FSME im Kindesalter FSME im Kindesalter – harmlos oder tückisch? Michael Edigkaufer, Michael Bröker Aufgrund des Fehlens therapeutischer Möglichkeiten ist die Impfung der wichtigste Schutz für Kinder und Erwachsene in FSME-Risikogebieten. Angesichts der guten Verträglichkeit der modernen FSME-Impfstoffe ist die Zurückhaltung mancher Ärzte gegenüber der FSME-Impfung nicht angebracht. Epidemiologie der FSME Im Jahr 2004 wurden in Deutschland insgesamt 274 FSME-Fälle registriert. Insgesamt wurden vom RobertKoch-Institut 90 Land- bzw. Stadtkreise als FSME-Risikogebiete ausgewiesen. Das FSME-Virus breitet sich flächenmäßig aus [2,29] und kehrt auch in Gebiete zurück, in denen lange Zeit eine endemische Latenz herrschte (z.B. Mecklenburg-Vorpommern [11]). Hinzu kommen zahlreiche Einzelfallmeldungen von FSME-Erkrankungen in Regionen, die bisher FSME-frei gewesen sind (z.B. in Wiesbaden 2005).Wahrscheinlich aufgrund der zunehmenden Erwärmung haben die FSME-Fälle in Zen- 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 70+ 65..69 60..64 55..59 50..54 45..49 40..44 35..39 30..34 25..29 20..24 15..19 10..14 05..09 0 00..04 Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine durch Zecken übertragene Infektion mit dem FSME-Virus, die eine Erkrankung des zentralen Nervensystems verursachen kann. Hauptüberträger des FSME-Virus in West- und Nordeuropa ist der Holzbock (Ixodes ricinus). In Asien und im Osten Europas kann durch die Taigazecke (Ixodes persulcatus) die schwerer verlaufende Russische Frühsommer-Meningoenzephalitis übertragen werden. Die verschiedenen Subtypen sind sehr nahe verwandt, sodass die Impfung auch gegen die östlichen Subtypen wirksam ist. Altersgruppe Abb 1: Übermittelte FSME-Fälle nach Altersgruppen in Deutschland. Fälle entsprechend der Referenzdefinition des RKI. Datenstand: 07.09.2005 [31] traleuropa in den letzten Jahren zugenommen. Im Jahr 2005 betrug die Zunahme für Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bis zur 33. Kalenderwoche ca. 24 % [32]. Die FSME wird zwar vorwiegend bei Erwachsenen und älteren Menschen diagnostiziert; trotzdem ist sie auch bei Kindern sehr ernst zu nehmen FSME erkrankten Personen Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren. Der Erkrankungsgipfel lag im Alter zwischen 7 und 14 Jahren. Inzwischen hat sich die Altersverteilung in unserem Nachbar- und Urlaubsland Österreich als Folge der Impfkampagne und der hohen Akzeptanz in der Bevölkerung Die Analyse der Daten zu FSME aus dem Robert Koch-Institut weist auch in Deutschland bei Kindern zahlreiche Fälle für den Zeitraum 2001 bis September 2005 aus (Abb. 1,Tab. 1). Altersgruppe Anzahl 00..00 1 01..01 3 02..02 1 11 bis 15% aller FSME-Patienten in Deutschland sind Kinder, ca. 6% sind jünger als 6 Jahre. Die epidemiologischen Daten aus der Tschechischen Republik und Russland zeigen sogar, dass hier vor allem die Altersgruppe der 10 bis 14-Jährigen das höchste Risiko aller Altersgruppen haben. 