Die Ökonomik und ihre Schwierigkeiten mit der Moral*

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Die Ökonomik und ihre Schwierigkeiten mit der Moral *
MARTIN KOLMAR UND THOMAS BESCHORNER **
Vor dem Hintergrund einer kontroversen Diskussion auf der Plattform „Ökonomenstimme“ zu „Schwierigkeiten mit der Moral“ in der Wirtschaftspraxis diskutiert der vorliegende Beitrag Probleme der traditionellen Wirtschaftswissenschaften hinsichtlich der
Konzeptualisierung moralischer Dimensionen in ökonomischen Theorien. Die Autoren zeigen, dass eine reine Anreizethik, die lediglich auf veränderte Spielregeln abstellt,
in theoretischer Hinsicht nicht plausibilisiert werden kann. Moralisches Handeln ist
stattdessen als ein Handlungstypus sui generis zu verstehen und das Wechselspiel von
moralischem Handeln und Institutionen ist in den Mittelpunkt der Untersuchung zu
rücken. Aus diesen Perspektiven ergeben sich durchaus weitreichende ontologische und
epistemologische Grundsatzfragen für die Ökonomik.
Schlagwörter: Wirtschaftswissenschaften, Moral, Ethik, Institutionen, Handeln, Wissenschaftstheorie
Economics and its Difficulties with Morality
This paper discusses mainstream economics and its problems with conceptualizing individual moral
responsibility within its theoretical framework. It refers to a controversial debate hosted at the online
platform ‘Ökonomenstimme’ and our article on ‘Difficulties with Morality’. We argue that the methodological approach, to exclusively rely on the design of institutions to solve ethical problems, rests upon
anthropological and epistemic premises that are highly problematic and difficult to defend. Instead, we
need to understand moral action as a distinct type of action and therefore to shift our focus towards
studying the relationship between moral action and institutions. This perspective has potentially farreaching implications for the way we conceptualize the relationship between individual, society, and state.
Keywords: Economics, Morals, Ethics, Institutions, Action, Philosophy of Science
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410
Beitrag eingereicht am 05.11.2015, es handelt sich um eine leicht erweiterte Fassung des Beitrages
auf „Ökonomenstimme“: Beschorner/Kolmar (2015a).
Prof. Dr. Martin Kolmar, Forschungsgemeinschaft für Nationalökonomie, Universität St. Gallen, Varnbüelstr. 19, CH-9000 St. Gallen, Tel.: +41-(0)71-224 2535, Fax: +41-(0)71-224 2302, EMail: [email protected], Forschungsschwerpunkte: Konflikttheorie, Institutionenökonomik, normative Ökonomik, Verhaltenstheorie
Prof. Dr. Thomas Beschorner, Institut für Wirtschaftsethik, Universität St. Gallen, Girtannerstr.
8, CH-9010 St. Gallen, Tel.: +41-(0)71-224 3143, Fax: +41-(0)71-224 2881, E-Mail: [email protected], Forschungsschwerpunkte: Wirtschafts- und Unternehmensethik, Handlungs- und Institutionentheorie.
1.
Hintergrund
Unsere Beiträge „Schwierigkeiten mit der Moral: Ein Kommentar aus gegebenem Anlass“ (Beschorner/Kolmar 2015a) und „Unternehmensverantwortung und Politik“ (Beschorner/Hajduk 2015) auf der Internetplattform „Ökonomenstimme“ (zugleich jeweils als Kurzbeiträge in der Neuen Züricher Zeitung publiziert) waren für den Ökonomen Rainer Maurer (2015) Anlass für eine kritische Replik. 1
Rainer Maurer sieht in seinem Beitrag „Der VW-Skandal, die Wirtschaftsethik und die
Wissenschaft“ sehr deutlich, dass es uns in beiden Artikeln nicht nur um die Besprechung zweier interessanter Fälle („Betrug bei Volkswagen“ respektive „Positionspapier
zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen des Schweizer Bundesrates“)
geht, sondern damit zugleich allgemeine Fragen einer Verortung von Verantwortung zwischen
Individuum, Unternehmen und Staat in einer modernen, pluralen Gesellschaft verbunden sind.
Rainer Maurer stellt die These auf, dass unser Ansatz im Kern totalitäre Tendenzen
habe. Unsere Argumentation ziele auf moralische Erziehungsmaßnahmen einer Gesellschaft ab, die ihren Mitgliedern „eine ganz bestimmte Vorstellung von ‚Anstand, Ehrlichkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit‘ (…) vorschreibt“, so der Autor. Wohin dies
führe, wisse man ja aus der Geschichte. Mit Fragen der Verantwortung von Akteuren –
ob nun als Unternehmen oder als Person – beschäftigt sich Maurer nicht. Der VW-Fall
hätte gewissermaßen abschließend gezeigt, dass „echte“ Unternehmensverantwortung
in der Praxis nicht funktioniere und als dritter „möglicher Koordinationsmechanismus
zur Lösung gesellschaftlicher Probleme“ (Beschorner/Hajduk 2015) auszuschließen sei.
