„Begutachtung des Areals "Schottenhöfe" in Erfurt hinsichtlich der Vorkommen von Fledermäusen“ Bearbeiterin: Dipl.-Biologin Inken Karst Häßlerstraße 99 99099 Erfurt Tel. 0162-6754085 Mail: [email protected] (Finanzamt Erfurt, Steuernummer: 151/151/65027) Erfurt, 17.08.2009 I. Karst (2009): Begutachtung des Areals "Schottenhöfe" in Erfurt hinsichtlich der Vorkommen von Fledermäusen Inhaltsverzeichnis Einleitung und Aufgabenstellung 3 Ergebnisse 4 Kontrolle der alten Bausubstanz/Gebäude 4 Suche nach Fledermausquartieren/Einzelquartieren 4 Bewertung 5 Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung 6 Vorschläge für Quartierschaffende Maßnahmen an Gebäuden 7 Abb.1: Untersuchungsobjekt: Gebäudebestand Schottenhöfe (Foto: I. Karst) 2 I. Karst (2009): Begutachtung des Areals "Schottenhöfe" in Erfurt hinsichtlich der Vorkommen von Fledermäusen Einleitung und Aufgabenstellung Fast alle Fledermausarten haben in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Mittel- und Westeuropa erhebliche Bestandseinbrüche erlebt. Neben der Intensivierung und Veränderung der Landnutzung in nahezu allen Bereichen ist der direkte Verlust an Quartieren durch Zerstörungen oder Beeinträchtigungen zu nennen. Dem dramatischen Rückgang der gesetzlich geschützten Fledermäuse entspricht die Aufnahme fast aller Arten in die Roten Listen Thüringens und des Bundes. Außerdem wurden zum Schutz von Fledermausarten verschiedene Richtlinien und internationale Abkommen erarbeitet und beschlossen. Neben dem 1991 ratifizierten „Abkommen zur Erhaltung der Fledermäuse in Europa“ (EUROBATS) ist insbesondere die FFH-Richtlinie (EU 1992) zu nennen. Im Anhang IV dieser FFH-Richtlinie sind alle einheimischen Fledermausarten aufgeführt. Für ihre Populationen muss ein günstiger Erhaltungszustand gewährleistet werden. Inzwischen wird der Aspekt des Fledermausschutzes zunehmend auf allen Planungsebenen berücksichtigt – nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit für die Vorhabensträger. Im Zuge des Bauvorhabens – „Schottenhöfe" in Erfurt benötigt der Bauträger ein Gutachten bezüglich Vorkommen von Fledermäusen. Diese Tiergruppe ist durch geplante Abrisse bzw. Veränderungen im Gebäudebestand auf dem Planungsgebiet betroffen und muss artenschutzrechtlich berücksichtigt werden. Um abzuklären, ob sich auf dem Gelände der „Schottenhöfe“ Fledermausquartiere (evtl. Wochenstuben) befinden, wurde eine umfassende Gebäudekontrolle, vor Allem aller zugänglichen Dachböden und Kelleranlagen, durchgeführt. Außerdem sollte innerhalb 2 Begehungen zwischen Juli und August (während der Wochenstubenzeit und Schwarmphase der Jungtiere) nach unzugänglichen Spaltenquartieren gesucht werden. Dabei wurde in den frühen Morgenstunden zur Dämmerung, wenn Fledermäuse schwärmend in die Quartiere einfliegen und sie so dem Beobachter „anzeigen“, nach besetzten Fledermausquartieren visuell und mit Hilfe eines Fledermausdetektors gesucht. Um Einzeltiere zu erfassen erfolgte zusätzlich eine Begehung am Abend zur Ausflugszeit auf dem Gelände. Alle Ergebnisse werden in Form eines Gutachtens fachlich bewertet. Zusätzlich werden Vorschläge zur artenschutzgerechten Umsetzung von Bauplanungen bzw. -vorhaben im Hinblick auf Fledermausvorkommen aufzeigt. 