Gesundheitsexperten fordern Adipositas-Strategie | Manuskript Gesundheitsexperten fordern Adipositas-Strategie Bericht: Inga Klees Fastfood, Softdrinks, Essen überall und jederzeit bei mangelnder Bewegung, fordern ihren Tribut. 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden an Übergewicht und ein Drittel von ihnen ist adipös, d.h. sie sind nicht nur viel zu dick, sondern ihr Gewicht macht sie anfällig für Diabetes, Bluthochdruck, Überlastung der Gelenke. Christoph ist einer von ihnen. Er und seine Mutter versuchen ihr Gewicht zu halten und nicht weiter zuzunehmen. Christoph Koßlowski Wir kaufen weniger Fleisch, auch weniger Kohlenhydrate. Wir haben uns jetzt darauf spezialisiert, sag ich jetzt mal, mehr Gemüse und kleinere Portionen generell aufzunehmen. In Deutschland versuchen viele Kinder und Jugendliche verzweifelt abzunehmen. Sie probieren Diäten, fahren zur Kur, durchlaufen kontrollierte Therapieprogramme. Alles Maßnahmen, auf die sich Medizin und Krankenkassen seit langem verständigt haben. Doch sie helfen wenig, so das Ergebnis jüngster weltweit angelegter Studien. Dauerhaft Gewicht zu reduzieren ist kaum möglich. Spätestens nach zwei Jahren sind bei den allermeisten die vielen Kilos wieder da: Prof. Martin Wabitsch, Kinderarzt und Präsident der Deutschen Adipositasgesellschaft Wir haben gefunden, dass alle publizierten Untersuchungen, die durchgeführt wurden, um Schulungsprogramme für Kinder und Jugendliche mit Adipositas zu evaluieren, alle gemeinsam zeigen, dass die Wirksamkeit dieser Programme sehr begrenzt ist. Und das Ergebnis, was wir nachher auf der Waage haben, nicht dem entspricht, was Eltern und auch die meisten der Ärzte erwarten. Christoph hat extremes Übergewicht. Auch er hat mehrere Abnehmversuche hinter sich. Alle ohne Erfolg. Jetzt nimmt er ein Jahr lang am Ulmer Schulungsprogramm teil. Intensive Ernährungsberatung, spezielles Sportprogramm und psychologische Betreuung auch hier. Aber die Erwartungshaltung an den Erfolg der Therapiemaßnahmen ist realistischer: Christoph Koßlowski Ich hab am Anfang natürlich was ganz anderes erwartet. Ich hab jetzt gedacht, ich geh dahin und nehm dann da sofort ab, aber das war natürlich jetzt nicht so. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Gesundheitsexperten fordern Adipositas-Strategie | Manuskript Prof. Martin Wabitsch: Wenn du dran denkst, dass du vorher ja 10 Kilo im Jahr zugenommen hast und das auch weiter zugenommen hättest, dann ist das , was du in einem halben Jahr hier erreicht hast, schon ein schöner Erfolg. Ohne bahnbrechende neue Forschungsergebnisse wird Adipositas den 15-Jährigen sein Leben lang begleiten. D.h. gesunde Ernährung, viel Bewegung, Sport und eiserne Disziplin lebenslang. Denn Adipositas ist eine äußerst komplexe Krankheit, es geht um Vererbung, Hormone, neurologische Zusammenhänge, das soziale Umfeld. Und unser Körper hat extrem trickreiche Mechanismen entwickelt, mit denen er ständig gegen das Abnehmen ankämpft: Prof. Martin Wabitsch: Wir meinen immer noch Adipositas ist selbstverschuldet und jeder kann ja, wenn er weniger isst und sich mehr bewegt sein Gewicht normalisieren. Das ist die Vorstellung und entsprechend sind auch die Erwartungen an die Programme hoch und das Urteil darüber, wenn jemand nicht abnimmt, ist dann so, dass man dem die Schuld gibt. Und das alles stimmt nicht, sondern Adipositas ist ein biologisches Phänomen erstmal und es ist ein Ergebnis gesellschaftlicher Veränderung. Auch das Bundesgesundheitsministerium