the early infection stage and induce antiphagocytic strategies to prevent attacks of the innate host immune system during the ongoing infection. Der Lebensstil der meisten pathogenen Darmbakterien ist durch den häufigen Wechsel zwischen Umweltreservoir und Wirt einem drastischen Temperaturwechsel von 15-25°C zu konstanten 37°C unterworfen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass gerade dieser Temperaturunterschied als ein Signal wahrgenommen wird, um Pathogenitätsfaktoren und Virulenz-assoziierte Überlebensstrategien zu induzieren (1). Am Beispiel des enteropathogenen Bakteriums Yersinia pseudotuberculosis identifizierten wir neue präzise Temperatur-fühlende Elemente in einem regulatorischen Protein bzw. RNA Molekül, die der Temperaturregulation zugrunde liegen. Enteropathogene Yersinien verursachen verschiedene Darm-assoziierte Krankheiten, die von akuter Diarrhö (Durchfall) über Colitis (Darmentzündung) bis zu Folgeerkrankungen wie reaktiver Arthritis (Gelenksentzündung) reichen. Sie haben ein breites Wirtsspektrum und können aus Tieren (Schweine, Wild) und Pflanzen (Salat, Karotten) isoliert werden. Nach der oralen Aufnahme der Yersinien stellt die Translokation durch die M-Zellen des Darmepithels den ersten wichtigen Schritt im Infektionsprozess dar. Kolonisationsfaktoren wie der primäre Invasionsfaktor Invasin, die eine effiziente Bindung und Aufnahme in Wirtszellen vermitteln, sind in diesem frühen Infektionsstadium die bedeutendsten Virulenzfaktoren. Sie garantieren kurz nach der oralen Aufnahme eine schnelle und effiziente Durchdringung des Darmepithels und tragen zu einer effizienten Besiedelung der Darm-assoziierten lymphatischen Gewebe bei (Abb. 1). Diese Faktoren werden bereits unter Bedingungen exprimiert, die typisch für das freilebende bzw. in Lebensmitteln 2 persistierende Bakterium sind, nämlich bei 20-25°C. Nach dem Überqueren der Darmepithelschicht vermehren sich die Yersinien im darunterliegenden lymphatischen Gewebe (Peyer’sche Platten) und verbreiten sich weiter in die mesenterialen Lymphknoten, Leber und Milz. Während dieses fortlaufenden Infektionsstadiums wird die Expression der frühen Virulenzgene reprimiert und die Synthese anderer Pathogenitätsfaktoren induziert. Diese sind vor allem gegen die Wirtsabwehr gerichtet und gewährleisten das langfristige Überleben der Bakterien im Wirt. Dazu zählt das Yersinia-Adhäsin A (YadA), das Ysc-TypIII-Sekretionssystem (T3SS) sowie die antiphagozytären Yop-Effektorproteine. Yersinien besitzen molekulare Thermometer, die in der Lage sind, Temperaturschwankungen direkt zu messen und so die Synthese der Virulenzfaktoren außerhalb und innerhalb des Wirts anzupassen. Temperaturfühlung und -kontrolle durch das Proteinthermometer RovA Die Expression vieler Y. pseudotuberculosis-Virulenzgene, die in der frühen Infektionsphase synthetisiert werden, einschließlich des Invasins, werden durch den Virulenzregulator RovA aktiviert. RovA setzt sich aus zwei Untereinheiten aus jeweils sechs -Helices und zwei -Faltblättern zusammen, wobei die Monomere durch eine enge Interaktion zwischen den terminalen Helices 1, 5 und 6 miteinander verbunden sind (Abb. 2, Kooperation: Dirk Heinz, HZI). Das winged-Helix-Turn-Helix Motiv aus den Helices 3-4 und den zwei folgenden -Faltblättern bildet die DNABindedomäne aus, wobei die Helix 4 tief in die große DNA-Furche eingebettet wird und für die meisten Protein-DNA-Kontakte verantwortlich ist (2). 