ESTAT-2000-01520-00-14-DE-TRA-00 (EN) Fl-Intertext 11. CEIES-Seminar Konjunkturindikatoren der EU: Neuen Anforderungen gerecht werden Libourne (Frankreich) Donnerstag, den 12., und Freitag, den 13. Oktober 2000 Teil 1 – Gegenwärtige Lage Vorgelegt von Herrn K. Moum, Statistics Norway « Kurzbericht über die Verwendung und Qualität von Konjunkturindikatoren aus norwegischer Sicht » Kurzbericht über die Verwendung und Qualität von Konjunkturindikatoren aus norwegischer Sicht Knut Moum, Statistics Norway Ich möchte kurz über die gegenwärtige Lage bei den Konjunkturindikatoren aus der Sicht norwegischer Statistiker sprechen. Da Statistics Norway Konjunkturstatistiken sowohl erstellt als auch nutzt, möchte ich versuchen, beide Aspekte zu bewerten. Die Mehrzahl der Konjunkturindikatoren wird erfasst, um die Entwicklung der Wirtschaft häufiger und aktueller beschreiben zu können, als dies bei den strukturell ausgerichteten Jahresstatistiken möglich ist. Gegenwärtig veröffentlicht Statistics Norway zwischen 60 und 70 verschiedene Reihen von Konjunkturindikatoren (wie Arbeitsmarkterhebung, Produktionsindex des verarbeitenden Gewerbes und ähnliches). Außerdem erfassen auch die Zentralbank und einige andere Stellen systematisch numerische Informationen über die Entwicklung wichtiger ökonomischer Größen und veröffentlichen diese. Bei Statistics Norway bildet die vierteljährliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung den Rahmen sowohl für die Erstellung als auch für die Verwendung der Konjunkturindikatoren. Die Rolle, die die Vierteljahresrechnung als Bindeglied zwischen Strukturstatistik, Konjunkturindikatoren, ökonometrischer Forschung und Prognose spielt, soll anhand der folgenden Schaubilder verdeutlicht werden. Schaubild 1 Zu Beginn wollen wir die Beziehung zwischen der Vierteljahresrechnung und den eigentlichen Konjunkturindikatoren betrachten, die in der oberen Hälfte des Schaubilds dargestellt ist. Ausgangspunkt des Vierteljahressystems ist eine aggregierte Fassung der letzten jährlichen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (hier aus dem Jahre 1997) mit 60 Produktionssektoren, 80 Erzeugnissen und einer integrierten Input-Output-Struktur. Um die Entwicklung nach dem Basisjahr einschätzen zu können, nehmen wir an, dass Produktion, Verbrauch, Ausfuhren, Einfuhren, Investitionen, Beschäftigung, Arbeitszeit, Preise und Löhne den gleichen Verlauf wie die Entwicklung der entsprechenden Konjunkturindikatoren nehmen.1 Bei den Indikatoren kann es sich um echte Quartalsreihen oder zeitaggregierte Monatsreihen handeln. Gegenwärtig wird bei der Erstellung der vierteljährlichen VGR auf ungefähr 30 verschiedene Konjunkturstatistiken zurückgegriffen, die einige 1 Wenn Xqi die Produktion im Sektor i im Quartal q ist, erhalten wir Xqi = kqi * Xai * Iqi / Iai, -2- hundert Indikatorreihen enthalten. Zahlen für den Verbrauch von Vorleistungsgütern und die entsprechenden Preisindizes werden in der Input-Output-Rechnung des Systems berechnet. Die Ergebnisse der Vierteljahresrechnung werden neun Wochen nach Quartalsende veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt stehen die meisten, wenn auch nicht alle, Konjunkturindikatoren zur Verfügung. Im Vergleich zur Veröffentlichung einiger monetärer Indikatoren , des Verbraucherpreisindexes und der Außenhandelsstatistik ist diese Verzögerung beträchtlich. Andererseits werden der detaillierte Einzelhandelsindex und der Produktionsindex für den letzten Monat im