BioRobotikLabor.de Physiologie: Muskel-Kraft-Längen-Zusammenhang (statisch) • Gesamtkraft (Gesamtspannung) = Kurve der isometrischen Maxima • Aktive Kraft (stimulierte Kontraktion) - nicht direkt messbar -> Faktiv = Fgesamt - Fpassiv Arbeitsbereich 100 Gesamtkraft Passive Kraft Kraft [%] • Passive Kraft (passive Widerstandskraft) = Ruhedehnungskurve, RDK - Elastizität des widerstehenden Muskels - E-Modul erhöht sich Material abhängig - Dehnbarkeit sinkt - ab elastischer Grenzspannung -> plastische Verformung 50 Aktive Kraft isometrische Aktivität 0 1.0 Länge l/L0 [-] 2.0 1 BioRobotikLabor.de Physiologie: Muskel-Kraft-Geschwindigkeits-Zusammenhang (dynamisch) V0 = maximale Kontraktionsrate (ohne Last) 10 Geschwindigkeit [ms] • Arbeit = Kraft mal Weg [Nm = J] • Muskelarbeit ist das Produkt aus a. Last (isometrische Aktivität) und b. Hubhöhe (isotonische Kontraktion) konzentrisch 5 Leistung Kraft, Last [N] 0 • Kraft/Belastung des Muskels wirkt sich auf 0 1 2 3 4 die Geschwindigkeit V der Kontraktion aus exzentrisch • V =Rate d.Übereinandergleitens v. Act-/Myosin isometrische LängungsVerkürzung kontraktion • V ~ Muskelausgangslänge L0 , V=f(L0) F0 = max. isometrische - unbelastet (F=0) -> max. Geschwindigkeit V0 Spannung (Kraft) - F steigt -> Geschwindigkeit V nimmt hyperbolisch ab -> Bereich V>0 -> konzentrische Kontraktion (positiv dynamisch ->Verkürzung) -> Bereich V<0 -> exzentrische Kontraktion (negativ dynamisch -> Verlängerung) - bei Belastung 1/4 F0 -> V≈1/3 V0 effiziente Region (J/s ist maximal) - bei Belastung 1/2 F0 -> V≈1/5 V0 ökonomische Region - bei Belastung 2 F0 -> plastische Verformung • Arbeit/Leistung (Arbeit pro Zeit [J/s=W]) ist Null, wenn: 1. Muskel unbelastet (F=0, V=V0) 2. Last = isometr. Maximalkraft (F=F0, V=0) -> Muskel leistet innere Arbeit (Wärme) 2 BioRobotikLabor.de Physiologie: Hauptsensortypen – Abstraktion • Golgi-Sehnenorgane (GA): - Sinnesorgan der Tiefensensibilität - zur Messung/Regelung Muskelspannung/-Kraft [N] - am Übergang zwischen Muskel und Sehne - zuständig für die Wahrnehmung von Körperbewegungen/-lage im Raum bzw. Lage/Stellung einzelner Körperteile zueinander = Propriozeption (lat. proprius ‚eigen‘ , recipere ‚aufnehmen‘) • Funktion der GA: - bei Erhöhung der Muskelspannung -> Anspannung der Sehne -> Nervenfaserenden in der Sehne komprimieren -> Aktionspotential wird ausgelöst -> über Nervenfasern ins Rückenmark/Vorderhorn Golgi-Sehnenorgan, aus Grays Anatomie, 1918 3 BioRobotikLabor.de Physiologie: Hauptsensortypen – Abstraktion • Muskelspindel (SpA): - Sinnesorgan in den Muskeln - zur Messung des Dehnungszustandes der Skelettmuskulatur: Länge [m], Geschwindigkeit [m/s] - PD-Sensoren (Prop.