3 Die Transkription von rovA wird nur bei moderaten Temperaturen (20-25°C) induziert und ist autoreguliert. Unter diesen Bedingungen kommt es zur Bindung mehrerer RovA-Moleküle an eine ausgedehnte AT-reiche Sequenz (hoch-affine Bindestelle) und zur Aktivierung der Genexpression (3). Wird nach Autoaktivierung ein bestimmter RovA-Level erreicht, bindet RovA auch an eine nieder-affine Bindestelle stromabwärts der Promotorregion (Überlaufventil), um eine unkontrollierte Hochregulierung von rovA zu verhindern. Bei 37°C wird die rovA-Transkription jedoch durch einen post-transkriptionellen Kontrollmechanismus verhindert (2, 4) (Abb. 2). RovA stellt ein Protein-Thermometer mit einem eingebauten Thermosensor dar. Bei einer Erhöhung von moderaten Temperaturen auf 37°C wird eine reversible Konformationsänderung im RovA-Protein induziert, wobei ein Teil der -helikalen Struktur von RovA verloren geht (4). Dies reduziert die DNA-Bindefähigkeit von RovA, und der Regulator wird angreifbarer für den proteolytischen Abbau durch die Lon-Protease. Damit steht weniger aktives RovA zur Verfügung, und die Autoaktivierung unterbleibt (4). Eine kleine flexible Schleife zwischen Helix 5 und 6 ermöglicht die Temperaturwahrnehmung von RovA und ist in die Dimerisierung involviert. Unterstützt wird dies durch die Aminosäure Gly116, die eine höhere Flexibilität der benachbarten Helix 6 ermöglicht. Bei einer Temperaturerhöhung können sich die dazwischen liegenden Helices (reversibel) entfalten, ohne das Dimer zu zerstören (2). Die strukturelle Verkrümmung wird auf die flexible DNABindedomäne von RovA übertragen, wodurch RovA von der DNA freigesetzt wird. Temperaturwahrnehmung durch ein RNA-Thermometer 4 Die Expression der essentiellen Virulenzgene YadA und T3SS/Yops wird im Laufe der Infektion durch den AraC-ähnlichen Transkriptionsregulator LcrF induziert. Es ist schön länger bekannt, dass LcrF in Y. pseudotuberculosis nur bei 37°C produziert wird. Die zugrunde liegende Thermoregulation war jedoch noch nicht verstanden. Nun konnten wir zeigen, dass ein Thermo-instabiler Regulator und ein einzigartiger, intergenischer RNA-Thermosensor die Synthese von LcrF bei Körpertemperatur induzieren (5) (Abb. 3, Kooperation: Franz Narberhaus, RUB). Kontrolle der lcrF Transkription durch den thermosensitiven Modulator YmoA: Das lcrF-Gen wird zusammen mit yscW exprimiert. Die Temperatur-regulierte Transkription des yscW-lcrF-Operons ist nur relativ schwach und wird durch den Thermo-sensitiven Modulator YmoA durch eine Heterokomplexbildung mit dem Nukleoid-assoziierten Silencing-Protein H-NS vermittelt. Für die YmoA-vermittelte Repression der lcrF-Transkription sind Sequenzen innerhalb der langen 5´-UTR von yscW verantwortlich. Bei 37°C wird YmoA proteolytisch durch Lon- und ClpProteasen abgebaut. Daraufhin wird der Repressionskomplex reduziert, wodurch sich die yscW-lcrF Transkriptmenge erhöht (5). Kontrolle der lcrF-Translation durch ein RNA-Thermometer: Die transkriptionelle Antwort wird noch durch eine zweite Ebene der Temperaturkontrolle ergänzt. Hierbei handelt es sich um ein einzigartiges cis-wirkendes RNA-Element, das innerhalb der intergenischen Region des yscW-lcrF-Transkripts lokalisiert ist. Diese Region bildet eine thermosensitive Sekundärstruktur von zwei Haarnadelstrukturen aus, die als RNA-Thermometer die posttranskriptionelle Kontrolle vermittelt (Abb. 3) (5). Während die erste Haarnadelstruktur für die Stabilisierung der zweiten verantwortlich ist, maskiert die zweite die Ribosomen-Bindestelle (RBS) von lcrF durch einen Bereich von vier aufeinander folgenden Uracilen (FourU Motiv) bei 25°C. Diese 5 Struktur öffnet sich bei 37°C und ermöglicht die Bindung der Ribosomen an die RBS (5). Die biologische Relevanz eines solchen RNA-Thermometers konnte erstmals im Tiermodell gezeigt werden. Y. pseudotuberculosis-Stämmen, Nach oraler die Infektion stabilisierte von Mäusen mit Thermometer-Varianten exprimierten, konnten sich diese deutlich schlechter in die Peyer’sche Platten, Leber und Milz verbreiten und hatten ihre Letalität komplett verloren (5). Interessanterweise waren Yersinia-Stämme mit einer destabilisierten Variante des Thermosensors weniger pathogen oder führten