Marken im Einfluss des Internet

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13. G·E·M Markendialog
Marken im Einfluss des Internet
5. März 2009 in Berlin
Die Themen und ihre Referenten:
I. Themenblock
»Spezifische Herausforderungen des Internet
an die Markenführung«
Professor Dr. Marcus Schögel
Institut für Marketing und
Handel, Universität St. Gallen
These 1: Interaktive Medien
bieten vor allem mittelfristige
Effizienzpotenziale.
Gerade in rezessiven Zeiten
stehen die Kommunikationsbudgets unter Druck. Vielfach verschieben Unternehmen ihre Ressourcen in Richtung der interaktiven
Medien, da sie davon ausgehen, die Kommunikationsprozesse und -wirkungen besser steuern zu können. Damit orientieren sie sich mehr an den kurz- bis
mittelfristigen Zielsetzungen und weniger an den
langfristigen (qualitativen) Zielgrößen der Markenführung.
Marcus Schögel
Geboren am 22. Mai 1967 in Berlin, 1986 bis
1993 Studium der Betriebswirtschaftslehre an
der Technischen und der Freien Universität
Berlin, 1997 Promotion zum Dr. oec. HSG, 2004
Habilitation. Seit 2005 Assistenzprofessor für
Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Marketing an der Universität
St. Gallen, Mitherausgeber der Fachzeitschrift
Marketing Review St. Gallen (früher: THEXIS).
These 2: Abkehr vom unilateralen
Kommunikationsverständnis.
Das Internet stellt eine vernetzte Kommunikationsstruktur dar. Mit ihrer weitreichenden Diffusion in
der Gesellschaft und der Verbreitung auf verschiedenen Endgeräten ist es dazu geeignet, die sozialen Interaktionsmuster zwischen Nutzern umfassend abzubilden sowie zu erweitern. Ein klassisches, hier als
unilateral bezeichnetes, Kommunikationsverständnis trägt der Vernetzung nur bedingt Rechnung und
führt zu missverstandenen Chancen des Internet. Die
Markenkommunikation muss von einem multilateralen (fast hierarchielosen) Austausch zwischen
Nutzern ausgehen.
These 3: Interaktive Medien bieten dem Nutzer
weitreichende Einflussmöglichkeiten auf
Markeninhalte.
Durch die zunehmende Einbindung der Nutzer in die
Interaktion nimmt deren Einfluss auf Botschaften,
Inhalte und damit auch auf die Markenpositionierung zu. Der Nutzer emanzipiert sich aus seiner passiven Nutzerrolle und agiert nun als Produzent, Sender, Empfänger einer Botschaft zugleich. Nutzer gestalten die Markeninhalte jenseits von Unternehmensrichtlinien individuell und weitgehend unkontrolliert. Dabei ist davon auszugehen, dass Unternehmens- und Nutzerinteressen nur bedingt deckungsgleich sind.
These 4: Virale Effekte erfordern „Stickiness“ der
Inhalte.
Interaktive Medien bieten Marken, Unternehmen
und Kunden die Möglichkeit, Informationen, Meinungen und Inhalte in kürzester Zeit „viral“ zu verbreiten. Damit sind die Unternehmen in zweifacher
Hinsicht gefordert: Zum ersten gilt es Inhalte zu generieren, die Nutzer als attraktiv empfinden und weiterleiten wollen. Zum zweiten folgen virale Effekte
den Regeln von Epidemien; ist ein Virus einmal gesetzt, kann auf den Verlauf einer Epidemie kaum
noch Einfluss genommen werden.
These 5: Die „Markenhoheit“ der Unternehmen
wird in Frage gestellt.
Für die Markenführung ist insgesamt davon auszugehen, dass die bisherige (vielfach isolierte) Definition und Umsetzung von Markenstrategien und
Kommunikationsansätzen durch die Unternehmen
im Feld der interaktiven Medien maßgeblich „untergraben“ wird. Kunden und Nutzer nehmen Einfluss
und fordern die aktive Berücksichtigung ihrer Aktivitäten. Damit verliert die Markenführung zumindest über einen Teil ihrer Aktivitäten die Kontrolle.
Jörg-Alexander Ellhof
Leiter Internationale
Marketing-Kommunikation
RENAULT, Frankreich
Mut zur Veränderung ist ein wesentlicher Bestandteil der Renault Markengene. Konsequent
hat Renault Deutschland in den
Herausforderungen des Internet die Chance zur Neuausrichtung der Kommunikations-Aktivitäten gesehen und dem Internet eine Leitfunktion, auch für andere Kommunikationsmittel, eingeräumt.