Und auf der Ebene des Individuums hätte die Neurobiologie gezeigt: Die menschliche
Willensfreiheit ist eine Illusion – und damit seien auch Fragen von individueller Verantwortung irreführend. Der Autor zieht aus diesen und weiteren Argumenten eine zentrale Konsequenz, die man wie folgt zuspitzen kann: Das ist nichts und das wird nichts
mit der individuellen Verantwortung und der Verantwortung von Unternehmen. Die
politische Rahmenordnung ist nicht nur der systematische, sondern auch der einzige
Ort für die Umsetzung von normativen Zielen.
Diskussionen basieren mitunter darauf, dass Texte unterschiedliche Lesarten zulassen,
wodurch die Intention der Verfasser und die Intentionsvermutung der Leserinnen und
Leser nicht immer gut übereinstimmen müssen. Wir denken einerseits, dass dies auch
in unseren beiden Texten für einige Missverständnisse gesorgt hat (und wir nehmen
unser Verständnis des Textes von Maurer da nicht aus). Andererseits meinen wir aber
zugleich bei Maurer und in dem ökonomischen Mainstream insgesamt durchaus größere „Schwierigkeiten mit der Moral“ zu erkennen, in diesem speziellen Fall: die Schwierigkeit einer theoretischen Verarbeitung der Idee moralischer Verantwortung in der
ökonomischen Theorie. Dies soll Anlass dazu sein, ausgewählte Probleme ökonomischer Theoriebildung zu diskutieren.
Es überrascht kaum, dass man bei der vorherrschenden Vielzahl an Argumenten zum
Verhältnis von Ökonomie und Moral schnell zu epistemologischen und ontologischen
Grundsatzfragen der Mainstreamökonomik gelangt. Jene betreffen ebenso ein von uns
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1
Die vollständige Diskussion, inzwischen mit weiteren Beiträgen von Rainer Maurer, findet sich
hier: http://www.oekonomenstimme.org/artikel/schlagworte/%C3%B6konomie-moral-diskussion-2015/ (zuletzt abgerufen am 23.11.2015).
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vorgeschlagenes Alternativkonzept. Dass diese Fundamente zum Vorschein kommen,
ist eine sehr begrüßenswerte Entwicklung, spielen doch solche Fragen im Alltag der
Ökonomik eine eher untergeordnete Rolle. Viele Kolleginnen und Kollegen aus den
Wirtschaftswissenschaften sehen sich hoffentlich nicht ungerecht dargestellt, wenn man
ihnen in dieser Hinsicht drei Positionen unterstellt: Sie vertreten einen Kritischen Rationalismus, akzeptieren die Sein-Sollen-Dichotomie und sehen (vielleicht mit Ausnahmen im Bereich Behavioral Economics) die Aufgabe der Wirtschaftswissenschaften darin, sich mit Problemen der Anreizgestaltung durch Regelsetzung zu beschäftigen. Auf
der Klaviatur dieser Positionen spielt auch Rainer Maurer in seiner Kritik.
Wie passt in eine solche konzeptionelle Aufstellordnung die Idee der Tugenden und die
moralischen Verantwortung von Akteuren hinein?
2.
Regeln regeln Moral
In einer Theorie, in der Menschen durch exogene Präferenzordnungen dargestellt werden, treten Probleme einer Verortung von Verantwortung auf individueller oder institutioneller Ebene aus zwei Gründen nicht auf. Zum einen stellen sich Fragen von Autonomie, Würde, Selbstbestimmung und sozialer Verhaltensprägung gar nicht, da sie im
Theoriedesign ausgeschlossen sind (oder zumindest nur durch einen sehr weit gefassten
Präferenzbegriff eingefangen werden können, was aber in praktischen Anwendungen
nicht passiert). Und zum anderen ist bei exogenen Präferenzen die Regelebene der einzige Ort, an dem man zur Problemlösung ansetzen kann.
Von Ökonomen wird mitunter die Ansicht vertreten, ihre Beschränkung auf institutionelle Spielregeln sei eine Strategie, sich gegen opportunistisches Verhalten, dessen Existenz ja nicht geleugnet werden kann, abzusichern. Die Idee findet sich prominent bei
David Hume (1963/1741: 40–42): „It is (…) a just political maxim that every man must
be supposed a knave: Though at the same time, it appears somewhat strange, that a
maxim should be true in politics, which is false in fact“. Institutionen sollten also
„schurkensicher“ gestaltet werden. Wenn sie auch dann noch funktionieren, sei davon
auszugehen, dass sie auch dann noch ihren Dienst tun, wenn die Menschen keine
„Schurken“ sind. Damit man sich dieser Position anschließen kann, muss man aber
zumindest implizit eine Annahme treffen, die darin besteht, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Motivationen der Menschen und dem institutionellen Umfeld gibt,
in dem sie leben und erzogen werden. Man kann nicht nicht-sozialisiert werden, die
Frage ist nur, ob jede Form der Sozialisation dieselben Charaktereigenschaften hervorbringt. Der ökonomische Mainstream, soweit er sich der Revealed-Preference-Richtung
zurechnet, kann sich zu einer solchen Annahme aber nicht äußern, da sie gegen die
zugrunde liegende Idee selbigen Ansatzes, nämlich Annahmen über psychologische
Prozesse zu minimieren, verstößt: Präferenzen systematisieren nur Verhalten, ohne dass
wir etwas über Motive wissen können.