3 I. Karst (2009): Begutachtung des Areals "Schottenhöfe" in Erfurt hinsichtlich der Vorkommen von Fledermäusen Ergebnisse Kontrolle der alten Bausubstanz/Gebäude Am 09.07.2009 erfolgte die Kontrolle der drei noch bestehenden Gebäude (vgl. Abb. 2) auf dem zu bebauenden Areal. Von den drei Gebäuden wurden vor allem die Kellergeschosse (wenn vorhanden) sowie die Dachböden auf Fledermausvorkommen untersucht. Abb.: 2: die drei zu untersuchenden Gebäude: links: Gebäude 1 - „Alte Schmiede“; Mitte: Gebäude 2 - ehemaliges Wohngebäude Ecke Schottengasse/Schottenstraße, rechts: Gebäude 3 – ehemaliges Wohn- und Geschäftshaus Ecke Gotthardstraße/Schottengasse Gebäude Schottenstraße „alte Schmiede“ (Gebäude 1) • Kein Fledermaushinweis im Gebäude, • Kein geeigneter Dachboden, • Keller ist als Winterquartier ungeeignet: zahlreiche Fenster, nicht frostsicher Gebäude Ecke Schottengasse/Schottenstraße (Gebäude 2) • Kein Fledermaushinweis im Gebäude, • Kein geeigneter Dachboden, da in großen Teilen bereits verfallen, • Gebäude besitzt keinen Keller Gebäude Ecke Gotthardstraße/Schottengasse (Gebäude 3) • Kein Fledermaushinweis im Gebäude, • geeigneter Dachboden: in großen Teilen dicht, zugluftfrei, • Keller als Winterquartier geeignet: Einflugmöglichkeiten vorhanden, frostfrei, höhere Luftfeuchtigkeit Suche nach Fledermausquartieren/Einzelquartieren Die Suche von Spalten-Fledermausquartieren an den Fassaden oder im äußeren Dachbereich zu entdecken, erfolgte in den Morgenstunden am 15.07. und am 08.08.2009 sowie am Abend des 14.07.2009. Während der Begehungen am 14.07.2009 konnte der Ausflug einer einzelnen Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) aus dem Dachfirstbereich (Holzverkleidung) von Gebäude 3 beobachtet werden. Außerdem jagten an diesem Abend mehrere Zwergfledermäuse (Pipistrellus pipistrellus) (1-2 Tiere) im „Innenhof“. Am Morgen des 08.08.2009 wurden zwei Breitflügelfledermäuse, die entlang von Gebäude 2 flogen, beobachtet. Ein Tier flog in das Gebäude ein, das zweite Tier verließ die Untersuchungsfläche in Richtung Krämerbrücke. Die genaue Einflugstelle am Gebäude 2 konnte nicht ermittelt werden. 4 I. Karst (2009): Begutachtung des Areals "Schottenhöfe" in Erfurt hinsichtlich der Vorkommen von Fledermäusen Bewertung Die Quartierkontrolle ergab keine Hinweise auf aktuelle Fledermausvorkommen oder Wochenstuben (Orte, an denen im Sommer die Weibchen gemeinsam ihre Jungtiere gebären und aufziehen) innerhalb der Gebäude, vor allem in den Dachbodenbereichen. Obwohl der Dachboden vom Gebäude 3 geeignet wäre, da er zugluftarm und dunkel ist und freie Einflugmöglichkeiten besitzt, konnten Kotnachweise bzw. direkte Tierbeobachtungen nicht gemacht werden. Damit kann ausgeschlossen werden, das Gebäude bewohnende Fledermausarten (Arten, die frei von der Decke hängen und einen großen Dachraum benötigen, um den Jungtieren fliegen zu lernen) hier vorkommen. Der Dachraum von Gebäude 2 ist durch fehlende bzw. kaputte Dachziegeln ungeeignet und das Gebäude 1 besitzt keinen typischen Dachboden. Während der abendlichen Begehung konnte der Ausflug einer einzelnen Breitflügelfledermaus aus dem Außendachbereich von Gebäude 3 beobachtet werden. Auch am 08.08. konnten Breitflügelfledermäuse um und eine in das Gebäude fliegend beobachtet werden. Da keine weiteren Tiere erfasst wurden, kann man jeweils von einem Einzelquartier ausgehen. Da vor allem Spalten bewohnende Feldermausarten (Arten, die engen Körperkontakt zum Untergrund bevorzugen) ihre Quartiere im Sommer häufig wechseln und oft nur wenige Tage ein einzelnes Quartier nutzen, muss im unmittelbaren Umfeld, als auch an den anderen Gebäuden, mit weiteren Quartieren gerechnet werden. Da die Beobachtung zu zwei unterschiedlichen Terminen