Warum funkeln Sterne und Planeten nicht?

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Warum funkeln Sterne und Planeten nicht?
AT V T uiskonia, T uiskonenhaus, Donnerstag, 23.06.2005, 19:30 Uhr
Autor: Dr. Günter Schabacker
Im Anschluß an den Konvent am 11. Juni 2005 habe ich eine in sich geschlossene kurze Betrachtung zu
dem Thema: „Explodierte Sterne als Grundlage unserer Existenz" vorgetragen. Im Anschluß daran wurde
ich ein paar mal gefragt, ob das eben gehörte eine Zusammenfassung des heute zu haltenden Vortrags
sei, vielleicht im Hinblick auf die Möglichkeit, sich den heutigen Vortrag ohne die Gefahr eines
Informationsverlustes sparen zu können.
Ich war eigentlich enttäuscht, weil mir zugetraut wurde, einen an sich gelungen und kompakten Vortrag
durch das Auswalzen in epische Breite zu verhunzen. Nach dieser Einleitung könnt Ihr mit ruhigem
Gewissen einen inhaltlich neuen Vortag erwarten.
Das Funkeln ist eine Reaktion des Auges auf die Information durch Licht. Damit sind im großen ganzen
die Schwerpunkte des Abends vorgegeben. Davon möchte ich zuerst die Fähigkeiten des Auges auf
anatomischer Grundlage betrachten, die allerdings nicht ohne Einsatz des Lichts erkennbar werden. Dazu
hat mir Jawoll ein paar wertvolle Hinweise zukommen lassen.
Das Auge wirkt wie ein Linsensystem mit Leinwand. Diese Leinwand nennt man Netzhaut. Sie hat die
Fähigkeit, das auf ihr entworfene Bild über lichtempfindliche Nerven dem Gehirn zur Weiterverarbeitung
kenntlich zu machen. In der Netzhaut beginnen die Nerven mit zwei unterschiedlichen Sensoren, die nach
ihrer Form die Bezeichnungen Zäpfchen und Stäbchen erhalten haben.
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Die Zäpfchen ermöglichen das Farbensehen und sind im Bereich der zentralen Sehschärfe der Netzhaut,
der „Fovea centralis" angesiedelt. Ihr Durchmesser beträgt ca. 0,35 mm und bildet den Mittelpunkt der
Makula, unter „Gelbem Fleck" bekannt. Die Makula hat einen Durchmesser von 2 mm und eine
Dichteverteilung der Zäpfchen von 40.000 pro mm². Mit zunehmender Entfernung von diesem Zentrum
nimmt die Anzahl der Stäbchen schnell zu. Sie ermöglichen das Dämmerungssehen.
Der physiologische Grenzwinkel bei punktförmigen Gegenständen liegt bei 40 - 60 Winkelsekunden,
also bei ungefähr einer Winkelminute. Das Auflösungsvermögen von einer Winkelminute (1/60 Grad)
entspricht auf der Netzhaut etwa 5 m. Als Optimum des Auflösungsvermögens wurden 0,4
Winkelminuten = 24 Winkelsekunden beobachtet. Das Auge ist in der Lage, zwei voneinander getrennte
Gegenstände zu erkennen, wenn 1 bis 2 weniger angeregte Zäpfchen dazwischen liegen.
1 mm = 1000  m =1000.000 nm
1 mm² = 1000.000  m²
Damit beherrscht ein Zäpfchen die Fläche von
1000.000/40.000  m² = 25  m² = 5 x 5  m²
und erfaßt gleichzeitig den physiologischen Grenzwinkel für die punktförmige Auflösung. Soviel zu den
Fähigkeiten unseres Auges und nun zur Praxis:
Hier ist uns bekannt, daß ein und der selbe Gegenstand für uns immer kleiner wird, je weiter er von uns
entfernt ist d.h., der Öffnungswinkel, der unser Auge erreicht, wird immer kleiner. So erscheint unserm
Auge ein Gegenstand in 2 Meter Entfernung unter einem Öffnungswinkel von
1° mit der Größe von 34,9 mm
1´ mit der Größe von 0,58 mm
1" mit der Größe von 0,0097 mm
anders ausgedrückt bedeutet das, den Gegenstand mit der Größe von 34,9 mm sehen wir in einer
Entfernung von 120 Metern unter einem Öffnungswinkel von einer Winkelminute und in einer Entfernung
von 7200 Metern von einer Winkelsekunde. Bei der letzten Entfernung ist er nicht mehr auszumachen,
weil das Auge nur noch Gegenstände wahrnehmen kann, die unter einem Öffnungswinkel von ungefähr
einer Winkelminute das Auge erreichen.