Weiter gilt, selbst mit einem System perfekter Regeln und perfekter Regeldurchsetzung
würde sich die Frage nach der Motivation der Regelsetzer und -durchsetzer stellen. In
einer Demokratie erfolgt die Regelsetzung durch politische Wahlen, und gerade für diesen Fall der Regelsetzung hat Rawls (1971) sein kohärenztheoretisches Konstrukt des
fairen Schleiers des Nichtwissens entwickelt. Damit ergibt sich ein zweistufiger Prozess: Innerhalb des Regelsystems ist die moralische Rolle des Einzelnen auf die Regelbefolgung
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reduziert. Auf Ebene der Regelsetzung kommt dem Einzelnen aber die volle moralische
Verantwortung bei der politischen Wahl dieser zu. Auf beiden Ebenen ist das handelnde
Individuum daher als moralischer Akteur gefordert.
Die moderne Ökonomik sieht sich mit einem praktischen Problem konfrontiert: In einer Welt, in der die vollständige Internalisierung von externen Effekten durch politische
Regeln gelingen könnte, müssten wir in der Tat nicht über Unternehmensverantwortung oder individuelle Moral reden. Eine solche perfekte politische Rahmenordnung
gab es jedoch nie, und es gibt sie auch heute nicht. Man kann daraus folgern, dass die
verbleibenden Externalitäten hinzunehmen sind, oder man zieht als Konsequenz, dass
auch schon solch eine funktionalistische Sichtweise von Moral eine Nachdenken über
die Verantwortung von Akteuren fordert – und zwar erst einmal gleichgültig, wie die
Realisierungschancen einer praktischen Verantwortung sind.
3.
Moral Choice
Es stellt sich die Frage, wie eine solche Sichtweise nutzbar gemacht werden kann. In
Fachkreisen wird darauf sehr unterschiedlich reagiert: Eine erste Gruppe ignoriert dieses Problem, betrachtet es als nicht wesentlich oder ist der Meinung, damit sollten sich
(Wirtschafts-)Ethiker beschäftigen. Eine zweite Gruppe ist engagierter, konzentriert
sich aber tendenziell auf eine rhetorische, nicht argumentative Ebene (Sonntagspredigt,
moralische Besserwisser, Weltverbesserer, Utopisten, Gutmenschen, etc. sind hier beliebte Metaphern zur Abwehr). Und es gibt noch diejenige Gruppe, die die Bedingungen
der Möglichkeiten – nicht mehr und nicht weniger – von Verantwortungsübernahme in
einer modernen Gesellschaft zu erarbeiten versucht.
Eine Dimension unserer eigenen Überlegungen zu diesem Problemkontext lässt sich in
wenigen Zeilen wie folgt zusammenfassen (ausführlicher in Beschorner/Kolmar 2015b;
Kolmar/Beschorner 2016): Wir sind gegenüber einer Herangehensweise an staatliche
Institutionen als reine Anreizethik skeptisch und sehen die Notwendigkeit einer weitergehenden sozialwissenschaftlichen Handlungstheorie, die interpretativ angelegt ist und
– besonders wichtig – Handlungstypen jenseits von Zweckrationalität kennt und diese
theoretisch verarbeitet (vgl. Beschorner 2013). Für die in diesem Beitrag angesprochenen Fragen ist dabei wesentlich, dass Menschen moralisch handeln (können). Wir gehen
ontologisch davon aus: Es gibt moralisches Handeln sui generis.
Es wäre gleichwohl falsch zu vermuten, wir würden aufgrund der notwendigen Unvollständigkeit politischer Rahmenordnungen von einem Extrem (nur institutionelle Regeln) in das andere (nur moralisches Handeln) verfallen. In einer komplexen arbeitsteiligen Gesellschaft kann das Individuum nicht für alle Entscheidungen, die prinzipiell
moralische Signifikanz besitzen, in die Verantwortung gezogen werden. John Rawls
(1999, 1971: 76) wies zutreffend darauf hin, dass dies zu einer hoffnungslosen Überforderung des Einzelnen führen würde. Die Setzung von Regeln reduziert Komplexität, da
sich in diesem Fall die Verantwortung des Einzelnen auf die bloße Regeleinhaltung beschränkt. Aber auch hierzu ist in Abwesenheit eines perfekten Sanktionssystems der
Wille erforderlich, den Regeln freiwillig zu folgen. Und wäre ein Mensch nicht eines
wichtigen Teils seiner Würde beraubt, wenn er Regeln nur noch aus Angst vor Strafe
einhielte?
