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Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 3 Organismen des Luft gefüllten Porensystems Mikroarthropoden - allgemein • Körpergröße ca. 0,2 bis wenige mm • wenige Tausend bis mehrere 100.000 Individuen / m² • z.T. Massenvorkommen (Mio./m²!) • Ideal: mäßig feuchte Böden • überwiegend Pilzfresser, doch kommen alle Ernährungstypen vor • Omnivorie weit verbreitet • Zahllose Fraßfeinde: Raubmilben, Käfer(-larven), Chilopoden, Vögel... Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 Sminthurus viridis 4 Organismen des Luft gefüllten Porensystems Mikroarthropoden - Milben • sehr große Artenvielfalt: ca. 35.000 beschrieben, 100.000 geschätzt • überwiegend blind • Tasthaare (Trichobothrien) • Hautatmung (bei verdickter Cuticula Röhrenatmung) • Phoresie verbreitet • meiste bodenbewohnende Arten Pilzfresser • Parasitismus oft bei Larvalstadien • Prädation (Nematoden, Spinnmilben -> Nützlinge!) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 5 Organismen des Luft gefüllten Porensystems Mikroarthropoden - Milben • Mesostigmata (Gamasina, Uropodina) Manche Gamasina fressen bei Nahrungsmangel auch Pflanzengewebe, Pollen, Pilzsporen, Honigtau etc. • Prostigmata (Trombidiformes): stilettartige Mundwerkzeuge, carnivor, auch fungivor, parasitisch, detritivor, Aasfresser. Oft Larven parasitisch, Adulte Räuber. Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 6 Organismen des Luft gefüllten Porensystems Mikroarthropoden - Milben • Astigmata (Acaridida) z.B. Wurzelmilben: Schädlinge, Vorratsmilben, auf Fäulnisherden oder im Kompost • Cryptostigmata (Oribatida): Tarnung mit Larvenhäuten etc., Trockenresistenz (->Streu). Entwicklungszeit meist über 4 Monate,bei manchen Arten bis 1 Jahr! Viele Mikrophytenfresser, meist nicht spezialisiert, manchmal kopro-, nekrophag. Zwischenwirte von Bandwürmern. • Metastigmata (Ixodida, Zecken) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 7 Organismen des Luft gefüllten Porensystems Springschwänze - Collembolen • Arthropleona („gegliederter Hinterleib“): im Boden dominierend, sehr formenreich. Häufige Familien: Isotomidae, Onychiuridae, Entomobryidae, Hypogastruridae • Neelipleona: sehr klein, blind, euedaphisch, kurze Antennen • Symphypleona (Kugelspringer): hauptsächlich epigäisch, oft sehr bunt, z.T. Schädlinge (Pilze, Luzerne) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 8 Organismen des Luft gefüllten Porensystems Collembolen • Name: „Kleb-Bäuche“ kommt vom charakteristischen Ventraltubus am 1. Abdominalsegment, Sprunggabel („Springschwänze“) nicht immer vorhanden • Systematik: primär flügellose, entognathe Insekten - nach neuesten Forschungsergebnissen den Crustaceen näher stehend als den übrigen Insekten. • Ca. 6.500 Arten weltweit • Ubiquitär verbreitet - von Wüsten bis zu Polargebieten („Gletscherflöhe“), von tief im Boden bis zu Baumkronen • Häufig Pilz fressend, doch auch bakteriophag, phytophag, räuberisch; besonders erfolgreiche Arten oft omnivor • Feinde: Bodenarthropoden, Fische, Vögel Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 9 Organismen des Luft gefüllten Porensystems Collembolen - einige Besonderheiten • Vielfältige Ernährungsweisen und Mundwerkzeuge • Funktionen Ventraltubus: Festhalten, Wasseraufnahme, Aufrichten, Putzen • Indirekte Befruchtung, manchmal Paarungstänze • Hypogastruridae: oft Massenwanderungen (Hypogastrura socialis) mit bis zu mehreren Mio. Ind. / m² • Neanuridae: manche Arten leuchten bei Störung • Sminthuridae: Fluchtverhalten) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 10 Organismen des Luft gefüllten Porensystems