BLW 32 I 7. 8. 2015 Viel Gutes für die Schweine Welche Forderungen der Gesellschaft an die Schweinehalter lassen sich wie umsetzen? Bei einer Tagung in Landshut wurde versucht, Antworten zu geben. T hemen rund um die Schweinegesundheit aufzugreifen, die die Schweinehalter aktuell beschätigen – das war das Ziel der Landwirte-Akademie in Landshut. Die Veranstalter waren MSD-Tiergesundheit, der Tiergesundheitsdienst Bayern, die Südferkel GmbH, die Erzeugergemeinschat Südostbayern, die Erzeugergemeinschat Oberbayern für tierische Veredelung (EGO) und die Hochschule WeihenstephanTriesdorf (HSWT). Rund 80 Teilnehmer besuchten die Akademie. „Wir bewegen uns in diesem Zwiespalt und es heißt Ansätze zu inden und Lösungen zu präsentieren“, brachte es Moderator Prof. Eggert Schmidt, HSWT, auf den Punkt. Er wünscht sich, dass die Familienbetriebe gut etabliert und akzeptiert in der Schweineproduktion arbeiten können. Doch da ist zum einen der Vorwurf an die Tierhalter, ihre Tiere schlecht zu behandeln und zum anderen liegt der Unternehmergewinn häuig im negativen Bereich. Deshalb müssen Landwirte wirtschatlich denken und handeln. Erhebliche Zukuntschancen, gerade in Deutschland, sah Dr. Dirk Hesse von der unabhängigen Beratungsirma AGRIKontakt Braunschweig. Allerdings trefen nach seinen Wor- Stimmen aus der Praxis So beschäftigen wir unsere Tiere Johann Gruber, Ziegelreuth: „Ich produziere auf meinem Betrieb mit 150 Zuchtsauen Babyferkel bis zu 8 kg. Im Abferkelbereich, Deckzentrum und Wartbereich haben die Tieren Ketten, Futterspiralen und Stricke. Alles nehmen sie an. Ich habe nichts gegen Beschäftigungsmaterial, doch ich kann nicht beurteilen, ob es sich positiv auswirkt. Bisher habe ich noch keinen Erfolg gesehen und ich bin überzeugt, dass sich mehr Platz für die einzelne Sau positiver auswirkt als Spielzeug. Für mich ist eine gute Genetik viel entscheidender. Ich lege Wert auf ruhige Sauen, die im Abferkelstall keine Probleme verursachen. Die Basis muss stimmen, da kann ich reinhängen, was ich will.“ mitteln-Sparer“ sind und es für den Großteil der Landwirte Ziel ist, für diese Menschen eine Schweinehaltung zu betreiben. Zukuntstrends in der Haltung sah er in optimaler Lutqualität innen und außen zum Beispiel durch Minderung an der Quelle in Form einer kleinen Gülleoberläche, Güllekühlung und Schieberentmistung. Weiter sei durch eine bestimmte Art von Raufutterfütterung sehr viel Gutes für das Immunsystem der Schweine zu machen. Gefühle vermitteln Wolfgang Sturm: „Jutetücher befriedigen den Nestbautrieb.“ ten die Tierhalter in den letzten Jahren verschiedene „Blitzeinschläge“ dichter, hetiger und immer weiter unter der Gürtellinie. Hesse wies darauf hin, dass 90 bis 95 % der Kunden „Bei-Lebens- Josef Wiethaler, Essenbach: „Ich halte Zuchtsauen und ziehe die Ferkel auf bis sie rund bis 30 kg wiegen. Es war schwierig, den Vorschriften zu genügen und jeder der 250 Zuchtsauen Spielmaterial anzubieten. Jetzt ist in jedem Kastenstand und jeder Abferkelbucht sowie in der Gruppenhaltung eine Kette mit Plastikteilen befestigt. Zusätzlich biete ich den Tieren in der Gruppenhaltung Holzscheite an, die an einer Kette hängen. Das Spielzeug wird gut angenommen und man sieht, dass sich die Schweine damit auseinandersetzen. Von Stroh halte ich persönlich nicht viel, da ich befürchte, dass ich Probleme mit der Fließfähigkeit der Gülle bekomme und sich auch mehr Fliegen vermehren.