Herausforderung 1: Noch funktionieren die althergebrachten Mechanismen der Markenführung, wie
Jörg-Alexander Ellhof
Geboren am 16. Januar 1963 in Bochum,
1984 bis 1990 Studium Psychologie und Marketing an der Ruhr-Universität Bochum, 1990
Diplom-Psychologe. Seit 2001 Leitung des
Bereiches Marketing-Kommunikation der Renault Deutschland AG, Brühl, seit Anfang 2008
Leiter Internationale Marketing-Kommunikation
Renault, Frankreich.
das Einhämmern unrelevanter, nicht differenzierender oder wenig glaubwürdiger Botschaften mittels
gesteigertem Werbedruck.
Herausforderung 2: Die rasante Ausbreitung des Internet erfordert jedoch Interaktivität, Beschleunigung und Internationalität des Markenauftritts.
Herausforderung 3: Das Internet bringt Transparenz
in den Markt und wird zum Marktplatz mit eigenen
Regeln.
Herausforderung 4: Kunden bestimmen ab sofort
selbst, wann und wie lange sie sich mit einer Marke
beschäftigen.
Herausforderung 5: Klassische Unternehmens- und
Agenturmodelle sind auf diese einschneidenden Veränderungen nicht vorbereitet.
Herausforderung 6: Markenführung mit Zukunft bedeutet die Strukturen und Prozesse, in denen Unternehmen funktionieren, grundlegend zu hinterfragen
und neu zu denken.
Herausforderung 7: Eigentlich sollten wir wissen
wie es geht. Die grundlegenden Regeln der Kommunikation bleiben unverändert, nur die Verletzung dieser Regeln wird zukünftig hart bestraft.
II. Themenblock
»Chancen des Internet für die Markenführung«
Prof. Dr.
Claudia Fantapié Altobelli
Institut für Marketing, HelmutSchmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg
These 1: Mit Hilfe des Internet
lassen sich neue Zielgruppen
ansprechen.
Viele Marken aus dem Offline-Bereich, welche den
Web-Auftritt flankierend zur (Offline)-Markenfüh-
rung einsetzen, nutzen die Potenziale des Mediums,
um weitere Zielgruppen zu gewinnen. Eine ansprechende Gestaltung des Web-Auftritts kann zudem
wünschenswerte Assoziazionen mit der Marke (z. B.
technische Leistungskompetenz, Modernität) erzeugen oder verstärken. Allerdings ist auf die Integration von Online- und Offline-Auftritt zu achten, um
ein konsistentes Markenbild zu erzeugen.
These 2: Online-Marken orientieren ihre Markenführung stärker an das Internet als Offline-Marken.
Marken, die ihren Ursprung in der Online-Welt
haben, nutzen von Anfang an konsequent das Internet für die Markenführung. Eine Integration des Internet in die Markenführung ist für diese Marken
genauso selbstverständlich wie die Nutzung des
Web als Vertriebsplattform. Für Unternehmen, deren Geschäftsmodell ausschließlich im Internet begründet liegt, ist der Aufbau einer aussagekräftigen
(Online-)Marke mit einer hohen Markenidentität
besonders wichtig, da sie kein Pendant in der realen
Welt haben.
These 3: Hybridmarken vereinigen die Erfolgsfaktoren der realen und der virtuellen Welt.
Hybride Marken sind bei erfolgreicher Markenführung in der Lage, das mit traditionellen OfflineBrands verbundene Vertrauen in die Marke bei
gleichzeitiger emotionaler Bindung an die Marke zu
verknüpfen mit online-brand-typischen Eigenschaften wie Vernetzungskompetenz, Dialogfähigkeit mit
den Usern und Transparenz der Leistung.
These 4: Markenkooperationen können die Marke
stärken.
Durch Online-Kooperationen kann sowohl die
Marke des Werbeträgers (Affiliate) wie auch die des
Werbetreibenden (Merchant) gefördert werden. Entscheidend ist die Wahl eines geeigneten Partners.
Möglichst starke Bezüge zwischen den beteiligten
Partnern führen dazu, dass das gemeinsam präsentierte Leistungsangebot von Affiliate und Merchant
in den Augen des Nutzers als ganzheitliches Leistungsbündel wahrgenommen wird.