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Ob Individuen oder Unternehmen moralisch handeln, ist abhängig von den Institutionen, innerhalb derer sie (inter-)agieren. Die Aufgabe einer institutionellen Ordnung, z.B.
einer politischen Rahmenordnung, ist es damit, moralisches Handeln zu fördern und
sie nicht nur über Anreizmechanismen (was Sanktionen bekanntlich einschließt) irgendwie im Zaum zu halten. Wir haben an anderer Stelle (vgl. Beschorner/Kolmar 2015b;
Kolmar/Beschorner 2016) gezeigt, dass auch bei einer rein funktionalistischen Betrachtung von Moral aus dieser aristotelischen Idee der Verinnerlichung moralischer Werte
Transaktionskostenvorteile über die Zeit resultieren können.
Es geht uns also insgesamt um ein geeignetes Wechselspiel von moralischem Handeln
und Institutionen – in Organisationen (VW-Fall) und in der Gesellschaft (CSR-Positionspapier des Schweizer Bundesrates). In praktischer Hinsicht heißt das, dass wir weder
moralisches Handeln von Mitarbeitenden als Ersatz für Organisationsstrukturen sehen
noch CSR als ein Substitut für die klassische Wirtschaftspolitik.
Schon Benjamin Franklin (1787, in einem Brief an die Abbés Chalut und Arnaud)
wusste: „Only a virtuous people are capable of freedom. As nations become more corrupt and vicious, they have more need of masters“. Dieses Zitat gibt eine wichtige Strömung des Liberalismus wieder, welche Moral und äußere, politische Freiheit als untrennbar aufeinander bezogen sieht. Es lässt sich aber auch auf eine Eigentümlichkeit
im Kommentar von Rainer Maurer beziehen, in dem suggeriert wird, dass die Idee, den
Einzelnen in die moralische Verantwortung zu nehmen, zu einer Form von Totalitarismus führe. Natürlich sind Ideen wie Umerziehung gerade im 20. Jahrhundert von totalitären Regimen auf das Unmenschlichste missbraucht worden. Aber das ist gerade nicht
die Idee der Tugendethik. Vielmehr gehen diese in der Regel von der im Individuum
selbst verankerten Willen zu einem gelingenden Leben aus, welches sich dann darin
äussert, sich zu einem tugendhaften Menschen freiwillig zu entwickeln. Individuelle
Freiheit kann auf unterschiedlichen Wegen bedroht werden. Der technokratische
Glaube an eine institutionelle Lösung aller Probleme ist aus dieser Perspektive nicht
Ausdruck von Toleranz und Pluralität, sondern eine Aushöhlung dieser.
4.
„Moral Literacy“ in der pluralen Gesellschaft
In einer pluralen Gesellschaft sind wir uns in vielen Punkten darüber uneins, was das
moralisch Gebotene ist; die meisten von uns haben ja das Gefühl, das moralisch Richtige zu wollen und oft auch zu tun. Joshua Greene (2013) nennt die damit einhergehenden Probleme auch die „Tragedy of Commonsense Morality“, die darin besteht, dass
wir alle mit unseren moralischen Bauchgefühlen aufeinandertreffen und nach Wegen
suchen müssen, die unterschiedlichen Legitimitätsansprüche (insbesondere auf einer
globalen Ebene) miteinander in Einklang zu bringen. Weil unterschiedliche Menschen
unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, was in einer Situation z.B. gerecht ist,
wäre es in der Tat anmaßend, den Begriff inhaltlich füllen zu wollen. Aus diesem Grund
sind moderne Ethiken sogenannte Verfahrens- oder Prozessethiken, die sich hinsichtlich „materialer Vorgaben“ zurückhalten. Greene (2013) selbst kommt zu dem Schluss,
dass eine von ihm „Deep Pragmatism“ genannte Form des Utilitarismus in der Lage ist,
diese unterschiedlichen Vorstellungen zum Ausgleich zu bringen.
In pluralen Gesellschaften muss es also darum gehen, die Voraussetzungen dafür zu
schaffen, dass man sich verständigt und miteinander Positionen entwickelt, die tragfähig
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sind. Dazu ist es erforderlich das eigene Bauchgefühl kritisch und unparteiisch zu hinterfragen. Tugendethische Vorstellungen sind hierzu dienlich, gehen sie doch davon
aus, dass der Einzelne seine Fähigkeit, z.B. in moralischen Kategorien zu denken und
zu handeln, entwickeln kann; sie sind Orientierungen zur inneren Freiheit, zu Autonomie. Die daraus resultierenden moralischen Orientierungen sind kein „Müssen“, sondern in modernen, liberalen Ethiken – ob nun kantianisch, diskurs- oder tugendethisch
eingebettet – üblicherweise ein „Sollen“.