Quartal erst ein bis zwei Wochen vor der Vierteljahresrechnung veröffentlicht, und die Umsatzstatistiken für einige Dienstleistungsbranchen erscheinen erst fünf Monate nach dem Ende des Quartals. Bei diesen und einigen anderen Variablen müssen wir uns für die Prognose der Indikatorreihen auf Zeitreihenmodelle verlassen, wenn die ersten Zahlen der Vierteljahresrechnung für ein Quartal veröffentlicht werden. Selbstverständlich werden diese Prognosen durch die entsprechenden Informationen ersetzt, sobald diese zur Verfügung stehen. Aufgrund der systematischen Verwendung von Konjunkturindikatoren dienen die vierteljährlichen VGR als disziplinierendes Element bzw. als routinemäßige Qualitätskontrolle für häufig erscheinende Wirtschaftsstatistiken. Die disziplinierende Rolle, die die Vierteljahresrechnung spielt, geht aus ihrer Auswirkung auf die Auswahl der Merkmale und der Aggregationsebenen für die Konjunkturindikatoren innerhalb der durch internationale Standards gesetzten Grenzen hervor. Der Aspekt der Qualitätskontrolle ist aus der Verwendung einiger wichtiger Residuen in der Vierteljahresrechnung wie der Differenz zwischen Gesamtangebot und Gesamtverwendung des jeweiligen Produkts („Bestandsveränderung“) und der Entwicklung der Zahlen für den geschätzten sektoralen Gewinn und die Arbeitsproduktivität ersichtlich. Die Residuen haben definitionsgemäß keinen gegenwärtigen beobachtbaren Gegenwert. Dennoch können ungewöhnliche Entwicklungen dieser Residuen die Aufmerksamkeit auf Fehler oder Besonderheiten in einigen der Indikatorreihen lenken und haben zuweilen auch Korrekturen der Konjunkturindikatoren oder methodische Veränderungen des Verfahrens angeregt, nach dem sie erstellt werden. Wenden wir uns nun kurz der Nutzerseite zu. In Verbindung mit der Erarbeitung der vierteljährlichen VGR für ein neues Quartal nimmt Statistics Norway auch eine Prognose für die Entwicklung der Wirtschaft im laufenden und im folgenden Jahr vor. Die Prognose stützt sich auf ein vierteljährliches makroökonometrisches Modell, KVARTS wobei Xai die Produktion im Basisjahr, Iai und Iqi der Mittelwert des Indikators im Basisjahr bzw. in dem uns interessierenden Quartal und kqi ein Korrekturfaktor ist. -3- genannt. Den Zusammenhang zwischen der Prognosetätigkeit und der Datenbank veranschaulicht der untere Teil von Schaubild 1. Wie die Vierteljahresrechnung weist auch das KVARTS-Modell einen Input-Output-Kern auf. Mit 46 Produkten und 28 Sektoren ist das KVARTS-Modell wesentlich stärker aggregiert als die Vierteljahresrechnung. Da die gegenwärtige Version des Modells nahezu 3400 Gleichungen enthält, darunter knapp 200 ökonometrischer Art, ist es – gemessen am internationalen Standard – dennoch recht detailliert. Die Schätzung und Prüfung der Verhaltensbeziehungen erfolgt auf der Grundlage von Daten aus der Vierteljahresrechnung und einigen anderen Quellen. Die Input-Output-Struktur und die rechnerischen Beziehungen des Modells basieren auf der letzten verfügbaren volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Somit ist die Aktualisierung des Modells im Hinblick auf ein neues Basisjahr gleichbedeutend mit einer Überprüfung der Zahlen der VGR auf Folgerichtigkeit. Eine Prognoserunde beginnt mit einer Abstimmung des Modells auf die letzte Fassung der Vierteljahresrechnung und einige andere statistische Quellen (meistens finanzieller Art), die in der Vierteljahresrechnung nicht enthalten sind. Das Ergebnis des Abstimmungsprozesses ist eine