Claudia Fantapié Altobelli
Geboren am 29. Juli 1962 in Genua, 1981 bis
1986 Studium der Betriebswirtschaftslehre an
der Universität Tübingen, 1990 Promotion zum
Dr. rer. pol., 1994 Habilitation. Seit 1995 Inhaberin der Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, an der
Helmut-Schmidt-Universität – Universität der
Bundeswehr Hamburg.
These 5: Internetbasierte Kundeninteraktion kann
zu einer Stärkung des Markenbildes beitragen.
Die Rolle des Kunden im Wertschöpfungsprozess
hat sich verändert, das Internet wird zunehmend zu
einem Ort des sozialen Austausches und der Kommunikation. Eine Integration der Kundeninteraktion
in die Markenführung kann zur Stabilität der Marken-Kunden-Beziehung beitragen und die Marke
nachhaltig stärken.
Dr. Hans-Willi Schroiff
Corporate Vice President
Market Research/Business
Intelligence, Henkel AG & Co.
KGaA
Chance 1: Unsere Interaktivität
hat sich über die „Digitalisierung“ dramatisch gesteigert –
verbunden mit einer bislang nicht bekannten Dynamik, Transparenz der Märkte sowie Vernetztheit der
Marktteilnehmer. Wir müssen dies grundsätzlich als
Chance sehen.
Dr. Hans-Willi Schroiff
Geboren am 8. Mai 1952 in Aachen, Studium der
Psychologie an der RWTH Aachen, 1978 Diplom-Psychologe, 1982 Promotion zum Dr. phil.
1987 Eintritt in das Unternehmen Henkel; nach
unterschiedlichen Funktionen in der Henkel
Marktforschung seit 1999 Corporate Vice President Market Research/Business Intelligence,
Henkel AG & Co. KGaA, Düsseldorf.
Chance 2: Für moderne Formen der Markenführung
ist die „Digitalisierung“ eine wertvolle Erweiterung
der Wissensbasis um unseren Konsumenten und
Kunden.
Chance 3: Das Internet wird die Marktforschung
dramatisch in zwei Richtungen beeinflussen:
• als passives „Listening-In“, also der mehr und
mehr professionell gestalteten Analyse von Konsumenten-Spuren im Netz, hier fokussiert auf sog.
„User Generated Content“, also der Analyse von
Meinungen und Inhalten, die sich uns als kollektive
Produkte aus dem Netzt erschließen
• als aktive „Co-Creation“, also die sukzessive aktive
Partizipation von Konsumenten bei der Gestaltung
von Produkten und Dienstleistungen; hier übertragen Unternehmen ihren Kunden ganz bewusst einen großen Einfluss bei dem, was letztendlich von
Unternehmen angeboten wird.
Chance 4: Das Internet bietet Marken-Herstellern
vier Chancenfelder:
• Es erweitert die Optionen für „konsumenten-zentrierte“ Innovationen
• Es ist damit zwangsläufig die nächste Stufe von
„Sense and Respond“, bei der mehr und mehr Gestaltungsmacht in Richtung Konsument wandert:
Aufbau von „user communities“; Verbindung zwischen diesen Communities; Entwicklung einer
Technologie, die schnelle Interaktionen zwischen
Mitgliedern der Community und dem Hersteller ermöglicht
• Es schafft bei Kommunikations-Strategien verbesserte Interaktions-Möglichkeiten
• Es ermöglicht ein neues Customer Relationship
Management.
Chance 5: Wo das alles hingehen kann und was das
für die Markenführung bedeutet.
III. Themenblock
»Brand Communities im Web«
Professor Dr. Hans H. Bauer
Lehrstuhl für ABWL und
Marketing II, Universität
Mannheim
These 1: Brand Communities
haben einen entscheidenden
Einfluss auf das Markenwahlverhalten.
Eine Vielzahl an Konsumenten nutzt inzwischen
das Internet, um sich vor dem Kauf über Produkte zu informieren. Dabei werden nicht nur
unternehmenseigene Produktwebseiten besucht,
sondern auch Blogs und Foren, die sich speziell
mit einer Marke beschäftigen. Die dort gesammelten Informationen beeinflussen das Markenwahlverhalten.