Aber es ist nicht nur die Pluralität einer Gesellschaft, die tugendethische Vorstellungen
vom gelungenen Leben im Allgemeinen und vom moralisch gebotenen Leben im Besonderen attraktiv macht. Zwei andere Aspekte sind ebenso zentral. Zum einen akzeptiert eine solche Position, dass die „richtige“ Lösung vieler Probleme nicht theoretisch
antizipierbar ist, sondern sich erst situativ zeigt. Damit dies aber möglich ist, benötigen
der einzelne Mensch und auch Organisationen etwas, das man „Moral Literacy“ nennen
könnte, also die Fähigkeit, mit neuen Situationen auch normativ angemessen umzugehen. Die Literatur zur Praktischen Philosophie ist voll von Beispielen, anhand derer
gezeigt wird, dass bestimmte universalistische Ethiken unter bestimmten Voraussetzungen Implikationen haben, die ethisch nicht überzeugen. Das liegt wohl daran, dass das
Feld der Ethik keine Monokultur, sondern eine Wildnis ist, der wir nicht mit einem
Prinzip gerecht werden können.
„Moral Literacy“ ist aber auch ein wichtiges Regulativ, um einen besseren Umgang mit
Tendenzen der „moralischen Verschleierung“ zu fördern, die ein fester Bestandteil unserer Selbstnarrative sind. Paul Kedrosky beschreibt im New Yorker (2015), wie in komplexen Organisationen wie Volkswagen ein klar gegen moralische Standards verstoßendes Verhalten durch viele kleine, rechtfertigbare Schritte entstehen kann: „In such cultures (...) there can be a tendency to slowly and progressively create rationales that justify
ever-riskier behaviors“.
Auch wenn es zweifellos richtig ist, dass sich moderne Gesellschaften durch eine große
Vielfalt moralischer und weltanschaulicher Positionen auszeichnen, darf darüber nicht
vergessen werden, dass viele Probleme eher deutlich als undeutlich auf dem Tisch liegen. Es wird mitunter gerne so getan, als gäbe es immer moralische Differenzen, deren
Auflösungen schwierig sind. Uns erscheint das nicht wirklich der Fall zu sein. So gibt
es beispielsweise in Europa einen breiten Konsens zur Achtung von Menschenrechten,
zu Fragen der Gleichberechtigung oder zur Notwendigkeit des Klimaschutzes. Damit
sind wir schon einen Schritt weiter, denn es stellt sich bei diesen Beispielen zunehmend
weniger die Frage eines „ob“ (z.B. die „Gültigkeit“ Menschenrechte zu schützen), sondern vielmehr das Problem, „wie“ normativen Anliegen Geltung verschafft werden
kann. Mit Axel Honneth (2010) kann man in diesem Zusammenhang von einem „normativen Geltungsüberhang“ sprechen, den es in praktischer Hinsicht einzulösen gilt.
Damit wird auch deutlich, Ethik muss nicht notwendigerweise den nächsten Anlauf zur
Lösung eines „begründungstheoretischen“ Problems nehmen und sich dabei mit meist
toten Philosophen herumärgern, sondern kann durchaus pragmatisch an praktischen
Implementierungsfragen ansetzen (vgl. Beschorner 2015).
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5.
Schwierigkeiten mit der Normativität
Rainer Maurer bringt in seiner Replik das „Begründungstrilemma der Ethik“ ins Spiel,
das ja von Hans Albert (1968) als Münchhausen-Trilemma im Rahmen der positiven
und nicht der normativen Theorie entwickelt wurde. Auch dort gilt, dass wir die Wahl
zwischen den drei unschönen Alternativen Zirkelschluss, unendlicher Regress und
Dogmatismus haben. De facto bleibt dabei aber nur der Dogmatismus als einzige Alternative bestehen – eben auch für die positive Wissenschaft. Jede Theorie ist notwendig von Werturteilen in diesem Sinne (als dogmatisch gesetzte erste Prinzipien) durchsetzt. Alberts vorgeschlagene Lösung des Dogmatismusproblems über das „Prinzip der
kritischen Prüfung“ ist selbst ein dogmatisches Prinzip auf einer anderen Begründungsebene. Denn es bedarf einer vorherigen Klärung der Frage, welche Kriterien man anlegen soll, um die kritische Prüfung durchzuführen. Diese Kriterien sind selbst nicht letztbegründet und damit dogmatisch gesetzt. Dies ist genau die Position Feyerabends
(1979: 54): „Argumentieren ist für den einen Beobachter Propaganda, für den anderen
das Wesen menschlicher Verständigung.“ Das Prinzip der kritischen Prüfung basiert
auf normativen Vorstellungen, die innerhalb einer Tradition unmittelbar einleuchten
können. Es sind aber stets andere Traditionen denkbar, in denen dies nicht gilt. Den
„Impartial Observer“ gibt es nicht. Und selbst diese relativistische Position führt noch
in eine Paradoxie oder einen ihr speziell eigenen Dogmatismus: Der Relativismus muss
sich selbst als absolut setzen, um behaupten zu können, dass alles relativ ist.