stattfand, ist nicht abklärbar, ob es sich um das selbe Tier oder um zwei verschiedene Tiere handelte. Die Breitflügelfledermaus besiedelt als Gebäudebewohnende Fledermausart Spalten an Fassaden oder im Dachbereich. Hieraus leitet sich ihre hohe Gefährdung bei drohenden Sanierungen oder Abrissen ab (Rote Liste Thüringen „2“). In Erfurt sind vor allem Winterquartiere bekannt. Beobachtungen aus dem Sommer liegen bis auf wenige Ausnahme nur außerhalb von Quartieren vor. Deshalb ist der Nachweis eines Sommerquartiers im USG von großer Bedeutung. Für die Baumaßnahmen bedeutet der Quartiernachweis, dass aus Schutz vor möglichen Tierverlusten keine Abriss- oder Umbauarbeiten zwischen Mai und September an/in diesem Dachboden vorgenommen werden können. Tab. 1: Nachgewiesene Fledermausarten im USG; ihre Gefährdungskategorien und Schutzstatus. RL: Rote Liste, FFH: Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, V: Vorwarnstufe Nr. Art 1 2 Breitflügelfledermaus Zwergfledermaus Wissenschaftliche Namen Eptesicus serotinus Pipistrellus pipistrellus RL Thür. RL BRD Schutz 2 3 V - §, FFH IV §, FFH IV Im Untersuchungsgebiet jagend wurde die Zwergfledermaus nachgewiesen. Sie ist in Thüringen weit verbreitet und ihr Bestand ist als stabil einzuschätzen (RL Thür.: 3). Durch ihre enge Bindung an Gebäudequartiere ist sie allerdings wie die Breitflügelfledermaus der ständigen Gefahr durch Sanierungen ausgesetzt. Der Keller von Gebäude 3 scheint als Winterquartier geeignet. Da augenblicklich kein sicherer indirekter Nachweis (über Kot) erbracht werden kann, muss vor dem Beginn der Baumaßnahmen im Winterhalbjahr (ab November 2009) dieser Keller in einer erneuten Begehung auf Winterschlafende Fledermäuse kontrolliert werden. 5 I. Karst (2009): Begutachtung des Areals "Schottenhöfe" in Erfurt hinsichtlich der Vorkommen von Fledermäusen Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung Die Nutzung eines Gebäudes durch Fledermäuse ist mit dem Nachweis von der Breitflügelfledermaus gegeben. Bei dem Bauvorhaben muss die Tiergruppe folglich artenschutzrechtlich berücksichtigt werden. Umbau oder Abrissarbeiten an den Dachbereichen der Gebäude 2 und 3 dürfen aus artenschutzrechtlichen Gründen nur zwischen Mai und September eines jeden Jahres vorgenommen werden. Um den durch Sanierungen/Umbauten entstehenden Verlust von Quartierstrukturen auszugleichen, müssen möglichst an gleicher Stelle, jedoch mindestens im unmittelbaren Umfeld der kontrollierten Gebäude, ausreichend Quartiermöglichkeiten für Fledermäuse geschaffen werden. Da Spaltenbewohnende Fledermausarten mehrere Quartiere in räumlicher Nähe nutzen, müssen mindestens 6 Fledermauskästen auf der Bebauungsfläche an verschiedenen Gebäuden angebracht werden. Als Spaltenquartiere an der Außenfassade sind Fledermausnistkästen aus Holzbeton (z.B. Fa STROBEL Naturschutzbedarf, Schmölln/ www.naturschutzbedarf-strobel.de; Firma SCHWEGLER www.schwegler-natur.de), die außen an das Mauerwerk angebracht werden, geeignet (pro Stück 50-100€). Empfehlenswert ist, dass mindestens 2-3 Fassadenflachkästen pro Gebäude angebracht werden. Eine Integration der Kästen in die Fassade ist aus optischen Erwägungen möglich aber nicht notwendig. Die Ersatzquartiere müssen in südliche oder westliche Richtung ausgerichtet installiert werden, damit ausreichend Sonne das Quartier erwärmt. Zu beachten ist, dass die Ersatzquartiere in ausreichender Höhe (>5m) eingebaut werden, damit Störungen durch Fressfeinde oder den Menschen vermieden werden. Wichtig ist außerdem, dass die Einflugöffnungen nicht am Abend durch geplante Wege- oder Hofbeleuchtung angestrahlt werden, sondern „unentdeckt“ bleiben und den Fledermäusen einen geschützten dunklen Ausflug bieten. Um den geplanten Innenhof auch als Fledermausjagdraum zu erhalten, sollten bei der Bepflanzung einheimische Pflanzen (Sträucher und Bäume- auch Obstgehölze) verwendet werden. 