03..03 8 04..04 8 05..09 68 10..14 53 Gesamt 142 Ähnlich waren in Österreich, vor Einführung der FSME-Impfung als Routineimpfung, 25% aller jährlich an Tab. 1: Übermittelte FSME-Fälle nach Altersgruppen in Deutschland. Altersgruppen: 0, 1, 2, 3, 4, 5 und 10. Fälle entsprechend der Referenzdefinition des RKI. Datenstand: 07.09.2005 [31] ImpfDialog 3 / 2005 135 FSME im Kindesalter (> 85% Durchimpfungsrate!) erheblich verändert. Die Zahl der erkrankten 0- bis 14-Jährigen hat sich seither um ca. 90% verringert [23]. Abb. 2: Altersabhängigkeit des Krankheitsverlaufs einer FSME, modifiziert nach [13] Die jüngste bislang gemeldete FSME-Enzephalitis-Patientin war 3,5 Monate alt [6].Vor kurzem wurde eine FSME-Virus-Infektion bei einem Säugling aus Mattsee/Österreich diagnostiziert, der im Alter von nur 3 Wochen an einer schweren Meningoenzephalitis erkrankte [8]. Klinischer Verlauf einer FSME Eine Infektion mit dem FSME-Virus kann asymptomatisch bzw. mit milder grippeähnlicher Symptomatik verlaufen (subsummiert mit anderen Infektionserkrankungen oft als „Sommergrippe“ bezeichnet [16]). Bei ca. 70% der FSME-Patienten manifestiert sie sich als Erkrankung mit einem zweigipfligen Fieberverlauf. Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 10 Tagen (4 - 28 Tage) kommt es zunächst zu einer 3- bis 8-tägigen Prodromalphase mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber und gelegentlich auch MagenDarmbeschwerden mit Bauchschmerzen. Nach vorübergehender Besserung dieser Beschwerden markiert ein erneuter Fieberanstieg (bis > 40ºC) wenige Tage später den Beginn der zweiten Krankheitsphase. Diese manifestiert sich über alle Altersgruppen zu 49% als eine aseptische Meningitis, zu 41% als Enzephalitis und zu 10% als Myelitis (Abb. 2) [14]. Restschäden sind bei 27% der meningitischen Verlaufform und bei 67% der myelitischen Verlaufsform zu erwarten. Die Letalität der FSME liegt - bezogen auf alle Verlaufsformen und alle Altersgruppen - bei etwa 1%, die Letalität der Myelitis allein ist etwa zehnmal höher. 136 3 / 2005 ImpfDialog Die Anzeichen der Meningitis sind starker Kopfschmerz, Brechreiz, Genickstarre und hohes Fieber. Die Enzephalitis äußert sich in Rastlosigkeit, Bewusstseinsstörungen, Desorientierung,Verwirrtheit, Kopfschmerzen, Erbrechen, Hyperkinesien der Glieder und Gesichtsmuskulatur, Krampfanfällen, Lähmung der Hirnnerven (Augenmuskeln, Fazialis- und Pharynxmuskulatur) und vegetativer Dysregulation mit Blutdruckschwankungen und Herzrhythmusstörungen. Die Symptome in der akuten Phase sind bei Kindern seltener als bei Erwachsenen von Muskelschmerz, Gelenkschmerz und Photophobie gekennzeichnet, aber fast immer von hohem Fieber, Nackensteifigkeit, Kopfschmerz, Erbrechen und Müdigkeit. Die neurologische Verlaufsform der Erkrankung manifestiert sich bei Kindern meistens „nur“ als Meninigitis, weniger oft als Enzephalitis. Die Prognose der meningitischen Verlaufsform ist günstig; sie heilt meist ohne Residuen aus. „Meistens“ bedeutet jedoch nicht „immer“. Auch für Kinder besteht entgegen der landläufigen Meinung ein nicht zu unterschätzendes Risiko dauerhafter Schäden in Folge einer FSME-Erkrankung. In einer Umfrage des Paul-EhrlichInstitutes 1997/98 unter allen deutschen Kinderkliniken fanden sich bei Kindern von 3 bis 14 Jahren unter 17 Fällen von FSME nur blande Verläufe mit vollständiger Wiederherstellung einer Meningitis (14 Fälle, 1 Fall einer Meningitis mit Cerebellitis) oder einer Meningoenzephalitis (2 Fälle) [28]. Allerdings wurden bei dieser retrospektiven Studie keine systematischen Untersuchungen des ZNS oder