Jede „Lösung“ des Dogmatismusproblems ist ein neuer Dogmatismus, der möglicherweise deshalb nicht als solcher erkannt wird, weil man so sehr Teil der Tradition ist,
dass man ihre Bedingtheit nicht erkennt. Vielleicht ist es auch zielführender, den Begriff
Dogma aufbauend auf Kripke (1982) durch den Begriff einer normativen Pragmatik zu
ersetzen, um die pejorativen Obertöne loszuwerden und um klarzumachen, dass wir
uns selbst den Grund, die Gründe, geben müssen, auf denen wir unsere wissenschaftlichen Häuser bauen können.
Aber wenn man an dieser Stelle angekommen ist, versteht man den eigentlichen grausamen Witz des Projekts der Aufklärung: Wir haben akzeptiert, dass innerhalb des Modells
rationalen Argumentierens aus dem Sein kein Sollen folgt. Aber es gilt genauso, dass im Bereich der
Erkenntnis jedes Sein nur aus einem Sollen folgen kann.
Wir möchten damit an dieser Stelle eine eigentlich methodische Banalität unterstreichen: Normative Fragen entstehen für sozialwissenschaftliche Theorien jedweder Art
nicht nur im Anschluss an die durchgeführten Untersuchungen 2 , sondern sie beginnen
bereits mit der Frage „was man vorne reinsteckt“, z.B. in Form von Verhaltensannahmen über Akteure. Wir können uns der normativen Prämissen bewusst sein oder nicht,
diese offenlegen oder nicht; in jedem Fall gilt: Theorien fußen immer auf normativen
Annahmen. Die Tatsache, dass auch positive Theorien begründungstheoretische Probleme haben, macht es für die normativen Theorien nicht besser, zeigt aber, dass der
Unterschied zwischen positiv und normativ nicht so groß ist, wie vielleicht vermutet.
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416
Ein Beispiel von Rainer Maurer: „welche Einkommensverteilung eine Gesellschaft als erstrebenswert ansehen möchte“.
Die Auseinandersetzung mit der Frage, wie man in einer pluralen Gesellschaft mit heterogenen moralischen Positionen umgehen kann, ist dabei ferner zunächst einmal von
der Frage zu trennen, welchen Wahrheitswert ethische Prinzipien haben. Zur zweiten
Frage ist seit David Humes (1739, 1978) Feststellung eines Sein-Sollen-Fehlschlusses
viel geschrieben worden. Es ist dabei interessant zu vermerken, dass selbst George
Edward Moore (1903), auf den der oft missverstandene Begriff des naturalistischen
Fehlschlusses zurückgeht, nach Christine Korsgaard (1992) eine spezielle Form des
ethischen Realismus vertreten hat. Die Einsicht, dass innerhalb eines ontologisch-epistemischen Systems naturalistische Fehlschlüsse möglich sind, bedeutet daher noch
nicht, die Wahrheitsfähigkeit normativer Aussagen zurückzuweisen. Selbst David
Hume ging von der Möglichkeit moralischer Erkenntnis aus. Sein Argument des SeinSollen-Fehlschlusses richtete sich gegen eine Rechtfertigung moralischer Verpflichtungen im Sinne des Realismus. Für ihn resultierte die Verpflichtung aus der Natur des
Menschen als soziales Wesen; Christine Korsgaard (1992) nennt dies das Verfahren der
reflexiven Billigung.
Wenn wir nun fragen, woher eine bestimmte ethische Position ihre Verpflichtungswirkung für den Einzelnen bezieht, kennen wir wenigstens zwei Argumentationsweisen,
die dieses begründungstheoretische Vakuum zu füllen versuchen. Die eine geht auf Immanuel Kant zurück und basiert auf der Idee, dass der Einzelne gebunden ist an die
Praktische Vernunft, so dass er das moralisch Gebotene aus Pflicht verrichtet. Und die
andere ist durch die Tugendethik gegeben, die in gewisser Hinsicht die Kantsche moralische Pflicht verkörpern möchte, so dass der tugendhafte Mensch Pflicht und Neigung
zur Deckung bringt. Ein nicht weiter eingebetteter Verweis auf die exklusive Rolle von
Institutionen zur Lösung normativer Fragen löst das Begründungsproblem, indem es
dieses ignoriert.
6.