- und Differentialeigenschaft) - Schützen Muskel auch vor Überdehnung ~ bei plötzlicher Dehnung lösen sie den s.g. Dehnungsreflex aus (z.B. Patellasehnenreflex) • Aufbau: - 5 bis 10 Muskelfasern mit Länge 1 bis 3mm - je mehr Muskelspindeln, desto feiner können die Bewegungen abgestimmt werden - Beinstrecker (Oberschenkel) hat 500 bis 1000 Muskelspindeln, die bis zu 10mm lang sind kontrahierbar, (Gamma-Faser) dehnbar, (sensible 1a Faser) kontrahierbar, (Gamma-Faser) • Allgemeine Kennzeichnung der Signalrichtung 1. Efferent (lat. effere ‚hinaustragen, hinausführen‘) - neurophysiologisch die Nervenzellen, die aus einem bestimmten Bereich Signale fort- bzw. wegleiten 2. Afferent (lat. affere ‚hintragen, zuführen‘) - die Nervenzellen denen aus einem bestimmten Bereich Signale zufließen 4 BioRobotikLabor.de Physiologie: Regelkreis – Abstraktion • α- und γ-Motoneurone sind mit motorischen Zentren des Gehirns verbunden • Signalweg: - vom Zentralnervensystem, ZNS - über α- und γ-Motoneurone, α/γ-MN - zu den kontraktilen Elemente ~ Muskelfaser, M ~ Enden der Muskelspindel, MS • Steuerung: -> Muskelkontraktionen können gesteuert werden: - willkürlich (= bewusste Kontrolle) und - unwillkürlich (= unbewusste Kontrolle) -> bei komplexen Bewegungsabläufen (z.B. Gehen) ändert das Gehirn die Sollwerte für verschiedene Muskelgruppen entsprechend dem BewegungsProgramm kontrahierbar, (Gamma-Faser) dehnbar, (sensible 1a Faser) kontrahierbar, (Gamma-Faser) 5 BioRobotikLabor.de Physiologie: Regelkreis – Abstraktion • Muskelspindeln sind die zentralen Elemente eines komplexen Steuer- und Regelsystems • Bedeutungen: 1. Schutz vor Überdehnung des Muskels durch den Dehnungsreflex 2. Einstellung und Aufrechterhaltung einer konstanten Muskelspannung (Tonus) 3. -> Aufrechterhaltung einer bestimmten Gelenkund Körperstellung: Längenkontrollsystem 4. Feindosierung von Bewegungen durch Zu-/Abschalten von Muskelfasern (Servomechanismus): Empfindlichkeitsregulierung kontrahierbar, (Gamma-Faser) dehnbar, (sensible 1a Faser) kontrahierbar, (Gamma-Faser) 6 BioRobotikLabor.de Physiologie: Regelkreis – Abstraktion Regelschleife: 1. Sollwertgeber für die Muskellänge LM sind die motorischen Zentren des Gehirns (=Führungsgöße) 2. Sollwert wird als Aktivität der γ-Fasern an das Regelglied Muskelspindel MSp weitergegeben 3. Vergleich von Ist- (LMS) u. Sollwert (LM) geschieht im Faserabschnitt der MSp (=Messglied) - Mitte der MSp ist gedehnt: Istwert < Sollwert 4. Dehnung wird in Aktivität der Ia-Nervenfasern codiert und vom ZNS als Stellwert über die α-MN an die Muskelfasern (rück)übertragen 5. Die auf eine α-MN Aktivität ausgelöste Muskelkontraktion wirkt als Stellgröße so lange, bis MSp soweit verkürzt ist, dass Fasermitte ungedehnt ist dehnbar, (sensible 1a Faser) kontrahierbar, (Gamma-Faser) • Störgröße ist jede Dehnung des Muskels: - Lageveränderung des Körpers, - Schlag auf die Sehne oder - Kontraktion des Antagonisten 7 BioRobotikLabor.de Physiologie: Dehnungsreflex – Abstraktion • Dehnungsreflex schützt den Muskel vor Überdehnung und Verletzung • Reflex: Autom. Reaktion d. Muskels auf Reiz ohne Einfluss des bewussten Wollens • Reflexbogen: Sinneszelle/Rezeptor -> ZNS -> Erfolgsorgan/Muskel • Ausgelöst durch Muskelspindel -> auf Dehnreiz folgt zusätzliche Muskelspannung • Ablauf: -> bei Dehnung des Mittelteils einer Muskelfaser entstehen Impulse -> Signale in den 