Unter einer anderen Betrachtungsweise gilt, daß sich ein Winkel von einer Winkelminute nach 34,38 m
auf einen Zentimeter geöffnet hat. Das menschliche Auge sollte also in einer Entfernung von rund 35
Metern noch einen Gegenstand von einem Zentimeter Größe erkennen können.
Diese Fähigkeit soll nun an unterschiedlichen Himmelskörpern getestet werden. Dazu wähle ich den
Riesenplaneten Jupiter und den Fixstern Regulus, den Hauptstern im Sternbild Löwe, aus. Ich vergleiche
nun Durchmesser und Entfernung der beiden Himmelskörper von unserem Standort aus, der Erde.
Jupiter ist von der Sonne durchschnittlich 5,205 AE entfernt und hat einen Äquatordurchmesser von
142796 km. In Oppositionsstellung ist er 4,205 x 150.000.000 km von der Erde entfernt. Dabei
verwende ich für eine AE (Astronomische Einheit) die Größe von 150 Millionen Kilometern, das liefert
630,75 x 106 km. Damit sehen wir Jupiter unter einem Öffnungswinkel von 0,013° = 47"
(Winkelsekunden). Das bedeutet, daß wir Jupiter bestenfalls gerade noch als Scheibchen erkennen
können.
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Regulus hat zu uns einen Abstand von 85 Lichtjahren. Ein Lichtjahr sind 9,47 x 1012 km. Er ist fünf mal
so groß wie die Sonne. Damit hat er einen Durchmesser von 5 x 1,392 x 106 km. Regulus erreicht unser
Auge damit unter einem Öffnungswinkel von 4,954 x 10-7° = 0,00178" (Winkelsekunden). Für Regulus
ist der Öffnungswinkel damit weit unter der Grenze, die unser Auge zu einer Wahrnehmung beansprucht
und trotzdem ist Regulus an unserem Nachthimmel deutlich wahrzunehmen. Daß Regulus für uns sichtbar
ist, ist Alltag, daß er einen so kleinen Öffnungswinkel liefert und wir ihn trotzdem erkennen können, ist
erstaunlich.
Wer schon einmal ernstlich Himmelsbeobachtung betrieben hat weiß, daß das sogenannte „Seeing" für
den Erfolg der Beobachtung eine wesentliche Rolle spielt. Der Wert des Seeings setzt sich zusammen
aus der Luftruhe und Luftklarheit. Staub und Dunst und mehr oder weniger großes Flimmern der Luft
wirken sich also negativ auf das Seeing aus. Das Flimmern der Luft kennen wir alle aus der Beobachtung
einer erwärmten Straße.
Die störende Luftunruhe bei der nächtlichen Himmelsbeobachtung entsteht durch die Bewegung
unterschiedlich warmer Luftmassen. Die wärmeren steigen durch die kälteren nach oben. Da die
Luftschichten ständig in Bewegung sind, ändert sich die Brechung längs eines Lichtstrahls ständig.
Jetzt haben wir alle Voraussetzungen kennen gelernt, die das Funkeln der Sterne erklären können.
Für unser Auge ist das Licht der Informationsträger. Die Information wird im Gehirn entschlüsselt.