zur Lebensqualität durchgeführt [17]. Ebenso fehlen detaillierte Erhebungen zur Langzeitprognose bei Kindern und Jugendlichen. Eine aktuelle deutsche Studie, bei der die Kinder nachuntersucht wurden, die „nur“ leicht oder mittelschwer an FSME erkrankt waren, zeigte dagegen nur bei 8 von 19 Kindern im EEG normale Hirnströme. Im Vordergrund der Beschwerden standen Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und psychomotorische Störungen, zum Beispiel in der Mimik. Auch die Bewegungsabläufe und Körperhaltung waren im Vergleich zu gesunden Kindern auffällig [21, 22]. Bei Kindern (meist ab 6 Jahren) sind inzwischen mehrere schwere Verlaufsformen mit Folgeschäden und Lähmungen beschrieben. In einer FSME im Kindesalter 8,6% (N=9) 17,1% (N=8) 32,4% (N=34) Abb. 3: 105 FSME-Verdachtsfälle – 32,4% mit serologisch bestätigter FSME. Kinderneurologische Abteilung Kemerowo, Russland, 2000 (nach Poponnikova, [24]) FSME Borreliose Mischinfektionen von FSME + Borreliose andere – nach Zeckenstich, mit unklarer Diagnose 41,9% (N=44) von Cizman et al. [4] in Slowenien durchgeführten restrospektiven Untersuchung von 133 FSME-Fällen bei Kindern wurde gezeigt, dass sieben (5,2%) intensivmedizinisch behandelt werden mussten. Schwere Verläufe bis hin zu einer Myelitis sind bei Kindern zwar seltener als bei Erwachsenen, kommen aber durchaus vor. In einer Untersuchung in Slowenien aus den Jahren 1978 bis 1992 wurden von Rakar [27] bei 6 von 160 Kindern Langzeitschäden nach FSME im Sinne von Nervenlähmungen, cerebralen Anfällen und Verhaltensstörungen beschrieben. Zenz et al. [38] beobachteten 124 FSME-Fälle bei Kindern in der Steiermark über einen Zeitraum von zehn Jahren. Mehr als 2,9% der betroffenen Kinder hatten bleibende neurologische Folgeschäden. Mehrfach ist bei Kindern von der Behandlungsnotwendigkeit auf Intensivstationen berichtet worden. In der Literatur finden sich Fallberichte zu neurologischen Langzeitschäden wie z.B. Hemiparesen und zerebralen Anfallsleiden. Fast ein Drittel der Kinder leiden nach einer FSME-Erkrankung noch über Wochen oder Monate an einem postviralen Neurasthenie-Syndrom mit Kopfschmerzen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, ausgeprägter Konzentrationsschwäche, Stressintoleranz, psychomotorischer Verlangsamung und anderen Symp- Abb. 4: Verschiedene Prognosen herdförmiger Verlaufsformen der FSME bei Kindern. Kinderneurologischen Abteilung Kemerowo, 1996 - 2002 (Poponnikova, pers. Mitteilung, [25]) Chronische Form (21,5%, N =14) Apallisches Syndrom (= schwere Hirnschädigung) (17,0%, N =11) Verschiedenartige ZNS-Syndrome (61,5%, N = 40) tonen, die den normalen Schulbesuch und die weitere Entwicklung des Patienten gefährden können [33, 39]. Die Schwere des Krankheitsverlaufs einer FSME-Erkrankung korreliert mit dem Alter: Je älter Patienten sind, desto häufiger bleiben dauerhafte Schäden zurück und desto höher ist die Letalität der Erkrankung. Trotzdem sollte man aufgrund der steigenden Anzahl von schweren Einzelfällen in jüngster Zeit bei Kindern die Propyhlaxe nicht außer acht lassen. Mischinfektionen Ein weiteres Risiko ist die Übertragung zusätzlicher Pathogene nach einem Zeckenstich (mehr als 30 beschriebene Krankheitserreger, darunter z.B. Clostridium tetani und Borrelien) [33]. Borreliose