Andere Mikroarthropoden • Pauropoden: feuchte Wälder, bis zu 1000/m², mycophag • Symphyla (Zwergfüßer): leichte, humose Böden, bis zu 20.000/m². Spinndrüsen: Feindabwehr, Abseilen. Nahrung: Algen, Bakterien, Pilze, Aas, Detritus, u.U. auch junge Wurzeln und kleine Bodentiere • Diplopoda: Pselaphognatha (Pinselfüßer): 2-4mm, stark abgeflacht, weichhäutig, Nahrung: Detritus, Aas • Protura: mycophag, v.a. Mykorrhiza) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 11 Anmerkung Wie auch schon bei den Teillebensräumen Porenwasser - Rhizosphäre gilt auch für Luft gefülltes Porensystem - Streuschicht: Die Übergänge sind fließend! Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 12 Organismen der (Streuschicht) Bodenoberfläche „Algen“ • Cyanobakterien v.a. in Tropenböden • Grünalgen (Chlorophyceae) meiste Algen gemäßigter Breiten • Gelbgrünalgen (Xanthophyceae) • Kieselalgen (Chrysophyceae): Si-Außenschicht • Schlüsselrolle als Erstbesiedler, bis zu >100.000 Ind./g Boden, Produktivität z.B. 40 g C / m² / a (Acker in Georgia, USA) • v.a. in schlecht dränierten Böden, aber auch bedeutend in Wüsten • Nahrung z.B. für Schnecken, Regenwürmer, Collembolen Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 13 Organismen der (Streuschicht) Bodenoberfläche Flechten • Symbiosen aus (Schlauch-, Ständer-) Pilzen und Grünalgen oder Cyanobakterien (oft Nostoc), oft trockenresistent • Wuchsformen: Krusten-, Blatt-, Strauchflechten • Wichtige Erstbesiedler • Bedeutend in Extrem-Lebensräumen (Wüsten, Tundren) • Wichtige Nahrungsgrundlage z.B. von Schnecken oder Rentieren • Endolithische Flechten in Kalkgestein • Sensitive Bioindikatoren für Luftverschmutzung, v.a. Versauerung Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 14 Organismen der Streuschicht Schleimpilze • • • • Faszinierende Organismengruppe an der Grenze Einzeller-Mehrzeller. Ursprünglich zu Pilzen gerechnet, jedoch beweglich und Zellmembranen anders gebaut Hauptsächlich in Wäldern, Nahrung: Aggregierte Schleimpilze Detritus, Bakterien, Pilze, andere Schleimpilze („Riesenzelle“) Zelluläre Formen bewegen sich individuell amöbenartig, bei ungünstigen Bedingungen chemische Kommunikation, Aggregation, Wanderung Plasmodiale Formen (oft bunt, bis 50 cm Durchmesser) vereinen in einer Zellwand oft Millionen von Kernen, kriechen gerichtet mit Mikrofilamenten (ca. 1mm/h). Bei ungünstigen Bedingungen Teilung und Bildung von Sporen --> Verbreitung mit Wind und Regen Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 15 Organismen der Streuschicht Mikroarthropoden • Trockenresistenz • Schutz- und Tarnfärbung • oft größer als verwandte Formen Collembola Orchesella villosa Oribatida Belbidae Uropodina. Foto: Stern Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 16 Organismen der Streuschicht Makrofauna • Hauptaufgabe: Streuzerkleinerung --> Oberflächenvergrößerung • Asseln • Diplopoden • Epigäische Regenwürmer • Dipterenlarven • Ameisen, Termiten • Schnecken • Viele Räuber • Dermapteren • Pilzbewohner (...) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 17 Organismen der Streuschicht Mollusken • In Waldböden bis zu 500 Ind./m²; brauchen lockere Böden • v.a. (Jungtiere von) Nacktschnecken wichtige Kulturschädlinge (Deroceras frisst Samen, Keime, Wurzeln, Knollen) • Gehäuseschnecken: kalkliebend • Viele Nackt- und Gehäuseschnecken sind detritophag und/oder omnivor (Algen, Pilze, Bakterien), auch räuberisch • Zwischenwirte vieler Parasiten Limax maximus • Manche Arten kaltstenotherm • Reiche Enzymausstattung: hohe Assimilationseffizienz (50-60%) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 18 Organismen der