Reihe ökonometrischer (sowie einiger anderer) Residuen, die mit früheren Werten verglichen werden können. Ungewöhnliche Muster bei diesen Residuen können auf einen Strukturwandel in der Wirtschaft hindeuten, jedoch auch auf Probleme bei der Vierteljahresrechnung. Gelegentlich konnten wir solche Probleme auf Fehler bei Konjunkturindikatoren oder auf die Art und Weise zurückführen, in der sie in der Vierteljahresrechnung verwendet wurden. So kann die Verwendung eines ökonometrischen Modells die Qualität sowohl der vierteljährlichen VGR als auch der grundlegenden Indikatorreihen verbessern. Um eine Prognose zu erstellen, müssen die historischen Werte der Vierteljahresrechnung und anderer Konjunkturindikatoren durch Annahmen zu wirtschaftspolitischen Variablen, zur Entwicklung anderer exogener Variablen und zur zukünftigen Struktur der ökonometrischen Residuen ergänzt werden. Die sich daraus ergebende Prognose enthält erheblich mehr Informationen (macht möglicherweise auch mehr Aufsehen) als die Reihe von Konjunkturindikatoren, die von Statistics Norway regelmäßig veröffentlicht wird, und kann als unser Frühindikator angesehen werden. Allerdings ist das Gesamtbild nicht so rosig, wie die vorstehende Beschreibung vermuten lässt. So erfolgt insbesondere die Erfassung der Konjunkturindikatoren weniger umfassend als gewünscht, und auch die Qualität einiger Preis- und Mengenindizes könnte besser sein. Wenn wir uns nur den Aspekt der Erfassung ansehen, dann müssten umfassendere Erhebungen zu Investitionen und Produktionsindikatoren für die Sektoren der privaten Dienstleistungen hohe Priorität genießen. Bevor -4- wir jedoch ein Fazit ziehen, wäre es auch von Vorteil, die Genauigkeit der bestehenden Konjunkturindikatoren zu bewerten. Angesichts der engen Verknüpfung von Vierteljahresrechnung und (den zur Verfügung stehenden) Konjunkturindikatoren ist es möglich, das System der VGR als Maßstab für eine solche Genauigkeit zu verwenden. Nachstehend veranschaulichen wir diese Möglichkeit, indem wir die ersten vorläufigen Schätzungen aus der Vierteljahresrechnung mit den entsprechenden Zahlen aus der letzten Fassung der VGR vergleichen. Infolge der Umstellung von VGR93 auf ESVG95 im Jahre 1995 umfasst der Vergleich lediglich den Zeitraum 1995-1999. Es ist offensichtlich, dass der Ansatz nur dann sinnvoll ist, wenn die endgültige oder letzte Version der Vierteljahresrechnung die wirtschaftliche Entwicklung besser beschreibt als die erste vorläufige Version. Ein Argument zu Gunsten dieser Annahme besteht darin, dass die Endversion der Rechnung auf mehr – und wesentlich detaillierteren – Informationen als die vorläufigen Versionen basiert. Ferner werden die Zahlen für die Mengen in der endgültigen Rechnung auf der Grundlage der Preisreihe des vergangenen Jahres (t-1-Preise) errechnet, während die Zahlen für die Mengen in der vorläufigen Rechnung zu t-3-Preisen errechnet werden. Wenngleich diese Aktualisierung des Basisjahres durchaus die Qualität der Rechnung verbessert, ist dieser Teil der Korrektur der (aggregierten) Wachstumsraten nicht als Indiz für eine schlechte Qualität der vorläufigen Zahlen zu werten. Ungeachtet dessen kann ein Vergleich dennoch manche Erkenntnisse liefern. Als operativen Gradmesser für die „prognostische“ Genauigkeit der vorhandenen Konjunkturindikatoren berechnen wir den durchschnittlichen absoluten Wert der Korrektur der Wachstumsrate für verschiedene Variablen der Vierteljahresrechnung zwischen der ersten