kann in Deutschland flächendeckend beobachtet werden. Von Mischinfektionen von FSME und Borreliose wird in Westeuropa sehr selten berichtet, während sie in Sibirien und dem Osten Russlands hingegen häufiger auftreten. Verschiedene Pathogene in ein und derselben Zecke interferieren normalerweise nicht, da sie spezielle Organe, Gewebe bzw. Zellen befallen, die ihnen als ökologische Nische dienen [18]. Eine aktuelle Publikation [26] berichtet über den Verlauf von 176 Mischinfektionen bei Kindern, die in der Kohleregion von Kuznetsk (Region Kemorova/ Westsibirien) leben. Eine solche Mischinfektion führt zu schwereren Krankheitsverläufen als bei den Einzelerkrankungen üblich (Abb. 3, 4). Da Mischinfektionen nicht auf die Symptome beschränkt sind, die charakteristisch für die Einzelinfektionen sind, ist zudem eine immunologische Überprüfung zur diagnostischen Absicherung unbedingt erforderlich. Die meningitische und enzephalitische Form der Mischinfektionen sind durch stärkere und länger anhaltende Fieberreaktionen gekennzeichnet. Chronische Restschäden der meningoencephahlitischen Mischform werden in 25% der Fälle beobachtet. ImpfDialog 3 / 2005 137 FSME im Kindesalter Alimentäre Infektionen Eine FSME kann auch alimentär erworben werden, z.B. nach Verzehr von Milch und Milchprodukten. Kürzlich wurde über die Erkrankung von 27 Menschen nach dem Verzehr von unpasteurisierter Ziegenmilch berichtet, die im Rahmen einer Promotionsveranstaltung in einem Supermarkt den Kunden angeboten wurde. Der jüngste Patient war vier Jahre alt [15]. Solche alimentär erworbenen FSME-Fälle sind in Osteuropa nicht ungewöhnlich und ebenfalls eine Impfindikation. In Deutschland ist dieser Infektionsweg bisher noch nicht beschrieben worden. Fallberichte Fall eines zehnjährigen Jungen aus Landkreis Darmstadt-Dieburg Beim Spielen im Garten seines Elternhauses in Mühltal (Landkreis Darmstadt-Dieburg) infizierte sich der Junge im Sommer 2002 durch einen Zeckenstich mit FSME-Viren und erkrankte schwer. Nach längerer Zeit im Koma und stationärer Behandlung wurde der Junge im Dezember in die häusliche Pflege entlassen. Zwar machte seine Genesung täglich Fortschritte, dennoch ist das Kind seither schwerstbehindert. Es muss gefüttert werden, ist auf den Rollstuhl angewiesen, leidet unter nächtlichen myoklonischen Anfällen und kann aufgrund einer Dysarthie nur schwer kommunizieren [34]. Der Landkreis DarmstadtDieburg war 2002 noch kein ausgewiesenes FSME-Risikogebiet Fall eines 3,5 Monate alten Mädchens aus Österreich Das Mädchen hatte einen schweren monophasischen Verlauf einer Meningoenzephalitis mit Status epilepticus und einer Beatmungstherapie. 138 3 / 2005 ImpfDialog Diese Beschreibung von Grubbauer et al. [6] war der Anlass, die FSMEImpfung auch im Kleinkindalter in besonderen Hochrisikogebieten Österreichs zu empfehlen. Fall eines 6 Wochen alten Babys aus der Schweiz Zehn Tage nach einer Zeckenexposition erkrankte ein 6 Wochen altes Mädchen. IgG- und auch IgM-Antikörper waren positiv, was typisch für eine frische Infektion mit dem FSME ist. Das Mädchen zeigte meningeale Beschwerden [12]. Fall eines 3 Wochen alten Babys aus Mattsee/Österreich Vor kurzem wurde eine FSME-VirusInfektion bei einem Baby in Österreich diagnostiziert, das im Alter von