Streuschicht Mollusken • Nacktschnecken regelmäßig im Boden • Typische Bodengehäuseschnecken sind sehr klein und haben nur ein kleines oder zartes Gehäuse • Ceciloides acicula: typische Bodenschnecke (1*4 mm), durchsichtig, weiß, blind, bis 1 m Tiefe, Kalkböden, frißt Schimmelpilze • Deaudebardiidae: Räuber (Schnecken, Anneliden) Die Wulstige Kornschnecke ist 6 bis 8 mm lang und ca. 3 mm breit. Sie lebt in offenen, trocken-warmen, kalkreichen Standorten. Man findet sie in Magerwiesen, in Kalkschutt und Felssteppen. Sie ernährt sich hauptsächlich von Bodenalgen und wird zwischen vier und acht Jahre alt. Foto: Alfred Limbrunner, Dachau Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 19 Organismen der Streuschicht Anneliden - Lumbriciden • Epigäische Regenwürmer (hiesige Arten eher klein, meist kräftig pigmentiert, sehr beweglich, z.B. Lumbricus rubellus, L. castaneus, Eisenia fetida) • Gänge ± horizontal • Nahrung: Streu incl. Aufwuchs, Algen (z.B. Allolobophora chlorotica) • Wichtige Beute von Vögeln, Kleinsäugern • z.T. vergesellschaftet mit Ameisen Empfehlenswert für Bodenbiologie: http://bob.soils.wisc.edu/~hickey/Soil_Biology/ Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 20 Organismen der Streuschicht Anneliden - Enchytraeiden • Mit steigendem Breitengrad zunehmend Regenwürmer in der Bedeutung ablösend • Etwa 10.000 Ind. / m² (<100 - mehrere 100.000) • Kälte- und trockenresistente Dauerstadien • Vermehrung sexuell oder ungeschlechtlich (Enchytraeus fragmentosus) • Nahrung meist Pilze, Algen EnchytraeidenKokons Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 21 Organismen der Streuschicht Asseln - „Isopoda“: 7 ± gleiche Beinpaare Oniscoidea - Landasseln: Anpassungen ans Landleben • Filtrierende → beißende Mundwerkzeuge • Schwimmbeine → Laufbeine • Kiemen → Lungen • Innere Befruchtung (Penis) + Brutbeutel • Weibchen mit 2 Jahren geschlechtsreif, Brutbeutel (4050 Tage) • Weltweit ca. 900 Arten, davon 37 in NL (dort größte Artenzahlen auf Kleiböden) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 22 Organismen der Streuschicht Oniscoidea • Wasserleitungssystem (Rückresorption von Wasser aus Exkretionsprodukten), auch Wasserabsorption aus Atmosphäre • Beachte: Kalkinkrustationen, aber keine Wachsschicht! • Größte Dichte an der Meeresküste und in ungenutztem Grünland (bis zu 7.900 Ind./m², durchschnittlich 1.200) sowie feuchten Laubwäldern, Laubmullwald: 286 (maximal 1850) • Geringe Kältetoleranz (lange Ruhephasen im Winter, fehlend in Tundra-Ökosystemen); oft wärmegebunden (Kellerassel!) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 23 Organismen der Streuschicht - Oniscoidea www.wildsingapore.com Biologie und Ökologie • Kleinere Arten stärker austrocknungsempfindlich (Oberfläche!) • Zunehmende Trockentoleranz: Ligiidae Trichoniscidae - Oniscidae Porcellionidae - Armadillidae • Eingraben bei Trockenheit, Kälte, Häutung - graben teilweise bis zu 1m und können in trockeneren Gegenden RegenwurmAktivität ersetzen (Wüstenassel Hemilepistus reaumuri!) Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 Oniscus asellus www.insekten fotos.de Armadillidium vulgare 24 Organismen der Streuschicht - Oniscoidea Nahrung • Detritus, vorzugsweise in fortgeschrittenem Zersetzungsstadium und mit hohem Stickstoffgehalt • (Merke: Wasserasseln nehmen die gleiche ökologische Nische in Sedimenten ein!) Kurioses (apropos Nahrung...) • Rezept (van Holt, 1885, zitiert in Berg & Wijnhoven 1997): Gebratene Zunge mit Asselsoße • Medizin: als harntreibendes Mittel und gegen Magenkrämpfe (um den Hals getragen Juliane Filser Einführung in die Bodenökologie Vorlesung 2 SWS WS 05/06 25