“ * Alexander Wagner, Oberhatzkofen: „Ich halte 350 Zuchtsauen und produziere Babyferkel. Im Deckbereich und in den Abferkelbuchten hat jede Sau ein PV-Rohr Bei den Haltungssystemen geht seiner Meinung nach im Altbau vieles nicht. Innovative Lösungen sind nur im Neubau umzusetzen. Zudem forderte er die Zuhörer im Hinblick auf die Nottötungen von Ferkeln auf, sich Gedanken über ein geplantes, konsequentes Ammensystem zu machen. Zum Schluss gab der Berater den Zuhörern im Falle eines Stallbaus folgende Empfehlungen mit auf den Weg: Bildung von Interessengruppen, Hinzuziehung von Agrar- und Veterinär- sowie juristischem Fachverstand, Zusammenarbeit mit den Veterinärämtern sowie Kontaktaufnahme mit den Kunden und Information. „Wir müssen nach außen als Spielmaterial. Im Wartebereich hängen Ketten mit 60 bis 80 Zentimeter langen Holzstangen von der Decke. Für mich ist das am praktischsten. Die Tiere spielen damit und ich habe den Eindruck, dass sie ruhiger sind. Das Spielmaterial ist in Ordnung, weil ich will, dass es den Tieren gut geht. Die Initiativen sind durchaus noch ausbaufähig. Den vorgestellten Jutesack im Abfekelbereich bewerte ich positiv, er ist allerdings sehr arbeitsaufwendig.“ * Günter Riedl und Sohn Michael, Unterahrain: „Wir mästen auf unserem Betrieb Schweine und Bullen. Außerdem haben wir einen Agrarhandel und eine Biogasanlage. Seit der „Tierwohl“-Geschichte haben wir uns mit dem Thema intensiver befasst und seit einem halben Jahr erproben wir verschiedene Lösungen mit Beschäftigungsmaterial. Am liebsten sammeln wir unsere eigenen Erfahrungen, um herauszufinden, was für uns künftig in Frage kommt. dazu stehen, was wir tun, und Gefühle, nicht Daten vermitteln“, fasste Hesse zusammen. „Beschätigungsmaterial wird in Zukunt relevant werden“, sagte Schmidt, der Hintergründe, Gesetze und praktische Bedeutung dazu darstellte. Demnach sollte Beschätigungsmaterial essbar oder sättigend, kaufähig, wühlbar und zerstörbar sein. Ein Vergleich zeigt: weniger geeignet sind Ketten und Plastikspielzeug, besser ist Stroh. Auch Pilzkompost, Sägespäne, Torf, Heu, Silage, Erdnusshüllen, Miscanthus und gemahlene Maisspindeln eignen sich. Wichtig sind ständiger Zugang und einwandfreie Qualität. „Beschätigungsgmaterial ist gesetzlich vorgeschrieben, wird von der Gesellschat gefordert, mindert Aggressionen, sichert Leistung und Vermarktung“, lautete das Fazit von Schmidt. Wolfgang Sturm von der HSWT stellte den Einluss von Jutetüchern FOTOS: HELGA GEBENDORFER 36 I SCHWEINE Prof. Eggert Schmidt: „Schweine zu beschäftigen wird wichtiger.“ Inzwischen haben wir Beißhölzer über Beißholzrohren in jeder Bucht von 30 kg bis Mastende angebracht. Außerdem sind Ketten mit Plastikteilen Standard. Teilweise sind auch Raufuttergaben mit Silomais Routine. Außerdem prüfen wir derzeit die Wirkung von Raufutterstrohraufen und Porcis-Funboxen. Unsere Erfahrungen fallen unterschiedlich aus: Jede Gruppe ist nicht gleich, das heißt ein Teil der Tiere nimmt die Angebote sehr gut an, die anderen kümmert das überhaupt nicht. Doch die Beißhölzer sind gewiss nicht verkehrt, darum haben wir uns entschlossen, sie standardmäßig anzubringen. Das ist hinsichtlich Schwanzbeißen eine Verbesserung, doch keine endgültige Lösung.