Das Papsttum(II)

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Seite 14 / Nr. 39
Forum
Foto: David Hecker/dapd
Tageblatt
Persönlich erstellt für: Frank Bertemes
Freitag,
15. Februar 2013
Das Papsttum
Die Stellvertreter Gottes auf Erden (2)
Patrick Hoss
„Wie ein Samenkorn“, schreibt
Jesuit Hans Grotz poesievoll,
„fiel Petrus in römische Erde“.
Und wie viele darauf auch
hineinfielen und noch fallen –
allmählich konnte man alle
„Nachfolger“ des Petrus
aufzählen, wie erwähnt
mit Jahreszahlen und
Todestagen, angeblich in
ununterbrochener Sukzession.
m Laufe der Zeit aber wurde
die römische Bischofsliste
umgeschrieben, verbessert,
ergänzt, und schließlich zeigt
eine aus fünf byzantinischen
Chronisten zusammengestellte
Tabelle der Amtsnummern für
die ersten 28 Bischöfe Roms nur
an vier Stellen eine Übereinstimmung der Ziffern in allen Spalten.
Ja, der endgültige Redaktor des
Textes, vielleicht Papst Gregor I.,
scheint die Namensreihe, in Parallele zu den zwölf Aposteln, auf
zwölf Heilige erweitert zu haben.
Jedenfalls sind die Episkopate
der römischen Bischofsliste für
die ersten zwei Jahrhunderte so
unsicher wie die der alexandrinischen oder antiochenischen und
„für die ersten Jahrzehnte bare
Willkür“ (Karl Heussi).
„Es lässt sich nicht erkennen“,
I
betont Henry Chadwick, „dass
die Petrusverheißung Matth.
16,18 vor der Mitte des dritten
Jahrhunderts in der Geschichte
der römischen Leitungs- und Autoritätsansprüche eine Rolle gespielt hätte“. Erst seitdem nämlich gibt es die erste sicher verbürgte Primatsbehauptung eines
römischen Bischofs – ein Faktum, das Jesuit Wilhelm de Vries
schon fast zynisch so einräumt:
„Wir müssen zugeben, dass es
reichlich lange gedauert hat, bis
man in Rom die ganze Bedeutung
des Felsenwortes für das Petrusamt des Bischofs von Rom erkannt hat.
Aber man hat es schließlich erkannt ...“ Nicht einmal die Vorstellung von einem besonderen
Status des römischen „Stuhlhalters“ als „Nachfolger“ Petri wurde in Rom entwickelt!
Nur
Bischofstitel
Auch fühlten sich die ältesten
Oberhirten Roms keinesfalls als
„Päpste“. Sie hatten lange „keinen anderen Titel ... als die übrigen Bischöfe“, wie selbst der katholische Pater Hildebrand Bihlmeyer festgestellt hat.
Es spricht Bände, dass die ge-
samte alte Kirche kein durch Jesus gestiftetes Ehren- und
Rechtsprimat des römischen Bischofs kennt. Dass dieses Primat
im Widerspruch steht zur Lehre
der alten Kirchenväter, selbst der
berühmtesten.
Denn wie Cyprian deutet auch
Origenes, der größte, wenngleich
verketzerte Theologe der ersten
drei Jahrhunderte, die „Primatsstelle“ kollektiv. Mit Petrus seien
hier auch die Apostel angesprochen, ja alle Gläubigen gemeint;
„alle sind Petrus und Felsen, und
auf allen ist die Kirche Christi erbaut“.
Erschwindelte
erste Pontifikate
Nicht nur die ersten Pontifikate
sind erschwindelt, nicht nur fast
alle Martyrien; auch als Verfasser
des Papstbuches wurde fälschlich
Papst Damasus (für die seinem
Pontifikat vorausgehende Zeit)
ausgegeben und dies vom Mittelalter geglaubt.
Und da auch der Auftakt des
Ganzen, der einleitende Briefwechsel zwischen Damasus und
Hieronymus (je eine Epistel)
durchgehend gefälscht ist, beginnt das hochberühmte Papstbuch mit lauter Fälschungen –
wie auch das angebliche Primat
der Päpste selbst auf purer Erschleichung beruht.
Die Geschichte des Papsttums
ist gekennzeichnet unter anderem durch Nepotismus, Simonie,
Geldgier, sexuelle Ausschweifungen und Perversionen, Judenhass, Hexenverbrennungen, Faschismusförderung und unzählige Kriege.
Welcher Gott muss das sein,
der Stellvertreter wie Leo I. der
Große (440-461), der die Juden
diffamierte, sie die „die wutentbrannten Verfolger“, die „Mörder“, „Frevler“, „Gottlosen“, „die
gottlosen und ungläubigen Juden“, die „fleischlich gesinnten
Juden“, „die verbrecherischen Juden“, die „blutgierigen Ältesten“,
„das aufgehetzte und blinde
Volk“, „das verblendete und unversöhnliche Volk“ schmähte,
wie Vigilius (537-555) den Mörder seines Vorgängers, wie Gregor I. (590-604), der das Judentum, das Heidentum und das
Schisma angriff, mit Gewalt, Predigt und Bestechung, wie Sixtus
IV. (1471-1484), Erbauer der Sixtinischen Kapelle, der Bordelle
errichtete und von seinen Huren
Steuern bezog, wie Alexander VI.
(1492-1503), der mit vier Kindern in den Vatikan kam und
sich dort an Massenorgien im Familienkreis ergötzte, wie Pius
XII. (1939-1958), den Förderer
des Faschismus in Europa, der
den Nazikriegsverbrechern die
Flucht aus Europa ermöglichte,
was für ein Gott muss das sein,
frage ich mich, der solche Stellvertreter auf die Menschheit loslässt? Diese wenigen Beispiele
sind nicht die Ausnahmen in der
Geschichte des Papsttums, sie
sind die Regel.
Doch opportunistisch und geschickt wie die katholische Kirche seit Jahrtausenden ist, glaube
ich, dass sie bei der Papstwahl im
März wieder einen Coup landen
wird und der Welt einen schwarzen Papst vorstellen wird, um ihre geheuchelt fortschrittliche
Ausrichtung zu demonstrieren,
und die Welt wird die Kirche beglückwünschen und schwärmen,
so wie es seit jeher war.
Abschließend möchte ich mit
dem deutschen Historiker Johannes Haller feststellen: „Wer sich
die Nüchternheit des Urteils bewahrt, die überall das erste Gebot
der Forschung ist, für den bleibt
die Legende von Petrus, dem
Gründer und ersten Bischof der
römischen Kirche, das, was sie
ist: eine Sage ohne geschichtlichen Kern, Dichtung ohne Wahrheit.“
Teil 1 erschien gestern
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