1a-Fasern der Muskelspindeln werden ins Rückenmark geleitet -> über „eine Synapse“ (monosynaptisch, ohne weitere Zellen) springen sie über auf 1. α-Motoneurone -> Arbeitsmuskulatur wird innerviert (angeregt, kontrahiert) 2. γ-Motoneurone -> Endstücke der Muskelspindel werden innerviert • Leitungsgeschwindigkeit: α-MN 80-120 m/s, γ-MN 30-40 m/s 1 – Reflexhammer 2 – Kniesehne 3 – Unterschenkel Streckermuskel 4 – Muskelspindel (MSp) 5 – motorische Endplatte 6 – sensible Faser (1a) in MSp 7 – Körperzelle der sensiblen Faser 8 – Synapse im Vorderhorn 9 – motorischer Nerv 8 BioRobotikLabor.de Physiologie: γ-Spindelschleife – Abstraktion • Längenkontrollsystem = Muskellänge über γ-Spindelschleife steuerbar - Aktivierung der γ-Motoneurone durch ZNS: -> Enden der MSp-fasern kontrahieren -> Mitte der MSp wird gedehnt -> Ia-Fasern der MSp erzeugen Aktionspotential -> werden ins Hinterhorn des Rückenmarks geleitet -> auf α-Motoneurone übertragen -> Skelettmuskelfasern M kontrahieren -> Muskelspindel (auch Mittelteil) entspannt sich … solange, bis Ia-Faser keine Dehnung wahrnimmt kontrahierbar, (Gamma-Faser) E E dehnbar, (sensible 1a Faser) kontrahierbar, (Gamma-Faser) • Empfindlichkeitsregulierung = Einstellung/Verstimmung der Muskelspindel - erfolgt unbewusst vom ZNS über γ-Motoneurone des efferenten Systems in Zusammenarbeit mit dem afferenten Teil der Muskelspindel - MSp ist einziger Rezeptor im Körper, der efferent versorgt wird (Regelkreis) - alle anderen Rezeptoren (z.B. GA) werden nur afferent versorgt 9 BioRobotikLabor.de Physiologie: Regelkreise (Bionik: Abstraktion und Übertragung in die Technik) Vier Regelkreise im Muskel-Sehnen-Komplex: 1. Statische MSp stabilisieren die MuskelVorspannung durch Spannungsreflex => ähnlich Sollwert-Regelung => z.B.: statische Lastverteilung 2. Kontraktion zieht MSp auseinander -> diese reagiert mit Dehnungsreflex => ähnlich Folge-Regelung => z.B.: Trajektorienverfolgung kontrahierbar, (Gamma-Faser) dehnbar, (sensible 1a Faser) kontrahierbar, (Gamma-Faser) 3. Koaktivierung von Ago- und Antagonist erhöht den Tonus und so die Steifigkeit des Gelenkes => ähnlich Steifigkeits-/Nachgiebigkeits-Regelung => z.B.: Kraft-/Drehmoment Trajektorie 4. Muskelvorspannung führt zum Tunen der Kraftstärke der anschließenden Aktion => ähnlich Vorspannungs-Regelung => z.B.: gepulste Trajektorie 10 BioRobotikLabor.de Physiologie: Messtechnik (Bionik: Abstraktion und Übertragung in die Technik) • Muskelspindel (MSp) misst über Ia-Faser - Dehnung ∆l/L0 und - Geschwindigkeit 1/L0·d∆l/dt • Golgi-Sehnenorgan (GA) misst über Ib-Faser - Spannung F/A und - Rück m/A·da/dt 11 BioRobotikLabor.de Mathematische Beschreibung biologischer Eigenschaften (Zug-/Druck-)Kraft F = m·a [N=kg·m/s2] • bei Dehnung metallischer Körper im elastischen Bereich gilt: F = k·∆l mit - k [N/m] Federkonstante und ∆l [m] Dehnungsweg - wichtig bei der Mensch-Technik-Interaktion: m·a = k·∆l • Federkonstante k einer Muskelfaser ist abhängig von (k ≠ konstant): 1. mechanische Eigenschaften: k ~ ∆l 2. biologische