Wie schon erwähnt, dürften wir Regulus gar nicht erkennen können. Daß wir ihn trotzdem sehen, liegt an
seiner schier unbeschreiblichen Helligkeit. Mit dem uns nun bekannten Einfallswinkel von Regulus kann
zu einem bestimmten Augenblick höchstens ein Zäpfchen angeregt werden. Da sich der Lichtstrahl durch
die beschriebene Brechung an den Grenzflächen der unterschiedlich temperierten Luftkörper ständig in
seiner Richtung ändert, werden nacheinander durch ein und den selben Lichtstrahl in verschiedenen
Zeiten mehr als ein Zäpfchen angeregt, was im Gehirn als fortlaufende Ortsveränderung registriert wird.
Aus frühen Kinotagen kennt man das Flimmern auf der Leinwand, wenn die Bildfolge des Films eine
bestimmte Geschwindigkeit unterschreitet. Das Flimmern des Films und das Funkeln der Sterne
verursachen im Gehirn vergleichbare Reaktionen.
Und nun zu den Planeten, die wir in einem ruhigen Licht wahrnehmen. Ihr Licht durchläuft die gleichen
unterschiedlich temperierten Luftschichten wie die der Sterne, trotzdem erscheint uns ihr Licht ruhig.
Wenn wir allerdings einen Planeten nach Einbruch der Dunkelheit durch ein Teleskop mit beispielsweise
100facher Vergrößerung in Horizontnähe beobachten, ist eine detaillierte Betrachtung unmöglich, weil
das Bild des Planeten wie wild im Gesichtsfeld des Okulars tanzt. Dabei sieht man sogar immer wieder
etliche Planetenscheibchen zum Teil nebeneinander oder auch solche, die sich überlappen. Das zeigt uns,
daß das Licht, das vom Planeten kommt, bei genügender Vergrößerung auch ein unruhiges Bild liefert.
Die Bewegungen fallen schon nicht mehr so extrem aus, wenn der Planet bei etwa 20° über dem
Horizont steht.
Diese beiden unterschiedlichen Erscheinungen kommen durch zwei physiologische Effekte zustande.
1.
Bei der Beobachtung durch das Teleskop nimmt das Gehirn über das Auge die Orte des
Planetenbildes immer in Relation zum sichtbaren, festgelegten Rand des Gesichtsfeldes wahr, der
durch das Okular gegeben ist.
2.
Betrachten wir nun einen Planeten ohne ein optisches Hilfsmittel bei ca. 20° Höhe über dem
Horizont, fällt die Orientierung an einem Fixpunkt, wie dem Rand des Gesichtsfeldes eines Okulars,
weg. Damit setzt eine optische Täuschung ein, indem das Gehirn ein angelerntes Verfahren einsetzen
kann, das kurze, schnelle Bewegungen eines Gegenstandes so übereinander legt, daß ein ruhiges
Bild entsteht.
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Diesen Effekt kann man deutlich bei der Beobachtung des Jupiter durch ein Teleskop erleben, weil bei
Jupiter deutlich Oberflächenstrukturen erkennbar sind. Die Luft ist nicht ruhig, trotzdem kann man neben
Phasen eines verschwommenen Bildes auch solche Augenblicke erleben, die diese Strukturen erkennen
lassen. Für Jupiter läßt sich hier noch anführen, daß im Auge praktisch so groß ankommt, wie der
Platzbedarf für ein Zäpfchen ausmacht. Das bedeutet, daß Jupiter im günstigsten Fall vier Zäpfchen
gleichzeitig anregt und das Gehirn die Ortsveränderungen auf der Netzhaut noch leichter ausgleichen
kann.
Dieser Effekt kann zu Überraschungen führen, wenn durch ein Teleskop mit sorgfältiger Nachführung
eine Langzeitaufnahme gemacht wird. Die parallele Beobachtung mit dem Auge vermittelt ein scharfes
Bild und doch ist die Fotografie unscharf.
Jupiter
Regulus
Durchmesser in km
142984
5x1392x103
Entfernung in km
4,202x150x106
85x9,47x1012
Öffnungswinkel in Grad
0,013
4,95x10-7
Öffnungsw. in Sekunden
47
0,00178
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