6 I. Karst (2009): Begutachtung des Areals "Schottenhöfe" in Erfurt hinsichtlich der Vorkommen von Fledermäusen Vorschläge für Quartierschaffende Maßnahmen an Gebäuden Im Folgenden werden einige sinnvolle Beispiele für die Schaffung von Fledermausquartieren an Gebäuden aufgeführt. Weiterführend zu diesem Thema ist das „Baubuch Fledermäuse“ (Dietz & Weber 2000) sowie die Broschüre „Wir bauen ein Haus für die Fledermaus – Ideen und Anregungen zur Schaffung von Fledermausquartieren an Gebäuden“, herausgegeben von der Koordinationsstelle für Fledermausschutz in Thüringen, sehr zu empfehlen. Fledermauskästen für Gebäude Fledermausflachkästen für Gebäude werden auf die Fassade gesetzt, dabei sollten Süd- oder Ostseiten bevorzugt ausgewählt werden. Am besten sollten sie an Dachüberständen angebracht werden. Man verwendet sägerauhes Holz mit einer Innenraumbreite von 2,5 cm, die Kastenhöhe sollte 20 cm, die Kastenbreite 50 cm betragen. Fertigkästen aus Holzbeton sind im Handel (siehe oben) erhältlich. Wenn der Anblick der Hausfassade durch aufgesetzte Fledermauskästen beeinträchtigt erscheint, gibt es auch die Möglichkeit, Nisthilfen direkt in die Fassade zu integrieren. Beim Anbringung der Dämmplatten werden die Kästen mit eingelassen, dass nur der vorspringende Austritt (für den Anflug der Tiere nötig) sichtbar bleibt, und die Isolationsverluste bei einer Grundfläche von 50 x 60 cm vernachlässigbar gering sind. Wand- und Fassaden-Verkleidungen Gestalterische Elemente in Form von Holzverkleidungen, dienen nicht nur als optische Gliederungseffekte zur Auflockerung der Hauswand, sondern können auch als Fledermausquartiere genutzt werden. Sie werden in der Regel auf Lattengerüste über die Fassade angebracht. Der nach unten gerichtete Verkleidungsabschluss kann bei ausreichenden Lücken schon als Einflug genutzt werden. Wenn durch versetzt angebrachte Lattung mehr als 1,5 cm Luft unter der Verkleidung bleibt, können die Tiere den gesamten Hohlraum erschließen. Wichtig!: das Holz darf nicht mit Holzschutzmittel behandelt werden, es empfiehlt sich unbehandeltes, innen sägeraues Lärchenholz. 7 I. Karst (2009): Begutachtung des Areals "Schottenhöfe" in Erfurt hinsichtlich der Vorkommen von Fledermäusen „Fensterläden“ Fensterläden gliedern ein Gebäude und geben dem Haus sein Gesicht, auch wenn ihre Funktion heute durch Rollos mehr und mehr ersetzt wird. Die verbleibende Lücke hinter der Fensterladenfläche kann, vor allem auf der Sonnen beschienenen Seite, als Fledermausquartier genutzt werden. Eine gute Möglichkeit zur optischen Auflockerung von Fassaden ist der Einsatz von Verkleidungen, die in diesem Fall auch fensterladenähnlich gestaltet sein können. Auch hier gilt: unbehandeltes Holz verwenden. Die folgende Abbildung zeigt in Erfurt umgesetzte fledermausfreundliche Fassadensanierungen. In die Außendämmung wurden Fassaden-Flachkästen integriert, von denen nur die Einflugöffnungen zu sehen sind. Abb. 3: unauffällig eingelassene Fassadenflachkästen der Fa. Strobel in die Wärmedämmung von Plattenbaufassaden in Erfurt (Foto: I. Karst). 8