Praxis und Kultur
Rainer Maurer stößt sich an unserer Kritik an einer naturwissenschaftlich-orientierten
Ökonomik und fragt, wie „eine moderne Ethik ohne Berücksichtigung erfahrungswissenschaftlicher und damit auch naturwissenschaftlicher Erkenntnisse auskommen
kann“. Es ist aus unserer Sicht völlig zutreffend, dass eine jede Ethik die konkreten
Lebens- und Systemwirklichkeiten ihres jeweiligen Reflexionsfeldes nicht nur zur
Kenntnis nimmt, sondern diese auch theoretisch verarbeitet.
Es wurde dazu an anderer Stelle (vgl. Beschorner 2013; 2015) formuliert, dass moralische Probleme in der Praxis nicht nur Anlass, sondern methodischen Ausgangspunkt
für eine Ethik darstellen sollten. Wir bezweifeln nicht, dass auch „naturwissenschaftliche Erkenntnisse“ hierzu beitragen können. Dies jedoch angesichts reichlich kulturell
aufgeladener Lebenswelten und systemischer Wertsphären auf naturwissenschaftliche
Phänomene zu beschränken, erscheint uns unzureichend.
7.
Neurowissenschaften und der „(un)freie Wille“?
Rainer Maurer erachtet „erfahrungswissenschaftliche Erkenntnisse“ aus den Neurowissenschaften für besonders relevant und hält dazu mit Blick auf moralische Fragen noch
eine Pointe bereit: Die Ultima Ratio, das Individuum aus der moralischen Verantwortung zu entlassen, in der wir es gerne stärker sähen, besteht für ihn darin, ihm den freien
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Willen abzusprechen. Aber wenn Menschen keinen freien Willen haben, dann kann man
sie nach herrschender Auffassung auch nicht für ihr Verhalten moralisch verantwortlich
machen. Was ist von Rainer Mauers Argument zu halten?
Zunächst sollte man sich bewusst machen, dass eine solche gesellschaftstheoretische
Konzeption verdächtig wenig nach liberalem Staat und Demokratie aussieht, sondern
vielmehr nach Skinnerschem Behaviorismus. Aber mehr zum Punkt. Die Frage nach
dem freien Willen berührt Grundsatzfragen, die wichtig sind. In der philosophischen
Debatte zu diesem Thema ist die aus unserer Sicht herrschende Meinung, dass die Interpretation neurowissenschaftlicher Ergebnisse als Evidenz für oder gegen Willensfreiheit einen Kategorienfehler darstellt (vgl. Habermas 2004; 2006).
Um diesen zu verstehen, muss man zwischen Gehirn und Geist unterscheiden (vgl.
Dietrich/List 2015). Gehirn bezieht sich dabei auf die physischen Mechanismen, die
einer Beobachtung „von außen“ zugänglich sind. Beobachtung des Gehirns impliziert
eine Dritte-Person-Perspektive. Geist bezieht sich hingegen auf das subjektive Erleben
des Menschen. Es handelt sich um eine Erste-Person-Perspektive. Willens- oder Handlungsfreiheit erschließen sich uns aus einer solchen Erste-Person-Perspektive; in diesem
Bereich erleben wir uns als frei, glücklich, verzweifelt, oder was auch immer. Phänomenologisch bedeutet das, dass wir als Individuen in der Erste-Person-Perspektive existieren 3. Die Frage ist nun, inwieweit die Verbundenheit der Erste- mit der Dritte-Person-Perspektive und der (angenommene) naturwissenschaftliche Determinismus bei
der Beschreibung des Gehirns dazu Anlass gibt, unser Erleben von Willensfreiheit als
Illusion zu verwerfen.
Um die Frage nach der Willensfreiheit stellen zu können, muss zunächst geklärt werden,
was man darunter versteht. Tugendhat (2007: 57ff) unterscheidet zwischen Handlungsfreiheit und Willensfreiheit und argumentiert, dass die Frage, ob ich meine Hand heben
kann, wenn ich will (vgl. Libet-Experiment, z.B. in Libet 1999), nichts mit Willens-,
sondern mit Handlungsfreiheit zu tun hat. „Bei dieser gibt es gar keinen Grund, am
Verursachtsein des Wollens Anstoß zu nehmen“. Aufbauend auf Kant und Locke argumentiert Tugendhat (ebd.), dass „Willensfreiheit das Vermögen ist, nicht nur von unmittelbar empfundenen Motiven in seinem Handeln bestimmt zu sein, sondern nach
Gründen zu handeln“. Anders als bei der Handlungsfreiheit erscheint eine Person nicht
nur frei, etwas zu tun, sondern frei, ihr Wollen zu bestimmen. Dies setzt ein handelndes
Ich, eine Konzeption von Zukunft und ein normatives Konzept voraus, welches die
unmittelbaren Handlungsimpulse mit der Vorstellung des langfristig Guten abgleicht.