sieht die Entwicklung, dass 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen hierzulande übergewichtig sind und dies oft ein Leben lang bleiben als Besorgnis erregend an. „Deshalb wird das Bundesgesundheitsministerium in den nächsten Jahren die Prävention von Übergewicht bei Kindern nochmals verstärkt fokussieren“, heißt es in einer Stellungnahme an FAKT. Dietrich Monstadt, CDU-Mitglied im Gesundheitsausschuss, will sogar eine nationale Adipositas-Strategie durchsetzen: Dietrich Monstadt MdB, CDU, Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestags: Wir brauchen mehr Mittel für Forschung in dem Bereich, gerade in dem Bereich der betroffenen Kinder muss mehr passieren. Meine Vorstellung wäre, dass wir ähnlich wie im Krebsbereich zu einer nationalen Adipositas-Strategie kommen, um dort über alle Ressorts, über alle Ansätze von der Bundespolitik über die Landespolitik in den Kommunalbereich ressortübergreifend Ansätze zu finden, diesem Problem entgegen zu wirken. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Gesundheitsexperten fordern Adipositas-Strategie | Manuskript Denn es geht um Zukunft, Perspektiven. Stefan Radojewski ist 23 Jahre alt. Aus einem dicken Kind ist ein noch dickerer Erwachsener geworden. In seiner schlimmsten Phase hat er 165 Kilo auf die Waage gebracht. Stefan Radojwski: Man leidet halt erstens unter dem psychischen Druck, den man alleine schon hat dadurch, dass man immer angeguckt wird. Zum anderen auch noch die Schmerzen und körperlichen Einschränkungen ,die damit sich kommen. Stefan Radojewski nimmt einer Studie unter Leitung von Professor Johannes Hebebrand teil. Hier geht es nicht nur darum den Gesundheitszustand zu verbessern, sondern auch um Jugendliche und junge Erwachsene, die Probleme haben eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz zu finden, weil sie extrem übergewichtig sind: Stefan Radojewski Gerade dann kam auch so in der Ausbildung meine Problem so, arbeiten oder so, man wurde halt ein bisschen langsamer dadurch, dass man das entsprechende Gewicht hatte. Johannes Hebebrand: Gab es denn bei der Arbeit Kollegen, die die Stirn gerunzelt haben? Stefan Radojewski: Im Handwerk, die sind halt alle schon so ein bisschen direkter und die hauen dir dann auch den entsprechenden Spruch immer rein. Stefan Radojewski hat eine Ausbildung als Elektriker gemacht. Übernommen wurde er nicht. Inzwischen studiert er Informatik. Bleibt die Frage, wie man den Betroffenen helfen kann: Prof. Johannes Hebebrand, Psychiater, LVR Klinikum Essen: Im Augenblick haben wir kein Patentrezept für die Behandlung der Adipositas. Wir haben es nicht. Ansonsten haben wir bei den konservativen Therapieprogrammen fest zuhalten, sie sind nur relativ bedingt wirksam. Etwas könnte in jedem Fall helfen, gesündere Nahrungsmittel. Lebensmittelindustrie hat sich die Politik bislang nicht richtig herangetraut: Nur an Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. die 3 Gesundheitsexperten fordern Adipositas-Strategie | Manuskript Dietrich Monstadt Ich bin der festen Überzeugung, dass man Lebensmittel mit weniger schädlichen Fetten und mit weniger Zucker produzieren kann. Wenn das anders nicht geht, dann werden wir auch gesetzgeberisch tätig werden müssen. Ich wäre bereit dazu. Ob mir meine Partei da folgt, wird die Zeit erweisen. Die Lebensmittelindustrie in die Pflicht zu nehmen, ohnehin eine sinnvolle und wirksame Maßnahme im Kampf gegen die Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 4