zu einer ähnlichen, aber nicht höheren Mortalität. Dies zeigt, dass das RNA-Thermometer das entscheidende Kontrollelement ist, das die LcrF-Mengen für eine optimale, effiziente Infektion einstellt. Die Temperaturkontrolle ist jedoch nicht das einzige Signal, das die RNA-Struktur beeinflusst. Weitere RNA-bindende Proteine sind an der Expressionskontrolle beteiligt, die nur dann eine starke Synthese von LcrF bei 37°C erlauben, wenn zusätzlich Wirtszellkontakt besteht. Die Aufklärung dieses Mechanismus lässt weitere spannende neue Regulationsstrategien erhoffen. Danksagung Ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiter und Kooperationspartner, ohne die diese Projekte niemals möglich gewesen wären. Literatur 1. Steinmann R, Dersch P. 2013. Thermosensing to adjust bacterial virulence in a fluctuating environment. Future Microbiol 8:85-105. 6 2. Quade N, Mendonca C, Herbst K, Heroven AK, Ritter C, Heinz DW, Dersch P. 2012. Structural basis for intrinsic thermosensing by the master virulence regulator RovA of Yersinia. J Biol Chem 287: 35796-803. 3. Heroven A, Nagel G, Tran HJ, Parr S, Dersch P. 2004. RovA is autoregulated and antagonizes H-NS-mediated silencing of invasin and rovA expression in Yersinia pseudotuberculosis. Mol Microbiol 53:871-888. 4. Herbst K, Bujara M, Heroven AK, Opitz W, Weichert M, Zimmermann A, Dersch P. 2009. Intrinsic thermal sensing controls proteolysis of Yersinia virulence regulator RovA. PLoS Pathog 5:e1000435. 5. Böhme K, Steinmann R, Kortmann J, Seekircher S, Heroven AK, Berger E, Pisano F, Thiermann T, Wolf-Watz H, Narberhaus F, Dersch P. 2012. Concerted actions of a thermo-labile regulator and a unique intergenic RNA thermosensor control Yersinia virulence. PLoS Pathog 8:e1002518. Legende Abb. 1: Infektionsweg enteropathogener Yersinien. Nach oraler Aufnahme gelangen die Yersinien über spezialisierte Zellen, die sogenannten M-Zellen (microfold cells), durch das Darmepithel in das darunter liegende lymphatische Gewebe. Von dort breiten sie sich in die mesenterialen Lymphknoten, Leber und Milz aus. Abb. 2: Thermoregulation von RovA. Der Virulenzregulator RovA wird bei moderaten Temperaturen (20-25°C) aktiviert. Er bindet an seine Zielsequenz in der rovAPromotorregion und verhindert so die H-NS vermittelte Repression. Bei höheren Temperaturen (37 °C) ändert das Protein seine Konformation, die die DNA-Bindung von RovA reduziert und es angreifbar für den Abbau durch die Lon-Protease macht. 7 Abb. 3: Thermoregulation von LcrF. Bei moderaten Temperaturen reprimiert YmoA im Komplex mit H-NS die Transkription. Zwei Haarnadelstrukturen blockieren zudem die Translation des lcrF-Transkripts. Bei höheren Temperaturen (37°C) bauen Proteasen YmoA ab. Eine thermoinduzierte Konformationsänderung des RNAThermometers erlaubt die Translation des lcrF-Transkripts und Induktion aller LcrFabhängigen Virulenzgene. Korrespondenzadresse Petra Dersch Helmholtzzentrum für Infektionsforschung Abt. Molekulare Infektionsbiologie Inhoffenstr. 7 D-38124 Braunschweig Tel: 0531-61815700 [email protected] Petra Dersch 1984-1990 Biologiestudium an der Universität Ulm und Konstanz. 1991-1995 Promotion am MPI für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. 1995-1998 Postdoc bei Ralph Isberg an der Tufts University in Boston, USA. 1998-2002 C1Assistentin an der FU Berlin. 2003-2005 Nachwuchsgruppenleiterin am RKI in Berlin. 2005-2008 Professur für Mikrobiologie an der TU Braunschweig. Seit 2008 Leiterin der Abteilung für Molekulare Infektionsbiologie am HZI. Ann Kathrin Heroven 8 1996-2002 Biologiestudium an der FU Berlin. 2003-2007 Promotion am RKI Berlin und an der TU Braunschweig. 2007-2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Braunschweig. Seit 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung für Molekulare Infektionsbiologie am HZI. 9