Eigenschaften: k ~ elektrische Reizstärke Eel=U·I·∆t -> k = f(∆l, Eel) - willkürliche Reizstärke des ZNS -> keine gesetzmäßige Kraft-Dehnungs-Funktion - bei max. Spannung durch max. Reizenergie (Tetanus): k = f(∆l, Eel=Eelmax) Kontraktionsgeschwindigkeit v [m/s] • v = f(vQuerbrücken) bzw. Freisetzung von ADP und Pi vom Myosinkopf 12 BioRobotikLabor.de Mathematische Beschreibung biologischer Eigenschaften Mechanische Spannung, Belastung, Dehnungsspannung, stress σ (sigma) [N/m2] • interne Reaktion auf eine Deformation gegen den inneren Widerstand im Material, verursacht durch eine von außen angreifende Kraft • Spannung als normalisierte Kraft dient zur Unterscheidung der Größe und nicht der Qualität von Materialien • kann nicht direkt gemessen werden, sondern wird über eingebrachte Kraft ermittelt Elastische Verformung bzw. Dehnung, strain ε (epsilon) [-] • Betrag der Deformation ∆l = (L-L0) bzw. auch (L-L0)/L oder L/L0 • Längenänderung folgt im elastischen Bereich dem Hooke‘schen Gesetz Elastizitätsmodul, E-Modul, young‘s module E [N/m2] • Muskeln ≈ Gummibänder: ε↑ → σ↑ • materialabhängige Konstante • Zusammenhang zw. Formänderung ε und der auf einer Fläche wirkenden Kraft σ • gilt nur bei elastischer Deformation, reversibel, linear, Hooke‘sche Gerade • Ursache: innere Reibung↑ → T↑ • EMuskel = dσ/dε = (F/A)/(L/L0) ≠ konst. -> voll aktiviert … nicht aktiviert … gedehnt 13 BioRobotikLabor.de Mathematische Beschreibung biologischer Eigenschaften Elastizitätsmodul, E-Modul, young‘s module E [N/m2] • Fläche = physiologische Querschnitt (PCSA), = Schnittfläche aller betrachteten Muskeln • geringste Dehnung bei Emax und σmax -> Dehnung εmin = 14% • größte Spannung bei Emin und εmax ->Spannung σmax = 170% Steifigkeit, stiffness [N/mm2, N/mm, N …] • Fähigkeit eines Materials sich seiner Deformation zu widersetzen • Steifigkeiten bestehen immer aus Werkstoff- (E-Modul) und Geometriekomponente • Verschiedene relative Steifigkeiten: - Dehnsteifigkeit eines Muskels: EMuskel·APCSA ~ FN/εlängs [N] - Biegesteifigkeit eines Knochens: EKnochen·I [N·mm2] (I–Flächenträgkeitsmoment) - Federsteifigkeit: k = F/∆l = E·A/L bei einheitlichem Querschnitt [N/mm] • Muskelfaser sind im Prinzip einstellbare Federn, Steifigkeit ~ Aktivierungslevel • Nachgiebigkeit = 1/Steifigkeit [mm/N] 14 BioRobotikLabor.de Fluidische Muskeln (1000 W/kg) Stand der Technik robotischer Aktoren FerRobotics GmbH Wilkie, 1976 Fluidische Muskeln, fluidic muscle: • ähnliches statische, dynamische Eigenschaften/Verhalten wie natürliche Muskeln • hohe gewichtsbezogene Leistung (leicht, kraftvoll), bis zu 300 (E-Motor bis zu 50) • kein stick-slip, keine Haltekräfte, hermetisch dicht, Reinraum geeignet, wartungsarm • inhärent/passiv nachgiebig, elastisch für Stoßeinwirkung (Kollision vs. Kontakt) • einstellbar/aktiv nachgiebig für Bewegung, sichere Mensch-Technik-Interaktion • Herausforderungen: Nachgiebigkeit, Druckluftversorgung, n.l. Beschreibungsfunktion (Membran, Fluid), relativ neu am Markt, kaum Literatur bzw. Lehrbücher 15