“ Helga Gebendorfer FOTOS: HELGA GEBENDORFER SCHWEINE I 37 BLW 32 I 7. 8. 2015 auf das Abferkeln vor, den er in seiner Bachelorarbeit auf dem elterlichen Betrieb untersuchte. So konnte er bei den Faktoren „Vitalität der Ferkel“, „Nestbauverhalten“ und „überwiegende Liegezeit“ positive Einflüsse feststellen. Außerdem beobachtete er, dass das Jutetuch von der Sau anfangs nur wenig beachtet wurde und das Interesse stieg, je näher die Geburt heranrückte. Die Sauen wurden durch das Jutetuch erheblich ruhiger und die Fer- kel legten sich aufgrund des Geruchs der Mutter gerne darauf – schwache Ferkel sogar noch öfter. Wenn sich Ferkel hauptsächlich auf das Jutetuch legen, kann sich das Mutterschwein leichter hinlegen, da sich unter ihr keine Ferkel befinden. Tipp: Tücher, die mit Futter verschmutzt sind, sind uninteressant. Neue Konzepte der Immunprophylaxe präsentierte Dr. Astrid Pausenberger, MSD Tiergesundheit. Sie gab zu bedenken, dass der Antibio- tikaeinsatz durch Verbesserung der Haltungsbedingungen sowie des Managements und durch Prophylaxe von Bestandskrankheiten durch Impfungen reduziert werden kann. Sie informierte über die Ergebnisse von Studien aus der Praxis: Demnach ist der neue Kombinationsimpfstoff gegen PCV2 und Mycoplasma hyopneumoniae (M.hyo) sicher. Er wirkt in Herden gegen M.hyo- und/oder PCV2-Infektionen und reduziert die PCV2-Viruslast, -Ausscheidung und -Virämie sowie den Schweregrad der durch M.hyo verursachten Lungenläsionen. Zudem verbessert er die Tageszunahmen bei Schweinen, die mit beiden Erregern infiziert waren. Zum Abschluss befassten sich Dr. Lisa Louis, Tiergesundheitsdienst Bayern, mit MRSA sowie ESBL und Christoph Stiebritz, Schweineklinik der Ludwig-Maximilian-Universität München, gab einen Überblick über die aktuelle Situation von PED. Helga Gebendorfer Wenn es bald wieder feuchtkalt wird Schweinebestände vor dem „kälteliebenden“ PED-Virus schützen Futter als Überträger? In den USA wurde PED im April 2013 publik, zunächst in Iowa und Oklahoma, wobei die Stämme fast identisch mit den chinesischen Stämmen sind. Inzwischen hat sich diese Krankheit auf alle relevanten Bundesstaaten ausgebreitet und auch Kanada und Südamerika sind betroffen. Eingeschleppt wurde PED eventuell über Futtermittel aus China, Tier- und Personenverkehr sowie Transportfahrzeuge. „Seit April 2013 sind in den USA rund 14 Millionen Christoph Stiebritz: „Das Virus bevorzugt nasskaltes Wetter.“ FOTOS: HELGA GEBENDORFER D ie virale Durchfallerkrankung PED – Porcine Epidemic Diarrhea – sorgt auch in Bayern für Unruhe. „PED ist nicht neu. Sie trat in den 70er- und 80erJahren in Europa massiv auf, dann nur noch vereinzelt“, berichtete Christoph Stiebritz von der Schweineklinik an der Ludwig-Maximilians-Universität München in seinem Vortrag bei der Landwirte-Akademie. Erstmals wurde diese Erkrankung (damals als EVD bezeichnet) 1971 in England bei Mastschweinen beschrieben. Seit 1982 ist eine PEDImpfung in Asien bekannt. Dort ist eine Vakzination gegen TGE (Transmissible