nur 3 Wochen an einer schweren Enzephalitis erkrankte [8]. Das Virus konnte mittels PCR im Liquor nachgewiesen werden, IgM- und IgGAntikörper waren positiv. Die Mutter ist seronegativ, war ungeimpft und hat selbst keine Infektion mit dem FSME Virus durchgemacht. Eine Übertragung von der Mutter auf das Kind, z.B. durch die Muttermilch, konnte somit ausgeschlossen werden. Da die Familie in einem FSME Endemiegebiet im Land Salzburg lebt und weitere Übertragungsmöglichkeiten (z.B. alimentär über unpasteurisierte Kuhmilch) ausgeschlossen wurden, muss von einer Infektion durch einen Zeckenstich ausgegangen werden. Prophylaxe Eine wirkungsvolle Prophylaxe von FSME durch geeignete Kleidung sowie Repellents ist nicht möglich. Spezifische Immunglobuline zur postexpositionellen Prophylaxe stehen in Europa seit Jahren nicht mehr zur Verfügung. Somit steht die aktive Impfung im Vordergrund. Eine einheitliche Impfempfehlung ist in Europa noch nicht verwirklicht. Auch Länder, die in der Vergangenheit zurückhaltend bei der Impfung von Kindern waren, haben ihre Meinung revidiert. Im schweizerischen Impfplan 2005 ist nunmehr auch die Impfung von Kindern ab 6 Jahren empfohlen [1]. Schwedische Meinungsbildner sprechen sich nicht mehr gegen die Impfung von Kindern im Vorschulalter aus [20]. Die ursprüngliche deutsche Empfehlung war, Kinder erst im Alter von 4 Lebensjahren zu impfen. Diese Zurückhaltung äußert sich auch heute noch in einer Empfehlung des RKI [30]. Ein Expertengremium hat vor ca. 30 Jahren die Altersgrenze auf 1 Jahr herabgesetzt, nachdem die FSME-Erkrankung eines 18 Monate alten Kindes aus Ingolstadt zum Tode geführt hatte [10]. In Deutschland sind die FSME-Impfstoffe deshalb ab 1 Jahr zugelassen. In Österreich ist in Ausnahmefällen eine Impfung ab 6 Monaten möglich. Das heißt, dass in einigen der oben genannten Fälle auch die Impfprophylaxe aufgrund der unteren Altersgrenze zu spät käme. Um so wichtiger ist eine frühzeitige und umfassende Information von Eltern und ihren Kindern. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die FSME-Impfung als Indikationsimpfung bei Personen, die sich dauernd oder zeitweise in FSME-Risikogebieten innerhalb Deutschlands aufhalten und Zecken exponiert sind.Vor Reisen in Risikogebiete außerhalb Deutschlands wird die FSME-Impfung als Reiseimpfung empfohlen. Zu beachten ist, dass Zecken nicht nur im Wald und an Wiesenrändern auf einen Wirt warten, sondern auch in städtischen FSME im Kindesalter Grüngebieten wie Stadtparks, Kindergärten und Friedhöfen. Einen sicheren Schutz vor der Infektion bietet nur eine Impfung. Eine FSME-Grundimmunisierung erfordert - unabhängig von Hersteller und altersabhängiger Dosierung immer drei Impfdosen. Besonders empfehlenswert zum kurzfristigen Aufbau eines Impfschutzes ist ein Schnellimmunisierungsschema. Durch Impfungen an den Tagen 0, 7 und 21 kann die Grundimmunisierung innerhalb von drei Wochen abgeschlossen werden, und schon ab Tag 21 können schützende Antikörper nachgewiesen werden [36, 37]. Die in Deutschland zugelassenen FSME-Impfstoffe enthalten keine Konservierungsmittel. Als Stabilisatoren werden je nach Präparat Saccharose oder humanes Serumalbumin verwendet. Anlässlich einer internationalen FSME-Konferenz in Tirol/Österreich haben europäische Impfexperten empfohlen mehr Kinder als bisher gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zu impfen [19]. Jedes Kind, das in einem FSME-Risikogebiet wohnt oder dort hinreist, sollte danach den Schutz bekommen.