Hans H. Bauer
Geboren am 4. Juni 1947 in Bamberg, 1969 bis
1973 Studium der Betriebswirtschaftslehre an
der Universität Erlangen-Nürnberg, 1979 Promotion, 1986 Habilitation. Seit 1993 Inhaber des
Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing II an der Universität Mannheim, ab 1999 Mitdirektor des Institut für Marktorientierte Unternehmensführung; Mitherausgeber der Fachzeitschrift Marketing-ZFP.
These 2: Besonders identitätsstiftende und mythische Marken eignen sich als zentrale Bezugsobjekte
für Brand Communities.
Brand Communities sind stets auf eine bestimmte
Marke bezogen, vermitteln ihren Mitgliedern einen
spezifischen Lebensstil und eine soziale Identität.
Lebensstil und soziale Identifikation werden durch
gemeinsam geteilte Interessen, Werte und Ideale innerhalb der Community gebildet. Grundsätzlich lassen sich fünf unterschiedliche Markentypen unterscheiden, aber gerade die identitätsstiftenden und
mythischen Marken eignen sich als zentrale Bezugsobjekte für Brand Communities aufgrund ihres
hohen Potenzials zur Identitäts- und Wertevermittlung.
These 3: Brand Communities können zum Katalysator für die Verbreitung negativer Meinungen werden.
Brand Communities sind Segen und Fluch zugleich.
Obwohl sich ihre Mitglieder aktiv und freiwillig mit
der jeweiligen Marke auseinandersetzen und dadurch eine höhere Markenloyalität aufweisen, geht
von diesen virtuellen Gemeinschaften auch eine Gefahr für die Marke aus. Bei negativen Erlebnissen
können Konsumenten ihre Erfahrungen in Communities streuen, wodurch das Markenimage und in
Folge das Kaufverhalten anderer Community-Mitglieder negativ beeinflusst wird.
These 4: Aktives Community-Management kann die
positiven Effekte maximieren und die negativen
Effekte minimieren.
Die positiven und negativen Effekte von Brand
Communities entstehen nicht zufällig. Eine Reihe
von Einflussfaktoren lässt sich identifizieren, die
von Unternehmen gezielt manipuliert werden können, um die positiven Seiten gezielt auszunutzen und
die negativen Effekte möglichst zu vermeiden. Fünf
konkrete Ansätze für ein erfolgreiches Brand Community-Management lassen sich daraus ableiten.
Lars Wöbcke
Communication & Corporate
Marketing Director,
Nestlé Deutschland AG
Erfahrung 1: Während man
beim Stichwort Brand Communities oft nicht zuerst an Nahrungsmittel und sonstige Konsumgüter des täglichen Bedarfs denkt, so bieten
diese doch in unterschiedlicher Weise zahlreiche Ansatzpunkte für den Einsatz von Brand Communities.
Dieser steht bei uns im engen Zusammenhang zu unseren CRM-Aktivitäten.
Lars Wöbcke
Geboren am 2. September 1963 in Elmshorn, 1990
Diplom-Wirtschaftsingenieur, Universität Hamburg. Seit 2003 bei Nestlé, seit Februar 2008 als
Communication & Corporate Marketing Director
bei der Nestlé Deutschland AG in Frankfurt für den
zentralen Marketingbereich verantwortlich.
Erfahrung 2: Das Nestlé-Marken-Portfolios kennt
verschiedene Ausprägungen. Wir teilen die Marken
in unterschiedliche Gruppen ein, die sich nach dem
Grad der Einsetzbarkeit von Brand Communities
und CRM anhand verschiedener Kriterien unterscheiden. Ebenso werden die verschiedenen Nutzenebenen berücksichtigt.
Erfahrung 3: Anhand von Beispielen wird die jeweilige Rolle von Brand Communities und CRM im
Kommunikations-Mix verschiedener Marken-Typen
beleuchtet: Nespresso, Maggi Kochstudio, Nestlé
Ernährungsstudio, Nestlé Babyservice, Nescafé
Dolce Gusto, Herta.
Erfahrung 4: Aus den gemachten Erfahrungen spezifische Erkenntnisse für künftige Einsätze ableiten.
Moderation
Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c.
Richard Köhler, Emeritus am
Marketing-Seminar der Universität zu Köln
Am Vorabend
Mittwoch, 4. März 2009, 19.00
Uhr: Empfang der G·E·M für
die Teilnehmer am 13. G·E·M
Markendialog mit Gastvortrag
von Hans-Joachim Otto MdB,
Vorsitzender des Ausschusses
für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag: »Internet als
Teil der Medienkultur«
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