Gastroenteritis) und PED üblich. Doch seit 2010 gibt es in China auch in geimpften Beständen massive Probleme. Während es in den USA einen zum Teil zugelassenen Impfstoff gibt, ist in Deutschland derzeit kein Impfstoff in Sicht. Absetzferkel zeigen bei einer Infektion mit dem PED-Virus weniger Erbrechen, sind jedoch Ausscheider bis zu drei Wochen nach Infektion. Ferkel verendet“, berichtete Stiebritz. Die Zahlen stiegen vor allem in der feuchtkalten Jahreszeit stark an. Die Erreger „befallen“ in Nordamerika in erster Linie Ferkel und verursachen wässrigen Durchfall, Erbrechen, Teilnahmslosigkeit, Appetitlosigkeit, aber kein Fieber. Meist erkranken die Tiere ab dem zweiten, vor allem bis zum fünften Lebenstag. Sind die Ferkel schon abgesetzt, tritt Erbrechen weniger auf. Wenn der Bestand einmal betroffen ist, erwischt es alle Tiere. Die Sterblichkeitsrate beträgt 30 bis 50 %, bei JungsauenWürfen bis 100 %. Impfstoff in den USA Die Bekämpfung in den USA und Kanada besteht aus inzwischen (teilweise vorläufig) zugelassenen Impfstoffen, Desinfektion mit Phenolen, Natriumhypochlorid und Hydrogenperoxid sowie Biosicherheitsmaßnahmen mit eingeschränktem Tierund Personenverkehr. In Süddeutschland gibt es PED nach Information von Stiebritz mittlerweile auch. Beispielsweise war ein Mastbetrieb mit 1200 Plätzen mit kontinuierlicher Belegung betroffen. Alle vier Wochen werden dort 320 Mastläufer mit 30 kg zugekauft. Zwei Tage nach dem Einstallen trat bei den neu eingestallten Tieren Durchfall auf, am dritten Tag waren alle Altersklassen im gleichen Stall betroffen und am fünften Tag beide Stallungen. 95 % der Tiere hatten Durchfall, rund 50 % vor allem am zweiten und dritten Tag Erbrechen. Die Tiere fraßen schlecht, waren teilnahmslos und ihre (Schleim-)häute waren blass oder bläulich. Die Sterblichkeit betrug 4,5 % (vorher rund 2 %). Auch zwei Ferkelerzeugerbe- triebe waren betroffen, bei denen bis zu 70 % der Ferkel in einer Abferkelgruppe starben. In Deutschland ist laut Stiebritz seit Mai 2014 PED bei Mastschweinen aufgetreten, seit September bei Ferkelerzeugern. „Derzeit sind über 100 Betriebe betroffen“, fügte er hinzu. Während die Häufigkeit zu erkranken sowohl in der Mast als auch bei den Saugferkeln bis zu 100 % beträgt, beziffert sich die Sterblichkeit bei der Mast auf 0 bis 3 % und bei den Saugferkeln auf 0 bis 70 %. „Von Standgas- bis Vollgasbekämpfungsmaßnahmen ist bei dieser viralen Erkrankung alles drin“, erklärte der Tierarzt. Dazu zählte er von nichts machen über Elektrolyte, Stalltemperatur erhöhen und Antibiotika bis hin zu Biosicherheitsmaßnahmen und Räumung des Betriebs. Das Fazit von Stiebritz lautete: „PED ist sowohl aus klinischer als auch ökonomischer Sicht derzeit die relevanteste Erkrankung in den USA.“ Dort treten hoch virulente Stämme auf, vor allem Saugferkel sind betroffen. In Europa sind es weniger virulente Stämme, vor allem bei Mastschweinen, wenn es auch einzelne Fälle bei Saugferkeln und Sauen gibt. „Es ist zu befürchten, dass auch bei uns die hoch virulente Saugferkel-Variante auftritt. Deswegen gilt es, Augen und Ohren offen zu halten“, sagte der Referent und gab zu bedenken, dass die gefährliche nasskalte Jahreszeit noch bevorsteht. HG