„Die FSME bei Kindern verläuft im Allgemeinen milder, doch es können auch schwere Erkrankungen auftreten, die aufgrund von neuropsychologischen Krankheitsfolgen sogar zu einer permanenten Beeinträchtigung der Lebensqualität führen können“, so einer der Kernsätze des Konsensus, auf den sich Experten aus zahlreichen europäischen Ländern im Rahmen des 6. Meetings der „International Scientific Working Group on Tick Borne Encephalitis (ISW TBE)“ in Tirol einigten. Durch die vorbeugende FSME-Impfung lassen sich die Erkrankungen und die damit verbundenen Beein- Hinweise für die Praxis – FSME bei Kindern ● Kinder sind durch ihre Lebensumstände bei Spiel und Sport häufiger Zecken ausgesetzt als Erwachsene ● Der Verlauf einer FSME ist bei Kindern in der Regel weniger schwer- wiegend als bei Erwachsenen, kann jedoch in Einzelfällen (ca. 2%) einen schweren Verlauf haben. ● Kinder haben in vielen Fällen monatelange Beschwerden. Auch bei leichten bis mittelschweren FSME-Erkrankungen können persistierende EEGVeränderungen beobachtet werden, mit neurologischen Spätfolgen in Form von diskreten motorischen Störungen und Konzentrationsschwächen. Erkrankte Kinder können bleibende neurologische Schäden zurückbehalten. ● Begleitend zu einer FSME wurden in Kindern das postvirale neurasthenische Syndrom mit Konzentrationsschwäche, Müdigkeit, Kopfschmerzen, psychomotorische Verlangsamung u.a. beschrieben. ● Jede Erkrankung nach einem Zeckenstich kann eine potentielle Mischinfektion darstellen, die schwerer verlaufen kann als eine Monoinfektion mit dem FSME-Virus alleine. trächtigungen der Kinder vermeiden. Daher ist für Österreich die FSME-Impfung für alle Kinder als Routineimpfung empfohlen [3]. Die Fallzahlen konnten seither drastisch reduziert werden. FSME bei Kindern – warum sollten Sie impfen? FSME ist eine nicht kausal therapierbare Erkrankung. Erkrankte Kinder verbringen u.U. einige Wochen im Krankenhaus und zeigen über Wochen und Monate neurologische Ausfallserscheinungen.„Die Impfung ist ausgezeichnet verträglich und schützt ganz wesentlich. Fällt auch die Mortalität nicht ins Gewicht, betrachte ich es als Erfolg, wenn man einem Kind einen wochenlangen Klinkaufenthalt ersparen kann.“ [10]. Die guten Erfahrungen mit der FSME-Impfung bei Kindern, die in Österreich gewonnen wurden, sollten für uns ein Ansporn sein, auch in Deutschland die FSME zurückzudrängen. Die Eltern sollten hinsichtlich eines FSME-Risikos und der möglichen Folgen eines Zeckenstiches informiert und die Impfung entsprechend der Empfehlung der Ständigen Impfkommission angeboten werden. Literatur [1] BAG. Schweizerischer Impfplan 2005. www.bag.admin.ch [2] Bröker M, Gniel D. New foci of tickborne encephalitis virus in Europe consequences for travellers from abroad.Travel Med Infect Dis 2003; 1: 181-184 [3] Bundesminsterium für Gesundheit und Frauen. Impfplan 2005 Österreich. www.bmgf.gv.at [4] Cizman M, Rakar R, Zakotnik B, Pokorn M, Arnez M. Severe forms of tick-borne encephalitis in children. 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