und der letzten verfügbaren Veröffentlichung. Die folgenden beiden Schaubilder zeigen diese Statistiken für die wichtigsten Angebots- und Nachfragekomponenten des BIP zum einen ungewichtet und zum anderen mit den BIP-Anteilen als Gewichten. Schaubild 2 Schaubild 2 macht deutlich, dass die Berichtigungen der vierteljährlichen Wachstumsraten produktionsseitig bei den Industriezweigen auf dem Festland (ohne verarbeitendes Gewerbe) besonders umfangreich sind. Es mag vielleicht überraschen, dass die durchschnittliche Berichtigung der Zuwachsrate der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe ungefähr genau so groß ist wie die durchschnittliche Korrektur bei den persönlichen Dienstleistungen. Das könnte jedoch teilweise der Aggregation zuzuschreiben sein. Stellen wir den relativen Umfang der Komponenten in Rechnung, so ist offenkundig, dass sich die Anstrengungen auf die persönlichen Dienstleistungen konzentrieren sollten. -5- Schaubild 3 Wenn wir uns nun der Nachfrage zuwenden, so zeigt Schaubild 3 umfangreiche Berichtigungen bei den Investitionen. Es überrascht etwas, dass die Korrekturen bei den Investitionen im verarbeitenden Gewerbe besonders umfangreich sind, da sich die Daten zur Entwicklung dieser Komponente auf eine Erhebung stützen. Eine genauere Prüfung dieser Zahlen deutet allerdings darauf hin, dass ein beträchtlicher Teil der Berichtigungen bei Investitionen im verarbeitenden Gewerbe auf einige Quartale zurückgeführt werden kann, für die das Wachstum aufgrund des Fehlens genauer Informationen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung mittels eines Zeitreihenmodells vorhergesagt wurde. Auch bei den Gesamteinfuhren und -ausfuhren sind relativ starke Korrekturen feststellbar, und zwar im wesentlichen bei den Zahlen für Dienstleistungen, Schiffe und Ölplattformen. Von den dargestellten Komponenten erfuhren lediglich der private Verbrauch und die Ausfuhr von herkömmlichen Gütern Berichtigungen, die im Durchschnitt unter 1 Prozentpunkt liegen. Die BIPgewichteten Zahlen im Schaubild erhärten die genannte Forderung nach mehr und besseren Informationen über Investitionen, aber auch nach besseren Informationen auf dem Gebiet des Außenhandels. -6- Statistik Norwegen – Rechnungen und Prognosen Konjunkturindikatoren Strukturstatistik Gewichte Jährliche VGR Einzelhandelsumsätze Gewichte Industrieproduktion Exporte / Importe Entwicklungsgesch. BIP, Beschäftigung C p ,... statist. Residuen Vierteljährliche VGR 80 Produkte, 60 Sektoren Ökonometr. Modellierung Verbraucherpreise Prognose BIP, Beschäftigung Prognosemodell C p ,... 46 Produkte, 28 Sektoren histor. Residuen Wirtschaftspolitik Schaubild 1 Intern. ökon. Entwicklung Ölpreise, Wechselkurse Exogene Annahmen -7- Mittlerer absoluter Korrekturwert der viertelj. Wachstumsraten von der ersten bis zur letzten verfügbaren Version der VGR, 1995-1999 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 BIP gesamt Schaubild 2 BIP Festland Verarbeitendes Gewerbe Ungewichtet -8- Sonstige Ind. Festland BIP-gewichtet Private Dienstleist. Öffentl. Sektor Mittlerer absoluter Korrekturwert der vierteljährl. Wachstumsraten von der ersten bis zur letzten verfügbaren Version der VGR, 1995-1999 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 Privater Verbrauch Staatsverbrauch Gesamtinvestitionen Investitionen Investitionen Festland verarb. Gewerbe Ungewichtet Schaubild 3 -9- Exporte gesamt BIP-gewichtet Exporte trad. Waren Importe gesamt Importe trad. Waren