Die Begriffspaare „Willensfreiheit“ und „Zwang“ auf der einen und „Determinismus“
und „Indeterminismus“ auf der anderen Seite gehören unterschiedlichen Beschreibungsebenen an. Eine Vermischung dieser bedeutet einen Kategorienfehler (vgl. Bieri
2006; Habermas 2004; 2006). Determinismus und Willensfreiheit sind daher vereinbar,
weil beide Beschreibungsebenen nichtreduzierbar nebeneinander bestehen. Tugendhat
(2007: 57ff) argumentiert für eine solche Irreduzierbarkeit, indem er ausführt, dass die
Ich-Perspektive nicht in eine Dritte-Person-Perspektive übersetzbar ist: „Hier drängt
sich nun aber (…) auf, dass nicht zu sehen ist, wie es überhaupt möglich sein soll, das
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3
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Auch Aussagen über unser Gehirn erleben wir in dieser Perspektive.
Bewusstsein, dass etwas von mir abhängt, (…) in eine objektive Sprache zu übersetzen,
in der das Wort «ich» nicht vorkommt“.
Wir bezweifeln nicht, dass aus den Neurowissenschaften interessante Einsichten für die
Sozialwissenschaften (z.B. die Ökonomik) resultieren und weiterhin resultieren werden.
Aus diesen Ergebnissen die Beschränkung des freien Willens abzuleiten, erscheint uns
jedoch so nicht möglich zu sein.
8.
Metaphysik – immer
Rainer Maurer entwickelt Teile seiner Kritik auf Basis des Falsifizierbarkeitskriteriums
des Kritischen Rationalismus. Um das Argument spannend zu machen, akzeptieren wir
die Schlussfolgerung, unsere Aussage sei nicht falsifizierbar und daher metaphysischer
Kokolores. Dann sind zwei Dinge anzumerken.
Zum einen gilt dieselbe Schlussfolgerung natürlich auch für die umgekehrte Hypothese,
dass eine Gesellschaft, die alle Probleme durch die Schaffung institutioneller Regeln
lösen will, die Probleme in den Griff bekommen kann und dabei liberalen (in einem
bestimmten, näher zu bestimmenden Sinn) Prinzipien treu bleibt; sie ist ebensolcher
metaphysischer Kokolores. Jeder Versuch, das gesellschaftliche Zusammenleben auf
bestimmten Prinzipien zu fußen, basiert notwendig auf in diesem Sinne metaphysischen
Voraussetzungen, ob wir uns derer bewusst sind oder nicht. Die Zukunft ist in einem
Sinne offen, dass wir über das Gelingen unserer Anstrengungen nur spekulieren können.
Was ist zum Verfahren der Falsifizierbarkeit zu sagen? Die meisten (alle?) wissenschaftlichen Falsifikationsversuche konfrontieren wissenschaftliche Hypothesen nicht mit
„der Realität“, sondern mit Hypothesen anderer „Wirklichkeiten“, die innerhalb einer
anderen Theorie abgeleitet wurden. Falsifikation bedeutet dann nicht mehr und nicht
weniger, als dass beide Theorien miteinander unverträglich sind. Eine Korrespondenztheorie der Sprache (also eine Prämisse der Art, dass die Ordnung der Welt der Ordnung der Sprache entspricht und durch sie abgebildet werden kann) ist philosophisch
heftig umstritten (Marian 2015). Wir können sie aus pragmatischen Gründen vielleicht
nutzen, müssen uns aber darüber bewusst bleiben, auf welchen Prämissen sie basiert 4.
9.
Fin
Die Ökonomik tut sich schwer mit der Moral. Will sie diese Schwierigkeiten beheben,
so erscheinen Grundsatzdiskussionen notwendig, die eine stärkere Reflexion des philosophischen Voraussetzungsreichtums ökonomischer Theorien zum Ziel haben. Es hat
uns durchaus erstaunt, dass gerade die Idee des notwendigen Ineinandergreifens von
Verantwortung und freiheitlicher Gesellschaft als (versteckter) Angriff auf eben diese
gewertet wird. Ist eine Gesellschaft, die ohne Verantwortung von Akteuren auskommen
und alles durch staatliche Institutionen regeln will, tatsächlich frei?
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4
Siehe hierzu auch das sogenannte Unterbestimmtheits- oder Duhem-Quine-Problem (Quine
1979).
zfwu 16/3 (2015), 410–421
419
Literatur
Albert, H. (1968): Traktat über kritische Vernunft, Tübingen: Mohr Siebeck.
Beschorner, T. (2013): Kulturalistische Wirtschaftsethik: Grundzüge einer Theorie der Anwendung, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, Jg. 14/Heft 3, 346–372.
Beschorner, T. (2015): Erkundungen zu einem noch nicht gefundenen Ort des „moral point of
view“, in: Beschorner, T./Ulrich, P./Wettstein, F. (Hrsg.): St. Galler Wirtschaftsethik.
Programmatik – Positionen – Perspektiven, Marburg: Metropolis-Verlag, 305–336.
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unternehmensverantwortung-und-politik/ (zuletzt abgerufen am 02.11.2015).
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